Inhalt (Maßtheorie)

Ein Inhalt ist in der Maßtheorie eine spezielle Mengenfunktion, die für gewisse Mengensysteme definiert wird und dazu dient, den intuitiven Volumenbegriff zu abstrahieren und zu verallgemeinern.

Definition

Endliche Additivität für ein Inhalt \mu : Der Inhalt einer endlich disjunkten Vereinigung ist gleich der Summe über die Inhalte der einzelnen Teilmengen.

Auf beliebigen Mengensystemen

Gegeben sei ein Mengensystem  \mathcal C , das die leere Menge enthält. Dann heißt eine Mengenfunktion

{\displaystyle \mu :{\mathcal {C}}\to [0,\infty ]}

ein Inhalt, wenn gilt:

  1. Die leere Menge hat den Wert null: \mu (\emptyset )=0.
  2. Die Funktion ist endlich additiv. Sind also A_1,A_2, \dotsc, A_n endlich viele paarweise disjunkte Mengen aus {\mathcal {C}} und \textstyle \bigcup_{i=1}^n A_i\in\mathcal{C} dann gilt
    \mu\left( \bigcup_{i=1}^n A_i \right)= \sum_{i=1}^{n}{\mu(A_i)}.

Bei dem Mengensystem handelt es sich meist um einen Mengenhalbring.

Bemerkung

Zu beachten ist, dass in der Definition nicht gefordert wird, dass endliche Vereinigungen von disjunkten Mengen wieder im Mengensystem liegen. Es wird lediglich gefordert, dass falls die disjunkte Vereinigung wieder im Mengensystem liegt, die endliche Additivität gilt. So liegen beispielsweise endliche Vereinigungen disjunkter Mengen in Halbringen im Allgemeinen nicht wieder im Halbring. Beispiel hierfür ist der Halbring auf \mathbb {R} , der aus den halboffenen Intervallen der Form {\displaystyle [a,b)} besteht.

Ebenso folgt im Allgemeinen aus der Additivität, also aus der Eigenschaft

{\displaystyle \mu (A\cup B)=\mu (A)+\mu (B)}

für disjunkte Mengen  A, B mit {\displaystyle A\cup B\in {\mathcal {C}}} nicht die endliche Additivität. Dies beruht darauf, dass aus {\displaystyle A\cup B\in {\mathcal {C}}} in allgemeinen Mengensystemen nicht {\displaystyle A\cup B\cup C\in {\mathcal {C}}} folgt für disjunktes {\displaystyle C\in {\mathcal {C}}}. Der (rückwärts)induktive Schluss von der Additivität zur endlichen Additivität gilt somit nur in vereinigungsstabilen Mengensysteme.

Auf vereinigungsstabilen Mengensystemen

Aufgrund der obigen Überlegungen erhält man in vereinigungsstabilen Mengensystemen folgende vereinfachte Definition: Ist  \mathcal V ein vereinigungsstabiles Mengensystem, dass die leere Mengen enthält, so heißt eine Mengenfunktion

{\displaystyle \mu :{\mathcal {V}}\to [0,\infty ]}

ein Inhalt, wenn gilt:

  1. Die leere Menge hat den Wert null: \mu (\emptyset )=0.
  2. Die Funktion ist additiv, das heißt für je zwei disjunkte Mengen {\displaystyle A,B\in {\mathcal {V}}} gilt
    {\displaystyle \mu (A\cup B)=\mu (A)+\mu (B)}.

Dabei handelt es sich bei den vereinigungsstabilen Mengensystem meist um einen Mengenring.

Beispiele

Der wichtigste Inhalt ist der sogenannte Lebesgue'sche Inhalt

\mu ([a,b))=b-a.

auf dem Halbring der halboffenen Intervalle [a,b) auf den reellen Zahlen. Aus ihm wird durch Erweiterung und diverse Fortsetzungssätze schließlich das Lebesgue-Integral konstruiert. Tatsächlich ist dieser Inhalt bereits ein Prämaß.

Ein weiterer wichtiger Inhalt ist der Stieltjes’sche Inhalt, aus dem sich das Lebesgue-Stieltjes-Maß und das Lebesgue-Stieltjes-Integral ableitet:

\mu _{F}([a,b))=F(b)-F(a),

wobei  F eine monoton wachsende reellwertige Funktion ist. Durch ihn lassen sich alle endlichen Inhalte auf den reellen Zahlen beschreiben.

Ein weiterer Inhalt ist das Jordan-Maß. Entgegen dem Namen handelt es sich nicht um ein Maß im Sinne der Maßtheorie.

Eigenschaften

Je nachdem, auf welchem Mengensystem Inhalte definiert werden, treffen gewisse Eigenschaften zu.

Im Halbring

Falls \mathcal{C}=\mathcal{H} ein Halbring ist, dann gilt:

A \subseteq B \Rightarrow \mu(A) \leq \mu(B) für A,B\in \mathcal{H}.
\mu(A \cup B) \leq \mu(A)+\mu(B) für A,B aus \mathcal{H} mit A\cup B\in \mathcal{H}.

Im Ring

Wählt man als Mengensystem einen Ring, gelten (da jeder Ring ein Halbring ist) zusätzlich zu den Eigenschaften im Halbring die folgenden Aussagen:

\mu\left(\bigcup_{i=1}^nA_i\right) = \sum_{k=1}^n(-1)^{k+1}\!\!\sum_{I\subseteq\{1,\dotsc,n\},\atop |I|=k}\!\!\!\!\mu\left(\bigcap_{i\in I}A_i\right)
mit A_i\in \mathcal{C} für i\in\{1,\dotsc,n\}.

Abgeleitete Begriffe

Ein Inhalt heißt endlich, wenn \mu (A)<\infty für alle A\in {\mathcal  {C}} gilt. Ein Inhalt heißt σ-endlich, wenn es eine Zerlegung (A_{i})_{{i\in {\mathbb  {N}}}} von  \Omega in {\mathcal  {C}} gibt, so dass \mu (A_{i})<\infty für alle i\in {\mathbb  {N}} gilt.

Fortsetzung von Inhalten

Man kann zu jedem Inhalt \mu auf dem Halbring \mathcal{H} einen Inhalt \mu ' auf dem von \mathcal{H} erzeugten Ring {\mathcal {R}} konstruieren. Aufgrund der Eigenschaften eines Halbringes gibt es für alle A\in \mathcal{R} paarweise disjunkte Mengen A_1, A_2,\dotsc, A_m \in \mathcal{H} mit \textstyle A= \bigcup_{j=1}^{m} A_j. Indem man \mu ' durch

\mu ' (A):= \sum_{j=1}^{m} \mu (A_j)

definiert, erhält man eine eindeutig bestimmte Fortsetzung \mu '. Die Fortsetzung \mu ' ist genau dann \sigma -endlich, wenn \mu \sigma -endlich ist.

Verwandte Konzepte

Wahrscheinlichkeitsinhalt

Ein Inhalt \mu wird ein Wahrscheinlichkeitsinhalt genannt, wenn die Grundmenge  \Omega im Mengensystem  \mathcal C enthalten ist und {\displaystyle \mu (\Omega )=1} gilt.

Signierter Inhalt

Ein signierter Inhalt ist eine Mengenfunktion \nu auf einem Mengensystem {\mathcal {M}}, das abgeschlossen bezüglich endlichen Vereinigungen ist und die leere Menge enthält, für die gilt

  1. {\displaystyle \nu (\emptyset )=0}
  2. Die Bildmenge der Mengenfunktion ist [-\infty ,+\infty ) oder (-\infty ,+\infty ].
  3. Es gilt endliche Additivität, also {\displaystyle \nu (A\cup B)=\nu (A)+\nu (B)} für disjunkte {\displaystyle A,B\in {\mathcal {M}}}.
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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 14.11. 2020