Die Geschichte des Korsetts
1.Das Korsett im Wandel der Zeit
Das Korsett ist kostümgeschichtlich betrachtet wohl eines der interessantesten Kleidungsstücke. Zum einen reicht seine Tradition bis ca. 2000 v.Chr. zurück - Männer und Frauen der kretisch-minoischen Kultur schnürten sich bereits damals die Taille. Zum anderen war kein anderes Kleidungsstück so umstritten, wurde so gelobt und so verteufelt, wie das Korsett.
Die gesamte Geschichte des Korsetts darzustellen, wäre hier wohl zu umfassend.
Deshalb sollen hier die drei wichtigsten Epochen näher betrachtet werden, in denen das Korsett eine große Rolle spielte.Alle drei Epochen zeichnen sich durch verschiedene Gesellschaftsordnungen aus, in denen der Frau grundlegend verschiedene Positionen zugewiesen wurden.
Durch diese Vorraussetzung wurde auch das Korsett immer wieder neu
definiert und veränderte sich in Bedeutung und Form, was hier
veranschaulit werden.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt hierbei im 19. Jahrhundert, da dies die Korsett-Ära schlechthin, mit der weitesten Verbreitung und der größten Vielfalt an Korsettvarianten, war.
Unser heutiges Bild vom Korsett wurde von dieser Periode entscheidend
geprägt.
Auch wenn das Korsett vorwiegend mit Weiblichkeit
gleichgesetzt wird, so hat auch das Männerkorsett seine eigene Geschichte,die eine kurze Betrachtung verdient hat.
Renaissance 1500 - 1620
Der Beginn der Renaissance um 1500 war gleichzeitig Aufbruch in die Neuzeit. Das düstere, von der Kirche dominierte Mittelalter war endgültig beendet; das Bürgertum und die Städte hatten ihren Einfluss gefestigt. Besonders in Italien und Spanien bildete sich durch internationalen Handel ein sehr wohlhabender Geldadel - die Patrizier - der den europäischen Fürstenhäusern in nichts nachstand und gemeinsam mit diesen das kulturelle Leben bestimmte.
Die aufkommende humanistische Weltanschauung stand unter griechischem und römischem Einfluss. Wissenschaften wie Astronomie, Architektur,
Mathematik, Medizin und die Kunst befanden sich in ihrer Blütezeit. Im
Gegensatz zum Mittelalter rückte nun der Mensch als Individuum in den
Mittelpunkt und Mode wurde zum Ausdruck der Persönlichkeit.
Etwa ab Mitte des 16. Jahrhunderts erlangte Spanien die politische Macht in Europa und beeinflusste über die nächsten Jahrzehnte Mode und höfisches Leben in Europa. Bis heute ist diese
kostümgeschichtliche Epoche als Spanische Hofmode (1550 - 1620) bekannt. Diese zeichnete sich vor allem durch seine Nüchternheit und Strenge, sowie seiner steifen, künstlichen Silhouette aus. Besonders die weibliche Silhouette wurde auf zwei glatte, leblos aufeinander stehende Kegel reduziert. Um dies zu erreichen trugen Frauen zum ersten Mal einen Reifrock namens Verdugado und ein extrem mit Fischbein verstärktes Mieder, das die Merkmale des natürlichen Frauenkörpers völlig negierte. Darüber wurde ein faltenloses, hochgeschlossenes und bodenlanges Kleid getragen.
Die Spanische Mode breitete sich schnell an den Höfen Europas aus, wurde jedoch nach regionalem Geschmack verändert. So waren die französische, deutsche und englische Variante farbenfroher und behielten das Dekolleté bei .
Besonders das
elisabethanische England übersteigerte die stilisierte Form bis ins
Groteske und wandelten die spanische Nüchternheit in überladene Pracht um.
Diese Renaissance-Mode war der
herrschenden Adelsschicht vorbehalten. Sie repräsentierte durch die
Kostbarkeit der Materialien ihren Reichtum und grenzte sich dadurch von
der arbeitenden Bevölkerung ab. Die Form
der Kleidung, insbesondere Mieder und Reifrock, hätten gar keine
körperliche Betätigung zugelassen. Diese Tatsache war zusätzlich Ausdruck
von privilegiertem Status. Bauern und Handwerker hingegen, trugen bequeme
Arbeitskleidung, die später zur Tracht wurde. Die Mode teilte die
Gesellschaft somit horizontal in Klassen - von oben nach unten.Das
Renaissance- Korsett war interessanterweise eine Nachahmung des männlichen
Wams, der ebenso steif und stilisiert war und in der vorderen Mitte spitz
zulief.
In der
Renaissance glaubte man, dass Männer und Frauen im Grunde den gleichen
Körper besitzen; einziger Unterschied sei das bei der Frau im Körper
verbliebene Geschlechtsorgan, welches sich bei den Männern nach außen
gestülpt hatte. Der Rückschluss daraus war, dass die Frau somit eine
minderwertige Variante des Menschen und damit dem Mann untergeordnet sei.
Diese Weltsicht machte den Mann zum Maßstab für den Menschen und die Frauen versuchten, sich durch Imitation diesem Ideal anzunähern.
Zu Beginn der Renaissance löste sich der
Rock vom Kleidoberteil und man begann, es mit Fischbein, Stahlstäben,
Rohr, Elfenbein oder Holzscheiten zu verstärken und die Vorderfront
auszupolstern, um die gewünschte, steife Silhouette zu erhalten. Um das
weiblichste Körpermerkmal, die Brust, zu negieren, wurden sogar
Bleiplatten im Brustbereich eingearbeitet. Dieses neue Kleidungsstück
erhielt in Frankreich den Namen "cors", später im neufranzösischen
"corps", den es bis ins 19.Jahhundert behalten sollte.
In
Deutschland nannte man diesen Teil der weiblichen Oberbekleidung im
allgemeinen Mieder und es hatte seine Blütezeit im 16. Jahrhundert. In der
ersten Hälfte des 17. Jahrhundert entwickelte sich daneben die sogenannte
Schnürbrust. Diese wurde unter dem unversteiften oder nur leicht
versteiften Kleidoberteil als separates Kleidungsstück getragen. Erst als
sich die Kleider in der vorderen Mitte öffneten, gewann die Schnürbrust an
Wichtigkeit in der weiblichen Garderobe. Sie war aus edlen Stoffen
gefertigt und reichlich verziert, da die Vorderseite als dekoratives
Element unter dem geöffneten Kleid zu sehen war. Sowohl in Mieder wie Schnürbrust wurde in der vorderen Mitte das Planchette,
zu deutsch Blankscheit, eingearbeitet. Dies war ein besonders
kräftiger Holzscheit, der die charakteristische, lange Spitze des
Oberteils namens Schneppe bildete. Die Schneppe wird, genauso wie die
Spitze des männlichen Wams, als deutlicher Hinweis auf das
Geschlechtsorgan interpretiert, welches ja ansonsten ganz und gar
versteckt und verdeckt wurde und ist somit als subtiles, erotisches
Lockmittel zu verstehen.Der
Schnitt der Schnürbrust war noch relativ simpel gehalten. Ihr Sinn war ja
auch nicht, die komplizierte Form des weiblichen Körpers nachzuempfinden,
sondern diesen in eine kegelförmige Röhre zu verwandeln, was mit wenigen
einfachen Schnitteilen zu erreichen war. Es bestand in der Regel aus 4
Teilen, zwei pro Hälfte, und wurde in der vorderen oder hinteren Mitte geschnürt. Auch hierbei gab es regionale Vorlieben - die Engländer schnürten nur in der Rückenmitte, die Franzosen hingegen verwendeten beide Möglichkeiten, bevorzugten jedoch die
Frontschnürung. Da das vorn geöffnete Kleid verstärkt in Frankreich Mode
war, wurde hier die Schnürung im Vorderteil als dekoratives, sichtbares
Element ausgearbeitet oder von einem reich verzierten, separaten Teil
namens Stecker abgedeckt.
Die Schnürbrust reichte von der Achsel bis
zum Hüftansatz und war mit zwei Schulterträgern versehen. Am unteren Saum
waren Laschen angebracht, die unter den Reifrock geschoben wurden. Nur die
Schneppe lag sichtbar über dem Rock.
Barock & Rokoko 1640- 1775
Barock 1640 - 172
Als Ludwig XIV 1643 seine Vormundschaftsregierung antrat, wurde Frankreich langsam zur politisch und
kulturell führenden Macht in Europa. 1661 übernahm er alle
Regierungsgeschäfte und führte damit die absolute Monarchie ein ("L'etat
c'est moi") . Von nun an war die Machtposition Frankreichs über ein
Jahrhundert lang nicht mehr anzufechten.
So dominierend der Adel und das höfische Leben zu dieser Zeit
auch waren - es sollte doch der letzte und pompöseste Akt der Aristokratie
in der europäischen Geschichte sein. Das dekadente und verschwenderische
Leben am Hof schien geradezu ein verzweifeltes Festhalten der Monarchie an
seiner Machtstellung gewesen zu sein, die in der Französischen Revolution
ihr endgültiges Ende finden sollte.
Die Französische Mode während der
Regierungszeit Ludwig XIV ( 1643 - 1715 ) war ebenso wie barocke
Architektur und Kunst eine Verherrlichung des Herrschers und seines Hofes.
Sie diente mehr denn je zur Abgrenzung vom normalen Volk und war Mittel
zur Selbstinszenierung des Adels.
Durch Frankreichs zahlreiche Manufakturen und dem, besonders im
textilen Bereich blühendem Export, standen zum einen Geld, zum anderen edle Materialien in Hülle und Fülle zu Verfügung. Der Modestil aus Barock und Rokoko wurde als Französische Mode bekannt - Paris war damals Modezentrum Europas und hat diese Stellung bis heute, zumindest teilweise, behalten.
Die Prunksucht am französischen Hof betraf beide Geschlechter gleichermaßen. Männer wie Frauen schmückten sich und trugen
ihre körperlichen Reize zur Schau.
Die Männer der Monarchie schienen
den Damen geradezu nachzueifern.
So beurteilte Richard Aldewyn die
adlige Männermode des 17. und 18. Jahrhundert
folgendermaßen:
"Farbenfroh prächtig, mit Bändern, Schleifen,
Spitzen und Federn reichlich verziert, mit Perlen, Edelsteinen und
kostbaren Knöpfen besetzt, goldbestickt und vielgeschlitzt, erscheinen ihm
die Kleider der männlichen Adeligen am Hof Ludwigs des XIV als Usurpation
der weiblichen Sphäre: der Mann schmückt sich wie die Frau, um
Schmuckstück zu sein. Wie sie steht er am Hofe im Zeichen des Scheins."
Der optische Verzicht auf das
traditionelle Männerbild war nicht nur bezeichnend für die Rolle des
Mannes, sondern auch für die neue, sehr freie Position der Frau am Hofe
Ludwigs. Die adligen Damen forderten nicht nur Bildung und Recht auf
sozialen Status, sie verlangten auch ein völlig konträres
Beziehungsmuster.
"Die Précieuse stehen - gegen den absoluten
Autoritätsanspruch des Vaters und Gatten - der arrangierten Ehe und
Mutterschaft entschieden feindselig gegenüber. Sie befürworten die Ehe auf
Probe und ihre Auflösung, sobald der Erbe geboren ist, der der Obhut
seines Vaters übergeben wird. Sie wollen weder auf irgendeine Freiheit
noch auf die Liebe verzichten und preisen das zärtliche und platonische
Gefühl" .
Die vornehmen Männer zu
Hofe folgten dieser Forderung.
Sie setzen alles daran, kultiviert,
höflich und empfindsam zu erscheinen; untersagten sich, ihre Eifersucht zu
zeigen und den häuslichen Tyrannen zu spielen.
Unmerklich war die Frau zum Inbegriff des adligen wie des
menschlichen Geschlecht geworden.
Die
Grundzüge der weiblichen Französischen Hofmode waren die gleichen, wie die
der Spanischen - steifer, unbeweglicher Oberkörper zu weiten, ausladenden
Röcken in edlen, prachtvollen Stoffen. Die Silhouette wurde jedoch
insgesamt weicher und wesentlich weniger statisch. Wie in der Renaissance
hat diese Immobilität die Funktion, den Luxus des Müßiggangs zu
repräsentieren. Auch hatte das Korsett (damals noch "corps" genannt) noch
immer die Funktion, den Körper zu modifizieren. Dabei erfuhr es jedoch
eine evidente Umwertung: durch die neue Rolle der Frau am Hofe betonte das
Korsett nun reizvoll die weiblichen Formen, anstatt sie zu negieren und
den Frauenkörper dem Männerkörper anzugleichen. In der Regel trug man ein
separates Korsett unter dem Kleidoberteil, um diesen Effekt zu erreichen.
Es existierten jedoch noch immer Mieder, d.h. mit Fischbein verstärktes
Kleidoberteil und die Schnürbrust als Unterbekleidung, nebeneinander. Als
drittes gab es die Möglichkeit einer reich verzierten, mit edlem Stoff
bezogenen Schnürbrust, an die separate Ärmel angenestelt wurden.
Mieder und Schnürbrust wurde von nun an nicht mehr vom normalen
Hofschneider gefertigt, sondern vom "Tailleur de corps à baleins"; dem
"Fischbeinleib-Schneider". Erstmals wurden die Korsetts aus den bis heute
üblichen, typischen Korsettstoffen Atlas, Satin und Seide hergestellt und
reichlich mit Spitzen verziert. Um Busen und Dekolleté eine schöne Form zu
geben, wurden Brustpolster und rundgebogene Fischbeine in Querrichtung
eingearbeitet. Da man Hals und Schultern als ideale
Präsentationsmöglichkeit für Juwelen und Perlen entdeckte, rutschten die
Schulteträger vom Schlüsselbein bis beinahe auf den Oberarm hinunter. Auch
die Schnittführung wurde durch die nun gewünschten kurvigere, elegantere
und vor allem femininere Form, ausgefeilter. Statt aus 4 Teilen bestand
ein Korsett nun aus 6 -10 Schnitteilen. Das gesamte Korsett wurde länger -
die Schneppe wurden noch spitzer; die Seiten- und Rückenteile reichten bis
zur oberen Hüfte. Der Reifrock wurde vorn unter, an den Seiten und hinten
jedoch über dem Korsett getragen und mit Schleifen fixiert um ein
Verrutschen zu verhindern. Im allgemeinen waren die Korsetts noch komplett
mit Wahlfisch versteift.
Es setzten sich jedoch immer mehr Korsetts durch, die nur noch an den wichtigen Stellen mit etwa halb so vielen Korsettstäben wie versteift wurden. Diese trugen die Bezeichnung
"demi-baleiné", was wörtlich übersetzt "halb-gewalfischt" bedeutet.
Mit
der enormen Entwicklung im medizinischen Bereich, entdeckte man auch die
orthopädische Wirkung des Korsetts. Erstmals wurden dekorativ geschmiedete
Metallkorsetts hergestellt, um Verkrümmungen des Körpers zu behandeln.
- Rokoko 1720 -1775
Viele Bürger konnten es sich nun leisten, dem Adel in Lebensstil und Kleidung nachzueifern, was dazu führte, dass beispielsweise das Korsett bis in die mittleren Schichten vordrang. Doch auch der freigeistige Lebensstil des Bürgertums sowie die bürgerliche Mode beeinflussten das Leben am Hof seinerseits.
Das zunehmende Verwischen der Klassenunterschiede war bereits Vorbote für das Ende der Monarchie - die französische Revolution 1789 bedeutete das endgültige Aus für die Machtposition des Adels und war gleichzeitig Beginn einer neuen, vom Bürgertum bestimmten Ära. Vorerst sollte der Adel jedoch seine Machtposition noch behalten. Das Leben zu Hofe wurde jedoch weniger förmlich - man löste sich von vorgeschriebener Etikette, wurde zeitweise fast frivol und hedonistisch. Diese Tendenz zeigte sich auch in Architektur, Mode und Kunst der Zeit - alles wurde etwas feiner, eleganter und zarter, verlor seine Starrheit und Schwere und gewann an Lebensfreude .
Man kleidete sich von nun an beinahe bequem. Die Dame von Hof trug ein "Robe Volant" - ein "wehendes Kleid", was bezeichnend für die neue Linie war. Darunter wurde ein leichter Reifrock und ein leichtes Korsett namens Gourgandine getragen. Dies war eine weiche, unversteifte Schnürbrust, die im privaten Rahmen unter dem Hauskleid getragen wurde. Das starre, mit Stäbchen versehene Korsett wurde nur noch zu offiziellen Anlässen angelegt.
Man verwendete vorwiegend leichte, edle Materialien wie Taft, Seide und Satin in zarten Pastelltönen. Die Ausschmückung der Robe mit Blumen, Borten, Schleifen und Rüschen war wichtiger denn je und ein letztes mal Ausdruck des grandiosen Luxus der Aristokratie, deren einzige Aufgabe es war, zu repräsentieren und die versuchte, sich durch das modische Erscheinungsbild vom "Pöbel" abzugrenzen.
Durch den hohen und freizügigen Stellenwert der Sexualität ist anzunehmen, dass etwa zu dieser Zeit das Korsett mit seiner erotischen Bedeutung belegt wurde - zumal es im Laufe der Periode auch immer offenherziger wurde; das Dekolleté wurde immer tiefer, bis am Ende beinahe die gesamte Brust zu sehen war. Das weibliche Schönheitsideal war schlank und edel, mit Wespentaille, apfelgroßen Brüsten und aus- bzw. einladenden Hüften. Betrachtet man Rokokogemälde, die das lustvolle Leben der Aristokraten darstellen, so ist auffallend, dass die Frau erstmals in einer Rolle dargestellt wird, die bis heute als typisch weiblich gilt: ein schwaches, zerbrechliches jedoch sirenenhaftes Geschöpf, das nach einem Beschützer verlangt und zugleich ewig lockt und verführt.
1.3 Das industrielle Zeitalter 1820 - 1910
Die Jahre nach der Französischen Revolution waren zum einen von einem Verlangen nach Freiheit geprägt - Freiheit von der Monarchie, Freiheit des Geistes, Freiheit des Körpers ("Egalité, Fraternité, Liberté") zum anderen von der politischen Neuordnung Europas und der Einführung demokratischer Grundrechte.
Die Jahrhundertwende und der Beginn des 19.Jahrhundert waren für ganz Europa eine Zeit der Umorientierung. Das vorherrschende Wirtschaftssystem war nun der Kapitalismus. Die Ständegesellschaft mit Geburtsrecht wurde durch eine Leistungsgesellschaft ersetzt; es wurden erste demokratische Grundrechte für mündige Bürger eingeführt.
Gemeinsam mit den technischen Neuerungen, z.B. der Dampfmaschine, führten diese Voraussetzungen geradewegs ins Zeitalter der Industrialisierung und des Fortschritts.
Das Handwerk verlor zusehend an Bedeutung, - es war der Aufbruch in eine Zeit der Technik, der Maschinen und Fabriken. Vorreiter hierfür war England. Hier begann man bereits 1770 die Textilindustrie durch Web- und Spinnmaschinen zu revolutionieren; andere Branchen zogen schnell nach. Im Rest Europas begann die Bewegung etwa 70 Jahre später.
Als direkte Folge der Industrialisierung entwickelte sich eine Gesellschaftsordnung, die in ihren Grundzügen bis ins 20.Jahrhundert erhalten blieb und sich nur langsam verändert hat. Die neu gegründeten Fabriken, in denen Konsumgüter - insbesondere Textilien - in Massenproduktion gefertigt wurden, verdrängten Familienbetriebe und Manufakturen und begründeten damit das klassische Arbeitnehmer - Arbeitgeberverhältnis, das wir bis heute kennen. Von nun an unterteilte sich die Gesellschaft in proletarische Unterschicht, bürgerliche Mittelschicht und finanzstarken Bourgeoisie und Unternehmertum als Oberschicht.
Als indirekte Folge kam es zu einer neuen Rollen und Aufgabenverteilung innerhalb der Familie. Dem Mann wurde von nun an die außerhäusliche Aufgabe zugeteilt, den Unterhalt der Familie zu sichern und darüber hinaus für größtmöglichen Wohlstand zu sorgen.
Die Frau hatte die Aufgaben, sich für Haushalt, Ehemann und Kindererziehung zu sorgen und als geschmücktes Prestigeobjekt Wohlstand und den beruflichen Erfolg des Mannes zu repräsentieren.
Neben den neuen Schichten gab es von nun an eine gravierende Teilung des Lebens in Männerwelt und Frauenwelt. Dies galt verstärkt in der wohlhabenden, bürgerlichen Mittel- und Oberschicht die nun die führende kulturelle Schicht darstellte. In den unteren Arbeiterschichten vollzog sich die Trennung langsamer. Hier mussten - ähnlich wie in einem Familienbetrieb - auch Frau und Kinder durch Arbeit zur Ernährung der Familie beitragen , da der Lohn des Ehemanns zum Überleben nicht ausreichte. Für die Ehefrauen bedeutete dies meist schlechtbezahlte Beschäftigung in den Textilfabriken oder Heimarbeit. Hier nähten sie im Auftrag von Zwischenmeistern, die die neu entstanden Konfektionsindustrie belieferten. Die Frauen der Ober- wie auch die der Unterschicht hatten somit entscheidend Einfluss auf die Entstehung der Konfektionsmode. Die einen als nimmersatte, eitle Konsumentinnen, die anderen als unterbezahlte, ausgebeutete Arbeiterinnen.
Die Ausblendung von Moral und Gefühl aus dem Arbeitsleben führte dazu, dass diesen Werten im privaten Bereich eine erhöhte Wichtigkeit zukamen und sich nach den freien Jahren von Empire und Directoir (1775 - 1815) eine sehr bodenständige, bürgerlich-konservative und moralisch engstirnige Gesellschaft entwickelte.
Das modische Bild der Zeit passte sich den neuen Gegebenheiten an. Von nun an trug der Mann nüchterne, einheitliche Anzüge die auf das wesentliche beschränkt waren und die vom Geschäftsmann geforderte Korrektheit und Zurückhaltung vermittelten. Die Männermode sollte sich nur noch in Details verändern. In den Grundzügen ist sie uns bis heute erhalten geblieben.
Die Frauenmode jedoch, nahm durch die repräsentative Rolle der Frau schnell Abschied von dem natürlichen, schlichten Empirekleid. Die Frauen der Oberschicht gaben alle "schmutzigen" Arbeiten an Angestellte ab. Dementsprechend dekorativ und alltagsuntauglich wurde auch bald die Mode und griff mit Korsett und Reifrock die Grundformen des Rokoko wieder auf.
Entsprechend der neuen Biederkeit, kleidete man sich nun jedoch sittsam hochgeschlossen und durch vielerlei Schleifen, Stoffrollen und Rüschen verziert.
Etwa ab 1820 kehrte das versteifte Oberteil, nun endlich unter der Bezeichnung "corset" bzw. "Korsett" zurück. Es war Ausdruck der Moral des Mittelstandes, der die nachlässigen Sitten der vorangegangen Jahre anprangerte.
Da das Korsett im 19.Jahhundert so eng mit der unemanzipierten Rolle der Frau als Mutter und Repräsentantin des Haushalts und des Ehemanns in Verbindung steht, wird es aus heutiger Sicht häufig mit einem Folterinstrument gleichgesetzt, das die Ehefrau sittsam und gefügig machen sollte und sie jeglicher Freiheit beraubte.
Die betuchtere Dame ließ es sich als Maßanfertigung von der Corsetière anfertigen. Bereits 1820 begann man jedoch mit der industriellen Fertigung des Korsetts, wodurch es einer breiten Mittelschicht zugänglich wurde und sich modisch schnell durchsetzte. Für die Frauen der Unterschicht waren selbst diese Billig-Korsetts unerschwinglich und sollten es auch die folgenden Jahrzehnte bleiben. 1865 entsprachen die günstigsten im Preis noch immer dem Wochenlohn einer Fabrikarbeiterin. Sie fertigten ihre Korsetts selbst an um dem allgemeinen Bild zu entsprechen. Vor allem diese selbstgenähten und die normierten Industriekorsetts führten durch mangelnde Passform und Standardisierung zu körperlichen Schädigungen.
Zu Beginn ihrer Renaissance war die Taille zwar schmal, jedoch noch relativ moderat geschnürt. Während der 30er Jahre des 19.Jahrhundert wurde sie jedoch zur Wespentaille. Die Taille sollte möglichst zerbrechlich wirken und dem modischen Schönheitsideal der Sanduhr entsprechen. Eine Taille von 40cm, die ein Mann mit beiden Händen umspannen konnte, war zwar das Ideal, in der Realität jedoch die absolute Ausnahme. Werbeanzeigen für Korsetts geben Taillenmaße zwischen 45cm und 75cm, einige sogar bis 95cm an. Da man sich der gesundheitlichen Folgen des Schnürens im 19.Jahrhundert durchaus bewusst war, wurde sehr enges Schnüren fast generell abgelehnt. Die oft zitierten Berichte über qualvolle Schnürpraktiken stammen häufig aus sogenannten Korsettkorrespondenzen in Magazinen wie "Englishwoman`s Domestic Magazine" (etwa ab 1860 ) oder "Moralist", deren Beiträge zum Thema Korsett eindeutig dem fetischistischen und sadomasochistischen Umfeld zuzuordnen waren und keineswegs den realen Alltag der damaligen Zeit darstellten.
Die
Korsetts des 19.Jahrhunderts wurden, entsprechend der strengen Moral,
prinzipiell als Unterbekleidung (über einem Hemdchen als Korsettschoner)
unter dem hochgeschlossenen Kleid getragen. Nur zu repräsentativen,
abendlichen Anlässen zeigte man Dekolleté - dieses war jedoch nicht sehr
tief, ließ die Brust immer bedeckt und gab dafür die Schultern frei. Zunächst war das neue Korsett an die Rokoko-Schnürbrust
angelehnt und hatte noch schmale Schulterträger die wegen ihrer sehr weit
außen liegenden Position Achselbänder genannt wurden.
Durch
Einlagen & Stäbchen-versteiftes Korsett,ca.1820). Während der ersten
Hälfte des 19.Jahrhunderts bedeckte das Korsett stets die Brust. Es formte
diese zwar rund nach, betonte sie jedoch nicht übermäßig. Die Unterkante
des Korsetts wanderte immer weiter über die Hüfte, bis es diese
schließlich ganz mit einbezog, da man noch immer eine relativ schmale,
hüftumspielende Silhouette bevorzugte und ein rundlich modellierter Bauch
dem Schönheitsideal entsprach. Diese relativ langen, geschwungenen
Korsetts tragen wegen ihrer Form den Namen Sanduhrenkorsetts.
Die benötigten
Kurven im Brust- und Hüftbereich erhielt man nun durch eingesetzte
Zwickel, die etwa ab 1840, durch die Entdeckung des Kautschuks, elastisch
sein konnten. Verzichtete man auf Zwickel, erhöhte man die Anzahl der
Längsnähte, um eine stärkere Taillierung zu ermöglichten. In der Regel
bestand ein Korsett aus 10-12 Schnitteile, d.h. 5-6 pro Hälfte, plus der
zusätzlichen Zwickel. Die Fischbeinstäbe wurden nur noch in den Nähten
eingeschoben. Das Korsett war somit wesentlich leichter als sein Vorgänger
aus dem letzten Jahrhundert.
Die Schnürung befand sich prinzipiell im
Rücken des Korsetts. In der Regel waren die Korsetts aus festem Drell in
weiß oder grau gefertigt, als Luxusvariante stellte die Corsetière jedoch
auch seidene Modelle her. 1828 erfand die Industrie Metallösen, die die
von Hand festonierten Schnürlocher ablösten. 1829 kam in Paris ein neuer
Frontverschluss auf, der den Planchet ersetzte. Er bestand aus zwei
Stahlschienen; eine mit Knöpfchen versehen, die andere mit Ösen, die man
auf die Knöpfe hängte und das Korsett so verschloss. Dies ermöglichte
einen wesentlich einfacheren Umgang mit dem Korsett, da die Schnur
dauerhaft in den Schnürösen verblieb und nur noch von unten und von oben
zur Taille hin festgezogen wurde. Der
neue Verschluss war eine enorme Erleichterung für die Damen der Zeit, da
man von nun an kein helfendes Paar Hände von Ehemann oder Dienstmädchen
mehr benötigte um das Korsett an- und auszuziehen, was die schnelle
Verbreitung des Korsetts zusätzlich unterstütze. Da man das Korsett nun
auch in der Mittagspause bequem ablegen konnte, trugen diese den passenden
Namen Faulenzer" . Ab Mitte des 19.
Jahrhunderts wurden die Röcke immer weiter - damit kam die neue Form des
kurzen Miederkorsetts in Mode. Die Unterkante des Korsetts rutschte nun
wieder höher, da eine umfassende Hüftmodellierung unnötig wurde und das
kürzere Korsett mehr Bewegungsspielraum (beispielsweise zum Sitzen) ließ.
Durch die neue Länge fielen die Zwickel im Hüftbereich weg. Stattdessen
verwendete man mehr Schnitteilen, wodurch eine stärkere Taillierung
möglich wurde. Auch die Vorderfront ließ sich durch eine größere Anzahl an
Längsnähten im Taillenbereich stärker konkav nach innen ziehen. Durch das
extreme Nachinnenziehen der Taille und das Herabrutschen der
Korsettoberkante wurde die Brust nun nach oben geschoben und dadurch
betont. Auch die Achselbänder verschwanden für immer, da die erhöhte
Anzahl der Fischbeinstäbe ausreichend Halt gab.
Etwa
1870 verschwand die Krinoline aus der Mode. An seine Stelle trat nun die
Turnüre - ein mit Rosshaar gepolstertes Drahtgestell, das über dem Gesäß
lag und in der Taille festgebunden wurde. Darüber trug man ein Kostüm,
bestehend aus schmalem Rock und kurzem Jäckchen.
Diese Silhouette brachte
die Kürass-Taille in Mode. Diese lag zum einen etwas höher als die
natürliche Taille und war zudem sehr lang. Das Kürass-Korsett zeichnet
sich dementsprechend auch
durch seine auffallende Länge und Steifheit aus. Es reicht
sehr weit über die Hüften, da diese ja nun offensichtlicher Bestandteil
der Figur war. Die Oberkante umfasste nur die
untere Hälfte der Brust
schalenartig, wodurch diese "wie ein Taubenkropf" nach oben geschoben wird. Durch die Unnatürlichkeit
der neuen Körperform wurden wieder mehr Stäbchen und Versteifungen
notwenig.
Da das Korsett inzwischen so verbreitet war,
dass die Nachfrage nach Walfischbarten das Angebot überschritt, setzte man
zunehmend mehr Federbandstahl oder Spiralfedern aus Stahl zur Versteifung
ein.1873 kam ein neuer, geschwungener, löffelförmiger Frontverschluss
("Spoon Busk" ) auf den Markt. Er war am oberen Ende schmal und erweiterte
sich zum unteren Ende hin löffelförmig. Er hielt der extremen Formung
besser stand als die einfachen Stahlschienen und verlieh dem Korsett
zusätzliche Steife
Es waren
besonders diese Kürass-Korsetts, die das heutige Bild des Korsetts geprägt
haben. Durch ihre extreme Länge und Steifheit schränkten sie die Damen in
ihrer Bewegungsfreiheit so sehr ein, dass ihnen nichts anderes übrig
blieb, als sich anständig und gesittet zu benehmen und zu bewegen. Dieses
zurückhaltende, maßvolle Betragen passte perfekt ins Bild einer
anständigen Dame und brachte den Korsetts den Ruf von Restriktion,
Erziehung und Unterdrückung der Frau ein .
Auch der Gesundheit der Frauen waren die Kürass-Korsetts nicht
gerade zuträglich. Heute weiß man zwar, dass sie bei weitem nicht so
gesundheitsschädigend waren, wie lange Zeit angenommen ( Mediziner führten
1900 etwa 20 Krankheiten auf das Korsett zurück), dennoch wurde der
Brustkasten durch das dauerhafte Einschnüren deformiert, die
Rückenmuskulatur bildete sich zurück und besonders der ständige Druck, den
der gebogene, im Bauchbereich nach innen gezogene Frontverschluss auf den
Magen ausübte, führte zu Problemen. Beide Tatsachen - (Ver-)Formung des
weiblichen Körpers sowie des Charakters - führten Ende des 19.Jahhunderts
zu Reformversuchen und Aufklärung durch Mediziner und Intellektuelle. Doch
es waren die Frauen selbst die sich, trotz aller Einwände, nicht von der
schmalen Taille trennen wollten und das vorgeschlagene lockere
Reformleibchen ablehnten. Ihre
Eitelkeit führte dazu, dass die aufrechte, starre Silhouette, die Hüfte,
Taille und Busen betonte, bis zum Ende des Jahrhunderts beibehalten
wurde.
Die Form des Korsett veränderte sich im letzten Drittel des
Jahrhunderts nur geringfügig entsprechend der jeweiligen modischen
Neuerungen. Die Taille rutschte etwa 1890 wieder etwas tiefer und statt
der geschwungenen Front setzte sich langsam wieder eine gerade Front
durch. Die Palette der angebotenen Korsetts gewann zusehends an Farbigkeit
und Materialvielfalt. Man fand zwar noch immer die weißen und grauen
Drell- Korsetts der vorangegangen Jahre, bevorzugt wurden nun allerdings
Hellblau und Rosé -auch Schwarz, Gelb und Grün kamen zunehmend in Mode.
Der glatte, unifarbene Drell wurde durch gemusterte Jacquard- Drells
ersetzt. Auch Seiden-, Seidenbrokat- und Satin-Korsetts erfreuten sich bei
wohlsituierteren Damen großer Beliebtheit.
Neben der beschriebenen Hauptform des Korsetts gab es zahlreiche Sonderformen
zu verschiedenen Anlässen -
z.B. Korsetts für Schwangere mit Schnürungen oder Gummizügen im Bauch und Brustbereich; Sportkorsetts die sehr kurz ausfielen
und mit wenig Stäben versehen wurden; Badekorsetts; Spezialkorsetts für Magenleiden - im Frontbereich mit elastischer Schnürung
anstelle des Metallverschlusses und dergleichen mehr. Am Ende
des 19.Jahrhundert war das Korsett durch seinen gesunkenen Anschaffungspreis zum Allgemeingut geworden - das Tragen eines solchen war
allen Frauen in jeder Lebenslage zwingend vorgeschrieben.
Eine
weitere Neuerung des S-Line Korsetts waren die nun angebrachten
Strumpfhalter. Diese wurden an zwei Laschen an der vorderen Mitte
befestigt. Sie hatten neben der Funktion des Strümpfe Haltens den
Nebeneffekt das Korsett nach unten zu ziehen und so die typische
S-Haltung zu unterstützen.
Die Länge der S-Line Korsetts variierte von Hüftansatzhöhe
bis hüftumschließend, auch im Brustbereich gab es Unterbrust- oder
bruststützende Korsetts. Nachdem diese Mode 1907 ihren Höhepunkt fand,
kehrte die weibliche Silhouette immer mehr zum natürlichen Körper zurück.
Etwa 1910 war die eng geschnürte Taille endgültig passé. An seine Stelle trat ein langer, gerader, knabenhafter Körper. Das Korsett wurde durch BH
und Hüftgürtel oder einem Korselett ersetzt und vor Beendigung der Dekade verschwanden die walfisch- oder stahlverstärkten Korsetts im Zuge der Befreiung der Frau bis heute aus dem alltäglichen Leben.
Etwa 1900 kam ein letztes Mal eine neue Silhouette in Mode, die ohne Korsett unmöglich gewesen wäre - die bekannte "Sans Ventre"- Linie; zu Deutsch "ohne Bauch". Diese neue Figur war durch eine gerade Front, ganz ohne Bauch, geprägt.Der Busen wurde nach oben sowie der Oberkörper leicht nach vorne gedrückt, Unterleib und Gesäß hingegen sehr weit nach hinten. Dadurch entstand ein starkes Hohlkreuz und der gesamte Körper erhält eine S-förmige Krümmung.
Etwa 1900 kam ein letztes Mal eine neue Silhouette in Mode,
die ohne Korsett unmöglich gewesen wäre - die bekannte "Sans Ventre"-
Linie; zu Deutsch "ohne Bauch". Diese neue Figur war durch eine gerade
Front, ganz ohne Bauch, geprägt. Der Busen wurde nach oben sowie der
Oberkörper leicht nach vorne gedrückt, Unterleib und Gesäß hingegen sehr
weit nach hinten. Dadurch entstand ein starkes Hohlkreuz und der gesamte
Körper erhält eine S-förmige Krümmung.
.
Die neuen, schnitttechnisch hochkomplizierten
Korsetts sind bis heute als "S-Line Korsetts" bekannt. Ursprünglich war es
als Folge der vielen Warnungen vor Gesundheitsschädigungen als neues,
gesünderes Korsett entworfen worden. Sein gerader Frontverschluss übte
keine, bzw. deutlich weniger Druck auf die inneren Organe aus. Auch die
Atmung wurde wesentlich verbessert, da es den Brustkasten nicht mehr so
hoch umschloss und in diesem Bereich weiter gearbeitet war. Durch die
unnatürlich Haltung waren jedoch sehr viele Schnitteile (10-15 pro Hälfte
waren keinen Seltenheit) und eine extrem starke und komplizierte
Versteifung notwendig. Dies machte das Korsett, wie seine Vorgänger, zu
einem starren, einengenden und unnatürlichen Panzer, der von der
ursprünglichen Intention nichts übrig ließ.
Männer im Korsett
Das
Korsett wurde, wie oben beschrieben, zum Inbegriff des weiblichen
Kleidungsstücks. Es gab jedoch immer wieder Phasen, in denen auch das
männliche Schönheitsideal eine schmale Taille beinhaltete. Und auch Männer
verwendeten Korsetts, bzw. korsettähnliche Hilfsmittel, um schlanker zu
wirken.
So fand man Wandmalereien der Kretisch-Minoischen Kultur,
die junge Männer mit eng gegürteten Taillen darstellen - so eng, dass man
von einer Schnürung von Kindesbeinen an ausgeht.
Im 16. und 17. Jahrhundert
trugen Männer den stark versteiften, wattierten Wams oder Gänsebauch, der
zwar nicht besonders stark taillierte, aber dennoch durch enges Schnüren
den Oberkörper modelliert. Aus ihm ging die weibliche Schnürbrust als
Variante hervor.
Zu Beginn des 19. Jahrhundert schließlich war die
Männermode so körpernah geworden, dass viele Männer die schlanke Linie
durch eine Leibbinde unterstützten. Diese Leibbinden waren lange nicht so
starr und steif wie die weiblichen Korsetts, da sie nicht die Kurvigkeit
des weiblichen Körpers bändigen mussten. Aus ihnen wurden dann etwa 1820
der Schnürleib der Dandys und Modegecken.
Sie
reduzierten ihre Taille ebenso wie die Damen, um die modischen
Sanduhrensilhouette des 19. Jahrhunderts zu perfektionieren.
Desweiteren trugen "alternde Männer um die 50 " häufig Korsett. Denn "... in diesem Alter wird das
Liebesfieber zu einem schorfigen Laster, das keine Anstrengungen scheuen
lässt, der schöne, verführerische Mann zu bleiben." wie Honoré de Balzac es in einem seiner Romane
beschreibt.
Ebenso trugen vereinzelt auch Geschäftsmänner
Korsetts, denn dieses verhalf ihnen zu einer straffen, aufrechten Figur
und Körperhaltung, die ihnen auf dem Weg zum Erfolg hilfreich war.
Offiziere verschiedener Armeen - besonders der Preußischen und
Österreichischen - sollen bis ins beginnende 20.Jahrhundert korsettiert
gewesen sein und damit einem schneidigen Aussehen nachgeholfen haben.
Ob dies der Realität entsprach
oder ob die vorhandenen Berichte - insbesondere im Zusammenhang mit
detailgenauen Beschreibungen von Uniformen - nicht fetischistischen
Ursprungs sind, lässt sich heute kaum sagen.
Die angeführten Beispiele beschreiben allesamt
Männer, die das Korsett als maskulines, zweckdienliches Kleidungsstück
trugen.
Daneben gab es jedoch bereits im 18. Jahrhundert männliche
Korsettträger, die dieses in fetischistischem oder sadomasochistischen
Kontext trugen. Auch der naheliegende Verdacht des Transvestismus, den wir
- klischeehaft betrachtet - von einem korsettieten Mann haben, war in
einigen Fällen zutreffend. Diese Männer verwendeten dann jedoch eher
Frauenkorsetts.
Insgesamt lassen sich
nur sehr wenig Quellen über Männerkorsetts finden. Dies verweist zum einen
auf eine mäßige Verbreitung, zum anderen lässt es auf eine geringe gesellschaftliche Akzeptanz - und damit verbundene Dokumentation -
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 28.09. 2015