Vulva

Die Vulva ist die Gesamtheit der äußeren primären Geschlechtsorgane weiblicher Säugetiere. Sie besteht aus den Schamlippen und dem Kitzler. In der Anatomie des Menschen wird, im Gegensatz zur Tieranatomie, auch der Scheidenvorhof zur Vulva gerechnet. Von diesem aus führt die Vagina zur Gebärmutter und die kurze Harnröhre zur Harnblase.

Außerhalb der medizinischen Fachsprache wird die Vulva auch als Scheide (Vagina), zuweilen auch als äußere Scheide bezeichnet.

Anatomie beim Menschen

Makroskopische Anatomie

Vulva

Die Vulva umfasst die äußeren, primären Geschlechtsorgane der Frau. Das sind die einfassenden Anteile Venushügel und große äußere Schamlippen und die inneren Schamlippen, die Klitoris und der Scheidenvorhof mit den Ausgängen der Vagina, der Harnröhre und der Vestibulardrüsen. In der Bildungsphase der Organe beim Embryo entsteht die Vulva aus dem Genitalhöcker und den seitlich davon liegenden Geschlechtswülsten.

Der Venushügel (Mons pubis/Mons veneris) und die großen Schamlippen (Labia majora pudendi) stellen die äußere Begrenzung der Vulva dar. Bis zur Pubertät (genauer: Pubarche) sind sie unbehaart, bei erwachsenen Frauen sind sie mit Schamhaar bewachsen. Die großen Schamlippen enthalten Talg-, Schweiß- und Duftdrüsen und bilden die Schamspalte (Rima pudendi).

Zwischen den äußeren großen Schamlippen liegen die beiden sogenannten kleinen Schamlippen (Labia minora pudendi), auch Nymphae genannt. Sie sind nicht behaart und produzieren Talg. An der vorderen Umschlagfalte der inneren Schamlippen (Commissura labiorum anterior, in der Tieranatomie als Commissura labiorum ventralis bezeichnet) liegt die Klitoris, der Kitzler. Die Klitoris ist ein zylinderförmiges, von Schwellkörpergewebe gebildetes und erektiles Organ, welches mit Nervenenden durchsetzt ist und besonders in der Lage ist, auf Berührung zu reagieren. Die Klitoris entspricht entwicklungsgeschichtlich dem männlichen Penis; ebenso wie dieser hat sie eine Eichel (Glans clitoridis) und eine Vorhaut (Praeputium clitoridis). Die Klitorisschenkel bilden die Vorhofschwellkörper, die den Harnröhrenschwellkörpern des Mannes entsprechen.

Die inneren Schamlippen umschließen den Scheidenvorhof, in den die Harnröhre (Urethra femina) und dahinter der Eingang der Vagina (Introitis vaginae, in der Tieranatomie Ostium vaginae) münden. Der Scheideneingang ist bei Mädchen durch das aus einer Hautfalte gebildete Jungfernhäutchen (Hymen) teilweise verschlossen. Nach stärkerer Dehnung, üblicherweise nach einer Geburt, können die Überreste des Hymens zu den Carunculae hymenales vernarben. Im unteren Drittel der kleinen Schamlippen sind die beiden großen Vorhofdrüsen (Bartholinsche Drüsen, Glandulae vestibulares majores) und mehrere kleine Vorhofdrüsen eingebettet. Sie sorgen für die Befeuchtung des Scheidenvorhofes.

Jede Vulva ist in ihrem Erscheinungsbild individuell. So unterscheiden sich die Größe der Klitoris, der Schamlippen, die Farbe und Oberflächenstruktur, die Entfernung von der Klitoris zur Harnröhrenmündung und die Distanz von der hinteren Umschlagfalte der inneren Schamlippen (Commissura labiorum posterior), bis zum Anus in weiten Grenzen. Diese Variationen erklären auch die Unterschiede zu, häufig nachbearbeiteten, Abbildungen von äußeren Geschlechtsteilen, die einem idealisierten Schönheitsideal entsprechen.

Genitalmaße und weitere Eigenschaften der Vulva
Maß Schwankungsbreite
Sichtbare Länge der Klitoris 5-35 mm
Breite der Glans clitoridis (Eichel) 3-10 mm
Abstand zwischen Klitoris und Harnröhrenmündung 16-45 mm
Länge der äußeren Schamlippen (von vorn nach hinten) 7,0-12,0 cm
Länge der inneren Schamlippen (von vorn nach hinten) 2,0-10,0 cm
Länge der inneren Schamlippen (vom Ansatz bis zum freien Ende) 7-50 mm
Länge des Damms 15-55 mm
von 50 untersuchten Frauen
Farbe der Vulva im Vergleich zur umgebenden Haut Anzahl der Frauen
gleich 9
dunkler 41
Faltung der Labien
glatt 14
mäßig 34
ausgeprägt 2


Physiologie

Aufgrund ihrer Ausstattung mit Talg-, Schweiß- und Duftdrüsen kommt es vor allem in den Bereichen zwischen den Schamlippen und des Scheidenvorhofs zu ständiger Bildung von Talg und Schweiß, die für eine Befeuchtung der Schleimhäute der Genitalien sorgen. Talgreste können sich mit Verunreinigungen in den Schleimhautfalten der Vulva absetzen und das so genannte Smegma bilden.

Physiologische Veränderungen der Vulva in ihrer Gesamtheit treten vor allem vor und während des Geschlechtsverkehrs sowie während der Geburt des Nachwuchses auf.

Veränderung der Vulva während des Sexualzyklus

Bei vielen Säugetieren treten auch während des Sexualzyklus Veränderungen der Vulva auf, deren Ausmaß artspezifisch und individuell variiert. In der Brunst (Östrus) kommt es zu einer stärkeren Durchblutung und damit zu einer Anschwellung und Rötung der Vulva wie dies beispielsweise bei der Regelschwellung verschiedener Primaten zu beobachten ist.

Veränderung der Vulva im sexuellen Reaktionszyklus und beim Geschlechtsakt

Mit dem Einsetzen sexueller Erregung kommt es zu zahlreichen physiologischen Veränderungen der Vulva, die zusammengenommen den weiblichen Genitaltrakt auf den Geschlechtsverkehr vorbereiten. Die Reaktionen werden in verschiedene, zeitlich aufeinander folgende Phasen eingeteilt: Die Erregungsphase, Plateauphase, Orgasmusphase und Rückbildungsphase.

Die Erregungsphase kann sich über mehrere Stunden hinziehen und wird durch mechanische Stimulation oder sexuell erregende Stimuli (auch psychische wie zum Beispiel sexuelle Vorstellungen oder Träume) ausgelöst. Die Phase zeichnet sich durch eine verstärkte Durchblutung der Strukturen der Vulva aus. Diese wird durch eine Vasokonstriktion der ableitenden, venösen Blutgefäße hervorgerufen. Es kommt zu einem Anschwellen der Klitoris und der Vorhofschwellkörper (Erektion), die Haut färbt sich dunkler.

Es kommt zum Einsetzen der Lubrikation, das heißt einer zunehmenden Absonderung von Sekret aus den akzessorischen Geschlechtsdrüsen, die sich in der Plateauphase verstärkt. Die Lubrikation dient der Befeuchtung von Vagina und Schamlippen, um die Penetration zu erleichtern sowie das Gleiten des Penis in der Vagina zu ermöglichen. Die mechanische Reizung der Vaginalhaut durch den eingeführten Penis verstärkt die Erektion der Vulva und führt zur Schwellung der unteren Scheidenwand.

Die Orgasmusphase ist von Muskelkontraktionen der Beckenbodenmuskulatur begleitet. Unmittelbar vor dem Orgasmus zieht sich die Eichel der Klitoris unter die Klitorisvorhaut zurück. Die Klitoris ist direkt nach dem Orgasmus oft sehr empfindlich, zusätzliche Stimulation mitunter unangenehm.

In der dem Orgasmus folgenden Rückbildungsphase kommt es wieder zu einem, durch Vasodilatation bedingten, Abfluss des Blutes aus der Region. Die Strukturen schwellen wieder ab, die Feuchtigkeit geht zurück und der Normalzustand stellt sich wieder ein.

Veränderungen der Vulva in der Schwangerschaft

Vor allem im letzten Drittel der Schwangerschaft kommt es bei vielen Frauen zu einer vermehrten Pigmentierung der Linea alba (dann, je nach Ausprägung der Verfärbung, als Linea nigra (schwarze Linie), oder auch Linea fusca (braune Linie) bezeichnet), der Brustwarzenhöfe (Areolae) und der Vulva. Diese wird vermutlich durch eine vermehrte Sekretion des melanozyten-stimulierenden Hormons hervorgerufen. Diese zählen zu den wahrscheinlichen Schwangerschaftszeichen. Außerdem kann es durch eine Stauung der Venen im Becken zu Schwellungen und zur Bildung von Krampfadern im Bereich der Vulva kommen (Varicosis vulvae gravidarum oder Varicosis vulva in graviditate).

Veränderung der Vulva während der Geburt

Während der Geburt kommt es durch die Wehen und die damit verbundene Öffnung des Muttermundes und des Geburtskanals (Eröffnungsphase der Geburt) vor allem zu einer Aufweichung der Vaginalmuskulatur, die die Dehnung beim späteren Geburtsvorgang (Austreibungsphase der Geburt) ermöglicht. Diese Dehnung betrifft zudem die Vorhofschwellkörper sowie das Gewebe der Schamlippen und des Damms, der unter der Belastung reißen kann (Dammriss) und bei der Geburt unter Umständen eingeschnitten wird (Dammschnitt).

Ontogenetische Entwicklung

Neo- und Postnatal

Direkt nach der Geburt sind die äußeren sichtbaren Strukturen der Genitalien oftmals geschwollen und weisen eine überproportionale Größe auf. Dies ist auf eine mitunter hohe Exposition von mütterlichen Hormonen zurückzuführen. Die Schwellung geht in der Regel wenige Tage nach der Geburt wieder zurück und die Vulva nimmt die normale Größe ein. Nachfolgend wird sich die Vulva während der gesamten Kindheit bis zum Beginn der Pubertät strukturell kaum verändern, außer dass sie proportional zum gesamten Körper mitwächst.

Entwicklung in der Pubertät

In der Pubertät unterliegt die Vulva einer deutlichen Veränderung, da auch das äußere Genitale auf Geschlechtshormone reagiert. Die Hautfarbe verändert sich, und die Strukturen der Vulva werden größer und ausgeprägter. Diese Entwicklung betrifft die Klitoris und die inneren und äußeren Schamlippen, ganz besonders jedoch die hormonempfindliche Haut der Vagina und deren Vorhof. Im Bereich der Vulva, das heißt auf dem Venushügel und den äußeren Schamlippen, beginnt mit der Pubertät das Wachstum der Schamhaare.

Die Gestalt der Vulva ist individuell verschieden. So kann die Klitoris teilweise sichtbar oder ganz verdeckt sein oder es können die inneren Schamlippen größer sein, als die äußeren. Diese Unterschiedlichkeit ist keine krankhafte Erscheinung, sondern normal.

Veränderungen nach den Wechseljahren

Nach der Menopause kann es zu unterschiedlich ausgeprägten dystrophen Veränderungen der Vulva kommen, insbesondere einem Schwund des Fettgewebes mit einer Verringerung der Hautdicke. Es kommt zu einer Rückbildung der Schamlippen, einer Verkleinerung der Klitoris, Verengung des Vaginaleingangs und trockenerer Haut der Vulva. Diese Veränderungen werden durch den Rückgang der körpereigenen Östrogenproduktion verursacht, obwohl das Vulvagewebe deutlich geringer auf Östrogene anspricht als das anderer Organe.

Fehlbildungen

Vulvafehlbildungen gehören zu den Genitaldysplasien. Sie zeigen sich überwiegend im Bereich des Scheidenvorhofs. Hier finden sich insbesondere Formen des Hymens, die den Scheideneingang großflächig oder, bei der Hymenalatresie, vollständig verschließen. Im Bereich der Harnröhrenmündung kommen Anomalien wie Stenosen, Hypo- und Epispadien vor. Eine Klitorishypertrophie kann ebenfalls als Fehlbildung vorliegen, oder Zeichen einer hormonellen Störung im Rahmen anderer Erkrankungen sein. Verklebungen der großen Schamlippen, sogenannte Labiensynechien, werden durch die hormonelle Ruhe im Kindesalter oder durch Entzündungen verursacht. Sie stellen daher eher eine entzündliche Erkrankung dar.

Erkrankungen

An der Vulva können eine Reihe unterschiedlicher Erkrankungen auftreten, die zum Teil auch das innere Genitale einbeziehen können.

Entzündungen und Infektionen

Die in ihrem Aufbau unterschiedlichen Hautregionen mit verhornter und haartragender Haut im Bereich der äußeren Schamlippen und des Venushügels, der feineren Haut der kleinen Schamlippen sowie der feuchten Schleimhaut im Scheidenvorhof führen gemeinsam mit der Analregion aufgrund ihres Mikroklimas und der hohen Feuchtigkeit zu häufigeren Erkrankungen als andere Körperregionen. Akute und chronische Entzündungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen der Vulva. Betreffen diese Entzündungen nur das äußere Genitale, werden sie als Vulvitis bezeichnet; häufiger ist eine gemeinsame Entzündung der Vulva und der Vagina (Vaginitis), die Vulvovaginitis genannt wird. Eine Vulvitis kann durch äußere Einflüsse wie Gifte, unverträgliche Unterwäsche oder enge Hosen, allergische Reaktionen, vermehrter Ausfluss (Fluor genitalis), Stoffwechselstörungen und giftige Substanzen ausgelöst werden.

Eine weitere Ursache für Entzündungen sind Infektionen mit Viren, Bakterien oder Pilzen. Dabei spielen unter den Viren vor allem die Humanen Papillomviren (HPV), die Herpes-simplex-Viren (HSV-1 und -2) und das Molluscum-contagiosum-Virus eine Rolle. Die häufigsten bakteriellen Infektionen werden hervorgerufen durch Streptococcus pyogenes, Staphylococcus aureus (Folliculitis, Pseudofolliculitis), Corynebacterium minutissimum (Erythrasma), Gonokokken und Chlamydia trachomatis. Unter den Pilzen sind vor allem Candida albicans (Kandidose) und Trichophyton rubrum (Tinea der Vulva) von Bedeutung. Einige dieser Infektionen können zudem Ursache schwerwiegenderer Erkrankungen sein. So stellen Gonokokken die Erreger der Gonorrhoe dar, während Humane Papillomviren der Hauptauslöser für Warzen, Feigwarzen, Erythroplasie sowie dem Zervixkarzinom, einer Krebserkrankung des Gebärmutterhalses sind. Eine Infektion mit Treponema pallidum führt zur Syphilis (Lues), deren Primäraffekt bei vaginalem Geschlechtsverkehr an den Schamlippen oder in der Vagina zu finden ist.

Auch ein Parasitenbefall, beispielsweise mit Filzläusen (Phthirus pubis) oder Krätzemilben (Sarcoptes scabiei), ist bekannt.

Ein Verschluss des Ausführungsganges der Bartholinschen Drüse führt durch Ansammlung von Sekret zu einer Pseudozyste. Bei einer bakteriellen Infektion kommt es in Folge oft zu einer Bartholinitis.

Chronische Erkrankungen

Durch unterschiedliche Einflüsse kann es zu den verschiedenen Formen der Vulvadystrophie kommen, Veränderungen im Übergangsepithel mit Verhornungen oder Hautschrumpfungen mit weitgehend ungeklärter Ursache. Die meisten Formen der Vulvadystrophie, beispielsweise die Kraurose, auch Lichen sclerosus genannt, treten nach Beginn der Wechseljahre (Klimakterium) auf. Einige Vulvadysplasien gehen mit atypischen Zellen einher und stellen Präkanzerosen dar, die zu bösartigen (malignen) Vulvatumoren führen können. Diese Krebsvorstufen werden auch als Vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN) bezeichnet. Sie entstehen meist im Alter zwischen 60 und 80 Jahren und sind in den großen Schamlippen lokalisiert. Vulvakrebs kann Metastasen bilden. Die Therapie erfolgt operativ durch die Entfernung von Vulvabereichen (Vulvektomie). Häufiger sind es jedoch Lipome und Fibrome, die sich als gutartige (benigne) Tumore in unterschiedlichen Bereichen der Vulva bilden.

Eine Erkrankung bislang ungeklärter Ursache stellt die Vulvodynie aus, die durch lang andauernde Schmerzzustände in den großen Schamlippen und anderen Teilen der Vulva gekennzeichnet ist. Sie ähnelt der Vaginodynie (Schmerzen der Vagina) und wird gemeinsam mit dieser als chronisches genitales Schmerzsyndrom eingeordnet. Als Auslöser werden hormonelle Veränderungen, beispielsweise während der Wechseljahre, und auch psychische Ursachen diskutiert.

Durch eine chronische Venenschwäche der Beckenvenen, insbesondere der Vena ovarica können sich Krampfadern, analog zur männlichen Varikozele, entwickeln.

Künstlich herbeigeführte Veränderungen der Vulva

Modifikationen der Vulva können aus medizinischen und beim Menschen auch aus kulturellen und vermeintlich ästhetischen Gründen erfolgen. Sie reichen von der Entfernung der Schambehaarung bis zu Eingriffen, bei denen Teile der Vulva entfernt werden.

Rasur

Piercing der äußeren und inneren Schamlippen und der Klitorisvorhaut sowie Schamhaarentfernung

Die im westlichen Kulturkreis am weitesten verbreitete Modifikation ist die teilweise oder vollständige Schamhaarentfernung. In anderen Kulturen beziehungsweise für frühere Epochen der abendländischen Kultur ist die Praxis dokumentiert. Der Islam erwartet die Entfernung der Schambehaarung. Um die Jahrtausendwende 1999/2000 fand die Praxis auch im Westen weitere gesellschaftliche Verbreitung. Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2009 war in Deutschland bei der Altersgruppe von 18 bis 25 Jahren die Rasur des Genitalbereichs recht verbreitet (69,7 % der Frauen). Die Intimrasur ist nicht unproblematisch. Frauen, die sich rasieren, ohne dabei der natürlichen Wuchsrichtung zu folgen, sind anfälliger für Haarwurzelentzündungen.

Piercings

Weiterhin stellen Piercings eine Form der Körpermodifikation dar, wobei verschiedene Strukturen der Vulva mit Schmuck versehen werden können. Ebenso wie die Intimrasur kann der Trend zu Intimpiercings als Folge einer verstärkten Etablierung von sozialen beziehungsweise ästhetischen Normen für den Schambereich gesehen werden, "eine bis dato primär zur Privatsphäre zählende Körperregion - die Schamregion - unterliegt fortan einem Gestaltungsimperativ." Während einige Piercings der Vulva positive Auswirkungen auf die Stimulierbarkeit der Frau während des Geschlechtsverkehrs haben, besitzen die meisten Piercings eine rein ästhetische Funktion. Piercings können, wie an anderen Körperteilen auch, Komplikationen mit sich bringen. Häufigste Probleme von Piercings im weiblichen Genitalbereich sind Entzündungen, Ausrisse und Blutungen. Allergien, überschießende Narbenbildung (Keloide) und Fremdkörpergranulome sind ebenfalls nicht selten.

Medizinisch indizierte operative Veränderungen

Die vollständige oder teilweise operative Entfernung der großen und der kleinen Schamlippen und weiterer Teile der Vulva und des darunter liegenden Gewebes wird als Vulvektomie bezeichnet. Sie kann bei Vulvakarzinomen notwendig werden, selten bei fortgeschrittener Vulvadystrophie älterer Damen. Bei einer radikalen Entfernung zur Behandlung eines Krebsleidens können auch die Lymphknoten der Leistengegend (inguinale Lymphknoten) und des Beckens (pelvine Lymphknoten) entfernt werden. Eine partielle Vulvektomie kann zudem bei einer vulvären intraepithelialen Neoplasie vorgenommen werden.

Die operative Entfernung des Kitzlers wird als Klitoridektomie bezeichnet, wobei eine medizinische Indikation durch spezifische Krebserkrankungen selten ist, aber gelegentlich als Ultima Ratio bei anders nicht behandelbarem Juckreiz durchgeführt wird.

Traditionelle Vulvabeschneidung

Die Klitoridektomie wird heute vor allem im Zusammenhang mit der kulturellen Beschneidung vorgenommen. In manchen Kulturkreisen, vorwiegend im afrikanischen Raum, wird die Beschneidung beziehungsweise Verstümmelung weiblicher Genitalien als kulturelle Praxis angewendet. Eine medizinische Notwendigkeit liegt dafür nicht vor, vielmehr spielen soziale und kulturelle Gründe eine Rolle. Das Ausmaß des Eingriffs variiert von einer Entfernung der Klitorisvorhaut bis hin zur vollständigen Entfernung der äußeren Genitalien und Vernähung der Vagina.

Wegen der weitreichenden Folgen für Leib und Leben der betreffenden Mädchen und Frauen steht diese Praxis seit Längerem weltweit in der Kritik von Menschen- und Frauenrechtsorganisationen. Zahlreiche Organisationen, darunter die Vereinten Nationen, UNICEF, UNIFEM, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie Amnesty International wenden sich gegen die Beschneidung und stufen sie als Verletzung des Menschenrechtes auf körperliche Unversehrtheit ein. Zur Betonung dieser Aspekte hat sich international der Begriff Female Genital Mutilation (weibliche Genitalverstümmelung) etabliert.

Vulvamodifikation aus anderen Gründen

Als operative Maßnahme lassen einige Frauen eine Schamlippenverkleinerung (Labioplastik) vornehmen, wobei die inneren Schamlippen, mitunter auch die Klitorisvorhaut, gekürzt oder entfernt, die äußeren Schamlippen vergrößert, der Vaginaleingang verengt, das Jungfernhäutchen rekonstruiert und die Position der Klitoris verändert werden. Dies geschieht vorwiegend aus subjektiv ästhetischen, selten auch aus medizinischen Motiven. Daher wird der größte Teil dieser Eingriffe unter dem Begriff der kosmetischen Genitalchirurgie (Female Genital Cosmetic Surgery (FGCS)) zusammengefasst. Chirurgische Maßnahmen im Rahmen einer Geschlechtsumwandlung, die Geschlechtsanpassung bei intersexuellen Personen oder die Beschneidung weiblicher Genitalien werden nicht zu den FGCS gezählt.

Vulva in Kunst und Kultur

Insbesondere wegen des sexuellen Bezuges wie auch wegen ihrer Funktion als Teil des Geburtsweges fand und findet die Vulva regelmäßig Eingang in Kunst und Kultur. Sie gilt als Fruchtbarkeitssymbol ("Große Mutter") und zugleich als Symbol des Begehrens. In einigen Kulturen wurde die Präsentation der Vulva zudem als Abwehrzauber gegenüber bösen Mächten verstanden.

In unterschiedlichen Kulturen tauchen immer wieder gleiche oder ähnliche Symbole auf, die eine Vulva darstellen. Zahlreiche Darstellungen aus der Altsteinzeit zeugen auch in Europa von ähnlichen kultisch-verehrenden Einstellungen. Die kulturelle Haltung gegenüber dem weiblichen Genital unterscheidet sich jedoch zwischen unterschiedlichen Kulturkreisen. Während in einigen Kulturkreisen die Vulva eher tabuisiert und in der Öffentlichkeit bedeckt wird, zeigten andere Kulturen einen Kult um die Vulva. So wurde diese in Festen verehrt und als heilig betrachtet.

Bei Ausgrabungen wurde zwischen dem 5. und 15. September 2008 in der Hohle Fels-Höhle auf der Schwäbischen Alb eine aus Mammutelfenbein geschnitzte Frauenstatuette aus der Aurignacien-Zeit entdeckt, die sogenannte Venus vom Hohlen Fels. Dabei wurde festgestellt, dass die Vulva zwischen den geöffneten Beinen betont ausgeführt wurde, was als "bewusste Überhöhung der sexuellen Merkmale" gedeutet wurde.

ImMittelalter entstanden vor allem in Irland sogenannte Sheela-na-Gig, Steinskulpturen, welche die Vulva meist überdimensioniert darstellen. An Kirchenfassaden des Hochmittelalters finden sich auch Vulvenornamente, während auf Pilgerinsignien und -utensilien des Spätmittelalters Vulvae und Penisse in verschiedenen Variationen abgebildet wurden, wie beispielsweise eine Umhangsnadel mit einer als Pilger ausgestatteten Vulva mit Armen, Beinen und Hut. Der Sinn solcher Utensilien ist nicht mehr bekannt, sie werden sowohl als Parodien auf herkömmliche Pilgerabzeichen wie auch als Glücksbringer interpretiert.

Auch der im Hinduismus entwickelte Yoni-Kult, der gemeinsam mit dem männlichen Lingam die Zweigeschlechtlichkeit des Gottes Shiva symbolisiert, gehört zu den Vulva-Kulten. Gemeinsam mit dem Lingam stellt die Yoni das Symbol der Urzeugung dar.

Europäische Kunstgeschichte bis in das 19. Jahrhundert

In der europäischen Kunstgeschichte, ausgehend vom antiken Griechenland und früheren Kulturen, wurde die konkrete Darstellung der Vulva sowohl in der Malerei wie auch in der Bildhauerei bis in das späte 19. Jahrhundert weitgehend vermieden. Dies betraf vor allem die antiken Statuen der Griechen und Römer, Ausnahmen bildeten seltene pornographische Darstellungen von Hetären in der Vasenmalerei sowie bei Wandbildern.

Auch die mit der Renaissance neu aufkeimende Darstellung nackter Körper in der italienischen und italienisch beeinflussten Kunst im 14. bis 17. Jahrhundert und die weitere Entwicklung in Europa bis zum Ende des 19. Jahrhunderts führten diese Praxis weiter. Alle bekannten Maler und Bildhauer dieser Zeit, die Akte darstellten, zeigten zwar den Venushügel, aber keine weiteren anatomischen Details.

Ausnahmen bildeten die Maler des deutschen und niederländischen Sprachraums, die in der Regel ihre Aktdarstellung in der Malerei, Grafik und Bildhauerei (insbesondere in Form von Miniaturen aus Holz und Elfenbein) mit natürlicher Schambehaarung und Schamspalte darstellten. Hier war die Darstellung vor allem dem Wunsch einer realistischeren und vollständigen Darstellung zuzuschreiben und fand vor allem bei der Darstellung von biblischen Motiven wie der Darstellung von Adam und Eva oder auch bei Marienbildnissen ohne sexuellen Bezug statt. Dürer widmete sich zudem in seinen Proportionsschemata für den weiblichen Idealkörper auch dem Spalt des weybs und stellte diesen entsprechend dar. Diese Form der Darstellung verschwand im 16. Jahrhundert, als auch im Norden Europas der idealisierte und geschlechtsverhüllende Zustand übernommen wurde.

Im 18. Jahrhundert entstanden vor allem pornografische Darstellungen mit künstlerischem Anspruch von weniger bekannten Künstlern. Nur gelegentlich wurden Aktdarstellungen mit Schambehaarung im künstlerischen Kontext akzeptiert.

Im 19. Jahrhundert kam die Malerei und Bildhauerei nach dem weiblichen Aktmodell zunehmend in Mode und in die Kunstakademien, sodass die reale Abbildung des Geschlechts für die Künstler präsenter wurde. Es wurde anfangs vor allem in Vorstudien und Skizzen dargestellt, verschwand jedoch bei der Umsetzung in die Malerei. Zum Ende des 19 Jahrhundert tauchten diese realistischen Elemente bei einzelnen Künstlern auch in den Bildern auf.

Kunst des 20. Jahrhunderts

Während sich am Ende des 19. und verstärkt zu Beginn des 20. Jahrhundert Fotografie und Film durchsetzten und auch zahlreiche Aktaufnahmen kursierten, wurden diese nicht als Kunst betrachtet, sondern galten in der Regel als Pornografie. Detaillierte Darstellungen der Schamregion oder Schamhaar in der Malerei blieben dagegen verpönt, Verstöße führten zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu Skandalen.

Insbesondere das Schamhaar wurde zu einem Symbol der Avantgarde der Aktmaler und rückte später ins Zentrum der Aufmerksamkeit, die Darstellung weiblicher Körper ohne Schamhaar oder Schamspalte verschwand vollständig aus der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts. Insbesondere Pablo Picasso, Egon Schiele und George Grosz setzen die weiblichen wie auch die männlichen Genitalien prominent in den Vordergrund ihrer Aktkunst und machten sie gesellschaftsfähig. Darauf aufbauend wurden Darstellungen der Vulva ebenso wie des Penis und des Geschlechtsaktes in der erotischen Kunst von Malern bis heute weitergeführt.

 

Quelle: Wikipedia.org
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 15.06. 2015