Teil XIV. Bürgschaften für die Durchführung * Versailler Vertrag

Friedensvertrag von Versailles
["Versailler Vertrag"].

Vom 28. Juni 1919.


[...]

Teil XV.
Verschiedene Bestimmungen.

Artikel 434.

  Deutschland verpflichtet sich, die volle Geltung der Friedensverträge und Zusatzübereinkommen zwischen den alliierten und assoziierten Mächte und den Mächten, die an Deutschlands Seite gekämpft haben, anzuerkennen, den Bestimmungen, die über die Gebiete der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, die Königreichs Bulgarien und des osmanischen Reiches getroffen werden, zuzustimmen und die neuen Staaten in den Grenzen anzuerkennen, die auf diese Weise für sie festgesetzt werden.

Artikel 435.

  Die Hohen vertragschließenden Teile erkennen zwar die zugunsten der Schweiz in den Verträgen von 1815, besonders in der Akte vom 20. November 1815 niedergelegten Zusicherungen, welche internationale Verbindlichkeiten zur Aufrechterhaltung des Friedens darstellen, an; sie stellen indes fest, daß die Bestimmungen dieser Verträge und Übereinkommen, Erklärungen und sonstigen Zusatzakte, betreffend die neutralisierte Zone Savoyens, so wie sie durch Artikel 92 Abs. 1 der Schlußakte des Wiener Kongresses und Artikel 3 Abs. 2 des Pariser Vertrags vom 20. November 1815 festgelegt wird, durch die Verhältnisse überholt sind. Infolgedessen nehmen die Hohen vertragschließenden Teile die Abrede zwischen der französischen und der schweizerischen Regierung, betreffend die Aufhebung der sich auf diese Zone beziehenden Bestimmungen, die abgeschafft sind und bleiben sollen, zur Kenntnis.
  Ebenso erkennen die Hohen vertragschließenden Teile an, daß die Bestimmungen der Verträge von 1815 und der sonstigen Zusatzakte, betreffend die Freizonen Hoch-Savoyens und des Gebiets von Gex, durch die Verhältnisse überholt sind, und daß es Sache Frankreichs und der Schweiz ist, im Wege der Einigung untereinander die Rechtslage dieser Gebiete so zu regeln, wie beide Länder es für zweckmäßig erachten.

 

Anlage.

I.

  Der Schweizerische Bundesrat hat, wie er der französischen Regierung am 5. Mai 1919 mitgeteilt hat, die Bestimmung des Artikels 435 gleichfalls im Geiste aufrichtiger Freundschaft geprüft und ist zu seiner Befriedigung in der Lage, ihr mit folgenden Bemerkungen und Vorbehalten zuzustimmen.
  1. Neutralisierte Zone Hoch-Savoyens:
    a) Es besteht Einverständnis, daß, solange die Eidgenössischen Kammern die Abrede zwischen den beiden Regierungen betreffend die Abschaffung der Bestimmungen über die Neutralitätszone Savoyens noch nicht ratifiziert haben, bezüglich dieses Gegenstandes beiderseits noch keine endgültige Bindung besteht.
    b) Die Zustimmung der Schweizerischen Regierung zur Abschaffung der oben erwähnten Bestimmungen setzt entsprechend dem angenommenen Wortlaut die Anerkennung der in den Verträgen von 1815, besonders in der Erklärung vom 20. November 1815, zugunsten der Schweiz niedergelegten Zusicherungen voraus.
    c) Die Abrede zwischen der Französischen und der Schweizerischen Regierung über die Aughebung der oben erwähnten Bestimmungen gilt nur dann als wirksam, wenn der Friedensvertrag den Artikel in seiner gegenwärtigen Fassung enthält. Außerdem müssen die den Friedensvertrags schließenden Mächte die Zustimmung derjenigen Signatarmächte der Verträge von 1815 und der Erklärung vom 20. November 1815 nachsuchen, die nicht Signatarmächte des gegenwärtigen Friedensvertrags sind.
  2. Freizone von Hoch-Savoyen und dem Gebiet von Gex.
    a) Der Bundesrat erklärt seinen ausdrücklichen Vorbehalt hinsichtlich der Auslegung der im letzten Absatz des vorstehenden, in den Friedensvertrag aufzunehmenden Artikels enthaltene Erklärungen, in der es heißt, daß "die Bestimmungen der Verträge von 1815 und der sonstigen Zusatzakte betreffend die Freizonen von Hoch-Savoyen und dem Gebiet von Gex durch die Verhältnisse überholt sind". Der Bundesrat wünscht keinesfalls, daß aus seiner Zustimmung zu dieser Fassung geschlossen werden könnte, er stimme der Abschaffung der bewährten Einrichtung zu, die dazu dient, einander benachbarten Gebieten den Vorteil einer besonderen, ihrer geographischen und wirtschaftlichen Lage angepaßten Behandlung zu verschaffen.
      Nach Auffassung des Bundesrats kann es sich nicht darum handeln, das Zollsystem der Zonen, so wie es durch die obenerwähnten Verträge festgesetzt worden ist, abzuändern, sondern einzig darum, die Art und Weise des Güteraustausches zwischen den in Betracht kommenden Gegenden in einer den jetzigen wirtschaftlichen Bedingungen besser angepaßten Weise zu regeln. Zu den vorstehenden Bemerkungen sieht sich der Bundesrat durch den Inhalt des der Note der französischen Regierung vom 26. April beigefügten Entwurfs eines Übereinkommens über die zukünftige Gestaltung der Zonen veranlaßt. Unbeschadet der obenerwähnten Vorbehalten erklärt sich der Bundesrat bereit, im freundschaftlichsten Geiste alle Vorschläge zu prüfen, welche ihm die französische Regierung in dieser Hinsicht machen zu sollen glaubt.
    b) Es besteht Einverständnis, daß die Bestimmungen der Verträge von 1815 und der Zusatzakte über die Freizonen bis zu dem Zeitpunkt in Kraft bleiben, wo eine neue Abmachung zur Regelung der Rechtslage dieser Gebiete zwischen der Schweiz und Frankreich zustande kommt.

II.

  Die französische Regierung hat am 18. Mai 1919 an die schweizerische Regierung nachstehende Note als Antwort auf die vorstehend wiedergegebene Mitteilung gerichtet:
  In einer Note vom 5. Mai 1919 hat die schweizerische Gesandtschaft in Paris der Regierung des französischen Freistaats die Zustimmung der eidgenössischen Regierung zu dem vorgeschlagenen Artikel mitgeteilt, der in den zwischen den alliierten und assoziierten Mächten einerseits und Deutschland andererseits abzuschließenden Friedensvertrag aufgenommen werden soll.
  Mit Befriedigung hat die französische Regierung von dem so erzielten Einverständnis Kenntnis genommen, und der von den Alliierten und Assoziierten angenommene Entwurf des fraglichen Artikels ist auf ihr Ersuchen in die den deutschen Bevollmächtigten überreichten Friedensbedingungen unter Nr. 435 eingefügt worden.
  In ihrer diese Frage betreffenden Note vom 5. Mai hat die schweizerische Regierung verschiedene Erwägungen und Vorbehalte zum Ausdruck gebracht.
  Hinsichtlich derjenigen dieser Bemerkungen, welche die Freizonen von Hoch-Savoyen und dem Gebiet von Gex betreffen, hat die französische Regierung die Ehre, darauf hinzuweisen, daß die Bestimmungen des letzten Absatzes des Artikels 435 so klar ist, daß kein Zweifel hinsichtlich ihrer Tragweite, insbesondere hinsichtlich der Tatsache aufkommen dürfen, daß danach in Zukunft keine anderen Mächte als Frankreich und die Schweiz an dieser Frage mehr beteiligt sind.
  Die Regierung des Freistaats, die ihrerseits auf den Schutz der Interessen der in Frage stehenden französischen Gebiete bedacht ist und deren besondere Lage berücksichtigt, verliert nicht aus dem Auge, daß die Einführung eines geeigneten Zollsystems für sie und eine den gegenwärtigen Verhältnissen besser entsprechenden Regelung des Austauschverkehrs zwischen diesen Gebieten und den benachbarten schweizerischen Gebieten unter Beachtung der gegenseitigen Interessen sich emphielt.
  Selbstverständlich darf dies in keiner Weise das Recht Frankreichs berühren, in dieser Gegend seine Zollinie  mit seiner politischen Grenze zusammenfallen zu lassen, wie dies bei anderen Teilen seiner Landesgrenzen der Fall ist und wie die Schweiz es selbst seit langem mit ihren eigenen Grenzen in dieser Gegend gemacht hat.
  Mit Befriedigung nimmt in dieser Hinsicht die Regierung des Freistaats von der freundschaftlichen Bereitwilligkeit Kenntnis, mit der die schweizerische Regierung sich zur Prüfung aller französischer Vorschläge über das an Stelle der gegenwärtigen Rechtsordnung der bezeichneten Freizonen zu setzende Abkommen bereit erklärt hat; die französische Regierung wird diese Vorschläge in dem gleichen freundschaftlichen Sinne aufstellen.
  Andererseits zweifelt die Regierung des Freistaats nicht, daß die vorläufige Beibehaltung der Rechtsordnung von 1815, betreffend die Freizonen, auf die dieser Absatz der Note der schweizerischen Gesandtschaft vom 5. Mai hinweist und die offensichtlich die Überleitung des gegenwärtigen Zustands in den vertragsmäßigen Zustand vermitteln soll, keineswegs eine Verzögerung der Einführung des von den beiden Regierungen für notwendig erkannten neuen Zustands mit sich bringen darf. Die gleiche Bemerkung gilt für die Ratifikation durch die eidgenössischen Kammern, die in § 1, Absatz a) der schweizerischen Note vom 5. Mai unter der Überschrift "Neutralisierte Zone Hoch-Savoyens" vorgesehen ist.

 

Artikel 436.

  Die Hohen vertragschließenden Teile haben, wie sie hiermit anerkennen und beurkunden, von dem Vertrage zwischen der Regierung des französischen Freistaats und Seiner Durchlaucht dem Fürsten von Monako vom 17. Juni 1918 über das Verhältnis zwischen Frankreich und dem Fürstentum Kenntnis genommen.

Artikel 437.

  Die Hohen vertragschließenden Teile kommen dahin überein, daß in jedem durch den gegenwärtigen Vertrag eingesetzten Ausschuß bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag geben soll, es sei denn, daß durch spätere Vereinbarungen ein Anderes bestimmt wird.

Artikel 438.

  Die alliierten und assoziierten Mächte kommen überein, daß, soweit deutsche Gesellschaften oder deutsche Personen auf ihrem oder ihrer Regierung gemäß dem gegenwärtigen Vertrag anvertrauten Gebiet religiöse christliche Missionen unterhalten haben, das Eigentum solcher Missionen oder Missionsgesellschaften einschließlich des Eigentums von Handelsgesellschaften, deren Ertrag der Unterhaltung dieser Missionen dient, weiter für Missionszwecke verwendet werden soll. Um die gehörige Ausführung dieser Verpflichtung zu sichern, werden die alliierten und assoziierten Regierungen das bezeichnete Eigentum Verwaltungsräten verantworten, die sie ernennen oder bestätigen und welche das religiöse Bekenntnis der Mission teilen, um deren Eigentum es sich handelt.
  Die alliierten und assoziierten Regierungen üben weiterhin eine vollständige Aufsicht über die Leiter dieser Missionen aus und wahren die Interessen dieser Missionen.
  Deutschland nimmt von den vorstehenden Verpflichtungen Vermerk, erklärt seine Zustimmung zu jeder Anordnung, welche die beteiligten alliierten und assoziierten Regierungen zwecks Erfüllung des Werkes der genannten Missionen oder Handelsgesellschaften erlassen haben oder erlassen, und verzichtet auf jeden Einwand dagegen.

Artikel 439.

  Vorbehaltlich der Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags verpflichtet sich Deutschland, weder unmittelbar noch mittelbar gegen eine der diesen Vertrag unterzeichnenden alliierten und assoziierten Mächte, einschließlich derjenigen, die ohne Kriegserklärung ihre diplomatischen Beziehungen zum Deutschen Reiche abgebrochen haben, irgendeinen Geldanspruch wegen einer vor dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags liegenden Tatsache geltend zu machen.
  Diese Bestimmung bedeutet vollen und endgültigen Verzicht auf alle derartigen Ansprüche; diese sind von nun an  erloschen, gleichviel wer daran beteiligt ist.

Artikel 440.

  Deutschland nimmt und erkennt alle von irgendeinem Prisengericht einer alliierten oder assoziierten Macht erlassenen Entscheidungen und Anordnungen, betreffend deutsche Handelsschiffe und deutsche Waren, als gültig und verbindlich an, ebenso alle derartigen Entscheidungen und Anordnungen über die Zahlung der Kosten. Es verpflichtet sich, wegen dieser Entscheidungen oder Anordnungen keinerlei Beschwerden im Namen seiner Angehörigen vorzubringen.
  Die alliierten und assoziierten Mächte behalten sich das Recht vor, unter den von ihnen noch festzusetzenden Bedingungen die von den deutschen Prisengerichten erlassenen Entscheidungen und Anordnungen nachzuprüfen, gleichviel, ob diese Entscheidungen und Anordnungen die Eigentumsrechte von Staatsangehörigen der genannten Mächte oder von neutralen Staatsangehörigen treffen. Deutschland sagt zu, Abschriften aller Urkunden zu liefern, aus denen das Aktenstück des Einzelfalls besteht, einschließlich der ergangenen Entscheidungen und Anordnungen; ferner verpflichtet sich Deutschland, die Anregungen anzunehmen und auszuführen, die ihm nach dieser Prüfung des Einzelfalls übermittelt werden.
  Der  g e g e n w ä r t i g e  V e r t r a g, dessen französischer und englischer Wortlaut beide maßgebend sind, soll ratifiziert werden.
  Die Niederlegung der Ratifikationsurkunde soll so bald wie möglich in Paris erfolgen.
  Den Mächten mit Regierungssitz außerhalb Europas steht es frei, sich auf die Mitteilung an die Regierung des französischen Freistaats durch ihren diplomatischen Vertreter in Paris zu beschränken, daß ihre Ratifikation erteilt ist. In diesem Falle sollen sie die Ratifikationsurkunde darüber so schnell wie möglich übermitteln.
  Ein erstes Protokoll über die Niederlegung der Ratifikationsurkunden wird errichtet, sobald der Vertrag von Deutschland einerseits und von drei alliierten und assoziierten Hauptmächten andererseits ratifiziert ist.
  Mit der Errichtung dieses ersten Protokolls tritt der Vertrag zwischen den Hohen vertragschließenden Teilen, die ihn auf diese Weise ratifiziert haben, in Kraft. Dieser Zeitpunkt gilt zugleich als der Zeitpunkt des Inkrafttretens bei Berechnung aller in dem gegenwärtigen Vertrage vorgesehenen Fristen.
  In jeder anderen Hinsicht tritt der Vertrag für jede Macht mit der Niederlegung ihrer Ratifikationsurkunde in Kraft.
  Die französische Regierung wird allen Signatar-Mächten eine beglaubigte Abschrift der einzelnen Protokolle über die Niederlegung der Ratifikationsurkunden übermitteln.

 

    Zu Urkund dessen haben die eingangs genannten
Bevollmächtigten diesen Vertrag unterzeichnet.

   Geschehen zu Versailles am achtundzwanzigsten
Juni eintausendneunhundertundneunzehn in einem
einzigen Exemplar, das im Archiv der Regierung
des französischen Freistaats niedergelegt bleibt und
wovon Ausfertigungen jeder der Signatar-Mächte
übermittelt werden sollen.

 

(L.S.) Woodrow Wilson. (L.S.) Jules Cambon. (L.S.) M. Rustem Haidar.
(L.S.) Robert Lansing. (L.S.) Sidney Sonnio. (L.S.) Abdul Hadi Aouni.
(L.S.) Henry White. (L.S.) Imperiali. (L.S.) P. Bonilla.
(L.S.) E. M. House (L.S.) Silvio Crespi. (L.S.) C. D. B. King.
(L.S.) Tasker H. Bliss. (L.S.) Saionzi. (L.S.) Salvador Chamorro.
(L.S.) D. Lloyd George. (L.S.) N. Makino. (L.S.) Antonio Burgos.
(L.S.) A. Bonar Law. (L.S.) S. Chinda. (L.S.) C. G. Candamo.
(L.S.) Milner. K. Matsui. (L.S.) I. J. Paderewski.
(L.S.) Arthur James Balfour. (L.S.) H. Ijuin. (L.S.) Roman Dmowski.
(L.S.) George N. Barnes. (L.S.) Hymans. (L.S.) Affonso Costa.
(L.S.) Chas. J. Doherty. (L.S.) J. van den Heuvel. (L.S.) Augusto Soares.
(L.S.) Arthur L. Sifton. (L.S.) Émile Vandervelde. (L.S.) Ion I. C. Bratiano.
(L.S.) W. M. Hughes. (L.S.) Ismail Montes. (L.S.) General C. Coanda.
(L.S.) Joseph Cook. (L.S.) Calogeras. (L.S.) Nik. P. Pachitch.
(L.S.) Louis Botha.   (L.S.) Dr. Ante Trumbic.
(L.S.) J. Chr. Smuts. (L.S.) Rodrigo Octavio. (L.S.) Mil. R. Vesnitch.
(L.S.) W. F. Massey.   (L.S.) Charoon.
(L.S.) Ed. S. Montagu. (L.S.) Antonio S. de Bustamente. (L.S.) Traidos Prabandhu.
(L.S.) Ganga Singh, Maharaja de Bikaner. (L.S.) E. Dorn y de Alsua. (L.S.) Karel Kramar.
(L.S.) G. Clemenceau. (L.S.) Eleftherios Veniselos. (L.S.) Dr. Edward Benes.
(L.S.) S. Pichon. (L.S.) Nicolas Politis. (L.S.) I. A. Buero.
(L.S.) L. L. Klotz. (L.S.) Loaquin Mendez. (L.S.) Hermann Müller
(L.S.) André Tardieu.
(L.S.) Tertullien Guilbaud.
(L.S.) Dr. Bell.

 


Quelle: Reichsgesetzblatt 1919, S. 701-747.

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Datum der letzten Änderung : Jena, den : 02.06.2014