Methode der kleinen Schritte

Die Methode der kleinen Schritte ist eine physikalische Anwendung des eulerschen Polygonzugverfahrens, die zur näherungsweisen mathematischen Beschreibung von Bewegungen dient.

Wenn beispielsweise die wirkende Kraft nicht konstant ist, so ist mit einfacher Mathematik keine Auswertung des ersten newtonschen Gesetzes möglich, da die Beschleunigung nicht konstant ist. Auf einfachstem Niveau wird die Beschleunigung jeweils für ein Zeitintervall Δt als konstant angenommen, daraus die resultierende Geschwindigkeit und der Ort am Ende des Zeitabschnittes bestimmt und mit der nun wirkenden Kraft der nächste Berechnungsschritt im nächsten Zeitintervall Δt vorgenommen.

Anwendungsbeispiel: Erdnaher freier Fall

Man wendet die Methode der kleinen Schritte beispielsweise bei der Bewegung im freien Fall an.

Physikalischer Hintergrund

Anwendung einer Tabellenkalkulation

Mit Hilfe einer Tabellenkalkulation kann man derartige Probleme aber in viele einfache und vor allem lösbare Teilaufgaben zerlegen, deren Ergebnisse man durch das Computerprogramm zur Gesamtlösung zusammensetzen lässt. Die Vorteile liegen auf der Hand:

Die Vorgehensweise ist immer gleich: Mit elementaren Formeln werden relevante Größen wie Kraft, Beschleunigung oder Temperatur für einen gewissen Zeitpunkt berechnet – das sind die Anfangswerte für den nächsten Zeitpunkt. Die Ergebnisse sind nur dann korrekt, wenn sich von einem Zeitpunkt zum nächsten nur wenig ändert. Wie groß diese Änderungen und vor allem jeder Zeitschritt sein dürfen, kann man den Ergebnissen leicht entnehmen. Komplexe Formeln, wie sie beispielsweise bei der Wettervorhersage vorkommen, lassen sich gar nicht anders auswerten.

Einzelformeln des freien Falls mit Luftwiderstand

In der folgenden Berechnung wird angenommen, dass ein kugelförmiger Eisen-Meteor der Masse m = 4 g und der Querschnittsfläche A = 1 cm² mit der Geschwindigkeit v = 15 km/s in die Atmosphäre eindringt und abgebremst wird. Gesucht sind Geschwindigkeit und Bremsverzögerung als Funktion der Höhe. Diese Werte werden in bekannte Formeln eingesetzt und für jeden Zeitschritt neu berechnet. Die Einzelergebnisse werden in der Tabelle zu den gesuchten Größen kombiniert und zum Schluss graphisch ausgegeben. Man startet das Verfahren in ausreichend großer Höhe h, wo der Luftwiderstand noch vernachlässigbar ist.

a_{{\mathrm  {gravi}}}=9{,}81\,{\frac  {{\mathrm  {m}}}{{\mathrm  {s}}^{2}}}\cdot \left({\frac  {6370000\,{\mathrm  {m}}}{6370000\,{\mathrm  {m}}+h}}\right)^{2}
\rho (h)=\rho ({\text{Boden}})\cdot e^{{-{\frac  {h}{8400\,{\mathrm  {m}}}}}}
F_{{\text{Luft}}}=0{,}5\cdot \rho (h)\cdot C_{w}\cdot A\cdot v^{2}
a_{{\mathrm  {gesamt}}}=a_{{\mathrm  {gravi}}}-{\frac  {F_{{\mathrm  {Luft}}}}{m}}
v_{{\mathrm  {neu}}}=v_{{\mathrm  {alt}}}+a_{{\mathrm  {gesamt}}}\cdot dt
h_{{\mathrm  {neu}}}=h_{{\mathrm  {alt}}}+v_{{\mathrm  {neu}}}\cdot dt

Die Berechnung erfolgt schrittweise mit elementaren Mitteln und entspricht einer einfachen Integration, die bei ausreichend kleinem dt brauchbare Ergebnisse liefert. Speziell für die letzten beiden Schritte existieren bessere, aber auch aufwendigere Verfahren, die in Numerische Integration beschrieben sind. Oft ist deren Anwendung übertrieben, wenn nur ein schneller Überblick gewünscht wird oder – wie in diesem Beispiel – die Formel für den Strömungswiderstand für Überschallgeschwindigkeit nicht exakt gilt.

Numerische Lösung

Berechnungstabelle für freien Fall mit Luftwiderstand
Abbremsung eines Meteors in der Atmosphäre

Zunächst werden die Parameter in den Zellen J1 bis J5 und die Startwerte in A3, B3, C3 festgelegt, diese Werte werden fast überall in der Tabelle benötigt. In anderen Programmiersprachen würde man von „globalen Variablen“ sprechen. Die eben aufgezählten Formeln werden in benachbarten Spalten der Tabellenkalkulation programmiert, die Zwischenergebnisse werden im Regelfall in weiter rechts liegenden Spalten weiterverarbeitet. Die „Weiterschaltung“ in die folgende Zeile erfolgt dadurch, dass das Ergebnis der Zelle G3 verwendet wird, um den Inhalt der Zelle B4 nach dem folgenden Zeitschritt zu berechnen. Zum Schluss kopiert man die Formeln der 3. bzw. 4. Zeile in die nächsten 2000 Zeilen – gleichzeitig wird das Ergebnis berechnet.

Von ausschlaggebender Wichtigkeit für die physikalische Korrektheit der Ergebnisse ist die sinnvolle Wahl des Zeitschrittes dt, der möglichst klein sein soll und in der nebenstehenden Tabelle den – für diese Aufgabenstellung – recht hohen Wert 0,2 s hat. Das führt in der Umgebung der Zelle G20 zu gerade noch akzeptierbaren Wertesprüngen von etwa 40 %. Allerdings bewirkt auch eine Vergrößerung auf dt = 1 s noch keine gravierenden Änderungen, was die Robustheit dieses Lösungsverfahrens demonstriert.

Im nebenstehenden Bild wird neben der Tabelle die Gesamtbeschleunigung in Abhängigkeit von der Höhe dargestellt. Die überraschenden Ergebnisse:

Weiterführende Untersuchungen

Das beschriebene Verfahren lädt dazu ein, Parameter wie Größe und Anfangsgeschwindigkeit zu variieren und deren Auswirkungen auf die berechneten Ergebnisse zu untersuchen. Diese Art von „experimenteller Mathematik“ kann zu größerem Verständnis der enthaltenen Physik führen als die Auswertung der komplexen Formeln im vorhergehenden Absatz.

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 09.07. 2021