Quantenzahl
Quantenzahlen dienen in der modernen Physik zur Beschreibung bestimmter messbarer Größen, die an einem Teilchen, einem System oder an einem seiner Zustände bestimmt werden können. Sie werden über die Atomphysik und Teilchenphysik hinaus überall dort benutzt, wo die Quantenmechanik Anwendung findet. Eine Quantenzahl für eine bestimmte messbare Größe kann nur solchen Zuständen zugeordnet werden, in denen diese Größe mit einem wohldefinierten Wert vorliegt, so dass sich bei einer Messung mit Sicherheit genau dieser Wert zeigen würde.
Einführung
Anders als in der klassischen
Physik grundsätzlich angenommen haben in der Quantenmechanik nicht
alle messbaren Größen in jedem Zustand
einen wohlbestimmten Wert. Hat aber eine Messgröße in einem Zustand einen
wohlbestimmten Wert, dann wird der Zustand als Eigenzustand
zu dieser Messgröße bezeichnet und ihr wohlbestimmter Wert als der jeweilige Eigenwert.
Nur einem solchen Eigenzustand kann eine Quantenzahl zugeschrieben werden, denn
sie gibt Auskunft, welcher Eigenwert bei diesem Eigenzustand vorliegt. Die
entsprechende Messung
am Teilchen bzw. am System würde dann mit Gewissheit diesen Eigenwert liefern
(abgesehen von eventuellen Messfehlern). Da sich an sehr kleinen Systemen oder
Teilchen viele Größen nur mit diskreten Eigenwerten
zeigen (z.B. Energieniveaus
eines Atoms), kann
man diese Werte einfach durchnummerieren. Einem Eigenzustand wird als
Quantenzahl einfach die laufende Nummer des betreffenden Eigenwerts in
dieser Auflistung zugeschrieben. Wenn es sich um eine Größe handelt, deren
Eigenwerte immer ein Vielfaches einer natürlichen Einheit sind (z.B. hat
der Drehimpuls als Einheit das
plancksche
Wirkungsquantum ),
dann gibt die Quantenzahl den Zahlenfaktor vor dieser Einheit an. In Ausdehnung
auf Größen, die auch in der Quantenmechanik kontinuierlich verteilte Eigenwerte
zeigen (wie Ort und Impuls), wird der vorliegende Eigenwert selbst als
Quantenzahl bezeichnet. Stets ist aber zu beachten, dass nach der
Quantenmechanik in den meisten möglichen Zuständen eines Teilchens oder Systems
für die meisten messbaren Größen gar kein eindeutiger Messwert vorherzusagen
ist. Für diese Größe sind die Zustände dann keine Eigenzustände und haben nicht
die betreffenden Quantenzahlen. Allenfalls findet man die Redeweise, hier habe
eine Quantenzahl einen „unscharfen Wert“ oder sei „keine gute Quantenzahl“. Die
Symbole für die Quantenzahlen sind im Prinzip frei wählbar, werden aber meist
einheitlich gewählt: z.B.
für die Energie,
für den Bahndrehimpuls,
für den Spin, kleine Buchstaben für die Zustände eines einzelnen Teilchens und
große Buchstaben für zusammengesetzte Systeme.
Vollständiger Satz von Quantenzahlen
Ein vollständiger Satz von Quantenzahlen charakterisiert einen Zustand so vollständig, wie es die Quantenmechanik zulässt. D.h. dieser Satz enthält die Information über die (Eigen)Werte sämtlicher Messgrößen, die man am System messen könnte, ohne dass eine der Messungen das Vorliegen des genauen Werts einer anderen Messgröße zerstören würde. So kann z.B. eine Quantenzahl für den Impuls nie zusammen mit einer Quantenzahl für den Ort auftreten, denn die Möglichkeit, gleichzeitig sichere Messergebnisse für Ort und Impuls vorherzusagen, ist durch die Heisenbergsche Unschärferelation ausgeschlossen.
Gebundenes Elektron im Wasserstoff-Atom
Nachstehend werden im Einzelnen die Quantenzahlen beschrieben, die zur vollständigen Beschreibung des einfachsten Atoms, des Wasserstoffatoms, gebraucht werden. Die Eigenzustände des gebundenen Elektrons und seine Wellenfunktion im Wasserstoffatom werden durch vier Quantenzahlen beschrieben:
- als Zustandsvektor:
, bzw. als Wellenfunktion:
.
Dieser Satz von Quantenzahlen wurde von Wolfgang Pauli erstmals 1924 gefunden. Da sie jeweils einen einzigen Zustand eines Elektrons festlegen, konnte er das nach ihm benannte Pauli-Prinzip so formulieren: Keine zwei Elektronen des Atoms können in allen vier Quantenzahlen übereinstimmen.
Hauptquantenzahl
Die Hauptquantenzahl
beschreibt die Schale
(bzw. das Haupt-Energieniveau), zu der der Zustand des Elektrons gehört. Sie
kann beliebige natürliche
Zahlenwerte
annehmen. Die Schalen werden auch der Reihe nach mit
K-,L-,M-,N-...Schale bezeichnet. Elektronen in der K-Schale befinden sich
im Mittel dichter am Atomkern als Elektronen in der L-Schale.
L-Schalen-Elektronen wiederum sind im Mittel näher am Atomkern als
M-Schalen-Elektronen usw.
In der einfachsten quantenmechanischen Berechnung
(Schrödingergleichung
mit Coulomb-Potential) liegt das Energieniveau
damit schon fest:
mit der Rydberg-Energie
,
allerdings müssen im allgemeinen Fall Korrekturen zu dieser einfachen Formel
hinzugefügt werden.
Große
entsprechen immer höheren Anregungen, bei sehr großem
spricht man von Rydberg-Atomen.
Nebenquantenzahl
Die Nebenquantenzahl (auch Bahnquantenzahl oder Drehimpulsquantenzahl)
kennzeichnet die Form
des Atomorbitals in einem Atom.
Bei gegebenem
kann ihr Wert jede kleinere natürliche Zahl (einschließlich Null) sein:
.
Der Name „Drehimpulsquantenzahl“ verweist darauf, dass
der Eigenwert des Quadrats des Drehimpulsoperators
ist.
Im laufenden Text wird der Wert von
oft durch bestimmte, historisch festgelegte Buchstaben gekennzeichnet:
- s für
(ursprünglich für ‚scharf‘, z.B. „s-Zustand“)
- p für
(ursprünglich für engl. ‚principal‘, ‚Haupt‘-Zustand)
- d für
(ursprünglich für ‚diffus‘)
- f für
(ursprünglich für ‚fundamental‘)
- g für
und entsprechend alphabetisch weiter. Die gleiche Bezeichnungsweise wird z.B. auch für die Partialwellen bei Streuung, Kernreaktionen usw. verwendet.
Magnetische Quantenzahl des Drehimpulses
Die magnetische Quantenzahl des Drehimpulses wird mit
bezeichnet und beschreibt die räumliche Orientierung des
Elektronen-Bahndrehimpulses, genauer: die Größe seiner z-Komponente in Einheiten
.
Deshalb wird sie gelegentlich auch als
bezeichnet. Sie kann betragsmäßig nicht größer als die Nebenquantenzahl
sein, aber auch negative ganzzahlige
Werte annehmen (siehe auch Richtungsquantelung):
Sie heißt Magnetquantenzahl, weil sie die zusätzliche potentielle Energie
des Elektrons charakterisiert, die bei Anlegen eines Magnetfeldes in z-Richtung
auftritt (Zeeman-Effekt).
Durch seine Bewegung erzeugt das Elektron ein magnetisches
Moment. Bei (dem Betrag nach) maximaler z-Komponente
zeigt sein Bahndrehimpuls die maximal mögliche parallele oder antiparallele
Ausrichtung zur z-Achse, und das mit ihm verbundene magnetische Moment bewirkt
die im angelegten Feld maximal mögliche Energieerhöhung bzw. -verminderung. Bei
ist die z-Komponente des Bahndrehimpulses null und bleibt ohne Einfluss auf die
Energie des Elektrons.
Spinquantenzahl
Da der Spin(vektor)
des Elektrons die Spinquantenzahl
hat, gibt es für seine z-Komponente nur zwei mögliche Werte:
Die magnetische Spinquantenzahl
beschreibt die Orientierung seines Spins zur z-Achse:
Weitere Quantenzahlen
Neben den Isospin- und Strangeness-Quantenzahlen bei Elementarteilchen sind einige andere Beispiele für weitere Quantenzahlen (meist zusammengesetzt bzw. abgeleitet):
Paritätsquantenzahl
Die Paritätsquantenzahl
bezeichnet das Symmetrieverhalten des Zustands unter Raumspiegelung. Sie kann
die Werte
und
annehmen und hat keine Entsprechung in der klassischen Physik. Bis auf wenige
Ausnahmen haben alle Energieeigenzustände der verschiedenen quantenmechanischen
Systeme in sehr guter Näherung eine dieser beiden Quantenzahlen.
Gesamtdrehimpulsquantenzahl
Die Gesamtdrehimpulsquantenzahl
beschreibt den Gesamtdrehimpuls,
der die Summe aus zwei oder mehr einzelnen Drehimpulsen ist. Z.B. hat das
Elektron einen Bahndrehimpuls (Quantenzahl
)
und einen Spin (Quantenzahl
).
Daher können sich Eigenzustände bilden zur Gesamtdrehimpulsquantenzahl
und zu
weiter zu unterscheiden durch die magnetischen Quantenzahlen
In solchen Zuständen sind
und
noch gute Quantenzahlen,
und
aber nicht mehr.
Bei mehreren Elektronen im Atom kann man auch die Zustände bilden, in denen
die Summe der Bahndrehimpulse einen wohldefinierten Gesamtbahndrehimpuls
(Quantenzahl )
bilden und die Summe der Spins einen Gesamtspin (Quantenzahl
).
Diese Zustände können sich weiter koppeln zu Zuständen mit wohldefinierter
Gesamtdrehimpuls-Quantenzahl der Atomhülle:
Dieses Kopplungsschema heißt LS-Kopplung und beschreibt in guter Näherung die Energieeigenzustände leichter Atome.
Kernspinquantenzahl
Die Kernspinquantenzahl ,
auch kurz Kernspin genannt, beschreibt den Drehimpuls eines ganzen Atomkerns.
Dieser setzt sich zusammen aus den Spins und den Bahndrehimpulsen der einzelnen
Protonen und
Neutronen,
weshalb er folgende Werte annehmen kann:
- ganzzahlig,
wenn die Nukleonenzahl
gerade ist, z.B.
- halbzahlig, wenn die
Nukleonenzahl ungerade ist, z.B.
Gesamtdrehimpulsquantenzahl des Atoms
Die Gesamtdrehimpulsquantenzahl des Atoms
beschreibt den Gesamtdrehimpuls eines ganzen Atoms. Dieser setzt sich aus dem
Gesamtdrehimpuls J aller Elektronen und dem Kernspin I zusammen:
Für seinen Betrag gilt:
Dabei nimmt F (für ein J) folgende Werte an:
Radiale Quantenzahl
Die radiale Quantenzahl
ist die Anzahl der Nullstellen
(Knoten) im radialen
Anteil der Wellenfunktion eines gebundenen Teilchens:
mit
: Hauptquantenzahl
: Anzahl der Knoten insgesamt
: Nebenquantenzahl = Anzahl der Knoten im winkelabhängigen Teil der Wellenfunktion:
Schale |
= Anz. Knoten insgesamt |
Nebenquantenzahl = Anz. Knoten im winkelabh. Teil der WF |
radiale Quantenzahl = Anz. Knoten im radiusabh. Teil der WF |
---|---|---|---|
1 | 0 | 0 | 0 |
2 | 1 | 0 | 1 |
1 | 0 | ||
3 | 2 | 0 | 2 |
1 | 1 | ||
2 | 0 |
usw.
Literatur
- Haken, Wolf: Atom- und Quantenphysik. 8. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 2004, ISBN 3-540-02621-5
- Eidenberger, Mag. Ronald: "Basismodul Chemie", Seiten 55 und 56
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 13.05. 2021