4. Die Postulate des empirischen Denkens überhaupt | Inhalt | ANHANG

DIE TRANSZENDENTALE DOKTRIN
DER URTEILSKRAFT

Analytik der Grundsätze

Drittes Hauptstück
Vom Grund der Unterscheidung aller Gegenstände
überhaupt in Phaenomena und Noumena
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Wir haben jetzt das Land des reinen Verstandes nicht allein durchreist und jeden Teil davon sorgfältig in Augenschein ge­nommen, sondern es auch durchmessen und jedem Ding auf dem­selben seine Stelle bestimmt. Dieses Land aber ist eine Insel und durch die Natur selbst in unveränderliche Grenzen eingeschlossen. Es ist das Land der Wahrheit (ein reizender Name), umgeben von einem weiten und stürmischen Ozean, dem eigentlichen Sitz des Scheins, wo manche Nebelbank und manches bald wegschmel­zende Eis neue Länder lügt, und indem es den auf Entdeckungen herumschwärmenden Seefahrer unaufhörlich mit leeren Hoffnungen täuscht, ihn in Abenteuer verflicht, von denen er niemals ablassen und sie doch auch niemals zu Ende bringen kann. Ehe wir uns aber auf dieses Meer wagen, um es nach allen Breiten zu durchsuchen und gewiß zu werden, ob etwas in ihnen zu hoffen

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sei, so wird es nützlich sein, zuvor noch einen Blick auf die Karte des Landes zu werfen, das wir eben verlassen wollen, und erstlich zu fragen, ob wir mit dem, was es in sich enthält, nicht allenfalls zufrieden sein könnten, oder auch aus Not zufrieden sein müssen, wenn es sonst überall keinen Boden gibt, auf dem wir uns anbauen könnten, zweitens, unter welchem Titel wir denn selbst dieses Land besitzen und uns wider alle feindselige Ansprüche gesichert halten können. Obschon wir diese Fragen im Lauf der Analytik schon hinreichend beantwortet haben, so kann doch ein summarischer Überschlag ihrer Auflösungen die Überzeugung dadurch verstärken, daß er die Momente derselben in einem Punkt vereinigt.

Wir haben nämlich gesehen, daß alles, was der Verstand aus sich selbst schöpft, ohne es von der Erfahrung zu borgen, das habe er dennoch zu keinem andern Behuf als lediglich zum Erfahrungsgebrauch. Die Grundsätze des reinen Verstandes, sie mögen nun a priori konstitutiv sein (wie die mathematischen) oder bloß regulativ (wie die dynamischen), enthalten nichts als gleichsam nur das reine Schema zur möglichen Erfahrung; denn diese hat ihre Einheit nur von der synthetischen Einheit, welche der Verstand der Synthesis der Einbildungskraft in Beziehung auf die Apperzeption ursprünglich und von selbst erteilt und auf welche die Erscheinungen als data zu einem möglichen Erkenntnis schon a priori in Beziehung und Einstimmung stehen müssen. Obgleich nun aber diese Verstandesregeln nicht allein a priori wahr sind, sondern sogar der Quell aller Wahrheit, d. i. der Übereinstimmung unserer Erkenntnis mit Objekten, dadurch, daß sie den Grund der Möglichkeit der Erfahrung als des Inbegriffs aller Erkenntnis, darin uns Objekte gegeben werden mögen, in sich enthalten, so scheint es uns doch nicht genug, sich bloß dasjenige vortragen zu lassen, was wahr ist, sondern, was man zu wissen begehrt. Wenn wir also durch diese kritische Untersuchung nichts Mehreres lernen, als was wir im bloß empirischen Gebrauch des Verstandes auch ohne so subtile Nachforschung von selbst wohl würden ausgeübt haben, so scheint es, sei der Vorteil, den man aus ihr zieht, den Aufwand und die Zurüstung nicht wert. Nun kann man zwar hierauf antworten, daß kein Vorwitz der Erweiterung unserer Erkenntnis nachteiliger sei als der, so den Nutzen jederzeit zum voraus wissen will, ehe man sich auf Nachforschungen einläßt und ehe man sich noch den mindesten Begriff von diesem Nutzen machen könnte, wenn derselbe auch vor

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Augen gestellt würde. Allein es gibt doch einen Vorteil, der auch dem schwierigsten und unlustigsten Lehrling solcher transzendentalen Nachforschungen begreiflich und zugleich angelegen gemacht werden kann, nämlich dieser, daß der bloß mit seinem empirischen Gebrauch beschäftigte Verstand, der über die Quellen seiner eigenen Erkenntnis nicht nachsinnt, zwar sehr gut fortkommen, eines aber gar nicht leisten könne, nämlich sich selbst die Grenzen seines Gebrauchs zu bestimmen und zu wissen, was innerhalb oder außerhalb seiner ganzen Sphäre liegen mag; denn dazu werden eben die tiefen Untersuchungen erfordert, die wir angestellt haben. Kann er aber nicht unterscheiden, ob gewisse Fragen in seinem Horizont liegen oder nicht, so ist er niemals seiner Ansprüche und seines Besitzes sicher, sondern darf sich nur auf vielfältige beschämende Zurechtweisungen Rechnung machen, wenn er die Grenzen seines Gebiets (wie es unvermeidlich ist) unaufhörlich überschreitet und sich in Wahn und Blendwerke verirrt.

Daß also der Verstand von allen seinen Grundsätzen a priori, ja von allen seinen Begriffen keinen andern als empirischen, niemals aber einen transzendentalen Gebrauch machen könne, ist ein Satz, der, wenn er mit Überzeugung erkannt werden kann, in wichtige Folgen hinaussieht. Der transzendentale Gebrauch eines Begriffs in irgendeinem Grundsatz ist dieser, daß er auf Dinge überhaupt und an sich selbst, der empirische aber, wenn er bloß auf Erscheinungen, d. i. Gegenstände einer möglichen Erfahrung, bezogen wird. Daß aber überall nur der letztere stattfinden könne, ersieht man daraus. Zu jedem Begriff wird erstlich die logische Form eines Begriffs (des Denkens) überhaupt und dann zweitens auch die Möglichkeit, ihm einen Gegenstand zu geben, darauf er sich beziehe, erfordert. Ohne diesen letzteren hat er keinen Sinn und ist völlig leer an Inhalt, obgleich er noch immer die logische Funktion enthalten mag, aus etwaigen datis einen Begriff zu machen. Nun kann der Gegenstand einem Begriff nicht anders gegeben werden als in der Anschauung, und wenn eine reine Anschauung noch vor dem Gegenstand a priori möglich ist, so kann doch auch diese selbst ihren Gegenstand, mithin die objektive Gültigkeit, nur durch die empirische Anschauung bekommen, wovon sie die bloße Form ist. Also beziehen sich alle Begriff e und mit ihnen alle Grundsätze, sosehr sie auch a priori möglich sein mögen, dennoch auf empirische Anschauungen, d. i. auf data zur möglichen Erfahrung. Ohne dieses haben sie gar keine objektive Gültigkeit, sondern sind ein bloßes Spiel, es sei der Einbildungs-

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kraft oder des Verstandes, respektive mit ihren Vorstellungen. Man nehme nur die Begriffe der Mathematik zum Beispiel, und zwar erstlich in ihren reinen Anschauungen. Der Raum hat drei Abmessungen, zwischen zwei Punkten kann nur eine gerade Linie sein usw. Obgleich alle diese Grundsätze und die Vorstellung des Gegenstands, womit sich jene Wissenschaft beschäftigt, völlig a priori im Gemüt erzeugt werden, so würden sie doch gar nichts bedeuten, könnten wir nicht immer an Erscheinungen (empirischen Gegenständen) ihre Bedeutung darlegen. Daher erfordert man auch, einen abgesonderten Begriff sinnlich zu machen, d. i. das ihm korrespondierende Objekt in der Anschauung darzulegen, weil ohne dieses der Begriff (wie man sagt) ohne Sinn, d. i. ohne Bedeutung, bleiben würde. Die Mathematik erfüllt diese Forderung durch die Konstruktion der Gestalt, welche eine den Sinnen gegenwärtige (obzwar a priori zustande gebrachte) Erscheinung ist. Der Begriff der Größe sucht in ebender Wissenschaft seine Haltung und seinen Sinn in der Zahl, diese aber an den Fin­gern, den Korallen des Rechenbretts oder den Strichen und Punkten, die vor Augen gestellt werden. Der Begriff bleibt immer a priori erzeugt, samt den synthetischen Grundsätzen oder Formeln aus solchen Begriffen; aber der Gebrauch derselben und die Beziehung auf angebliche Gegenstände kann am Ende doch nirgends als in der Erfahrung gesucht werden, deren Möglichkeit (der Form nach) jene a priori enthalten.

Daß dieses aber auch der Fall mit allen Kategorien und den daraus gesponnenen Grundsätzen sei, erhellt auch daraus, daß wir so gar keine einzige derselben definieren können, ohne uns sofort zu Bedingungen der Sinnlichkeit, mithin der Form der Erscheinungen herabzulassen, als auf welche als ihre einzigen Gegenstände sie folglich eingeschränkt sein müssen; weil, wenn man diese Bedingung wegnimmt, alle Bedeutung, d. i. Beziehung aufs Objekt, wegfällt und man durch kein Beispiel sich selbst faßlich machen kann, was unter dergleichen Begriff denn eigentlich für ein Ding gemeint sei. Oben, bei der Übersicht über die Kategorien, überhoben wir uns der Definition einer jedep derselben dadurch, daß unsere Absicht, die lediglich auf den synthetischen Gebrauch derselben geht, sie nicht nötig mache und man sich mit unnötigen Unternehmungen keiner Verantwortung aussetzen müsse, deren man überhoben sein kann. Das war keine Ausrede, sondern eine nicht unerhebliche Klugheitsregel, sich nicht sofort ans Definieren zu wagen und Vollständigkeit oder

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Präzision in der Bestimmung des Begriffs zu versuchen oder vorzugeben, wenn man mit irgendeinem oder andern Merkmal desselben auslangen kann, ohne ebendazu eine vollständige Herzählung aller derselben, die den ganzen Begriff ausmachen, zu bedürfen. Jetzt aber zeigt sich, daß der Grund dieser Vorsicht noch tiefer liege, nämlich, daß wir sie nicht definieren konnten, wenn wir auch wollten13, sondern, wenn man alle Bedingungen der Sinnlichkeit wegschafft, die sie als Begriffe eines möglichen empirischen Gebrauchs auszeichnen, und sie für Begriffe von Dingen überhaupt (mithin vom transzendentalen Gebrauch) nimmt, bei ihnen gar nichts weiter zu tun sei, als die logische Funktion in Urteilen als die Bedingung der Möglichkeit der Sachen selbst anzusehen, ohne doch im mindesten anzeigen zu können, wo sie denn ihre Anwendung und ihr Objekt, mithin wie sie im reinen Verstand ohne Sinnlichkeit irgendeine Bedeutung und objektive Gültigkeit haben können. Den Begriff der Größe überhaupt kann niemand erklären als etwa so, daß sie die Bestimmung eines Dinges sei dadurch, wievielmal eines in ihm gesetzt ist, gedacht werden kann. Allein dieses Wievielmal gründet sich auf die sukzessive Wiederholung, mithin auf die Zeit und die Synthesis (des Gleichartigen) in derselben. Realität kann man im Gegensatz mit der Negation nur alsdann erklären, wenn man sich eine Zeit (als den Inbegriff von allem Sein) denkt, die entweder womit erfüllt oder leer ist. Lasse ich die Beharrlichkeit (welche ein Da­sein zu aller Zeit ist) weg, so bleibt mir zum Begriff der Substanz nichts übrig als die logische Vorstellung vom Subjekt, welche ich dadurch zu realisieren vermeine, daß ich mir etwas vorstelle, welches bloß als Subjekt (ohne wovon ein Prädikat zu sein) stattfinden kann. Aber nicht allein daß ich gar keine Bedingungen weiß, unter welchen denn dieser logische Vorzug irgendeinem Ding eigen sein werde, so ist auch gar nichts weiter daraus zu machen und nicht die mindeste Folgerung zu ziehen, weil dadurch gar kein Objekt des Gebrauchs dieses Begriffs bestimmt wird und man also gar nicht weiß, ob dieser überall irgend etwas bedeute. Vom Begriff der Ursache würde ich (wenn ich die Zeit weglasse, in der etwas auf etwas anderes nach einer Regel folgt) in der reinen Kategorie nichts weiter finden, als daß es so etwas sei, woraus sich auf das Dasein eines andern schließen läßt, und es würde dadurch nicht allein Ursache und Wirkung gar nicht voneinander unterschieden werden können, sondern weil dieses Schließenkönnen doch bald Bedingungen erfordert, von denen ich nichts

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weiß, so würde der Begriff gar keine Bestimmung haben, wie er auf irgendein Objekt passe. Der vermeinte Grundsatz, alles Zufällige hat seine Ursache, tritt zwar ziemlich gravitätisch auf, als habe er seine eigene Würde in sich selbst. Allein frage ich, was versteht ihr unter zufällig, und ihr antwortet, dessen Nichtsein möglich ist, so möchte ich gern wissen, woran ihr diese Möglichkeit des Nichtseins erkennen wollt, wenn ihr euch nicht in der Reihe der Erscheinungen eine Sukzession und in dieser ein Dasein, welches auf das Nichtsein folgt (oder umgekehrt), mithin einen Wechsel vorstellt; denn, daß das Nichtsein eines Dinges sich selbst nicht widerspreche, ist eine lahme Berufung auf eine logische Bedingung, die zwar zum Begriff notwendig, aber zur realen Möglichkeit bei weitem nicht hinreichend ist; wie ich denn eine jede existierende Substanz in Gedanken aufheben kann, ohne mir selbst zu widersprechen, daraus aber auf die objektive Zufälligkeit derselben in ihrem Dasein, d. i. die Möglichkeit seines Nichtseins an sich selbst, gar nicht schließen kann. Was den Begriff der Gemeinschaft betrifft, so ist leicht zu ermessen, daß, da die reinen Kategorien der Substanz sowohl als Kausalität keine das Objekt bestimmende Erklärung zulassen, die wechselseitige Kausalität in der Beziehung der Substanzen aufeinander (commercium) ebensowenig derselben fähig sei. Möglichkeit, Dasein und Notwendigkeit hat noch niemand anders als durch offenbare Tautologie erklären können, wenn man ihre Definition lediglich aus dem reinen Verstand schöpfen wollte. Denn das Blendwerk, die logische Möglichkeit des Begriffs (da er sich selbst nicht widerspricht) der transzendentalen Möglichkeit der Dinge (da dem Begriff ein Gegenstand korrespondiert) zu unterschieben, kann nur Unversuchte hintergehen und zufriedenstellen.

Es hat etwas Befremdliches und sogar Widersinniges an sich, das ein Begriff sein soll, dem doch eine Bedeutung zukommen muß, der aber keiner Erklärung fähig wäre. Allein hier hat es mit den Kategorien diese besondere Bewandtnis, daß sie nur vermittels der allgemeinen sinnlichen Bedingung eine bestimmte Bedeutung und Beziehung auf irgendeinen Gegenstand haben können, diese Bedingung aber aus der reinen Kategorie weggelassen worden ist, da diese denn nichts als die logische Funktion enthalten kann, das Mannigfaltige unter einen Begriff zu bringen. Aus dieser Funktion, d. i. der Form des Begriffs allein kann aber gar nichts erkannt und unterschieden werden, welches Objekt darunter gehöre, weil eben von der sinnlichen Bedingung, unter der

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überhaupt Gegenstände unter sie gehören können, abstrahiert worden. Daher bedürfen die Kategorien noch über den reinen Verstandesbegriff Bestimmungen ihrer Anwendung auf Sinnlichkeit überhaupt (Schema) und sind ohne diese keine Begriffe, wodurch ein Gegenstand erkannt und von andern unterschieden würde, sondern nur so viel Arten, einen Gegenstand zu möglichen Anschauungen zu denken und ihm nach irgendeiner Funktion des Verstandes seine Bedeutung (unter noch erforderlichen Bedingungen) zu geben, d. i. ihn zu definieren; selbst können sie also nicht definiert werden. Die logische Funktion der Urteile überhaupt, Einheit und Vielheit, Bejahung und Verneinung, Subjekt und Prädikat können, ohne einen Zirkel zu begehen, nicht definiert werden, weil die Definition doch selbst ein Urteil sein und also diese Funktion schon enthalten müßte. Die reinen Kategorien sind aber nichts anderes als Vorstellungen der Dinge überhaupt, sofern das Mannigfaltige ihrer Anschauung durch eine oder andere dieser logischen Funktionen gedacht werden muß: Größe ist die Bestimmung, welche nur durch ein Urteil, das Quantität hat (judicium commune), Realität diejenige, die nur durch ein bejahendes Urteil gedacht werden kann, Substanz, was in Beziehung auf die Anschauung, das letzte Subjekt aller anderen Bestimmungen sein muß. Was das nun aber für Dinge sind, in Ansehung deren man sich dieser Funktion vielmehr als einer andern bedienen müsse, bleibt hierbei ganz unbestimmt; mithin haben die Kategorien ohne die Bedingung der sinnlichen Anschauung, dazu sie die Synthesis enthalten, gar keine Beziehung auf irgendein bestimmtes Objekt, können also keins definieren und haben folglich an sich selbst keine Gültigkeit objektiver Begriffe.

Hieraus fließt nun unwidersprechlich, daß die reinen Verstandesbegriffe niemals von transzendentalem, sondern jederzeit nur von empirischem Gebrauch sein können und daß die Grundsätze des reinen Verstandes nur in Beziehung auf die allgemeinen Bedingungen einer möglichen Erfahrung, auf Gegenstände der Sinne, niemals aber auf Dinge überhaupt (ohne Rücksicht auf die Art zu nehmen, wie wir sie anschauen mögen) bezogen werden können.

Die transzendentale Analytik hat demnach dieses wichtige Resultat, daß der Verstand a priori niemals mehr leisten könne, als die Form einer möglichen Erfahrung überhaupt zu antizipieren, und, da dasjenige, was nicht Erscheinung ist, kein Gegenstand der

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Erfahrung sein kann, daß er die Schranken der Sinnlichkeit, innerhalb denen uns allein Gegenstände gegeben werden, niemals überschreiten könne. Seine Grundsätze sind bloß Prinzipien der Exposition der Erscheinungen, und der stolze Name einer Ontologie, welche sich anmaßt, von Dingen überhaupt synthetische Erkenntnisse a priori in einer systematischen Doktrin zu geben (z. B. den Grundsatz der Kausalität), muß dem bescheidenen einer bloßen Analytik des reinen Verstandes Platz machen.

Das Denken ist die Handlung, gegebene Anschauung auf einen Gegenstand zu beziehen. Ist die Art dieser Anschauung auf keinerlei Weise gegeben, so ist der Gegenstand bloß transzendental und der Verstandesbegriff hat keinen anderen als transzendentalen Gebrauch, nämlich die Einheit des Denkens eines Mannigfaltigen überhaupt. Durch eine reine Kategorie nun, in welcher von aller Bedingung der sinnlichen Anschauung als der einzigen, die uns möglich ist, abstrahiert wird, wird also kein Objekt bestimmt, sondern nur das Denken eines Objekts überhaupt, nach verschiedenen modis ausgedrückt. Nun gehört zum Gebrauch eines Begriffs noch eine Funktion der Urteilskraft, worauf ein Gegenstand unter ihm subsumiert wird, mithin die wenigstens formale Bedingung, unter der etwas in der Anschauung gegeben werden kann. Fehlt diese Bedingung der Urteilskraft (Schema), so fällt alle Subsumtion weg; denn es wird nichts gegeben, was unter den Begriff subsumiert werden könne. Der bloß transzendentale Gebrauch also det Kategorien ist in der Tat gar kein Gebrauch und hat keinen bestimmten oder auch nur der Form nach bestimmbaren Gegenstand. Hieraus folgt, daß die reine Kategorie auch zu keinem synthetischen Grundsatz a priori zulange und daß die Grundsätze des reinen Verstandes nur von empirischem, niemals aber von transzendentalem Gebrauch sind, über das Feld möglicher Erfahrung hinaus es aber überall keine synthetischen Grundsätze a priori geben könne.

Es kann daher ratsam sein, sich also auszudrücken: Die reinen Kategorien, ohne formale Bedingungen der Sinnlichkeit, haben bloß transzendentale Bedeutung, sind aber von keinem transzendentalen Gebrauch, weil dieser an sich selbst unmöglich ist, indem ihm alle Bedingungen irgendeines Gebrauchs (in Urteilen) abgehen, nämlich die formalen Bedingungen der Subsumtion irgendeines angeblichen Gegenstands unter diese Begriffe. Da sie also (als bloß reine Kategorien) nicht von empirischem Gebrauch sein sollen und von transzendentalem nicht sein können, so sind sie

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von gar keinem Gebrauch, wenn man sie von aller Sinnlichkeit absondert, d. i. sie können auf gar keinen angeblichen Gegenstand angewandt werden; vielmehr sind sie bloß die reine Form des Verstandesgebrauchs in Ansehung der Gegenstände überhaupt und des Denkens, ohne doch durch sie allein irgendein Objekt denken oder bestimmen zu können.

Erscheinungen, sofern sie als Gegenstände nach der Einheit der Kategorien gedacht werden, heißen Phaenomena. Wenn ich aber Dinge annehme, die bloß Gegenstände des Verstandes sind, und gleichwohl als solche einer Anschauung, obgleich nicht der sinnlichen (als coram intuitu intellectuali) gegeben werden können, so würden dergleichen Dinge Noumena (intelligibilia) heißen.

Nun sollte man denken, daß der durch die transzendentale Ästhetik eingeschränkte Begriff der Erscheinungen schon von selbst die objektive Realität der Noumenorum an die Hand gebe und die Einteilung der Gegenstände in Phaenomena und Noumena, mithin auch der Welt in eine Sinnen- und eine Verstandeswelt (mundus sensibilis et intelligibilis) berechtige, und zwar so, daß der Unterschied hier nicht bloß die logische Form der undeutlichen oder deutlichen Erkenntnis ein und desselben Dinges, sondern die Verschiedenheit treffe, wie sie unserer Erkenntnis ursprünglich gegeben werden können und nach welcher sie an sich selbst der Gattung nach voneinander unterschieden sind. Denn wenn uns die Sinne etwas bloß vorstellen, wie es erscheint, so muß dieses Etwas doch auch an sich selbst ein Ding und ein Gegenstand einer nicht sinnlichen Anschauung, d. i. des Verstandes sein, d. i. es muß eine Erkenntnis möglich sein, darin keine Sinnlichkeit angetroffen wird und welche allein schlechthin objektive Realität hat, dadurch uns nämlich Gegenstände vorgestellt werden, wie sie sind, dahingegen im empirischen Gebrauch unseres Verstandes Dinge nur erkannt werden, wie sie erscheinen. Also würde es außer dem empirischen Gebrauch der Kategorien (welcher auf sinnliche Bedingungen eingeschränkt ist) noch einen reinen und doch objektiv gültigen geben, und.wir könnten nicht behaupten, was wir bisher vorgegeben haben, daß unsere reinen Verstandeserkenntnisse überall nichts weiter wären als Prinzipien der Exposition der Erscheinung, die auch a priori nicht weiter als auf die formale Möglichkeit der Erfahrung gingen, denn hier stände ein ganz anderes Feld für uns offen, gleichsam eine Welt im Geist gedacht (vielleicht auch gar angeschaut), die nicht min-

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der, ja noch weit edler unsern reinen Verstand beschäftigen könnte.

Alle unsere Vorstellungen werden in der Tat durch den Verstand auf irgendein Objekt bezogen, und da Erscheinungen nichts als Vorstellungen sind, so bezieht sie der Verstand auf ein Etwas als den Gegenstand der sinnlichen Anschauung, aber dieses Etwas ist insofern nur das transzendentale Objekt. Dieses bedeutet aber ein Etwas = x, wovon wir gar nichts wissen, noch überhaupt (nach der jetzigen Einrichtung unseres Verstandes) wissen können, sondern welcher nur als ein Korrelat der Einheit der Apperzeption zur Einheit des Mannigfaltigen in der sinnlichen Anschauung dienen kann, vermittels deren der Verstand dasselbe in den Begriff eines Gegenstands vereinigt. Dieses transzendentale Objekt läßt sich gar nicht von den sinnlichen Datis absondern, weil alsdann nichts übrigbleibt, wodurch es gedacht würde. Es ist also kein Gegenstand der Erkenntnis an sich selbst, sondern nur die Vorstellung der Erscheinungen unter dem Begriff eines Gegenstands überhaupt, der durch das Mannigfaltige derselben bestimmbar ist.

Eben um deswillen stellen nun auch die Kategorien kein besonderes dem Verstand allein gegebenes Objekt vor, sondern dienen nur dazu, das transzendentale Objekt (den Begriff von etwas überhaupt) durch das, was in der Sinnlichkeit gegeben wird, zu bestimmen, um dadurch Erscheinungen unter Begriffen von Gegenständen empirisch zu erkennen.

Was aber die Ursache betrifft, weswegen man, durch das Substratum der Sinnlichkeit noch nicht befriedigt, den Phaenomenis noch Noumena zugegeben hat, die nur der reine Verstand denken kann, so beruht sie lediglich darauf. Die Sinnlichkeit und ihr Feld, nämlich das der Erscheinungen, wird selbst durch den Verstand dahin eingeschränkt, daß sie nicht auf Dinge an sich selbst, sondern nur auf die Art gehe, wie uns, vermöge unserer subjektiven Beschaffenheit, Dinge erscheinen. Dies war das Resultat der ganzen transzendentalen Ästhetik, und es folgt auch natürlicherweise aus dem Begriff einer Erscheinung überhaupt, daß ihr etwas entsprechen müsse, was an sich nicht Erscheinung ist, weil Erscheinung nichts für sich selbst und außer unserer Vorstellungsart sein kann, mithin, wo nicht ein beständiger Zirkel herauskommen soll, das Wort Erscheinung schon eine Beziehung auf etwas anzeigt, dessen unmittelbare Vorstellung zwar sinnlich ist, was aber an sich selbst auch ohne diese Beschaffenheit unserer Sinn-

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lichkeit (worauf sich die Form unserer Anschauung gründet) etwas, d. i. ein von der Sinnlichkeit unabhängiger Gegenstand, sein muß.

Hieraus entspringt nun der Begriff von einem Noumenon, der aber gar nicht positiv ist und eine bestimmte Erkenntnis von irgendeinem Ding, sondern nur das Denken von etwas überhaupt bedeutet, bei welchem ich von aller Form der sinnlichen Anschauung abstrahiere. Damit aber ein Noumenon einen wahren, von allen Phänomenen zu unterscheidenden Gegenstand bedeute, so ist es nicht genug, daß ich meinen Gedanken von allen Bedingungen sinnlicher Anschauung befreie, ich muß noch überdem Grund dazu haben, eine andere Art der Anschauung, als diese sinnliche ist, anzunehmen, unter der ein solcher Gegenstand gegeben werden könne; denn sonst ist mein Gedanke doch leer, obzwar ohne Widerspruch. Wir haben zwar oben nicht beweisen können, daß die sinnliche Anschauung die einzige mögliche Anschauung überhaupt, sondern daß sie es nur für uns sei, wir konnten aber auch nicht beweisen, daß noch eine andere Art der Anschauung möglich sei und, obgleich unser Denken von jener Sinnlichkeit abstrahieren kann, so bleibt doch die Frage, ob es alsdann nicht eine bloße Form eines Begriffs sei und ob bei dieser Abtrennung überall ein Objekt übrigbleibe.

Das Objekt, worauf ich die Erscheinung überhaupt beziehe, ist der transzendentale Gegenstand, d. i. der gänzlich unbestimmte Gedanke von etwas überhaupt. Dieser kann nicht das Noumenon heißen; denn ich weiß von ihm nicht, was er an sich selbst sei, und habe gar keinen Begriff von ihm als bloß von dem Gegenstand einer sinnlichen Anschauung überhaupt, der also für alle Erscheinungen einerlei ist. Ich kann ihn durch keine Kategorien denken; denn diese gilt von der empirischen Anschauung, um sie unter einen Begriff vom Gegenstand überhaupt zu bringen. Ein reiner Gebrauch der Kategorie ist zwar möglich, d. i. ohne Widerspruch, aber hat gar keine objektive Gültigkeit, weil sie auf keine Anschauung geht, die dadurch Einheit des Objekts bekommen sollte; denn die Kategorie ist doch eine bloße Funktion des Denkens, wodurch mir kein Gegenstand gegeben, sondern nur, was in der Anschauung gegeben werden mag, gedacht wird.

Wenn ich alles Denken (durch Kategorien) aus einer empirischen Erkenntnis wegnehme, so bleibt gar keine Erkenntnis irgendeines Gegenstandes übrig; denn durch bloße Anschauung wird gar nichts gedacht, und daß diese Affektion der Sinnlichkeit in

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mir ist, macht gar keine Beziehung von dergleichen Vorstellung auf irgendein Objekt aus. Lasse ich aber hingegen alle Anschauung weg, so bleibt doch noch die Form des Denkens, d. i. die Art, dem Mannigfaltigen einer möglichen Anschauung einen Gegenstand zu bestimmen. Daher erstrecken sich die Kategorien sofern weiter als die sinnliche Anschauung, weil sie Objekte überhaupt denken, ohne noch auf die besondere Art (der Sinnlichkeit) zu sehen, in der sie gegeben werden mögen. Sie bestimmen aber dadurch nicht eine größere Sphäre von Gegenständen, weil, daß solche gegeben werden können, man nicht annehmen kann, ohne daß man eine andere als sinnliche Art der Anschauung als möglich voraussetzt, wozu wir aber keineswegs berechtigt sind.

Ich nenne einen Begriff problematisch, der keinen Widerspruch enthält, der auch als eine Begrenzung gegebener Begriffe mit andern Erkenntnissen zusammenhängt, dessen objektive Realität aber auf keine Weise erkannt werden kann. Der Begriff eines Noumenon, d. i. eines Dinges, welches gar nicht als Gegenstand der Sinne, sondern als ein Ding an sich selbst (lediglich durch einen reinen Verstand) gedacht werden soll, ist gar nicht widersprechend: denn man kann von der Sinnlichkeit doch nicht behaupten, daß sie die einzig mögliche Art der Anschauung sei. Ferner ist dieser Begriff notwendig, um die sinnliche Anschauung nicht bis über die Dinge an sich selbst auszudehnen und also um die objektive Gültigkeit der sinnlichen Erkenntnis einzuschränken (denn das übrige, worauf jene nicht reicht, heißen ebendarum Noumena, damit man dadurch anzeige, jene Erkenntnisse können ihr Gebiet nicht über alles, was der Verstand denkt, erstrecken). Am Ende aber ist doch die Möglichkeit solcher Noumenorum gar nicht einzusehen, und der Umfang außer der Sphäre der Erscheinungen ist (für uns) leer, d. i. wir haben einen Verstand, der sich problematisch weiter erstreckt als jene, aber keine Anschauung, ja auch nicht einmal den Begriff von einer möglichen Anschauung, wodurch uns außer dem Feld der Sinnlichkeit Gegenstände gegeben und der Verstand über dieselbe hinaus assertorisch gebraucht werden könne. Der Begriff eines Noumenon ist also bloß ein Grenzbegriff, um die Anmaßung der Sinnlichkeit einzuschränken, und also nur von negativem Gebrauch. Er ist aber gleichwohl nicht willkürlich erdichtet, sondern hängt mit der Einschränkung der Sinnlichkeit zusammen, ohne doch etwas Positives außer dem Umfang derselben setzen zu können.

Die Einteilung der Gegenstände in Phaenomena und Noumena

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und der Welt in eine Sinnen- und Verstandeswelt kann daher gar nicht zugelassen werden, obgleich Begriffe allerdings die Einteilung in sinnliche und intellektuelle zulassen; denn man kann den letzteren keinen Gegenstand bestimmen und sie also auch nicht für objektivgültig ausgeben. Wenn man von den Sinnen abgeht, wie will man begreiflich machen, daß unsere Kategorien (welche die einzigen übrigbleibenden Begriffe für Noumena sein würden) noch überall etwas bedeuten, da zu ihrer Beziehung auf irgendeinen Gegenstand noch etwas mehr als bloß die Einheit des Denkens, nämlich, überdem eine mögliche Anschauung gege­ben sein muß, darauf jene angewandt werden können? Der Begriff eines Noumeni, bloß problematisch genommen, bleibt demungeachtet nicht allein zulässig, sondern auch als ein die Sinnlichkeit in Schranken setzender Begriff unvermeidlich. Aber alsdann ist das nicht ein besonderer intelligibler Gegenstand für unsern Verstand, sondern ein Verstand, vor den es gehörte, ist selbst ein Problem, nämlich nicht diskursiv durch Kategorien, sondern intuitiv in einer nichtsinnlichen Anschauung seinen Gegenstand zu erkennen, als von welchem wir uns nicht die geringste Vorstellung seiner Möglichkeit machen können. Unser Verstand bekommt nun auf diese Weise eine negative Erweiterung, d. i. er wird nicht durch die Sinnlichkeit eingeschränkt, sondern schränkt vielmehr dieselbe ein, dadurch, daß er Dinge an sich selbst (nicht als Erscheinungen betrachtet) Noumena nennt. Aber er setzt sich auch sofort selbst Grenzen, sie durch keine Kategorien zu erken­nen, mithin sie nur unter dem Namen eines unbekannten Etwas zu denken.

Ich finde indessen in den Schriften der Neueren einen ganz andern Gebrauch der Ausdrücke eines mundi sensibilis und intelligibilis, der von dem Sinn der Alten ganz abweicht und wobei es freilich keine Schwierigkeit hat, aber auch nichts als leere Wortkrämerei angetroffen wird. Nach demselben hat es einigen beliebt, den Inbegriff der Erscheinungen, sofern er angeschaut wird, die Sinnenwelt, sofern aber der Zusammenhang derselben nach allgemeinen Verstandesgesetzen gedacht wird, die Verstandeswelt zu nennen. Die theoretische Astronomie, welche die bloße Beobachtung des bestirnten Himmels vorträgt, würde die erstere, die kontemplative dagegen (etwa nach dem kopernikanischen Weltsystem oder gar nach Newtons Gravitationsgesetzen erklärt) die zweite, nämlich eine intelligible Welt vorstellig machen. Aber eine solche Wortverdrehung ist eine bloße sophistische Ausflucht,

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um einer beschwerlichen Frage auszuweichen, dadurch, daß man ihren Sinn zu seiner Gemächlichkeit herabstimmt. In Ansehung der Erscheinungen läßt sich allerdings Verstand und Vernunft brauchen, aber es fragt sich, ob diese auch noch einigen Gebrauch haben, wenn der Gegenstand nicht Erscheinung (Noumenon) ist, und in diesem Sinne nimmt man ihn, wenn er an sich als bloß intelligibel, d. i. dem Verstände allein und gar nicht den Sinnen gegeben, gedacht wird. Es ist also die Frage, ob außer jenem empirischen Gebrauch des Verstandes (selbst in der Newtonischen Vorstellung des Weltbaus) noch ein transzendentaler möglich sei, der auf das Noumenon als einen Gegenstand gehe, welche Frage wir verneinend beantwortet haben.

Wenn wir denn also sagen, die Sinne stellen uns die Gegenstände vor wie sie erscheinen, der Verstand aber wie sie sind, so ist das letztere nicht in transzendentaler, sondern bloß in empirischer Bedeutung zu nehmen, nämlich, wie sie als Gegenstände der Erfahrung, im durchgängigen Zusammenhang der Erscheinungen, müssen vorgestellt werden, und nicht nach dem, was sie, außer der Beziehung auf mögliche Erfahrung und folglich auf Sinne überhaupt, mithin als Gegenstände des reinen Verstandes sein mögen. Denn dieses wird uns immer unbekannt bleiben, sogar, daß es auch unbekannt bleibt, ob eine solche transzendentale (außerordentliche) Erkenntnis überall möglich sei, zum wenigsten als eine solche, die unter unseren gewöhnlichen Kategorien steht. Verstand und Sinnlichkeit können bei uns nur in Verbindung Gegenstände bestimmen. Wenn wir sie trennen, so haben wir Anschauungen ohne Begriffe oder Begriffe ohne Anschauungen, in beiden Fällen aber Vorstellungen, die wir auf keinen bestimmten Gegenstand beziehen können.

Wenn jemand noch Bedenken trägt, auf alle diese Erörterungen dem bloß transzendentalen Gebrauch der Kategorien zu entsagen, so mache er einen Versuch von ihnen in irgendeiner synthetischen Behauptung. Denn eine analytische bringt den Verstand nicht weiter, und da er nur mit dem beschäftigt ist, was in dem Begriff schon gedacht wird, so läßt er es unausgemacht, ob dieser an sich selbst auf Gegenstände Beziehung habe oder nur die Einheit des Denkens überhaupt bedeute (welche von der Art, wie ein Gegenstand gegeben werden mag, völlig abstrahiert); es ist ihm genug, zu wissen, was in seinem Begriff liegt; worauf der Begriff selber gehen möge, ist ihm gleichgültig. Er versuche es demnach mit irgendeinem synthetischen und vermeintlich trän-

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szendentalen Grundsatz als: »Alles, was da ist, existiert als Substanz«, oder eine derselben anhängende Bestimmung: »Alles Zufällige existiert als Wirkung eines andern Dinges, nämlich seiner Ursache«, usw. Nun frage ich, woher will er diese synthetischen Sätze nehmen, da die Begriffe nicht beziehungsweise auf mögliche Erfahrung, sondern von Dingen an sich selbst (Noumena) gelten sollen? Wo ist hier das dritte, welches jederzeit zu einem synthetischen Satz erfordert wird, um in demselben Begriffe, die gar keine logische (analytische) Verwandtschaft haben, miteinander zu verknüpfen? Er wird seinen Satz niemals beweisen, ja was noch mehr ist, sich nicht einmal wegen der Möglichkeit einer solchen reinen Behauptung rechtfertigen können, ohne auf den empirischen Verstandesgebrauch Rücksicht zu nehmen und dadurch dem reinen und sinnenfreien Urteil völlig zu entsagen. So ist denn der Begriff reiner, bloß intelligibler Gegenstände gänzlich leer von allen Grundsätzen ihrer Anwendung, weil man keine Art ersinnen kann, wie sie gegeben werden sollten, und der problematische Gedanke, der doch einen Platz für sie offenläßt, dient nur wie ein leerer Raum, die empirischen Grundsätze einzuschränken, ohne doch irgendein anderes Objekt der Erkenntnis, außer der Sphäre der letzteren, in sich zu enthalten und aufzuweisen.


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Datum der letzten Änderung : Jena, den: 08.10. 2016