Mehrsubstratreaktion

Eine Mehrsubstratreaktion ist eine enzymatische Reaktion mit mehreren Substraten. Die Behandlung von Mehrsubstratreaktionen ist ein Teilgebiet der Enzymkinetik.

Eigenschaften

Mehrsubstratreaktion der LDH unter Variation beider Substrate, Pyruvat (A) und NADH+H+

Enzyme arbeiten im Normalfall mit mehreren Substraten, die zu einem oder mehreren Produkten umgesetzt werden. Die Umsetzung nur eines Substrates ist die Ausnahme, z. B. Hydrolase- und Isomerasereaktionen. Dennoch bezieht sich die zentrale Gleichung der Enzymkinetik, die Michaelis-Menten Beziehung, – strikt genommen – auf diesen Ausnahmefall.

Als Prototyp einer enzymatischen Umsetzung soll hier die Reaktion der Lactatdehydrogenase (LDH) besprochen werden, das heißt die Umsetzung des Pyruvats mit NADH,H+ zu Lactat und NAD+ (Kopfzeile in Abb. 1), wobei Pyruvat (B) und NADH,H+ (A) die Rolle der beiden (Co-)Substrate und Lactat (Q) bzw. NAD+ (P) die Rolle der beiden Produkte spielen.

Die enzymkinetischen Parameter (Michaeliskonstanten oder Km-Werte genannt) werden folgendermaßen bestimmt:

Eine Alternative ist die Variation beider Substrate, das heißt die schrittweise Erhöhung der Pyruvat-Konzentration in Gegenwart einer jeweils anderen, nicht-sättigenden Konzentration von NADH,H+. Ein solches Vorgehen hat den speziellen Vorteil, dass es zusätzlich Informationen über den Reaktionsmechanismus liefert. Im Bildteil A des Umsatzes von NADH+H+ durch die LDH bei drei nicht-sättigenden Konzentrationen von NADH,H+ (A3 > A2 > A1) zeigt sich im Lineweaver-Burk-Diagramm scheinbar das Muster einer nichtkompetitiven Inhibition. In der sekundären Auftragung im Bildteil B dienen die Achsenabschnitte (Rauten) aus Teil A zur Bestimmung des Km-Wertes für das zweite Substrat (NADH,H+).

Sequenzielle und Ping-pong Mechanismen

Reaktionswege für Zweisubstrat-Reaktionen: sequenzieller bi-bi Mechanismus (links oben), Ping-pong bi-bi Mechanismus (links unten)

Die Lactatdehydrogenase arbeitet nach einem „sequenziellen“ Mechanismus. Dies bedeutet, dass alle Substrate an das Enzym binden müssen, bevor die Reaktion stattfindet und die Produkte freigesetzt werden. Da hier zwei Substrate (A und B) zu zwei Produkten (P und Q) werden, spricht man (in der Nomenklatur von William Wallace Cleland) auch von einem „sequenziellen bi-bi“ Mechanismus (Abb. 2A). Im Fall eines geordneten Ablaufes (´obligatory order´) ist die Bindung des ersten Substrates (A) notwendig, damit das Enzym die Bindungsstelle für das zweite Substrat (B) ausbilden kann, das heißt das „Leitsubstrat“ (NADH,H+) muss assoziiert sein, bevor das Folgesubstrat (Pyruvat) binden kann. Entsprechend muss das Leitprodukt P (NAD+) den EPQ-Komplex verlassen haben, bevor Q (Lactat) aus EQ abdissoziieren kann. Komplexe der Art EAQ und EBP (Substrat und Partnerprodukt) gibt es grundsätzlich nicht, auch nicht Komplexe wie EP bzw. EB. Im Gegensatz hierzu assoziieren/dissoziieren beim zufälligen (´random order´) Mechanismus alle Substrate/Produkte in beliebiger Folge. Komplexe des Typs EB und EP können existieren (nicht gezeigt).

Andere Enzyme, wie zum Beispiel die Aminosäure-Transaminasen, bedienen sich hingegen eines „Ping-Pong-bi-bi“ Mechanismus, in dem ebenfalls zwei Substrate (bi) in zwei Produkte (bi) umgesetzt werden, allerdings in separaten Reaktionsschritten. So setzen Transaminasen ihr Substrat A (Aminosäure 1) zu einem Produkt P (alpha-Ketosäure 1) um (Ping). Nachfolgend wird eine andere alpha-Ketosäure (B) aufgenommen und die analoge Aminosäure überführt (Pong). Dieser Mechanismus gelingt, da die prosthetische Gruppe des Enzyms (Pyridoxalphosphat) zwischen den Reaktionen zu Pyridoxaminphosphat wird. Man spricht vom Übergang der Enzymform „E“ in die Enzymform „F“. Am Ende des Zyklus ist der Ausgangszustand wiederhergestellt. Beim zufälligen Ping-Pong-Mechanismus wird das Produkt bereits nach Bindung des ersten Substratmoleküls freigesetzt (Ping). E geht in eine andere Enzymform (F) über, mit der das zweite Substrat unter Bildung des zweiten Produktes reagiert (Pong).

Zur Unterscheidung beider Reaktionstypen kann eine Analyse wie in Abb. 1 dienen:

Da sequenziell arbeitende Enzyme verbreitet, Ping-Pong-Enzyme hingegen seltener sind, sollen hier nur die Eigenschaften der ersten Gruppe vertieft werden.

Sequenzielle Mechanismen: geordnet oder willkürlich?

Die drei Grundregeln:

Führt man nun enzymkinetische Analysen analog zur Abb. 1, jedoch in Gegenwart eines großen Überschusses eines der Produkte (P oder Q) durch, so lässt sich auch der geordnete Ablauf beweisen und zwar dadurch dass die maximale Reaktionsgeschwindigkeit in Gegenwart des Produktes (NAD+) nicht erreicht wird (Abb. 3, Situation II). Beim willkürlichen Mechanismus würde sie hingegen erreicht (Abb. 3 Situation VI). Das nachfolgende Schema widmet sich den Variationsmöglichkeiten einer solchen Versuchsführung im Detail:

Geordneter oder willkürlicher Ablauf

In Abbildung 3 sind verschiedene Kinetiken in Gegenwart eines Produkt-Überschusses zur Unterscheidung geordneter (´obligatory order´) und willkürlicher (´random order´) Reaktionsmechanismen dargestellt. Großbuchstaben weisen auf Produkte im Überschuss hin, ein Keil ist ein Substrat, dessen Konzentration variiert wird

Variante I: A und B treffen auf E; P kann sich nur mit EQ verbinden (Regel 2), was Konversion von B voraussetzt. Steigende [A] beschleunigt EPQ-Bildung; Vmax wird nicht erreicht, da EPQ-Dissoziation durch P behindert wird (Muster: „nichtkompetitiv“)

Variante II: A und B treffen auf E. P kann sich nur mit EQ verbinden, was Konversion von B voraussetzt., Steigende [B] beschleunigt EPQ-Bildung; Vmax wird nicht erreicht, da EPQ-Dissoziation durch P behindert wird (Muster: „nichtkompetitiv“)

Variante III: A und B treffen auf EQ. Da es keinen Komplex EAQ gibt (Regel 3), steht A in Kompetition zu Q: steigende [A] führen zur Verdrängung des störenden Nachbarn, wobei Vmax erreicht wird, Km aufgrund der Kompetition jedoch steigt (Muster: „kompetitiv“)

Variante IV: A und B treffen auf EQ. Steigende [B] kann Q nicht verdrängen, da Bindung von B nur an EA erfolgen könnte (Regel 1). Vmax kann nicht erreicht werden, da Bindungsplatz für A stets nur teilgesättigt sein kann (Muster: „nichtkompetitiv“)

Variante V: A und B treffen auf EP. Steigende [A] ist in der Lage, das im selben Bindungsplatz befindliche Produkt zu verdrängen, so dass Vmax erreicht wird (Muster: „kompetitiv“)

Variante VI: A und B treffen auf EP. Steigende B verdrängt P aus Nachbarbindungsplatz, da EPB nicht existieren kann (Regel 3). Vmax wird erreicht, da Dissoziation von Q aus EPQ durch P nicht behindert wird (Muster: „kompetitiv“)

Literatur

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Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 05.12. 2023