Partielle molare Größe
Eine partielle molare Größe
gibt an, wie viel ein Mol der
-ten
Substanz in einer Mischung zu einer thermodynamischen Eigenschaft
der Mischung beiträgt.
Liegt eine homogene
Phase vor, die eine
Mischung aus
Substanzen ist, dann ergibt sich eine extensive
thermodynamische Eigenschaft
der Phase als Summe der Beiträge der einzelnen Substanzen. Beispielsweise ist
die gesamte innere
Energie
der Phase die Summe der partiellen molaren inneren Energien
der in der Mischung enthaltenen Substanzen, multipliziert mit der jeweiligen
vorhandenen Stoffmenge
:
.
Ebenso ist das Volumen
der Phase die Summe der partiellen molaren Volumina
der in der Mischung enthaltenen Substanzen, multipliziert mit der jeweiligen
Stoffmenge
:
,
und so weiter für beliebige extensive Eigenschaften.
Aufgrund der Wechselwirkungen der Substanzen untereinander hängt der partielle molare Beitrag einer Substanz in der Regel auch von den Anteilen aller anderen Substanzen in der Mischung ab, so ist zum Beispiel ausführlich geschrieben
mit den Stoffmengenanteilen
.
Einführendes Beispiel
Das molare Volumen von reinem Wasser beträgt 18 cm³ pro Mol. Fügt man einem gegebenen Volumen Wasser ein Mol Wasser hinzu, so nimmt das Volumen um 18 cm³ zu. Die Volumina der beiden vereinigten Wassermengen sind additiv.
Fügt man das Mol Wasser jedoch einem gegebenen (großen) Volumen Alkohol hinzu, erhält man lediglich eine Volumenzunahme von 14 cm³. In diesem Fall sind die beiden Volumina nicht additiv. Das Mol Wasser trägt lediglich 14 cm³ zum Gesamtvolumen der Mischung bei, das partielle molare Volumen von Wasser in (fast) reinem Alkohol beträgt also 14 cm³/mol.
Fügt man das Mol Wasser einer Mischung aus Wasser und Alkohol hinzu, ergeben sich in Abhängigkeit vom Mischungsverhältnis andere Werte für das partielle molare Volumen des Wassers. Bei reinem Wasser sind wieder 18 cm³/mol erreicht. Auch das partielle molare Volumen des Alkohols in der Mischung ist wie das des Wassers mischungsabhängig.
Das Wasser leistet bei Mischung mit Alkohol einen geringeren Volumensbeitrag, weil das von den Wassermolekülen eingenommene Volumen von ihrer Umgebung abhängt. In einer Mischung mit einer großen Menge Alkohol ist jedes Wassermolekül vollständig von Alkoholmolekülen umgeben statt von anderen Wassermolekülen. Diese dichtere Anordnung führt zu einem geringeren Platzbedarf.
Allgemein sind Mischungseffekte (Volumenkontraktion, Mischungswärme usw.) darauf zurückzuführen, dass die mittleren Wechselwirkungen der Wasser- und Alkoholmoleküle miteinander in der Mischung verschieden sind von den mittleren Wechselwirkungen der Wassermoleküle untereinander im reinen Wasser und die mittleren Wechselwirkungen der Alkoholmoleküle untereinander im reinen Alkohol. Die partiellen molaren Größen erlauben eine quantitative Behandlung von Mischungseffekten.
Definition
Wie eingangs beschrieben, lässt sich eine extensive Eigenschaft
einer Mischung beschreiben als Summe der mit den jeweiligen Stoffmengen
gewichteten molaren partiellen Größen
der Mischungsbestandteile. Die Feststellung dieses Zusammenhangs genügt jedoch
nicht zur eindeutigen Definition der beteiligten partiellen molaren Größen
,
da es unendlich viele Möglichkeiten gibt, die gewünschte Summe
aus einzelnen Summanden zusammenzusetzen. Die Summenbedingung könnte allenfalls
eines der
eindeutig definieren, wenn die anderen bereits festgelegt sind.
Die Definition der
muss daher auf andere Weise erfolgen.
Die zu einer extensiven thermodynamischen Größe
einer Mischung gehörige partielle molare Größe
der
-ten
Substanz der Mischung ist definiert durch
.
Sie ist also gleich der infinitesimalen
Änderung der Größe ,
die sich bei Hinzufügen einer infinitesimalen Menge der
-ten
Substanz ergibt, dividiert durch die Anzahl der hinzugefügten Mole, wenn während
des Hinzufügens die Temperatur, der Druck und die Molzahlen aller anderen
Substanzen konstant gehalten werden.
Für das erwähnte partielle molare Volumen beispielsweise ist
.
Enthält die Phase nur eine einzige Substanz, sind die partiellen molaren Größen mit den molaren Größen identisch.
Übergang zu endlichen Anteilen
Die Definition betrachtet die durch Hinzufügen einer infinitesimalen
Stoffmenge verursachte infinitesimale Änderung
der Eigenschaft
.
Der Übergang zu den gesuchten endlichen molaren Beiträgen der in der Mischung
vorhandenen Bestandteile scheint zunächst eine Integration zu erfordern.
Diese wäre außerdem schwierig, weil jedes
in komplizierter Weise von allen vorhandenen Substanzmengen
abhängen kann, die sich ihrerseits beim allmählichen Zusammenfügen des Systems
in komplizierter Weise ändern können. Es stellt sich jedoch heraus, dass der
Zusammenhang zwischen den
und den
überraschend einfach ist.
Ausgangspunkt der Betrachtungen
ist das Differential von IMG class="text"
style="width: 1.77ex; height: 2.17ex; vertical-align: -0.33ex;" alt="E" src="/svg/4232c9de2ee3eec0a9c0a19b15ab92daa6223f9b.svg">,
das als Funktion der Variablen Temperatur, Druck und Molzahlen der enthaltenen
Substanzen aufgefasst wird. Für einen gegebenen Zustand
der Phase ist allgemein
.
Man denke sich nun die Größe der Phase vervielfacht. Bei diesem Vorgang
bleiben die Temperatur und der Druck unverändert (,
),
da sie intensive Größen sind. Das Differential, das die Änderung von
bei einer solchen Vergrößerung beschreibt, ist also
.
Da die partiellen molaren Größen
ebenfalls intensive Größen sind, bleiben sie auch unverändert. Die direkte
Integration des Differentials liefert daher für die mit der Vergrößerung
einhergehende Änderung des extensiven
:
,
weil die
als konstante Größen vor die jeweiligen Integrale gezogen werden können.
Geschieht die gedankliche Vermehrung um den Faktor ,
dann nehmen auch die Zahlenwerte der extensiven Größen
auf das
-fache
zu und es gilt
,
.
Einsetzen in die vorhergehende Gleichung führt auf
und damit nach Kürzen auf
.
Dies ist der gewünschte Ausdruck für die Eigenschaft
der Phase im Zustand
:
Sie ist einfach die Summe der partiellen molaren Größen
der beteiligten Substanzen, multipliziert mit den jeweiligen Stoffmengen. Dieser
Zusammenhang wurde zu Beginn dieses Artikels als einführende Erläuterung der
partiellen molaren Größen benutzt und ist hier aus der eigentlichen Definition
abgeleitet.
Sowohl
als auch die
sind jeweils nur bis auf eine Konstante bestimmt. Sie müssen alle mit Bezug auf
denselben Referenzzustand berechnet werden.
Division durch die Gesamt-Stoffmenge
der Phase liefert das molare
:
mit den Stoffmengenanteilen .
Beispiel
Es seien zwei mischbare Substanzen
und
gegeben, die im reinen Zustand die molaren Enthalpien
und
besitzen. Ihre partiellen molaren Enthalpien in einer Mischung, die
Mol von Substanz
und
Mol von Substanz
enthält, seien
und
.
Die Gesamtenthalpie der beiden Substanzen im unvermischten Zustand beträgt (weil
die Enthalpien
und
extensive Größen sind)
.
Die Enthalpie der fertigen Mischung beträgt (gemäß Definition der partiellen
molaren Enthalpien
und
)
.
Die beim Mischungsvorgang aufgenommene oder freigesetzte Enthalpie ist die
Mischungsenthalpie :
.
Division durch die Stoffmenge
des gemischten Systems liefert die molare
Mischungsenthalpie:
,
wobei
und
die jeweiligen Stoffmengenanteile sind.
Die
und die
hängen von Temperatur und Druck ab, die
hängen darüber hinaus von den Stoffmengenanteilen in der Mischung ab. Bei
Kenntnis dieser Größen lässt sich die molare Mischungsenthalpie der Mischung
sofort berechnen, es lässt sich also vorhersagen, ob beim Vermischungsvorgang
Mischungswärme freigesetzt oder verbraucht wird.
Chemisches Potential
Das partielle molare Volumen und die partielle molare Enthalpie wurden als häufig auftretende Beispiele bereits genannt. Eine weitere oft anzutreffende partielle molare Größe ist das chemische Potential.
Wie im Artikel zur Gibbs-Energie
näher erläutert, ist das Differential der Gibbs-Energie als Funktion ihrer
natürlichen Variablen ,
und
gegeben durch
.
Die in jedem Summanden des letzten Terms auftretende partielle Ableitung
wird auch als chemisches Potential
der
-ten
Substanz bezeichnet.
Vergleich mit der Definition partieller molarer Größen zeigt, dass es sich auch
jeweils um die partielle molare Gibbs-Energie der
-ten
Substanz handelt.
Es folgt sofort, dass die Gibbs-Energie einer Mischung die Summe der mit den
jeweiligen Stoffmengen multiplizierten chemischen Potentiale ist:
,
und dass die molare Gibbs-Energie einer Mischung die Summe der mit den jeweiligen Stoffmengenanteilen multiplizierten chemischen Potentiale ist:
.
Diese Zusammenhänge treffen unter den thermodynamischen
Potentialen nur auf die Gibbs-Energie zu, weil sie als einziges Potential
die Variablen ,
und
als natürliche Variablen besitzt, die auch in der Definition der partiellen
molaren Größen benutzt werden.
Notation
Die übliche Schreibweise als Großbuchstabe mit einem Index für die jeweilige
Substanz, ,
entspricht der Empfehlung
der IUPAC
und erlaubt die Unterscheidung von der Gesamtgröße
der Mischung sowie der molaren Eigenschaft
der
-ten
reinen Substanz. Falls dennoch eine Verdeutlichung nötig wird, empfiehlt
die IUPAC die Notation mit Überstrich:
.
Siehe auch
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 13.07. 2021