Trennung der Veränderlichen
Die Methode der Trennung der Veränderlichen, Trennung der
Variablen, Separationsmethode oder Separation der Variablen
ist ein Verfahren aus der Theorie der gewöhnlichen
Differentialgleichungen. Mit ihr lassen sich separierbare
Differentialgleichungen erster Ordnung lösen. Das sind
Differentialgleichungen, bei denen die erste Ableitung ein Produkt aus einer nur
von
und einer nur von
abhängigen Funktion ist:
Der Begriff „Trennung der Veränderlichen“ geht auf Johann I Bernoulli
zurück, der ihn 1694 in einem Brief an Gottfried Wilhelm
Leibniz verwendete.
Ein ähnliches Verfahren für bestimmte partielle Differentialgleichungen ist der Separationsansatz
Lösung des Anfangswertproblems
Wir untersuchen das Anfangswertproblem
für stetige (reelle) Funktionen
und
.
Falls
,
so wird dieses Anfangswertproblem durch die konstante Funktion
gelöst. Diese Lösung muss unter den angegebenen Bedingungen nicht eindeutig
sein.
Formulierung des Satzes
Es seien
mit
.
Dann gilt:
- Es gibt ein
umfassendes offenes Intervall
mit
für alle
. Dann ist die Abbildung
auf
wohldefiniert und streng monoton.
Weiter gibt es einumfassendes offenes Intervall
, so dass die Abbildung
für alle
Werte in
hat.
- Seien
und
wie oben. Dann ist
die eindeutige Lösung des Anfangswertproblems
auf.
Die Lösung
des Anfangswertproblems ist in diesem Fall also die Lösung der Gleichung
.
Man beachte, dass im Fall der konkreten Gestalt der getrennten Veränderlichen
tatsächlich lokale Eindeutigkeit bei
vorliegt, obwohl
und
keine lokale Lipschitz-Bedingung
zu erfüllen brauchen.
Beweis
Da
und
stetig, gibt es ein
umfassendes offenes Intervall
,
so dass
für alle
.
Insbesondere hat
auf
dasselbe Vorzeichen,
so dass
auf
wohldefiniert und streng monoton ist.
ist ein 0 umfassendes offenes Intervall. Also gibt es ein
umfassendes offenes Intervall
,
so dass
für alle
gilt.
ist auf
wohldefiniert, und wegen
für alle
gilt
auf .
Bei der Ableitung
wurden die Kettenregel
und die Umkehrregel genutzt.
Natürlich ist
.
Dies beweist die Existenz einer Lösung des angegebenen Anfangswertproblems.
Für die Eindeutigkeit nehme man an, dass
irgendeine Lösung des Anfangswertproblems auf
ist. Es wird nun gezeigt, dass
auf
gilt; die Eindeutigkeit links von
geht analog.
Angenommen, die Eindeutigkeit rechts von
wäre verletzt. Wegen der Stetigkeit von
und
gibt es ein
mit
,
so dass
für alle
wahr ist, für das jedoch die Aussage
auf
für jedes
mit
falsch ist. Im Folgenden wird gezeigt, dass es dennoch ein positives
gibt, für das obige Aussage wahr ist, was den gewünschten Widerspruch
impliziert.
Wegen
gibt es ein
mit
,
so dass
für alle
gilt. Insbesondere ist
auf
wohldefiniert, und es gilt
für alle
.
Dies impliziert ,
also
für alle
,
was mit der Definition von
übereinstimmt. Dies liefert den Widerspruch zur Annahme der Nichteindeutigkeit.
Beispiel
Gesucht sei die Lösung
des Anfangswertproblems
.
Hierbei handelt es sich um eine Differentialgleichung mit getrennten Variablen:
.
Setze also
.
Die Umkehrfunktion lautet
.
Also ist die Lösung des Anfangswertproblems gegeben durch
.
Differentiale als anschauliche Rechenhilfe
Anschaulich besagt der Satz von der Trennung der Veränderlichen, dass das
folgende Vorgehen erlaubt ist, d.h. zu richtigen Ergebnissen führt (obwohl
die Differentiale
und
eigentlich nur Symbole sind, mit denen man streng genommen nicht rechnen kann):
- Schreibe die Ableitung konsequent als
.
- Bringe alle Terme, in denen ein
vorkommt – einschließlich des
– auf die rechte, und alle anderen – einschließlich des
– auf die linke Seite, unter Anwendung gewöhnlicher Bruchrechnung.
- Es sollte dann links im Zähler ein
und rechts im Zähler ein
stehen.
- Setze einfach vor beide Seiten ein Integralsymbol und integriere.
- Löse die Gleichung gegebenenfalls nach
auf.
- Ermittle die Integrationskonstante
mithilfe der Anfangsbedingung.
Die Rechnung für das obige Beispiel würde dann auf folgende Weise ablaufen:
mit ,
also
.
Literatur
- Wolfgang Walter: Gewöhnliche Differentialgleichungen.4. überarbeitete Auflage. Springer, 1990, ISBN 3-540-52017-1.
- Kurt Endl, Wolfgang Luh: Analysis I. 9. Auflage. Aula-Verlag, Wiesbaden 1989,ISBN 3-89104-498-4.
- Harro Heuser: Gewöhnliche Differentialgleichungen. Einführung in Lehre und Gebrauch. 6. aktualisierte Auflage. Vieweg+Teubner, 2009, ISBN 978-3-8348-0705-2.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 05.07. 2020