Fortpflanzungskonstante
Die Fortpflanzungskonstante, manchmal auch Ausbreitungskonstante, Ausbreitungskoeffizient oder Ausbreitungsmaß genannt, ist eine Größe, welche die Ausbreitung einer Welle (z. B. einer elektromagnetischen Welle in der Leitungstheorie und der Elektrodynamik) beschreibt. Sie hängt von den Eigenschaften des Mediums ab, in dem sich die Welle ausbreitet.
Bei sinusförmigen Signalen und der Anwendung der komplexen
Wechselstromrechnung ist sie eine komplexe Größe und kann in Real- und
Imaginärteil zerlegt werden (
sei die imaginäre
Einheit):
Der Realteil der Fortpflanzungskonstante
heißt Dämpfungskonstante,
der Imaginärteil
Phasenkonstante. Sie bestimmen die Dämpfung bzw. die Phasendrehung der
Welle und sind im Allgemeinen frequenzabhängig. Als alternative
Beschreibungsgröße (besonders bei Funk- und Schallwellen) verwendet man oft die
komplexe Wellenzahl
:
Die Fortpflanzungskonstante in der Leitungstheorie
Wenn in der Theorie der Leitungen die allgemeine Lösung der Leitungsgleichung
mit Hilfe einer Operatorenrechnung
(z. B. der Laplace-Transformation)
ermittelt wird, dann werden als sogenannte Wellenparameter
neben dem Leitungswellenwiderstand
auch die Fortpflanzungskonstante aus den Leitungsbelägen
und der komplexen
Frequenz
definiert als
Bei sinusförmigen Signalen kann man die komplexe durch die imaginäre Frequenz
ersetzen und erhält die spezielle Form
Die Fortpflanzungskonstante beschreibt die Geschwindigkeit, Dämpfung und Verzerrung der über die Leitung laufenden Wellen, weil sie in die allgemeine Lösung der Leitungsgleichungen mit dem Faktor
eingeht. Konkret werden diese drei Einflüsse durch die Ausbreitungsgeschwindigkeit
,
ein Dämpfungsmaß
und ein Verzerrungsmaß
(welches bei realen Leitungen immer positiv ist) bestimmt. Damit erhält man folgende gut interpretierbare Form der Ausbreitungskonstante
welche wie im Folgenden zur Klassifizierung der Wellenausbreitung auf Leitungen benutzt werden kann.
Verlustlose Leitung
Bei einer verlustlosen Leitung sind aufgrund von
sowohl
als auch
gleich 0. Dann reduziert sich die Ausbreitungskonstante auf
und die Welle wird nur verzögert, aber nicht gedämpft oder verzerrt, denn der Ausdruck
stellt den Verschiebungsoperator der Laplace-Transformation dar.
Bei sinusförmigen Signalen wird die Ausbreitungskonstante rein imaginär. Die Verzögerung bedeutet dann eine linear mit der Frequenz zunehmende Phasendrehung.
Dabei ist
die Wellenlänge der sich
ausbreitenden sinusförmigen Welle.
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Verzerrungsfreie Leitung
Bei einer verlustbehafteten, aber verzerrungsfreien Leitung (z. B.
einem Krarupkabel) ist das
Dämpfungsmaß ,
aber aufgrund der geltenden Heaviside-Bedingung
ist das Verzerrungsmaß
.
Dann erscheint die Ausbreitungskonstante als
und die Welle wird verzögert und gedämpft, aber nicht verzerrt:
Der linke Term stellt wieder die Verzögerung der Leitung dar, während der rechte Term eine Dämpfung der Welle repräsentiert, welche jedoch deren Form nicht verändert.
Bei sinusförmigen Signalen wird aus der Ausbreitungskonstante
Zur linear frequenzabhängigen Phasendrehung kommt jetzt eine frequenzunabhängige Dämpfung dazu:
erzerrungsbehaftete Leitung
Im allgemeinen Fall gilt die Heaviside-Bedingung jedoch nicht. Dann tritt ein dritter Faktor auf, der eine Formverzerrung (Dispersion) der über die Leitung laufenden Welle bewirkt. Seine allgemeine Auswertung ist praktisch nur mit numerischen Hilfsmitteln möglich.
Beim Spezialfall sinusförmiger Signale lässt sich dagegen eine explizite Zerlegung der Ausbreitungskonstante in Real- und Imaginärteil angeben:
Beide Komponenten sind nichtlinear von der Frequenz abhängig. Übersichtlich
erkennt man das Verhalten an der Ortskurve
der Ausbreitungskonstanten. Für die Frequenz 0 nimmt die Dämpfungskonstante
ihren Gleichstromwert
an. Für sehr hohe Frequenzen stimmt das Verhalten der Ausbreitungskonstante mit
der verzerrungsfreien Leitung überein. Theoretisch strebt die Dämpfungskonstante
gegen den frequenzunabhängigen Wert
,
praktisch wächst sie jedoch wegen des Skin-Effekts
mit der Frequenz weiter an. Für den Übergangsbereich sowie für bestimmte
Leitungstypen und Frequenzbereiche sind in der Literatur vereinfachte Näherungsformeln
zu finden.
Aufgrund der nichtlinearen Frequenzabhängigkeit der Phasenkonstante
muss zwischen Phasengeschwindigkeit
und Gruppengeschwindigkeit
der Wellenausbreitung unterschieden werden.
Literatur
- Peter Vielhauer: Theorie der Übertragung auf elektrischen Leitungen. Verlag Technik, Berlin 1970.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 04.07. 2022