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Friedensvertrag von Versailles
["Versailler Vertrag"].

Vom 28. Juni 1919.


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Teil VI.
Kriegsgefangene und Grabstätten.

Abschnitt I.
Kriegsgefangene.

Artikel 214.

  Die Heimschaffung der Kriegsgefangenen und Zivilinternierten soll nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags sobald wie möglich stattfinden und mit der größten Beschleunigung durchgeführt werden.

Artikel 215.

Die Heimschaffung der deutschen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten wird gemäß den im Artikel 214 festgesetzten Bedingungen durch einen Ausschuß veranlaßt, der aus Vertretern der alliierten und assoziierten Mächte einerseits und der deutschen Regierung andererseits besteht.
  Für jede der alliierten und assoziierten Mächte regelt ein Unterausschuß, der sich nur aus Vertretern der beteiligten Macht und der deutschen Regierung zusammensetzt, die Einzelheiten der Heimschaffung der Kriegsgefangenen.

Artikel 216.

  Sobald die Kriegsgefangenen und Zivilinternierten an die deutschen Behörden abgeliefert sind, haben diese für ihre unverzügliche Rücksendung nach dem Heimatsort Sorge zu tragen.
  Diejenigen, deren Wohnsitz vor dem Kriege sich in einem von den Truppen der alliierten und assoziierten Mächte besetzten Gebiet befand, sind, vorbehaltlich der Zustimmung und Überwachung von seiten der militärischen Behörden der alliierten und assoziierten Besetzungsarmeen gleichfalls dorthin zurückzusenden.

Artikel 217.

  Sämtliche Kosten der Heimschaffung vom Augenblick der Abbeförderung an fallen der deutschen Regierung zur Last; auch ist diese verpflichtet, die Beförderungsmittel zu Lande und zu Wasser sowie das technische Personal gemäß Anforderung des im Artikel 215 vorgesehenen Ausschusses zu stellen.

Artikel 218.

  Kriegsgefangene und Zivilinternierte, die wegen Vergehen gegen die Disziplin eine Strafe verwirkt haben oder verbüßen, werden ohne Rücksicht auf die Dauer der noch zu verbüßenden Strafe oder auf das gegen sie schwebende Verfahren heimgeschafft.
  Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Kriegsgefangene und Zivilinternierte, die für Handlungen bestraft worden sind, welche nach dem 1. Mai 1919 begangen wurden.
  Bis zu ihrer Heimschaffung bleiben alle Kriegsgefangenen und Zivilinternierten den bestehenden Vorschriften, besonders hinsichtlich der Arbeit und der Disziplin, unterworfen.

Artikel 219.

  Kriegsgefangene und Zivilinternierte, die Strafen wegen anderer Vergehen als solcher gegen die Disziplin verwirkt haben oder verbüßen, können in Haft behalten werden.

Artikel 220.

Die deutsche Regierung verpflichtet sich, alle heimzuschaffenden Personen ohne Unterschied in ihr Gebiet aufzunehmen.
  Deutsche Kriegsgefangene oder Reichsangehörige, die nicht heimgeschafft zu werden wünschen, dürfen von der Heimschaffung ausgeschlossen werden; jedoch behalten sich die alliierten und assoziierten Regierungen das Recht vor, nach ihrer Wahl sie heimzuschaffen oder sie in ein neutrales Land zu verbringen oder ihnen die Niederlassung im eigenen Lande zu gestatten.
  Die deutsche Regierung verpflichtet sich, gegen solche Personen oder ihre Angehörigen keinerlei Ausnahmebestimmungen zu erlassen, auch nicht aus diesem Grunde sie irgendwelcher Verfolgung oder Belästigung auszusetzen.

Artikel 221.

  Die alliierten und assoziierten Regierungen behalten sich das Recht vor, die Heimschaffung der deutschen Kriegsgefangenen und deutschen Reichsangehörigen in ihrer Gewalt davon abhängig zu machen, daß die deutsche Regierung alle etwa noch in Deutschland befindlichen kriegsgefangenen Staatsangehörigen der alliierten und assoziierten Mächte unverzüglich angibt und freiläßt.

Artikel 222.

Deutschland verpflichtet sich:
  1. den Ausschüssen zur Nachforschung nach Vermißten freien Zutritt zu gestatten, ihnen jede geeignete Beförderungsgelegenheit zu verschaffen, ihnen Einlaß in die Gefangenenlager, Lazarette und alle sonstigen Räumlichkeiten zu gewähren sowie ihnen alle amtlichen und privaten Urkunden zur Verfügung zu stellen, die ihnen bei ihren Nachforschungen Aufschluß geben können;
  2. strafweise gegen deutsche Beamte und Privatpersonen vorzugehen, die einen Staatsangehörigen einer alliierten oder assoziierten Macht verborgen halten oder es verabsäumen, nach erlangter Kenntnis von ihm Anzeige zu erstatten.

Artikel 223.

  Deutschland verpflichtet sich, alle Gegenstände, Werte oder Urkunden, die Staatsangehörigen der alliierten und assoziierten Mächte gehört haben und etwa von den deutschen Behörden zurückbehalten sind, unverzüglich nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags zurückzustellen.

Artikel 224.

  Die Hohen vertragschließenden Teile verzichten auf die gegenseitige Erstattung der Aufwendungen für den Unterhalt der Kriegsgefangenen in ihren Gebieten.

Abschnitt II.
Grabstätten.

Artikel 225.

  Die alliierten und assoziierten Regierungen und die deutsche Regierung werden dafür Sorge tragen, daß die Grabstätten der auf ihren Gebieten beerdigten Heeres- und Marineangehörigen mit Achtung behandelt und instandgehalten werden.
  Sie verpflichten sich, jeden Ausschuß, der von irgendeiner der alliierten oder assoziierten Regierungen mit der Feststellung, der Verzeichnung, der Instandhaltung dieser Grabstätten oder der Errichtung würdiger Denkmäler auf ihnen betraut wird, anzuerkennen und in der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen.
  Sie kommen ferner überein, Wünsche wegen Überführung der irdischen Reste ihrer Heeres- und Marineangehörigen in die Heimat, vorbehaltlich der Bestimmungen ihrer Landesgesetze und der Gebote der öffentlichen Gesundheitspflege, gegenseitig nach Möglichkeit zu erfüllen.

Artikel 226.

  Die Grabstätten, der in Gefangenschaft verstorbenen, den verschiedenen kriegsführenden Staaten angehörenden Kriegsgefangenen und Zivilinternierten sind nach Maßgabe der Bestimmungen im Artikel 225 des gegenwärtigen Vertrags würdig instandzuhalten.
Die alliierten und assoziierten Regierungen einerseits und die deutsche Regierung andererseits verpflichten sich weiter einander:
  1. eine vollständige Liste der Verstorbenen mit allen zur Feststellung der Person dienlichen Angaben,
  2. alle Auskünfte über Zahl und Ort der Gräber sämtlicher Toten, die ohne Feststellung der Person beerdigt worden sind,
zu übermitteln.

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Quelle: Reichsgesetzblatt 1919, S. 701-747.

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Datum der letzten Änderung : Jena, den : 26.01.2013