Flugzeugfahrwerke

Wright-Militär-Doppeldecker
Wright-Militär-Doppeldecker
Quelle: USAF

Das Fahrwerk ist auch heute noch - wie schon zu Beginn der Entwicklung der Flugtechnik - eine für die Etappe des Fluges unnötige und störende, für die Bewegungen am Boden und für den Übergang zum Flug jedoch unentbehrliche Baugruppe eines jeden Flugzeugs. Es ermöglicht ihm alle notwendigen Bodenmanöver, es garantiert einen sicheren Start und eine einwandfreie Landung.

So ist es nicht verwunderlich, daß den Fahrwerken bereits bei den ersten Flugzeugkonzeptionen eine hohe Bedeutung beigemessen wurde. Schon bei den historischen Flugzeugprojekten finden wir die Hauptelemente der heutigen Fahrwerke. In seiner im Jahre 1876 eingereichten Patentschrift entwickelte der Franzose Alphonse Pénaud die Grundgedanken des einziehbaren Bugfahrwerks. Der Blériot-Eindecker, mit dem 1909 die erste Überquerung des Ärmelkanals gelang, hatte ein Heckfahrwerk mit Schleifsporn, und bei dem 1911 von Eugen Wiencziers gebauten Rennflugzeug wurde ein funktionsfähiges Einziehfahrwerk mit starrem Hecksporn verwendet. Interessant ist, daß die Brüder Wright, die 1903 den ersten Motorflug durchführten, ihr Flugzeug mit Kufen ausrüsteten und es auf einer hölzernen Schiene von einem am Boden verbleibenden Startwagen aus mit Hilfe einer Katapultvorrichtung starteten.

Forderungen an das Fahrwerk

Die mit der Entwicklung der Flugzeuge gestiegenen Anforderungen an die einzelnen Baugruppen führten zu Fahrwerkkonstruktionen, die es heute gestatten, daß mehr als 100 t schwere Flugzeuge mit Landegeschwindigkeiten von über 250 km/h genauso weich aufsetzen wie kleine Sportflugzeuge und daß sie am Boden ebenso leicht und präzise wie diese manövrieren können. Das macht die Erfüllung einer Reihe von Forderungen notwendig, welche die Konstruktion des Fahrwerks, seine Eingliederung in die Gesamtkonzeption des Flugzeugs sowie seine Betriebszuverlässigkeit und Ökonomie betreffen.

  1. Das Fahrwerk muß eine hohe Lastaufnahme und ein gutes Dämpfungsverhalten gewährleisten. Es muß die aus der Vertikalgeschwindigkeit entstehende kinetische Energie aufnehmen, um zu verhindern, daß das Flugzeug nach dem Aufsetzen wie ein Gummiball wieder in die Luft geschleudert wird.Zugleich muß es die aus der Horizontalgeschwindigkeit resultierende kinetische Energie in einer relativ kurzen Zeit umwandeln, damit das Flugzeug nach kurzem Rollweg schnell zum Stehen kommt. Darüber hinaus müssen alle durch Bodenunebenheiten beim Rollen hervorgerufenen Stöße weich abgefedert werden, so daß die auf die Zelle übertragenen Stöße möglichst klein gehalten werden.
  2. Das Fahrwerk soll die Durchführung aller Rollmanöver mit eigener Kraft ermöglichen. Dazu muß es leicht lenkbar sein, große Rollstabilität haben und darf auch bei maximaler Bremsung keine Tendenz zum Ausbrechen aus einer vorgegebenen Richtung zeigen.
  3. Die Anordnung des Fahrwerks muß die Einhaltung der für Start und Landung notwendigen Anstellwinkel ohne zusätzliche Hilfsmittel ermöglichen. Der Übergang von der Roll- in die Flugphase und umgekehrt muß mit normalen Steuermitteln möglich sein.
  4. Das Fahrwerk darf nur einen minimalen Anteil am Gesamtgewicht des Flugzeugs beanspruchen. Fahrwerke moderner Flugzeuge erreichen jedoch trotz bester Konstruktion immer noch 3 bis 5 Prozent des Startgewichts.
  5. Das Fahrwerk solleingefahren nur wenig Raum beanspruchen. Diese Forderung ist mit steigender Erhöhung des Landegewichts und der Landegeschwindigkeit immer schwieriger zu erfüllen. Hinzu kommt, daß der für die Unterbringung des Fahrwerks zur Verfügung stehende Raum wegen der Verwendung dünnerer Profile immer kleiner wird.
  6. Ausgefahren soll das Fahrwerk nur einen geringen Stirnwiderstand bieten. Es darf die Flugeigenschaften des Flugzeugs, seine Stabilität und Steuerbarkeit nur in geringen Grenzen beeinflussen.
  7. Das Fahrwerk muß eine hohe Zuverlässigkeit bei jedem Betriebszustand aufweisen; dazu gehören Seitenwind- und Schiebelandungen, Landungen mit maximaler Sinkgeschwindigkeit sowie mit bestimmten Querneigungen.

Fahrwerkkonzeptionen

Fahrwerkprinzip
Fahrwerkprinzip

Bei der Realisierung der Forderungen an das Fahrwerk haben sich klassische Fahrwerkkonzeptionen herausgebildet. Sie lassen sich, bei den verschiedenen Flugzeugtypen mannigfaltig variiert, auf folgende drei Anordnungen reduzieren:

Das Heckfahrwerk

Bei diesem Dreipunktfahrwerk sind die rechts und links von der Flugzeuglängsachse angebrachten Haupträder, die ungefähr 90 Prozent des Fluggewichts tragen, vor dem Schwerpunkt des Flugzeugs angeordnet. Der dritte Abstützungspunkt, der die restlichen 10 Prozent des Fluggewichts trägt, befindet sich weit hinter dem Schwerpunkt am Heck des Flugzeugs als lenkbares Sporn- oder Heckrad. Diese Konzeption, die sich von Beginn der Flugzeugentwicklung an durchsetzte, wurde bis zum zweiten Weltkrieg bei fast allen Flugzeugtypen verwirklicht.

Das Bugfahrwerk

Auch hier handelt es sich um ein Dreipunktfahrwerk. Im Unterschied zum Heckfahrwerk befinden sich hier die Haupträder, die ebenfalls 90 Prozent des Fluggewichts tragen, hinter dem Schwerpunkt des Flugzeugs. Der dritte Abstützungspunkt liegt als lenkbares Bugrad weit vor dem Schwerpunkt. Diese Fahrwerkanordnung setzte sich mehr und mehr durch und entwickelte sich zur bestimmenden Standardausführung.

Das Tandem- oder Reihenfahrwerk

Mjassischtschew 3M
Mjassischtschew 3M
Quelle: af.ru

Dieses Vierpunktfahrwerk besteht aus zwei in der Flugzeuglängsachse angebrachten Hauptfahrwerken, wobei das vor dem Flugzeugschwerpunkt liegende und lenkbare vordere Hauptfahrwerk 40 Prozent und das hintere Hauptfahrwerk 60 Prozent des Fluggewichts trägt. Um ein Kippen des Flugzeugs zu verhindern, befinden sich in der Flugzeugquerachse, meist an den Flächenenden angebracht, zwei Stützfahrwerke. Tandemfahrwerke findet man vor allem bei Militärflugzeugen, bei denen die Bomben- oder Raketenlast im Schwerpunkt des Flugzeugs zwischen den beiden Hauptfahrwerken untergebracht ist; solche Flugzeuge werden von unten beladen, und die Last wird auch nach unten ausgeklinkt. Die drei beschriebenen Fahrwerkanordnungen, die sich vor allem in der Lage der einzelnen Räder zum Schwerpunkt des Flugzeugs unterscheiden, zeigen erhebliche Unterschiede in den Rolleigenschaften sowie im Verhalten bei Start und Landung; sie bedingen darüber hinaus unterschiedliche Start- und Landemanöver.

Vor- und Nachteile der einzelnen Fahrwerkkonzeptionen

Betrachten wir mit Hilfe der Übersichtszeichnung die spezifischen Eigenschaften der drei Fahrwerkanordnungen bei den wichtigsten Roll-, Start- und Landemanövern. Im Stand befinden sich die Rumpflängsachsen der Flugzeuge mit Bug- oder Tandemfahrwerk in Horizontallage. Das erleichtert das Beladen des Flugzeugs und das Einsteigen der Passagiere.

Bei Flugzeugen mit Heckfahrwerk ist der Rumpf im Stand von 10° bis 12° zur Horizontalen geneigt. Diese Schrägstellung erschwert das Beladen und ist für die Passagiere ungünstig, da sie das Flugzeug »bergauf« oder »bergab« betreten müssen. Der Rumpfanstellwinkel ist jedoch erforderlich. Er ergibt sich aus dem zum Erreichen des Maximalauftriebs notwendigen Profilanstellwinkel und einem Sicherheitswinkel, der verhindert, daß das Flugzeug vom Heckrad aus abhebt.

Der Start bis zum Abheben des Flugzeugs vom Boden erfordert grundsätzlich unterschiedliche Steuertechniken. Um eine kurze Startrollstrecke zu erreichen, wird in einer Fluglage gerollt, die einem minimalen Widerstandsbeiwert entspricht, wenn also der Profilanstellwinkel und auch der Rumpfanstellwinkel annähernd Null sind. Bei Flugzeugen mit Bug- oder Tandemfahrwerk ist das bei normaler Standlage gegeben; diese Flugzeuge rollen beim Start auf allen Rädern an.

Anders bei Flugzeugen mit Heckfahrwerk. Hier muß das Flugzeug nach Erreichen einer Minimalgeschwindigkeit durch einen Höhenruderausschlag in Richtung »drücken« in die Horizontallage gedreht werden. Diese Flugzeuge rollen mit angehobenem Heck auf den beiden Haupträdern. Das Abheben erfolgt bei allen Flugzeugen durch Einsteuern des für den Startauftriebsbeiwert erforderlichen Anstellwinkels» Dieses Einsteuern geschieht bei Bug- und Heckfahrwerken durch einen Höhenruderausschlag in Richtung »ziehen«. Bei Heckfahrwerken wird das Heck abgesenkt; kurz vor dem Erreichen der Dreipunktlage hebt das Flugzeug ab und steigt stabil. Bei Bugfahrwerken wird mit diesem Steuerausschlag das Flugzeug um die hinter dem Schwerpunkt befindliche Radachse gedreht, der Bug wird abgehoben.

Bei Flugzeugen mit Tandemfahrwerk kann die zum Abheben erforderliche Anstellwinkeländerung durch Steuermaßnahmen nicht eingeleitet werden, da das mit 40 Prozent des Fluggewichts belastete vordere Hauptrad durch aerodynamische Kräfte nicht angehoben und das Flugzeug nicht um das weit hinter dem Schwerpunkt befindliche hintere Hauptrad gedreht werden kann. Bei solchen Flugzeugen wird meist das hintere Hauptrad mechanisch und in Abhängigkeit vom Staudruck bis zum Erreichen des erforderlichen Startanstellwinkels abgesenkt.

Das Aufsetzen geschieht wiederum mit annähernd maximalem Auftriebsbeiwert, also mit großem Anstellwinkel. Flugzeuge mit Heckfahrwerk setzen mit diesem Anstellwinkel in Dreipunktlage, also mit allen Rädern gleichzeitig auf. Schon geringe Abweichungen, zum Beispiel zu hohe Landegeschwindigkeit oder zu große Sinkgeschwindigkeit, bewirken ein ungünstiges Landeverhalten. Setzt das Flugzeug zuerst mit dem vor dem Schwerpunkt befindlichen Haupträdern auf, so bewirkt der Landestoß eine Drehung des Flugzeugs in Richtung »grosser Anstellwinkel«. Das führt dazu, daß das Flugzeug wieder abhebt, also stark zum Springen neigt. Bei Bug- und Tandemfahrwerken bewirkt das Aufsetzen der hinter dem Schwerpunkt angebrachten Haupträder eine Drehung des Flugzeugs in Richtung »kleiner Anstellwinkel«, was ein nochmaliges Abheben des Flugzeugs verhindert.

Setzt das Flugzeug mit einer Seitenbewegung (Schiebebewegung) auf, so neigt das Heckfahrwerk zu einem instabilen Verhalten. Die bei der Schiebelandung auf die vor dem Schwerpunkt angebrachten Haupträder wirkende Seitenkraft in Richtung Querachse dreht das Flugzeug noch weiter aus der Bahn; der Schiebewinkel vergrößert sich, das Flugzeug neigt zum Ausbrechen, und der Landevorgang wird außerordentlich instabil.

Die bei Flugzeugen mit Bug- oder Tandemfahrwerk erzeugten Seitenkräfte drehen dem gegenüber solche Flugzeuge selbsttätig in die Landerichtung; der Schiebewinkel wird verkleinert und der Landevorgang stabilisiert. Beim Kurvenrollen zeigen Flugzeuge mit Heckfahrwerk ebenfalls ein instabiles Verhalten; sie versuchen, in Richtung der eingeschlagenen Kurve weiterzudrehen. Flugzeuge mit Bugfahrwerk neigen dazu, den Radius der Kurve zu vergrößern. Das ergibt sich aus der Lage des Angriffspunktes der am Hauptrad wirkenden Seitenkraft, die die am Schwerpunkt angreifende Zentrifugalkraft kompensiert. Diese greift einmal vor, im anderen Fall hinter dem Schwerpunkt des Flugzeugs an.

Insgesamt kann man feststellen, daß das Heckfahrwerk gegenüber den anderen Fahrwerken eine Reihe von Nachteilen hat wie:

Da diese Nachteile mit steigender Lande-und Rollgeschwindigkeit zunehmen, findet man bei Flugzeugen mit Landegeschwindigkeiten über 150 km/h fast nur die wesentlich vorteilhaftere Bugradanordnung und die Tandem- oder Reihenanordnung.

Der Aufbau des Fahrwerks

Unabhängig von der Fahrwerkanordnung, vom Entwicklungsstand und vom Einsatzzweck des Flugzeugs bestehen alle gebräuchlichen Fahrwerke aus gleichen Elementen. Das sind die Reifen, die Radkörper und die Fahrwerkstreben. Mit fortschreitender Entwicklung wurden diese Grundelemente durch den Einziehmechanismus, die Federstreben und die Bremsanlage ergänzt. Moderne Großflugzeuge haben darüber hinaus eine, Anlage zur automatischen Bremskraftregelung. Waren die ersten Flugzeuge noch mit starren, oft ungefederten, aber immer ungedämpften Fahrwerken, bestehend aus Reifen, Radkörper und den Fahrwerkstreben, ausgerüstet, so wurden nach 1920 zusätzliche Stoßdämpfer und Einziehmechanismen eingeführt. Nach 1930 erhielten die Fahrwerke ölpneumatische Stoßdämpfer, wie sie im Prinzip heute noch verwendet werden, sowie Bremsanlagen, meist als Duo-Servo-Bremsen ausgelegt. Nach 1945 setzten sich mehr und mehr leistungsfähige Scheibenbremsen, Hochleistungsstoßdämpfer sowie automatische Bremsdruckregler durch.

Das Zusammenspiel aller Elemente wird im wesentlichen durch die Fahrwerkkinematik und durch den Einziehmechanismus bestimmt. Dabei ist die Kinematik des Fahrwerks bestimmend für das Federungs-, Dämpfungs- und Rollverhalten des Flugzeugs. Der Einziehmechanismus und in Grenzen auch die Kinematik werden durch die Einbauverhältnisse in der Zelle (Rumpf, Triebwerkgondel, Fahrwerkgondel, Tragfläche) oft entscheidend beeinflußt. Abb. 3 zeigt die Kinematik der gebräuchlichen Fahrwerke. Dabei werden die Bugfahrwerke ähnlich wie die Spornfahrwerke als einfaches Federbein ausgeführt (Federstrebe, die auch Biegemomente überträgt). Ein entsprechend gewählter Nachlauf schränkt das Flattern der Räder ein. Dennoch haben die meisten Bugfahrwerke einen - meist mit der Lenkung gekoppelten - zusätzlichen Flatterdämpfer. Da Bug- und Spornradkonstruktion nur 10 Prozent des Fluggewichts übertragen, sind sie relativ leicht ausgeführt. Bei Bugradkonstruktionen moderner Flugzeuge wird jedoch die große Bauhöhe zu einem konstruktiven Problem.

Hauptfahrweke werden bei kleinen Fluggewichten gern als Schwinghebelfahrwerke ausgelegt. Diese gewährleisten ein einwandfreies Federungsverhalten; das Rad schwingt in der Laufebene nach hinten weg, ein Radieren und Pendeln ist dadurch ausgeschlossen. Da Schwinghebelfahrwerke nur in Einrad- oder Zweiradanordnung ausgeführt werden können, sind sie bei größeren Landegewichten nicht anwendbar. Die Begrenzung der maximalen Einzelradlast in Abhängigkeit von der Tragfähigkeit der Betonpisten und die mit größeren Rädern stark ansteigenden Einziehprobleme sowie die wachsenden Trägheitskräfte, die das Beschleunigen des Rades beim Aufsetzen stark behindern, führten dazu, daß die Konstrukteure das große Einzelrad in mehrere kleinere Räder auflösten. Diese werden in sogenannten Wagen zu 4, 6, 8 oder 12 Rädern mit 2 oder 3 Achsen, die in sogenannten Traversen laufen, zusammengefasst. Mit der Auflösung der großen, meist mit Niederdruckreifen (3,0 at) bestückten Einzelräder in mehrere kleine Einzelräder wurde auch der Übergang zum Hochdruckreifen (bis 25 at) vollzogen. Damit wurden die notwendigen Einbauvolumen entscheidend gesenkt. Abb. 4 zeigt ein Beispiel für maximale Raumausnutzung durch geschickte Konzeption des Einziehmechanismus bei einem modernen Großflugzeug.

Die Elemente des Fahrwerks

Der gegenwärtige Entwicklungsstand der Fahrwerkkonstruktionen, die mit den in den letzten Jahren enorm gewachsenen Landegewichten und Landegeschwindigkeiten Schritt hielten (siehe Abb. 5), drückt sich jedoch nicht in erster Linie in grundsätzlichen neuen kinematischen Lösungen, sondern in der bedeutenden Entwicklung der Elemente des Fahrwerks (Dämpfer, Streben, Reifen, Bremsen) sowie in der immer besseren Abstimmung der einzelnen Elemente aufeinander aus. Die Fahrwerkstreben (Dämpfer), die neben der Übertragung der durch die Landebelastung erzeugten Biege- und Längskräfte vor allem die Aufgabe haben, die Energie des Landestoßes (Hochgeschwindigkeitsflugzeuge setzen zum Beispiel mit 6 m/s Sinkgeschwindigkeit auf und erzeugen dabei bis zu 5fache Landebelastungen) umzusetzen und so den Landestoß zu dämpfen, zählen zu den am härtesten beanspruchten Bauteilen des Flugzeugs. Durch Verwendung extrem hochfester Stähle konnten die Strebengewichte in Grenzen gehalten werden. Auch die Abmessungen konnten durch den Einsatz von Öldämpfern, die einen Wirkungsgrad bis zu 95 Prozent haben, erheblich reduziert werden.

Der Wirkungsgrad eines Dämpfungselements gibt an, wieviel Prozent der eingeleiteten Stoßenergie in Reibungswärme umgewandelt werden kann. So hat zum Beispiel der reine Luftreifen einen Wirkungsgrad von 50 Prozent, Stahlfederstreben ebenfalls einen solchen bis zu 50 Prozent; die früher oft verwendeten Ringfederstreben (bei der die Energie durch aufspreizende Stahlringe direkt in Reibungswärme umgewandelt wird) haben einen Wirkungsgrad von 70 Prozent, und die kombinierte Luft-ÖI-Federstrebe, wie sie gegenwärtig noch gebräuchlich ist, hat einen Wirkungsgrad von 85 Prozent. Allen Federstreben gemeinsam ist, daß die Landeenergie durch elastische Medien (Gummi, Stahl, Luft, Öl) aufgenommen und durch Luftdämpfer, Hydraulikdrosseln oder Reibkörper (Stahlringe) in Reibungswärme umgewandelt wird. In den heute gebräuchlichen Luft-ÖI-Federstreben (an Stelle der Luft wird aus Sicherheitsgründen bei hohen Kompressionsdrücken Stickstoff verwendet) übernimmt dabei das Luftpolster die Federung. Die Umsetzung der Stoßenergie erfolgt durch die Ölfüllung über verschiedene Drosselelemente, die so »geschaltet« sind, wie es die gewünschte Dämpfungskurve verlangt.

Der Luftreifen des Fahrwerks erfüllt im Prinzip die gleiche Aufgabe wie die Federstreben. Er arbeitet als elastische Luftfeder mit einer im wesentlichen durch die Reifenkonstruktion beeinflussbaren, aber insgesamt relativ geringen Eigendämpfung. Daneben stellt er über Bodenreibung die Verbindung des Flugzeugs mit der Lande- und Rollbahn her. Welchen Einfluss der Reifendruck auf die Eigenschaften des Rades ausübt, zeigt folgender Vergleich:

Reifendruck 5at 10 at
erforderliches Volumen 100,00% 50,00%
spezifische Bremskraft 100,00% 110,00%
Radgewicht 100,00% 80,00%
erforderliches Drehmoment zum Beschleunigen des Rades 100,00% 60,00%

Im Prinzip sind Flugzeugreifen ähnlich wie normale Fahrzeugreifen aufgebaut. Sie bestehen aus Schlauch und Decke oder sind schlauchlos ausgeführt. Sie unterscheiden sich nur im konstruktiven Aufbau der Reifendecke und im Einsatz hochfester Materialien, zum Beispiel mit 20 Prozent vollsynthetischen Fasern in der Gummibettung. Damit wird es möglich, ein Einzelrad (25 at) mit einer zulässigen Radiallast (Standlast) bis zu 20 t und einer Axiallast (Seitenbelastung) bis zu 6 t zu belasten. Ein schon äußerlich sichtbarer Unterschied zu an deren Fahrzeugreifen besteht darin, daß Flugzeugreifen zum Beispiel nicht das vom Pkw bekannte hohe Blockprofil, sondern nur eine schwache Längsrillung und eine relativ dünne Gummiauflage über den Gewebeschichten haben. Die Ursache dafür liegt in der besonderen Belastung des auf die rauhe Betonpiste aufsetzenden Rades. Entscheidend ist hier eine relativ schonende Beschleunigung des ruhenden Rades auf eine Umfangsgeschwindigkeit, die gleich der Landegeschwindigkeit (in Spitzen bis 350 km/h) ist, bei der das Rad unvermeidbar "radiert". Bei einer hohen Blockprofilierung mit tiefen Querrinnen würden durch die rauhe Betonfläche unweigerlich ganze Gummistücke ausgerissen werden, was zur sofortigen Zerstörung des Reifens führte. Das Ausreißen von Laufflächengummi wird zudem dadurch verhindert, daß die ersten stützenden Gewebelagen bereits dicht unter der Oberfläche liegen und den Gummi so fixieren. Deshalb ist es bei Flugzeugdecken normal, sie bis zur zweiten oder dritten Gewebelage abzunutzen. Sichtbares Gewebe ist keinesfalls ein Zeichen schlechter »Reifenpflege«.

Die notwendige Seitenführung wird durch die Längsrillung unterstützt, die erforderlichen Bremskräfte werden durch die hohen Einzelradbelastungen auf die Piste übertragen, und eventuelles Bodenwasser (bei Regen) wird durch die Größe der Längsrillen abgeleitet und so die Bildung eines Wasserfilms zwischen Reifen und Piste (aquaplaning) verhindert. Trotz aller Maßnahmen konnte bisher jedoch nicht verhindert werden, daß die Lebensdauer der Reifen mitzunehmender Landegeschwindigkeit und Einzelradlast immer mehr zurückgeht. Während die anfängliche Reifenlebensdauer bei Verkehrsflugzeugen um 300 Landungen (teilweise darüber) betrug, können mit Hochleistungsreifen modernster Militärflugzeuge in extremen Fällen nur noch 10 bis 20 Landungen durchgeführt werden.

Die Bremsen der Fahrwerke entscheiden gegenwärtig in ausschlaggebendem Maße über die Sicherheit bei Start und Landung. Auch wenn heute bei allen modernen Flugzeugen ein wesentlicher Teil der Landeenergie über aerodynamische Bremsen (Bremsschirme) oder über die Triebwerkenergie (Schubumkehr, Luftschraubenbremsung durch Negativschub) umgewandelt wird, sind die Anforderungen an die Bremsen rapide gestiegen. So ist es erklärlich, daß man im Flugzeugbau schon recht früh von Duplex- und Duo-Servo-Bremsen, die eine geringe spezifische Bremsleistung hatten, abging und nur noch Scheibenbremsen anwendete. Diese bestanden ursprünglich aus Stahllamellen und beweglichen Bronzescheiben, später aus Chromstahl-Sintermetall-Paarungen. Speziell die letztere Art konnte eine relativ hohe Wärmezuführung aufnehmen, gab Wärme jedoch nur langsam wieder ab. Deshalb waren längere Bremsmanöver oder mehrmalige Vollbremsungen nicht möglich. Bei diesem Bremsentyp konnte es bei Überhitzung (über 800 °C) zu einem »Verschweißen« der Bremsscheiben kommen, was die Bremse völlig unbrauchbar machte. Mit diesen Mehrscheibenbremsen wurden Flächenpressungen bis zu 70 kp/cm2 und eine spezifische Bremsleistung von 1 PS je cm2 Bremsfläche erreicht. Dabei konnten sich die Bremsscheiben normal bis zu 500° C erhitzen.

Bei den gegenwärtig modernsten Scheibenbremsen werden metallkeramische Bremsscheiben verwendet. Diese halten Bremsscheibengeschwindigkeiten bis zu 45 m/s, Flächenpressungen bis zu 70 kp/cm2 und Oberflächentemperaturen bis zu 2 000 °C stand! Bremssysteme mit außerordentlich hohen spezifischen Bremsleistungen verlagern den schwachen Punkt der gesamten Bremsung auf die Haftreibung zwischen Reifen und Bahn. Da es bei den heutigen Landebedingungen dem Piloten nicht möglich ist, die »Griffigkeit« der Reifen wie bei einer PKW-Bremsung gefühlsmäßig zu erkennen, kam es in der Vergangenheit immer häufiger zu Radblockierungen. Aus diesem Grund wurden Bremsdruckregler entwickelt, die die maximale Bremskraft automatisch auf einem Wert halten, der dicht unter der Kraft liegt, die zum Blockieren und »Radieren« des Reifens während der Bremsung führt. Alle hier genannten Konstruktionsprinzipien, Werkstoffe und Bauelemente werden in der Flugzeugindustrie durch ein Kollektiv unterschiedlicher Spezialisten - Konstrukteure, Chemiker, Mathematiker und Physiker - mit Hilfe umfangreicher theoretischer Untersuchungen vorausberechnet und in langwierigen Versuchen an statischen und dynamischen Prüfständen exakt und praxisnah nachgewiesen. Damit wird gesichert, daß unsere modernen Flugzeuge Fahrwerke erhalten, die leicht sind, ökonomisch arbeiten, den Flugzeugen angenehme Rolleigenschaften verleihen und darüber,hinaus noch extremsten Start- und Landebeanspruchungen gewachsen sind.

 
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unter Verwedung eines Artikels: C. Märten "Flugzeugfahrwerke" Fliegerkalender der DDR 1976
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 07.06. 2024