Brille
Historisches
Vorgeschichte
Im
Altertum war es üblich, alle neuen Errungenschaften künstlerisch in Wort und Bild darzustellen. Von Sehhilfen irgendeiner Art ist jedoch nichts bekannt.
Marcus Tullius Cicero (106-43 v.Chr. römischer Rechtsgelehrter, Politiker und Schriftsteller) klagte in einem seiner Briefe, über die Abnahme des Sehvermögens im Alter. Er schrieb, daß ihm nichts weiter
übrig bliebe, als sich von Sklaven vorlesen zu lassen.
Gajus Plinius (23-79 n.Chr.) schrieb über die Vergrößerungswirkung einer wassergefüllten Glaskugel. Er konnte diese Erkenntnis jedoch nicht entsprechend nutzen. Der griechische Astronom und Mathematiker Claudius Ptolomäus (100-178 n.Chr.) beschäftigte sich unter anderem mit der Lichtbrechung. Der Araber Ibn al-Haitam (965-1039) schrieb das Buch “Schatz der Optik”. Darin berichtete er über die Lehren des Sehens, der Refraktion und der Reflexion. Bahnbrechend ist seine Überlegung das Auge mittels einer geschliffenen, optischen Linse zu unterstützen! Erst viel später erstellte Snellius (1581-1626) das Lichtbrechungsgesetz und publizierte es in einem fünfbändigen Werk über die Optik.
Mittelalter
1240 wurde das Buch des Arabers Ibn al Haitam ins Lateinische übersetzt. Die erste Sehhilfe (um 1000 u. Z.) ist der Lesestein,
ein Kugelsegment, das auf die Schrift aufgelegt wurde und vergrößernd wirkte.
Als Brille wird im 13. Jh. erstmalig in Spanien die
Fadenbrille beschrieben,
die durch Fäden, welche hinter dem Ohr geknüpft wurden, gehalten wurde. Eine Abart ist die Gewichtsbrille, bei der an jeder Seite nur ein Faden über das Ohr lief, der durch ein Gewicht gestrafft wurde.
1953 fand man im Kloster Wienhausen die ältesten in Deutschland hergestellten und aus der Literatur und Kunst des 14. Jh. bekannten Brillen, die Niet- oder Nagelbrillen. Jedes der beiden Gläser war mit
einem Ring aus Holz umgeben, der in einem Stiel auslief. Die beiden Stiele waren an ihren Enden mit einem Nagel oder einer Niete verbunden. Die Brille wurde mit der Hand vor den Augen gehalten. Die
Verbindung zwischen den beiden Gläsern wurde ebenfalls im 14. u. 15. Jh. durch einen Bogen oder Bügel geschaffen (Bügelbrille) und Bügel und Glasumrandung aus einem Stück, aus Metall, Leder oder Knochen,
hergestellt. Um die Brille nicht mit der Hand halten zu müssen, befestigte man sie an der Kopfbedeckung (Mützenbrillen) oder schob einen Fortsatz, der am Mittelteil der Brille befestigt war, zwischen Mütze
und Kopf (Stirnfortsatz- oder Stangenbrillen) oder band sie mit Riemen am Kopf fest (Riemenbrillen).
Die im 17. Jh. übliche Gelenkbrille, eine Weiterentwicklung der Niet- oder Nagelbrille, hatte zwei in Messing, Silber
oder Gold gefaßte Gläser. Sie besaß an den beiden Fassungsrändern oben innen einen
gebogenen Stiel, die Enden waren als Gelenk oder Scharnier (Scharnierbrille) ausgebildet und verbanden die beiden Gläserfassungen beweglich miteinander. Das Gelenk erlaubte eine Veränderung des
Gläserabstandes je nach dem Augenabstand oder der Nasenbreite. Eine ähnliche Brille war die Scherenbrille (Weißer oder Weißerlein). Die Stiele an den gefaßten Gläsern umgriffen die Nase, konvergierten nach
unten und vereinigten sich unter der Nase wieder. Die Stiele waren aus Horn und ziemlich kurz gehalten und an ihren Enden durch einen Gelenkstift drehbar vereinigt. Zwischen zwei schützende Hornschalen
konnten die Gläser bei Nichtgebrauch wie die Zeiger (Weiser) einer Uhr übereinandergeschlagen werden.
In der Anlehnung an die Scherenbrille wurde im 19. Jh. die Gabelbrille entwickelt. Ihre beiden Stiele waren kunstvoll gearbeitet und an den Enden in einem Gelenk vereinigt, das in einer Kapsel saß. Die
Gabelbrille konnte an einer Kette getragen werden. Die Lamellenbrille mit einer klemmerartigen Brillengläserfassung aus Horn wurde im 17. Jh. getragen. Um den breiten Steg, der beide Gläserfassungen verband,
biegsam zu machen, sägte man konzentrische Streifen aus, so daß der Steg aus einer Anzahl von Lamellen bestand. Die im 18.Jh. gefertigte Drahtbrille war auch eine Klemmbrille, deren runde gegossene oder
gepreßte Gläser von einem glatten, oben innen zwei Schleifen bildenden Nutendraht gehalten wurden. Der federnde Steg und die nasal
mit Seide umsponnenen Drahtränder gewährleisteten auf der Nase einen festen
Halt.
Die Schläfenbrille, die unseren heutigen Brillen ähnlich war, wurde 1746 in den Handel gebracht. Zwei seitlich an den Gläserfassungen angebrachte Stangenbügel lagen nicht auf den Ohren auf, sondern endeten
bereits an den Schläfen. Eine Verbindung der beiden Brillengläserfassungen durch einen Metallstreifen, der um Stirn und Kopf gelegt wurde, hatte man 1572 bei der Stirnreifenbrille erstmalig geschaffen.
Bei der Ausziehbrille (1800) war die Halterung durch zwei ausziehbare Federbügel, die im ausgezogenen Zustand den Hinterkopf umspannten, gegeben. Die Nasenrückenbrille, deren Fassungsränder durch einen
starren Bügel verbunden waren, wurde von einem über die Nase laufenden Stiel gehalten. Man kann diese Brille als Vorläufer der Stielbrillen betrachten; bei diesen werden die fest verbundenen Fassungsränder
mit einem seitlich angebrachten Stiel vor die Augen gehalten (Vorhalter, Griff- und Schalenbrille).
Am bekanntesten wurden sie in der Form der Lorgnette, auch Lorgnon genannt. Sie wurde 1780 erfunden und hatte an der rechten Seite ein aus zwei Platten bestehendes Gehäuse, das als Haltegriff diente und in
das die Brille nach Gebrauch zurückgeschlagen werden konnte. Später fügte man in den bisher starren Steg der Lorgnette ein Gelenk (Gelenklorgnette) ein, so daß beide Gläser übereinandergelegt werden
konnten. In das Gelenk wurde schließlich eine Feder eingebaut, die die beiden Gläser sprunghaft (Springlorgnette) auseinandertrieb, so daß sie eine konstante Entfernung nebeneinander hatten. Eine andere
Form der Lorgnette war die Lünette, deren Gläser nach dem Einschlagen von den Schalen nicht ganz verdeckt wurden. Aus England kam 1825 die Nickel- oder Roll-Lorgnette; man rollte die Fassungsränder in der
Gläserebene um federnde Gelenke in die Brücke, beide Teile dann um ein weiteres Federgelenk in eine Arretierung am Stiel. Durch Druck auf einen Stift am unteren Stielende konnte die Arretierung wieder
gelöst werden.
Gegenwart
Die aus der Bügelbrille im 17. Jh. entwickelte Klemmbrille, die ohne Bügel einen besseren Halt auf der Nase verleihen sollte, war der Klemmer (Kneifer, Zwicker, Pincenez). Eine Gruppe älterer Klemmermodelle, bei der die Verbindung der beiden die Gläser tragenden Augenränder aus einer Feder besteht, die sich in der Gläserebene in vertikaler Richtung federnd bewegt, sind die Vertikalklemmer. Beim Sportklemmer kann die Feder rund oder flach sein; die auf der Nase aufsitzenden Halter sind nicht beweglich, sie haben die Form einer 8 oder eines V.
Beim Amerikaner-Klemmer sind Feder und Halter getrennt, letztere sind federnd angeordnet. Der Autofix-Klemmer, auch ein Vertikalklemmer, unterscheidet sich von den anderen Arten dadurch, daß Feder und
Nasenhalter aus einem Stück bestehen. Der Balkenklemmer, Zylinderklemmer, Spiralklemmer ist ein Klemmer, dessen in Metall gefaßte Gläser durch zwei parallel verschiebbare Stangen verbunden sind. Eine
Spiralfeder sorgte dafür, daß durch ihren Druck und durch die Parallelführung der Stangen die Gläser horizontal bewegt werden konnten.
Beim Horizontalklemmer, orthozentrischen Klemmer, öffnet und schließt sich die Feder beim Aufsetzen auf die. Nase in horizontaler Richtung. Die Verbindung der beiden Gläser wird durch eine Bandfeder
hergestellt; die beiden senkrechten Federteile sind mit Korkstreifen belegt, um einen besseren Halt des Klemmers auf der Nase zu gewährleisten. Der Kosma-Roi-Klemmer besitzt statt der Bandfeder eine
Kabelfeder. Beim Lohmann-Blicker besteht die Feder aus hartem Draht. Die Neigung der Gläserebenen läßt sich verändern, ebenso der Abstand der Gläser von der Nase.
Bei halbstarren Klemmern sind die Fassungsränder im Gegensatz zu den bisher genannten Klemmern statt mit einer Feeder durch eine feste Brücke oder einen Sattelsteg verbunden. Ebenso sind beim starren
Klemmer die beiden Fassungsränder durch einen festen Steg oder eine Brücke zusammengehalten. Der bekannteste Klemmer dieser Gruppe ist der Fingerklemmer. Seine äußersten Brückenenden sind flachgedrückt und
senkrecht durchbohrt. In den Bohrungen sitzt je eine Schraube, um deren herausragenden Teil sich eine Spiralfeder windet; diese spannt den drehbaren Hebel mit beweglichem oder festem Steg. Der Fingerklemmer
wird so auf die Nase gesetzt, daß die inneren Hebelarme mit den Stegen den Nasenrücken fest umfassen.
Als älteres Klemmermodell gelten die Briggs-Gläser mit schmalen Glasstreifen, die nasal und temporal abgerundet sind. Die Briggs-Gläser wurden vor allem als Nahgläser getragen.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 01.06. 2019