Wann ist die Pflanze krank?
Jede Störung und Abweichung im normalen Ablauf der Lebensvorgänge in der Pflanze, durch die ihr Leben oder das ihrer Teile bedroht wird, ist eine Krankheit.
Wenn wir die Pflanzenheilkunde als gleichberechtigt neben die Menschen- und Tierheilkunde stellen, dann haben wir die kranke Pflanze als den Patienten zu betrachten. Es ist für den Pflanzenanbauer, wie natürlich auch für den Pflanzenarzt, außerordentlich wichtig, sich mit dem Krankheitsbild, wie es die erkrankte Pflanze bietet, zu beschäftigen. Genau so wie unser Arzt aus einzelnen Krankheitsanzeichen: Gesichtsfarbe, Pulsschlag, Körpertemperatur usw., sich das Krankheitsbild zusammensetzt, um aus ihm Schlüsse auf die Krankheitsursache zu ziehen, genau so verfahren wir bei den kranken Pflanzen.
Es ist nicht immer leicht, das Krankheitsbild bei den Pflanzen zu beschreiben und richtig anzusprechen; allein bei einiger Übung werden wir erkennen, daß die sich anfangs entgegenstellenden Schwierigkeiten zu beheben sind. Wir lernen beobachten und vergleichen, Unterschiede zwischen gesunden und kranken Pflanzen feststellen und auswerten. Wir werden auch in diesem Zweig der Naturbeobachtung unsere Befriedigung finden.Um eine Übersicht über die zahlreichen Krankheitserscheinungen der Pflanzen zu gewinnen, hat man sie in 6 Gruppen eingeteilt:
- 1. Welkeerscheinungen,
- 2. Verfärbungen,
- 3. Absterbeerscheinungen,
- 4. Formveränderungen,
- 5. Wunden,
- 6. Ausscheidungen.
- 1. Welkeerscheinungen werden durch Nachlassen des inneren Druckes in den Zellen — Turgor genannt — verursacht. Die Pflanzen, die in gesundem, wachsendem Zustand prall und straff sind, werden schlapp, die Blätter hängen schlaff an den Zweigen, krautartige Pflanzen verlieren ihren Halt und fallen zusammen. Starke Wasserabgabe an die umgebende Luft, z.B. an heißen Sommertagen, und die Unmöglichkeit, diesen Wasserverlust zu ersetzen, sind Veranlassung zum Welken. Auch Beschädigungen der Wurzeln oder der Wasserleitungsbahnen können Ursache werden.
- 2. Verfärbungen treten sehr häufig auf. Sie können sich auf die ganze Pflanze erstrecken, so das Gelbwerden von Pflanzen im Dunkeln oder bei nicht ausreichendem Gehalt des Bodens an Eisen. In anderen Fällen färben sich Pflanzen rot, so Getreide nach kalten Frühjahrsnächten, einige Salatsorten nach dem Verpflanzen usw. — Beschränkt sich die Verfärbung auf örtlich begrenzte Gewebeteile, dann sprechen wir von Flecken. Wir brauchen nur an Rostflecke, Sonnenbrandflecke usw. zu denken.
- 3. Absterbeerscheinungen ergeben sich vielfach als Folge von Welken und Verfärbungen. Solches Absterben beobachten wir bei einem
vorzeitigen Abwerfen von Blättern, Blüten oder Früchten infolge ungünstiger
Witterungsverhältnisse, wie große Hitze und Trockenheit des Bodens, infolge starken Befalles durch Pilze oder tierische Schädlinge, besonders Insekten,
wie Blattläuse.
Zu den Absterbeerscheinungen rechnen wir auch die Fäulen, die an allen Pflanzenteilen vorkommen und von denen uns zahlreiche Beispiele bekannt sein werden. Denken wir an die Naß- und Trockenfäule der Kartoffelknollen, an die Fruchtfäule beim Obst, an die Lagerfäule an eingelagertem Gemüse usw. Auch die Holzfäule, die das Leben unserer Obstbäume gefährdet, gehört hierher. - 4. Formveränderungen sind Abweichungen einer Pflanze oder eines Pflanzenteiles von der normalen Gestalt. Blattrollungen und -kräuselungen bei Kartoffel, Tomate und vielen anderen Pflanzen sind solche Formveränderungen, ebenso die langen gelben Keime der im dunklen Keller aufbewahrten Kartoffelknollen; Gallen, wie wir sie an Blättern zahlreicher Laubbäume finden, wie sie bei der Kohlhernie an den Wurzeln der Kohlpflanzen, beim Kartoffelkrebs an den Knollen entstehen, alles das sind Neubildungen, die als Formveränderungen zu gelten haben.
- 5.Wunden entstehen als mechanische Verletzungen und bedeuten für die Pflanze meist einen Verlust an Gewebe. Denken wir an die Wunden, die durch Tierfraß an allen Teilen der Pflanze verursacht werden. Der Mensch ruft Wunden hervor, z.B. an Obstbäumen bei unachtsamer Bearbeitung des Bodens, durch den Schnitt, den er zum Kronenaufbau und damit zur Ertragssteigerung durchführt. Wunden entstehen als Frostplatten, Frostrisse, durch Hagelaufschläge, Blitzschlag usw. Eine sorgfältige Wundbehandlung ist für die Gesunderhaltung der Bäume wichtig.
- 6. Ausscheidungen sind z. B. der Gummifluß an Steinobst, der Harzfluß an Nadelhölzern, der Schleimfluß an Laubbäumen. Auch der echte Honigtau, wie wir ihn gelegentlich an heißen, trockenen Sommertagen an Linden beobachten, gehört hierher.
Neben diesen Hauptgruppen von Krankheitserscheinungen gibt es noch solche, die nach den Krankheitserregern benannt werden; wir denken an die Schorfkrankheiten beim Obst (Fusikladium), die Schorfkrankheiten an der Kartoffelknolle, die Mehltaukrankheiten u. a.
Haben wir das Krankheitsbild erkannt, dann ist unsere nächste Aufgabe, zu prüfen, welche Ursachen für das Entstehen des jeweiligen Krankheitsbildes in Frage kommen. Die Feststellung der Ursache ist auch bei den Pflanzenkrankheiten Vorbedingung für die Heilung und für die künftige Verhütung. Letztere, die Vorbeuge, ist in der Pflanzenheilkunde ebenso wichtig wie in der Menschen- und Tierheilkunde; sie wird durch vorbeugende oder, wie wir auch sagen können, durch hygienische Maßnahmen erreicht.
Seite zurück
© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 02.08. 2018