Neumann-Randbedingung
Eine Neumann-Randbedingung (nach Carl Gottfried Neumann) bezeichnet im Zusammenhang mit Differentialgleichungen (genauer: Randwertproblemen) Werte, die auf dem Rand des Definitionsbereichs für die Normalableitung der Lösung vorgegeben werden. Bei Neumann-Randwertproblemen werden nicht Funktionswerte, sondern Ableitungswerte vorgegeben. Weitere Randbedingungen sind beispielsweise Dirichlet-Randbedingungen (bei denen die Funktionswerte auf dem Rand vorgegeben sind) oder schiefe Randbedingungen.
Gewöhnliche Differentialgleichung
Das Neumannproblem
Im Falle einer gewöhnlichen Differentialgleichung ist der Definitionsbereich der Funktion ein abgeschlossenes Intervall. Folglich besteht der Rand des Definitionsbereiches nur aus dem rechten und dem linken Intervallende. Aufgrund der Freiheit in gewöhnlichen Differentialgleichungen sind Neumann-Randbedingungen nur für Gleichungen von zweiter oder höherer Ordnung sinnvoll. In diesem Fall sieht ein Neumannproblem, d.;h. eine Differentialgleichung mit Neumann-Randbedingung folgendermaßen aus:
Hierbei ist die rechte Seite
der Differentialgleichung eine vorgeschriebene Funktion,
und
sind vorgeschriebene reelle Zahlen für die Werte der ersten Ableitung einer
Lösung an den Intervallenden. Schließlich wird eine Lösung
aus der angegebenen Regularitätsklasse
gesucht.
Beispiel für eine gewöhnliche Differentialgleichung
Wir wählen als unser Intervall
und betrachten das folgende Problem:
Mit der Theorie der linearen gewöhnlichen Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten erhalten wir zunächst als allgemeine Lösung der Differentialgleichung:
mit der Ableitung
und zwei frei wählbaren reellen Konstanten
und
.
Wir benutzen die Randbedingungen, um diese Konstanten zu fixieren. Dabei
erhalten wir ein lineares
Gleichungssystem in den Unbekannten
und
:
Bemerkenswerterweise ist dieses System nicht eindeutig lösbar, aber es ist
für beliebiges reelles
eine Lösung gegeben durch
Partielle Differentialgleichungen
Das Neumannproblem
Bei einer partiellen
Differentialgleichung ist die alleinige Angabe von Neumann-Randbedingungen
nur für elliptische Gleichungen auf einem beschränkten
Gebiet
sinnvoll, da die anderen Typen auch Vorgaben der Anfangswerte benötigen. Dabei
werden Neumann-Randbedingungen auf dem Rand des Gebietes
vorgeschrieben. Es wird also die Ableitung der Lösung in Richtung der äußeren
Normalen vorgeschrieben. Damit die Ableitung in Richtung der äußeren Normalen an
das Gebiet sinnvoll ist, muss dabei notwendig vorausgesetzt werden, dass es sich
um einen
-Rand
handelt.
Wir definieren hier das Neumannproblem für eine quasilineare partielle Differentialgleichung:
Hierbei stellt die Funktion
die vorgeschriebene Ableitung in Richtung der äußeren Normalen
an
von unserer Lösung dar. Allein die Frage nach der Lösbarkeit eines solchen
Problemes ist sehr anspruchsvoll und steht im Mittelpunkt der aktuellen
Forschung. Es ist auch sehr schwierig, eine allgemeingültige Lösungsmethode
anzugeben.
Ermittlung notwendiger Bedingungen
Es ist jedoch zu beachten, dass allein die Gültigkeit des gaußschen
Integralsatzes eine weitere (notwendige) Bedingung an die Daten und an
Lösungen unseres Neumannproblems darstellt. Wir haben hierzu lediglich den
gaußschen Integralsatz auf das Vektorfeld
anzuwenden.
Wenn wir beispielsweise eine Lösung eines einfachen linearen Neumannproblems
mit dem Laplace-Operator
betrachten:
so erhalten wir unter Anwendung des gaußschen Integralsatzes die Bedingung an
die Daten
und
:
Folglich ist die Gültigkeit der Gleichung
notwendig für die Lösbarkeit dieses Neumannproblems. Bei anderen Problem ist es gegebenenfalls hilfreich geeignete andere Vektorfelder zu betrachten.
Beispiel für eine partielle Differentialgleichung
Wir betrachten in diesem Beispiel auf dem Gebiet
mit dem regulären Rand
für genau ein
gilt
das folgende Randwertproblem:
Hierbei bezeichnet
den Laplace-Operator.
Zunächst stellen wir fest, dass
eine Lösung des Problems ist. Um weitere Lösungen zu finden, können wir rein
formal dem Beispiel zu Dirichlet-Randbedingungen
partieller Differentialgleichungen folgen, und erhalten nach einem
Produktansatz:
Wir müssen aber beachten, dass wir hier eigentlich nicht die
Nullstellenfreiheit von
fordern können, da die Cosinusfunktion bekanntermaßen eine Nullstelle bei
hat. Das bedeutet, dass wir nicht wissen, ob unsere formale Lösung auch wirklich
Lösung unseres Neumannproblems ist. Wenn wir dies aber einsetzen, stellen wir
fest, dass wir Glück haben und unser
tatsächlich Lösung unseres Problems ist.
Verallgemeinerung für partielle Differentialgleichungen
Häufig ist es ratsam, allgemeinere Randwertprobleme wie
zu betrachten. In diesem Fall ist
eine Richtungsableitung
in eine äußere Richtung. Das heißt, es gilt
für alle
.
Wir beachten aber, dass der Richtungsvektor
ein Datum des Problems ist.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 26.06. 2019