23. Kapitel. Das zinstragende Kapital | Inhalt | 25. Kapitel. Kredit und fiktives Kapital
VIERUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Veräußerlichung des Kapitalverhältnisses
in der Form des zinstragenden Kapitals
Im zinstragenden Kapital erreicht das Kapitalverhältnis seine äußerlichste und fetischartigste Form. Wir haben hier G - G`, Geld, das mehr Geld erzeugt, sich selbst verwertenden Wert, ohne den Prozeß, der die beiden Extreme vermittelt. Im Kaufmannskapital, G - W - G`, ist wenigstens die allgemeine Form der kapitalistischen Bewegung vorhanden, obgleich sie sich nur in der Zirkulationssphäre hält, der Profit daher als bloßer Veräußerungsprofit erscheint; aber immerhin stellt er sich dar als ein Produkt eines gesellschaftlichen Verhältnisses, nicht als Produkt eines bloßen Dings. Die Form des Kaufmannskapitals stellt immer noch einen Prozeß dar, die Einheit entgegengesetzter Phasen, eine Bewegung, die in zwei entgegengesetzte Vorgänge zerfällt, in Kauf und Verkauf von Waren. Dies ist ausgelöscht in G - G`, der Form des zinstragenden Kapitals. Wenn z.B. 1.000 Pfd.St. vom Kapitalisten ausgeliehen werden, und der Zinsfuß ist 5%, so ist der Wert von 1.000 Pfd.St. als Kapital für 1 Jahr = C + Cz`, wo C das Kapital und z` der Zinsfuß, also hier 5% = 5/100 = 1/20, 1.000 + 1.000 * 1/20 = 1.050 Pfd.St. Der Wert von 1.000 Pfd.St. als Kapital ist = 1.050 Pfd.St., d.h. das Kapital ist keine einfache Größe. Es ist Größenverhältnis, Verhältnis als Hauptsumme, als gegebner Wert, zu sich selbst als sich verwertendem Wert, als Hauptsumme, die einen Mehrwert produziert hat. Und wie man gesehn, stellt sich das Kapital als solches dar, als dieser unmittelbar sich verwertende Wert, für alle aktiven Kapitalisten, ob sie mit eignem oder geborgtem Kapital fungieren.
G - G`: Wir haben hier den ursprünglichen Ausgangspunkt des Kapitals, das Geld in der Formel G - W - G` reduziert auf die beiden Extreme wo G` - G, wo G` = G + DeltaG, Geld, das mehr Geld schafft. Es ist die ursprüngliche und allgemeine Formel des Kapitals, auf ein sinnloses Resumé zusammengezogen. Es ist das fertige Kapital, Einheit von Produktions-
prozeß und Zirkulationsprozeß, und daher in bestimmter Zeitperiode bestimmten Mehrwert abwerfend. In der Form des zinstragenden Kapitals erscheint dies unmittelbar, unvermittelt durch Produktionsprozeß und Zirkulationsprozeß. Das Kapital erscheint als mysteriöse und selbstschöpferische Quelle des Zinses, seiner eignen Vermehrung. Das Ding (Geld, Ware, Wert) ist nun als bloßes Ding schon Kapital, und das Kapital erscheint als bloßes Ding; das Resultat des gesamten Reproduktionsprozesses erscheint als eine, einem Ding von selbst zukommende Eigenschaft; es hängt ab von dem Besitzer des Geldes, d.h. der Ware in ihrer stets austauschbaren Form, ob er es als Geld verausgaben oder als Kapital vermieten will. Im zinstragenden Kapital ist daher dieser automatische Fetisch rein herausgearbeitet, der sich selbst verwertende Wert, Geld heckendes Geld, und trägt es in dieser Form keine Narben seiner Entstehung mehr. Das gesellschaftliche Verhältnis ist vollendet als Verhältnis eines Dings, des Geldes, zu sich selbst. Statt der wirklichen Verwandlung von Geld in Kapital zeigt sich hier nur ihre inhaltlose Form. Wie bei der Arbeitskraft wird der Gebrauchswert des Geldes hier der, Wert zu schaffen, größren Wert, als der in ihm selbst enthalten ist. Das Geld als solches ist bereits potentiell sich verwertender Wert und wird als solcher verliehen, was die Form des Verkaufens für diese eigentümliche Ware ist. Es wird ganz so Eigenschaft des Geldes, Wert zu schaffen, Zins abzuwerfen, wie die eines Birnbaums, Birnen zu tragen. Und als solches zinstragendes Ding verkauft der Geldverleiher sein Geld. Damit nicht genug. Das wirklich fungierende Kapital, wie gesehn, stellt sich selbst so dar, daß es den Zins nicht als fungierendes Kapital, sondern als Kapital an sich, als Geldkapital abwirft.
Es verdreht sich auch dies: Während der Zins nur ein Teil des Profits ist, d.h. des Mehrwerts, den der fungierende Kapitalist dem Arbeiter auspreßt, erscheint jetzt umgekehrt der Zins als die eigentliche Frucht des Kapitals, als das Ursprüngliche, und der Profit, nun in die Form des Unternehmergewinns verwandelt, als bloßes im Reproduktionsprozeß hinzukommendes Accessorium und Zutat. Hier ist die Fetischgestalt des Kapitals und die Vorstellung vom Kapitalfetisch fertig. In G - G` haben wir die begriffslose Form des Kapitals, die Verkehrung und Versachlichung der Produktionsverhältnisse in der höchsten Potenz: zinstragende Gestalt, die einfache Gestalt des Kapitals, worin es seinem eignen Reproduktionsprozeß vorausgesetzt ist; Fähigkeit des Geldes, resp. der Ware, ihren eignen Wert zu verwerten, unabhängig von der Reproduktion - die Kapitalmystifikation in der grellsten Form.
Für die Vulgärökonomie, die das Kapital als selbständige Quelle des
Werts, der Wertschöpfung, darstellen will, ist natürlich diese Form ein gefundnes Fressen, eine Form, worin die Quelle des Profits nicht mehr erkenntlich und worin das Resultat des kapitalistischen Produktionsprozesses- getrennt vom Prozeß selbst - ein selbständiges Dasein erhält.
Erst im Geldkapital ist das Kapital zur Ware geworden, deren sich selbst verwertende Qualität einen fixen Preis hat, der im jedesmaligen Zinsfuß notiert ist.
Als zinstragendes Kapital, und zwar in seiner unmittelbaren Form als zinstragendes Geldkapital (die andren Formen des zinstragenden Kapitals, die uns hier nichts angehn, sind wieder von dieser Form abgeleitet und unterstellen sie) erhält das Kapital seine reine Fetischform, G - G` als Subjekt, verkaufbares Ding. Erstens durch sein fortwährendes Dasein als Geld, eine Form, worin alle Bestimmtheiten desselben ausgelöscht und seine realen Elemente unsichtbar sind. Geld ist ja grade die Form, worin der Unterschied der Waren als Gebrauchswerte ausgelöscht ist, daher auch der Unterschied der industriellen Kapitale, die aus diesen Waren und ihren Produktionsbedingungen bestehn; es ist die Form, worin Wert - und hier Kapital - als selbständiger Tauschwert existiert. Im Reproduktionsprozeß des Kapitals ist die Geldform eine verschwindende, ein bloßes Durchgangsmoment. Auf dem Geldmarkt dagegen existiert das Kapital stets in dieser Form. - Zweitens, der von ihm erzeugte Mehrwert, hier wieder in der Form des Geldes, erscheint ihm als solchem zukommend. Wie das Wachsen den Bäumen, so scheint das Geldzeugen (τόκοζ) <Zins; Geborenes>dem Kapital in dieser Form als Geldkapital eigen.
Im zinstragenden Kapital ist die Bewegung des Kapitals ins Kurze zusammengezogen; der vermittelnde Prozeß ist weggelassen, und so ist ein Kapital = 1.000 fixiert als ein Ding, das an sich = 1.000 <1. Auflage: 1.100> ist und in einer gewissen Periode sich in 1.100 verwandelt, wie der Wein im Keller nach einer gewissen Zeit auch seinen Gebrauchswert verbessert. Das Kapital ist jetzt Ding, aber als Ding Kapital. Das Geld hat jetzt Lieb` im Leibe. Sobald es verliehen ist oder auch im Reproduktionsprozeß angelegt (insofern es dem fungierenden Kapitalisten als seinem Eigentümer Zins abwirft, getrennt vom Unternehmergewinn), wächst ihm der Zins an, es mag schlafen oder wachen, sich zu Hause oder auf Reisen befinden, bei Tag und bei Nacht. So ist im zinstragenden Geldkapital (und alles Kapital ist seinem Wertausdruck nach Geldkapital oder gilt jetzt als der Ausdruck des Geldkapitals) der fromme Wunsch des Schatzbildners realisiert.
Es ist dies Eingewachsensein des Zinses in das Geldkapital als in ein Ding (wie hier die Produktion des Mehrwerts durch das Kapital erscheint), was Luther in seiner naiven Polterei gegen den Wucher so sehr beschäftigt. Nachdem er entwickelt, daß Zins verlangt werden könne, wenn aus der nichterfolgten Rückzahlung am bestimmten Termin dem Verleiher, der seinerseits zu zahlen hat, Unkosten erwachsen oder wenn ihm ein Profit, den er durch Kaufen, z.B. eines Gartens, habe machen können, aus diesem Grunde verlorengeht, fährt er fort:
"Nu ich dir sie (100 Gulden) geliehen habe, machest mir einen Zwilling aus dem Schadewacht, dass hie nicht bezalen, und dort nicht kaufen kann, und also zu beiden Teilen muss Schaden leiden, das heisst man duplex interesse, damni emergentis et lucri cessantis <doppelter Schaden, der des entstehenden Verlusts und der des versäumten Gewinns> ... nachdem sie gehöret, dass Hans mit seinen verliehnen Hundert Gülden hat Schaden gelitten und billige Erstattung seines Schadens fordert, faren sie plumps einhin, und schlahen auf ein jeglich Hundert Gülden, solche zween Schadewacht, nämlich, des Bezalens Unkost, und des versäumeten Gartens Kauf, gerade als weren den Hundert Gülden natürlich solche zween Schadewacht angewachsen, dass, wo Hundert Gülden vorhanden sind, die thun sie aus, und rechnen darauf solche zween Schaden, die sie doch nicht erlitten haben ... Darum bist du ein Wucherer, der du selber deinen ertichten Schaden von deines Nähesten Gelde büssest, den dir doch Niemand getan hat, und kannst ihn auch nicht beweisen, noch berechnen. Solchen Schaden heissen die Juristen, non verum sed phantasticum interesse <keinen wirklichen, sondern eingebildeten Schaden>. Ein Schaden, den ein jeglicher ihm selber ertreumet ... es gilt nicht also sagen, Es künnten die Schaden geschehn, dass ich nicht habe können bezalen noch kaufen. Sonst heisst's, Ex contingente necessarium <Aus dem Zufälligen das Notwendige machen>, aus dem das nicht ist, machen das, das sein müsse, aus dem das ungewiss ist, eitel gewiss Ding machen. Solt' solcher Wucher nicht die Welt auffressen in kurzen Jaren ... es ist zufällig Unglück, das dem Leiher widerfaret, ohne seinen Willen, dass er sich erholen muss, aber in den Handeln ist's umgekehrt und gar das Widerspiel, da suchet und ertichtet man Schaden, auf den benetigten Nehesten, will damit sich neren und reich werden, faul und müssig prassen und prangen von ander Leut Arbeit, sonder Sorge, Fahr und Schaden; dass ich sitze hinter dem Ofen und lasse meine Hundert Gülden für mich auf dem Lande werben, und doch weil es geliehen Geld ist, gewiss im Beutel behalte, ohne all Fahr und Sorge, Lieber, wer möchte das nicht?" (M. Luther, An die Pfarrherrn wider den Wucher zu predigen etc.", Wittenberg 1540.
Die Vorstellung vom Kapital als sich selbst reproduzierendem und in der Reproduktion vermehrendem Wert, kraft seiner eingebornen Eigenschaft als ewig währender und wachsender Wert - also kraft der verborgnen
Qualität der Scholastiker -, hat zu den fabelhaften Einfällen des Dr. Price geleitet, die bei weitem die Phantasien der Alchimisten hinter sich lassen; Einfällen, an die Pitt ernsthaft glaubte und die er in seinen Gesetzen über den sinking fund <Staatsschulden-Tilgungsfond>zu Säulen seiner Finanzwirtschaft machte.
"Geld, das Zinseszinsen trägt, wächst anfangs langsam; da aber die Rate des Wachstums sich fortwährend beschleunigt, wird sie nach einiger Zeit so rasch, daß sie jeder Einbildung spottet. Ein Penny, ausgeliehen bei der Geburt unsers Erlösers auf Zinseszinsen zu 5%, würde schon jetzt zu einer größren Summe herangewachsen sein, als enthalten wäre in 150 Millionen Erden, alle von gediegnem Gold. Aber ausgelegt auf einfache Zinsen, würde er in derselben Zeit nur angewachsen sein auf 7 sh. 4 1/2 d. Bis jetzt hat unsre Regierung vorgezogen, ihre Finanzen auf diesem letzteren, statt auf dem ersteren Weg zu verbessern."(80)
Noch höher fliegt er in seinen "Observations on reversionary payments etc.", London 1772:
"1 sh., ausgelegt bei der Geburt unsers Erlösers" (also wohl im Tempel von Jerusalem) "zu 6% Zinseszinsen, würde angewachsen sein zu einer größern Summe als das ganze Sonnensystem einbegreifen könnte, wenn in eine Kugel verwandelt von einem Durchmesser gleich dem der Bahn des Saturn." - "Ein Staat braucht deswegen sich nie in Schwierigkeiten zu befinden; denn mit den kleinsten Ersparnissen kann er
(80) Richard Price, "An Appeal to the Public on the subject of the National Debt", London 1772, [p. 19]. Er macht den naiven Witz: "Man muß Geld borgen zu einfachen Zinsen, um es auf Zinzeszinsen zu vermehren." (R. Hamilton, "An Inquiry into the Rise and Progress of the National Debt of Great Britain", 2nd ed., Edinburgh 1814 [p. 133].) Darnach wäre Pumpen überhaupt das sicherste Mittel der Bereicherung auch für Private. Aber wenn ich z.B. 100 Pfd.St. zu 5% jährlichem Zins aufnehme, habe ich Ende des Jahrs 5 Pfd.St. zu zahlen, und gesetzt, dieser Vorschuß daure 100 Millionen Jahre, so habe ich in der Zwischenzeit in jedem Jahr immer nur 100 Pfd.St, auszuleihen und ebenso in jedem Jahre 5 Pfd.St. zu zahlen. Ich komme durch diesen Prozeß nie dazu, 105 Pfd.St. auszuleihen, dadurch, daß ich 100 Pfd.St. aufnehme. Und wovon soll ich die 5% zahlen? Durch neue Anleihen, oder wenn ich der Staat bin, durch Steuern. Nimmt aber der industrielle Kapitalist Geld auf, so hat er bei einem Profit von sage 15%, 5% zu zahlen als Zins, 5% zu verzehren (obgleich sein Appetit wächst mit seiner Einnahme) und 5% zu kapitalisieren. Es sind also schon 15% Profit vorausgesetzt, um beständig 5% Zins zu zahlen. Dauert der Prozeß fort, so fällt die Profitrate aus den schon entwickelten Gründen, sage von 15% auf 10%. Aber Price vergißt ganz, daß der Zins von 5% eine Profitrate von 15% voraussetzt, und läßt diese mit der Akkumulation des Kapitals fortdauern. Er hat überhaupt nichts mit dem wirklichen Akkumulationsprozeß zu tun, sondern nur Geld auszuleihen, damit es mit Zinseszinsen zurückfließe. Wie es das anfängt, ist ihm ganz gleichgültig, da dies ja die eingeborne Qualität des zinstragenden Kapitals ist.
die größte Schuld abzahlen in einer so kurzen Zeit wie sein Interesse erfordern mag." (p. XIII, XIV.)
Welche hübsche theoretische Einleitung zur englischen Staatsschuld!
Price wurde einfach geblendet durch die Ungeheuerlichkeit der Zahl, die aus geometrischer Progression entsteht. Da er das Kapital, ohne Rücksicht auf die Bedingungen der Reproduktion und der Arbeit, als selbsttätigen Automaten betrachtete, als eine bloße, sich selbst vermehrende Zahl (ganz wie Malthus den Menschen in seiner geometrischen Progression), konnte er wähnen, das Gesetz seines Wachstums gefunden zu haben in der Formel s = c (1 + z)n, wo s = Summe von Kapital + Zinseszins, c = dem vorgeschoßnen Kapital, z = dem Zinsfuß (in aliquoten Teilen von 100 ausgedrückt) und n die Reihe der Jahre, worin der Prozeß vorgeht.
Pitt nimmt die Mystifikation des Dr. Price ganz ernst. 1786 hatte das Haus der Gemeinen beschlossen, es solle 1 Million Pfd.St. erhoben werden für den öffentlichen Nutzen. Nach Price, an den Pitt glaubte, war natürlich nichts besser, als das Volk besteuern, um die so erhobne Summe zu "akkumulieren" und so die Staatsschuld durch das Mysterium des Zinseszinses wegzuhexen. Jener Resolution des Hauses der Gemeinen folgte bald ein von Pitt veranlaßtes Gesetz, das die Akkumulation von 250.000 Pfd.St. anordnete,
"bis daß, mit den verfallnen Leibrenten, der Fonds auf 4.000.000 Pfd.St. jährlich angewachsen sei". (Act 26 Georg III., Kap. 31.)
In seiner Rede von 1792, worin Pitt die dem Tilgungsfonds gewidmete Summe zu vermehren vorschlug, führte er an unter den Ursachen des kommerziellen Übergewichts Englands: Maschinen, Kredit etc., aber als
"die ausgedehnteste und dauerhafteste Ursache die Akkumulation. Dies Prinzip sei nun vollständig entwickelt und hinreichend erklärt in dem Werk Smiths, dieses Genies ... diese Akkumulation der Kapitale bewirke sich, indem man mindestens einen Teil des jährlichen Profits zurücklege, um die Hauptsumme zu vermehren, die in derselben Weise im nächsten Jahr zu verwenden sei und so einen kontinuierlichen Profit gebe."
Vermittelst des Dr. Price verwandelt Pitt so Smiths Akkumulationstheorie in die Bereicherung eines Volks durch Akkumulation von Schulden und kommt in den angenehmen Progreß ins Unendliche der Anleihen, Anleihen, um Anleihen zu zahlen.
Wir finden schon bei Josias Child, dem Vater des modernen Bankiertums, daß
"100 Pfd.St. zu 10% in 70 Jahren, bei Zins von Zins, 102.400 Pfd.St. produzieren würden." ("Traité sur le commerce etc. per J. Child, traduit etc.", Amsterdam et Berlin 1754, p. 115. Geschrieben 1669.)
Wie die Anschauung des Dr. Price bei der modernen Ökonomie gedankenlos unterläuft, zeigt der "Economist" in folgender Stelle:
"Capital, with compound interest on every portion of capital saved, is so all-engrossing that all the wealth in the world from which income is derived, has long ago become the interest of capital ... all rent is now the payment of interest on capital previously invested in the land." <"Kapital mit Zinseszins auf jeden Teil des gesparten Kapitals reißt so sehr alles an sich, daß aller Reichtum der Welt, aus dem man Einkommen zieht, längst zu Zins von Kapital geworden ist ... alle Rente ist jetzt die Zinszahlung auf Kapital, das früher im Boden angelegt wurde."> ("Economist", 19. July 1851.)
In seiner Eigenschaft als zinstragendes Kapital gehört dem Kapital aller Reichtum, der überhaupt je produziert werden kann, und alles, was es bisher erhalten hat, ist nur Abschlagszahlung an seinen all-engrossing Appetit. Nach seinen eingebornen Gesetzen gehört ihm alle Surplusarbeit, die das Menschengeschlecht je liefern kann. Moloch.
Schließlich noch folgender Galimathias des "romantischen" Müller:
"Des Dr. Price ungeheurer Anwachs des Zinseszinses, oder der sich selbst beschleunigenden Kräfte der Menschen, setzt, wenn er diese ungeheuren Wirkungen hervorbringen soll, eine ungeteilte oder ungebrochne gleichförmige Ordnung durch mehrere Jahrhunderte voraus. Sobald das Kapital zerteilt, in mehrere einzelne, in sich fortwachsende Ableger zerschnitten wird, fängt der gesamte Prozeß der Akkumulation von Kräften von neuem an. Die Natur hat die Progression der Kraft auf eine Laufbahn von etwa 20 bis 25 Jahren, die im Durchschnitt etwa jedem einzelnen Arbeiter (!) zuteil werden, verteilt. Nach Ablauf dieser Zeit verläßt der Arbeiter seine Laufbahn, und muß er nun das durch den Zinseszins der Arbeit gewonnene Kapital einem neuen Arbeiter übertragen, meistenteils es unter mehrere Arbeiter oder Kinder verteilen. Diese müssen das ihnen zufallende Kapital, ehe sie eigentlichen Zinseszins davon ziehn können, erst beleben und anwenden lernen. Ferner wird eine ungeheure Menge des Kapitals, das die bürgerliche Gesellschaft gewinnt, auch selbst in den bewegtesten Gemeinwesen, lange Jahre hindurch allmählich aufgehäuft und nicht zur unmittelbaren Erweiterung der Arbeit verwendet, vielmehr, sobald eine namhafte Summe zusammengebracht ist, einem andern Individuum, einem Arbeiter, einer Bank, Staat, unter der Benennung Anleihe übertragen, wo dann der Empfänger, indem er das Kapital in wirkliche Bewegung setzt, aus demselben Zinseszins zieht, und sich leicht anheischig machen kann, dem Darbringer einfache Zinsen zu bezahlen. Endlich reagiert gegen jene ungeheuren Progressionen, in welchen sich die Kräfte der Menschen
und ihr Produkt vermehren möchten, wenn das Gesetz der Produktion oder der Sparsamkeit allein gelten sollen, das Gesetz des Verzehrens, Begehren, Verschwendung." (A Müller, l.c., III., p. 147-l49.)
Es ist unmöglich, in wenigen Zeilen mehr haarsträubenden Unsinn zusammenzufaseln. Nicht zu erwähnen der drolligen Verwechslung von Arbeiter und Kapitalist, von Wert der Arbeitskraft und Zins von Kapital usw., soll die Abnahme des Zinseszinses u.a. daraus erklärt werden, daß Kapital "ausgeliehen" wird, wo es "dann Zinseszins" bringt. Das Verfahren unsers Müller ist für die Romantik in allen Fächern charakteristisch. Ihr Inhalt besteht aus Alltagsvorurteilen, abgeschöpft von dem oberflächlichsten Schein der Dinge. Dieser falsche und triviale Inhalt soll dann durch eine mystifizierende Ausdrucksweise "erhöht" und poetisiert werden.
Der Akkumulationsprozeß des Kapitals kann insofern als Akkumulation von Zinseszins aufgefaßt werden, als der Teil des Profits (Mehrwerts), der in Kapital rückverwandelt wird, d.h. zur Aufsaugung von neuer Mehrarbeit dient, Zins genannt werden kann. Aber:
1. Von allen zufälligen Störungen abgesehn, wird im Lauf des Reproduktionsprozesses beständig ein großer Teil des vorhandnen Kapitals mehr oder weniger entwertet, weil der Wert der Waren bestimmt ist nicht durch die Arbeitszeit, die ihre Produktion ursprünglich kostet, sondern durch die Arbeitszeit, die ihre Reproduktion kostet, und diese infolge der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit fortwährend abnimmt. Auf einer höhern Entwicklungsstufe der gesellschaftlichen Produktivität erscheint daher alles vorhandne Kapital, statt als das Resultat eines langen Prozesses der Kapitalaufsparung, als das Resultat einer verhältnismäßig sehr kurzen Reproduktionszeit.(81)
2. Wie im Abschnitt III dieses Buchs bewiesen, nimmt die Profitrate ab im Verhältnis zur steigenden Akkumulation des Kapitals und der ihr entsprechenden steigenden Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit, die sich gerade in der wachsenden relativen Abnahme des variablen Kapitalteils, gegenüber dem konstanten, ausdrückt. Um dieselbe Profitrate hervorzubringen, wenn das von einem Arbeiter in Bewegung gesetzte konstante Kapital sich verzehnfacht, müßte die Mehrarbeitszeit sich verzehnfachen, und bald würde die ganze Arbeitszeit, ja die 24 Stunden des Tages dazu nicht hinreichen, selbst wenn ganz vom Kapital angeeignet. Die Vorstellung, daß die Profitrate sich nicht verringert, liegt aber der Priceschen Progression
(81) Sieh Mill und Carey, und Roschers mißverständlichen Kommentar dazu.
zugrunde und überhaupt dem "all-engrossing capital, with compound interest" <"Kapital mit Zinseszins, das alles an sich reißt">.(82)
Durch die Identität des Mehrwerts mit der Mehrarbeit ist eine qualitative Grenze für die Akkumulation des Kapitals gesetzt: der Gesamtarbeitstag, die jedesmal vorhandne Entwicklung der Produktivkräfte und der Bevölkerung, welche die Anzahl der gleichzeitig exploitierbaren Arbeitstage begrenzt. Wird dagegen der Mehrwert in der begriffslosen Form des Zinses gefaßt, so ist die Grenze nur quantitativ und spottet jeder Phantasie.
Indem zinstragenden Kapital ist aber die Vorstellung vom Kapitalfetisch vollendet, die Vorstellung, die dem aufgehäuften Arbeitsprodukt, und noch dazu fixiert als Geld, die Kraft zuschreibt, durch eine eingeborne geheime Qualität, als reiner Automat, in geometrischer Progression Mehrwert zu erzeugen, so daß dies aufgehäufte Arbeitsprodukt, wie der "Economist" meint, allen Reichtum der Welt für alle Zeiten als ihm von Rechts wegen gehörig und zufallend schon längst diskontiert hat. Das Produkt vergangner Arbeit, die vergangne Arbeit selbst, ist hier an und für sich geschwängert mit einem Stück gegenwärtiger oder zukünftiger lebendiger Mehrarbeit. Man weiß dagegen, daß in der Tat die Erhaltung, und insoweit auch die Reproduktion des Werts der Produkte vergangner Arbeit nur das Resultat ihres Kontakts mit der lebendigen Arbeit ist; und zweitens: daß das Kommando der Produkte vergangner Arbeit über lebendige Mehrarbeit grade nur so lange dauert, wie das Kapitalverhältnis dauert, das bestimmte soziale Verhältnis, worin die vergangne Arbeit selbständig und übermächtig der lebendigen gegenübertritt.
(82) "Es ist klar, daß keine Arbeit, keine Produktivkraft, kein Scharfsinn und keine Kunst den überwältigenden Ansprüchen des Zinseszinses Genüge tun kann. Aber alle Ersparnis wird von der Revenue des Kapitalisten gemacht, so daß wirklich diese Ansprüche dauernd gestellt werden und die Produktivkraft der Arbeit sich ebenso dauernd weigert, sie zu befriedigen. Es wird daher beständig eine Art Ausgleichung geschaffen." ("Labour defended against the Claims of Capital", p. 23. Von Hodgskin.)
Datum der letzten Änderung : Jena, den : 19.03.2013