Biozid

Biozide (abgeleitet von altgriechisch βίος bios, deutsch ‚Leben‘ und lateinisch caedere ‚töten‘) sind im nicht-agrarischen Bereich eingesetzte Chemikalien oder Mikroorganismen zur Bekämpfung von Schädlingen (wie Ratten, Insekten, Pilze, Mikroben), also beispielsweise Desinfektionsmittel, Rattengifte oder Holzschutzmittel. Teilweise werden die Wirkstoffe in Bioziden auch als Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln (PSM) verwendet. Der Unterschied ist, dass Biozide dafür gedacht sind, die Gesundheit und die Produkte des Menschen zu schützen, während Pflanzenschutzmittel Pflanzen (auch geerntete) schützen sollen. Damit sind auch Art und Ort der Verwendung unterschiedlich (am Menschen bzw. in seinem Haus – auf dem Feld bzw. im Gewächshaus und Lager).

Definition

Biozidprodukte unterliegen in der Europäischen Union der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozid-Verordnung). Diese definiert in Artikel 3 Absatz 1 a) Biozidprodukte als:

„jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen“

und

„jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch, der/das aus Stoffen oder Gemischen erzeugt wird, die selbst nicht unter den ersten Gedankenstrich fallen und der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.“

Produkte, die beim Anbau von Pflanzen verwendet werden, werden nicht als Biozide, sondern als Pflanzenschutzmittel bezeichnet. Biozide werden auch „nichtlandwirtschaftliche Pestizide“ genannt.

Beispiele für biozide Anwendungen sind
In der Klimatechnik werden Biozide gegen Mikroorganismen dem Wasserkreislauf zugesetzt. Damit wird eine Verkeimung des Rückkühlwerks verhindert. Farben für Fassaden- und Schiffsanstriche enthalten sogenannte Antifoulings, um Schädlingsbefall der gestrichenen Flächen zu verhindern. Holzschutzmittel enthalten häufig sowohl Insektizide als auch Fungizide. Textilien werden u.a. mit Mikrobiziden ausgerüstet. Durch Zugabe von so genannten Topfkonservierungsmitteln (englisch in-can preservatives) wird verhindert, dass sich flüssige Wasch- und Reinigungsmittel sowie Farben und Lacke mikrobiell zersetzen. Eine wichtige Substanzgruppe bei den Topfkonservierungsmitteln sind die Isothiazolinone.

Einteilung nach Produktarten

Die EU-Verordnung Nr. 528/2012 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten bzw. die schweizerische Biozidprodukteverordnung definieren vier Hauptgruppen: Desinfektionsmittel, Materialschutzmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel sowie eine kleine Gruppe 'Sonstige' (Antifoulingmittel, Leichen- / Tierkörperpräparationsmittel). Die vier Hauptgruppen sind in 22 Biozid-Produktarten (bzw. -typen, PT) unterteilt (Die Biozid-Richtlinie 98/8/EG kannte 23 PT, aber PT 20, „Schutzmittel für Lebens- und Futtermittel“, wurde gestrichen, und die vorherige PT 23 wird neu als Produktart 20 geführt).

Gruppe Definition aus Verordnung
Hauptgruppe 1 Desinfektionsmittel und allgemeine Biozid-Produkte
Produktart 1 Biozid-Produkte für die menschliche Hygiene
Produktart 2 Desinfektionsmittel für den Privatbereich und den Bereich des öffentlichen Gesundheitswesen sowie andere Biozid-Produkte
Produktart 3 Biozid-Produkte für die Hygiene im Veterinärbereich
Produktart 4 Desinfektionsmittel für den Lebens- und Futtermittelbereich
Produktart 5 Trinkwasserdesinfektionsmittel
Hauptgruppe 2 Schutzmittel
Produktart 6 Topf-Konservierungsmittel
Produktart 7 Beschichtungsschutzmittel
Produktart 8 Holzschutzmittel
Produktart 9 Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und polymerisierte Materialien
Produktart 10 Schutzmittel für Mauerwerk
Produktart 11 Schutzmittel für Flüssigkeiten in Kühl- und Verfahrenssystemen
Produktart 12 Schleimbekämpfungsmittel
Produktart 13 Schutzmittel für Metallbearbeitungsflüssigkeiten
Hauptgruppe 3 Schädlingsbekämpfungsmittel
Produktart 14 Rodentizide
Produktart 15 Avizide
Produktart 16 Molluskizide
Produktart 17 Fischbekämpfungsmittel
Produktart 18 Insektizide, Akarizide und Produkte gegen andere Arthropoden
Produktart 19 Repellentien und Lockmittel
Produktart 20 Produkte gegen sonstige Wirbeltiere
Hauptgruppe 4 Sonstige Biozid-Produkte
Produktart 21 Antifouling-Produkte
Produktart 22 Flüssigkeiten zur Einbalsamierung und Taxidermie

Einteilung nach Zielorganismen

Zulassung

Seit Erlass der EU-Biozid-Richtlinie 1998 müssen Biozidprodukte zugelassen werden. Das Verfahren ist zweistufig:

  1. Wirkstoff-Genehmigung: jeder Wirkstoffe, für den ein Hersteller dies beantragt und unterstützt, wird in einem gemeinsamen Verfahren aller EU-Mitgliedstaaten (MS) geprüft – für jeden Produkttyp (PT) einzeln – und die „Unionsliste“ der Wirkstoffe erstellt.
  2. Produkt-Zulassung: Biozidprodukte mit diesen Wirkstoffen müssen dann das nationale Zulassungsverfahren durchlaufen und z.B. ihre Wirksamkeit, Reinheit und die Kontrollierbarkeit ihrer Nebenwirkungen nachweisen. Nachdem ein Land (MS) ein Produkt zugelassen hat, müssen die anderen Länder, in denen der Hersteller einen Antrag stellt, diese Erstzulassung „anerkennen“ (übernehmen). Im Zuge der Einführung der EU-Verordnung Nr. 528/2012 ist es erstmals möglich, für gewisse Produktarten Unionszulassungen zu beantragen, d.h., die Zulassung gilt dann im gesamten EWR sowie in der Schweiz.

Abgeschlossen werden soll das Wirkstoffverfahren 2024, so dass sich noch viele, für die Verwendung (PT) noch nicht genehmigte Wirkstoffe auf dem Markt befinden dürfen. Für diese „Altwirkstoffe“ gelten Übergangsregeln.

In Deutschland wird die Risikobewertung für Biozide durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) durchgeführt, welche von Gesetzen gefordert wird.

Wirkungsweise

Biozide lassen sich in elektrophile, lytische und oxidierende Wirkstoffe einteilen. Elektrophile Biozide wie Glutaraldehyd, Isothiazolinone, Oxazolidine, Bronopol und DBNPA reagieren mit nukleophilen funktionellen Gruppen wie -SH (Thiol) und -NH (Amin). Dadurch werden z.B. die Amino- und Nukleinsäuren vernetzt, wodurch das Cytoplasma verklumpt. Lytische Biozide wie Quartäre Ammoniumverbindungen und Phosphonium-Verbindungen stellen amphiphile Tenside dar und lösen die Zellmembran auf. Auch Ethanol und Aldehyde wirken gegen die Zellmembran. Oxidierende wie Chlordioxid, Natriumhypochlorit oder Peroxyessigsäure zerstören die Zelle durch Bildung freier Radikale.

Synergieeffekte

Weil fast alle Biozide Wirkungslücken gegen bestimmte Organismen aufweisen, werden häufig Wirkstoffe aus zwei verschiedenen Klassen kombiniert. Einige Kombinationen sind jedoch chemisch unverträglich: Oxidierende Biozide lassen sich nicht mit reduzierenden, wie Carbamaten oder Thionen, kombinieren.

Minimale Hemmkonzentrationen (MIC) wichtiger Biozide

Angaben in ppm

Kurzform des Biozids Biozid Alternaria alternata Schwarzer Gießkannenschimmel
(Aspergillus niger)
Trichoderma viride Aureobasidium pullulans Chaetomium globosum Cladosporium cladosporioides Sclerophoma pityophila Penicillium glaucum Pseudomonas aeruginosa Staphylococcus aureus
OBPA 10,10′-Oxybisphenoxoarsin 10 10 10 10 10 10 10 10 10 10
OIT Octylisothiazolinon 1,5 5 0,5 10 2,5 500 10
DCOIT Dichloroctylisothiazolinon 10 5 100 50 5 5 100 15 13 5
BBIT Butylbenzisothiazolinon 2 31 32 4 0,5 0,5 5 500 2
IPBC Iodocarb 2 2 100 1 5 2 1 1 200
Zink-Pyrithion 7,5 100 50 15 20 5 5 50 400 < 10
Triclosan > 100 0,01
Silber-Ionen 0,003 0,008 0,008
Silber 500 500 500 62,5 350

Biozide und Tierschutz

Der Einsatz von Bioziden steht per Definition in einem Spannungsverhältnis zu den Forderungen des Tierschutzes. Dieses lässt sich auflösen, indem nach Wegen gesucht wird, Schadorganismen fernzuhalten statt zu vernichten. Ein weiterer, noch junger Ansatz sind ökoneutrale Biozide, bei welchen der Hersteller für den Eingriff in eine Tierpopulation einen Ausgleich schafft.

Literatur

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 11.02. 2024