Optikrechnen

Bezeichnung für mathematischen Arbeitsverfahren zur rechnerischen Feststellung der Größe und der Richtung der durch die Abbildungsfehler bewirkten Aberrationen, d.h. der Abweichungen von der punktförmigen Abbildung. Das wichtigste Anwendungsgebiet des Optikrechnens ist die Konstruktion optischer Systeme.
Hierzu wird der Weg mehrerer Strahlen von Linsenfläche zu Linsenfläche rechnerisch bestimmt und ihr Durchstoßungspunkt in der idealen Bildebene bzw. dessen Abweichung vom idealen Bildpunkt ermittelt. Führt man diese sogenannte Durchrechnung für zweckmäßig ausgewählte Strahlengruppen und für mehrere Dingpunkte zwischen der optischen Achse und dem Dingfeldrande durch, so erhält man eine weitgehende Aussage über die Größe der verschiedenen Abbildungsfehler, d.h. über den Korrektionszustand des Systems.

Durch konstruktive Änderungen, besonders durch Variation der Durchbiegung der einzelnen Linsen (gleichzeitige Veränderung des Krümmungsradius beider Linsenflächen unter Beibehaltung der Brennweite) versucht man dem Idealzustand der Korrektion möglichst nahezukommen. Diese Arbeit ist in der Regel äußerst langwierig und erfordert zu ihrer erfolgreichen Durchführung erhebliche Erfahrung und ein hohes Einfühlungsvermögen in die optischen Vorgänge. Ihr technischer Aufwand wird durch Benutzung von Rechentechnik herabgesetzt. Carl Zeiss Jena hat dazu ab 1955 die OP(tik)RE(chen)MA(schine) entwickelt und gebaut.

Von besonderer Wichtigkeit für das routinemäßige Optikrechnen ist eine weitgehende Vereinheitlichung der Bezeichnungsweise der Rechengrößen, Strecken und Winkel sowie die Kennzeichnung ihrer Richtung Lage durch ihre positiven oder negativen Vorzeichen. Letzteres wird durch die Vorzeichenregel erreicht. Diese besagt, daß die positive Richtung der optischen Achse (Rotationsachse) von links nach rechts weisen soll. Es werden also Schnittweiten negativ gerechnet für Objektpunkte, die links vom Bezugspunkt (Flächenscheitel, Brennpunkt, Hauptpunkt usw.) liegen. Entsprechend ist ein Flächenradius negativ, wenn sein Krümmungsmittelpunkt links vom Scheitel liegt. Rechtwinklig zur optischen Achse liegende Strecken sind positiv, wenn sie nach oben weisen und negativ, wenn sie nach unten weisen.
Die Vorzeichen der Strahlwinkel und der durch die Radien gebildeten Zentriwinkel ergeben sich aus denjenigen der Strecken, die zur Berechnung ihrer trigonometrischen Funktionen benutzt werden. Hierbei sind gleichzeitig die Vorzeichen der Brechungswinkel an den Linsenflächen aus den Formeln der trigonometrischen Durchrechnung (siehe unten) festgelegt. Bei der Aufstellung der Formelsysteme für das Optikrechnen ist die Vorzeichenregel berücksichtigt, so daß das Vorzeichen neben seiner mathematischen Bedeutung gleichzeitig die Richtung der Größen ausdrückt.
Die Methodik des Optikrechnens unterscheidet sich von der allgemeinen Berechnung der Kardinalelemente mittels der Abbildungsgleichungen (Abbildung, optische) und der Linsenformel dadurch, daß eine Linse oder ein optisches System als Folge einzelner brechender Flächen betrachtet wird und die den Strahlenverlauf bestimmenden Schnittweiten und Winkel fortschreitend von Fläche zu Fläche berechnet werden. Das von der ersten Fläche erzeugte Bild eines gegebenen Objekts dient also, unter Berücksichtigung des Flächenabstandes, als Objekt für die zweite Fläche, wie indem Beispiel der Durchrechnung im achsennahen Gebiet deutlich wird. Diese dient zur Bestimmung der Kardinalelemente für die ideal fehlerfreie Abbildung.


 
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 06.12. 2020