Jena im Dreißigjährigen Krieg

In die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges (1618/48), in die die antinationale Eigenpolitik der Fürsten und die Bestrebungen des gegenreformatorisch gesinnten Kaisers Ferdinand II. nach politischer und religiöser Einheit des Reiches das deutsche Volk stürzten, wurde Jena seit Anfang der dreißiger Jahre stärker hineingerissen.
Die größte Plünderung brachte das Jahr 1637, als die Truppen des Schweden Banér vor den kaiserlichen aus Thüringen weichen mußten. Bevor Banérs Truppen Anfang Februar den Rückzug aus Jena antraten, mußte auf Befehl des schwedischen Generalmajors Stahlhans der äußere, nach dem Hausberg zu gelegene Bogen der seit dem 14. Jh. bestehenden großen steinernen Saalebrücke („Camsdorfer Brücke") abgebrochen werden, wobei 36 Arbeiter in die Saale stürzten und ertranken.
Die Stadt aber wurde ein Opfer der nachstoßenden kaiserlichen Söldner, die Kirchen, Rathaus und Universitätsgebäude ausraubten, das städtische Archiv vernichteten und weiteren großen Schaden anrichteten.
Die zuchtlose Soldateska ließ ihrer sinnlosen Zerstörungswut freien Lauf. Feuer, Hunger, Pest und Ruhr, von den Soldaten eingeschleppt, hinterließen furchtbare Folgen unter der Bevölkerung. Von nun an standen bis zum Ende des Krieges ohne Unterbrechung schwedische, kaiserliche, französische und kurbrandenburgische Truppen auf thüringischem Boden. Erst am 19. August 1650 konnte man in Jena das Friedensfest feiern.

Für die Universität brachte der Krieg eine Zerrüttung großen Ausmaßes sowohl im Lehrbetrieb als auch wirtschaftlich. Infolge der Unsicherheit der allgemeinen Lage sank die Studentenzahl unaufhaltsam und erreichte 1641/42 mit 250 Studierenden ihren Tiefpunkt (1596 etwa 760,1690 etwa 1200 Studenten). Die Theologische Fakultät und die in ihr vertretene lutherische Orthodoxie hatten an der Universität Jena bis ins 17. Jh. hinein die Vorherrschaft. Ihr Hauptvertreter war der Theologe Johann Gerhard (1582—1637), der von 1616 bis zu seinem Tode in Jena wirkte.

Der als Stämmvater des öffentlichen Rechts bezeichnete Dominicus Arumäus (1579—1637) stand völlig im Dienste der ernestinischen Politik.
Während in der Theologischen und Juristischen Fakultät ebenso wie in der Philosophie in der ersten Hälfte des 17. Jh. Orthodoxie und Scholastik als die beiden obrigkeitlich lizenzierten Richtungen fast noch uneingeschränkt herrschten, zeichnete sich in der Medizin und in den Naturwissenschaften noch in den Kriegsjahren ein allmählicher Umschwung ab.
Diese Bestrebungen sind vor allem eng verbunden mit dem Namen des Mediziners Werner Rolfinck (1599-1673), der 1629 einem Ruf nach Jena gefolgt war und hier die Fächer Anatomie, Chirurgie, Botanik und Chemie vertrat, nachdem er in Wittenberg, Leiden, Oxford, Paris und Padua studiert, sich in Venedig als Anatom einen Namen gemacht, aber. einen Ruf nach Padua abgelehnt hatte. In Jena richtete er eine Anatomische Anstalt, einen Botanischen Garten (1629) und ein Chemisches Laboratorium (1638) ein. Mit seinem Wirken nahmen die Medizin sowie naturwissenschaftliches Denken und Experimentieren, Forschen und Entdecken ihren ersten Aufschwung. Völlig neu und sensationell für Jena waren die von Rolfinck durchgeführten chirurgischen Operationen an Leichen hingerichteter Verbrecher. Diese sollen große Furcht gehabt haben, nach ihrem Tode „gerolfinckt", d.h. seziert zu werden.
Mit der Absage an die Blutlehre des antiken Arztes Galen verband er als erster deutscher Gelehrter die Anerkennung und Propagierung der damals neuesten physiologischen Erkenntnisse des Engländers W. Harvey vom Blutkreislauf.

Bei mehreren Erhalterstaaten, die mitunter in Universitätsfragen unterschiedliche Auffassungen vertraten, ließ sich eine straffe Leitung der Jenaer Hochschule nicht immer erreichen. Außerdem war die unmittelbare wirtschaftliche Abhängigkeit der Universität von den ernestinischen Herzögen, wie sie bis in die Mitte des Dreißigjährigen Krieges auf Grund der Tatsache bestand, daß die Universität einzig und allein auf direkte Staatszuschüsse angewiesen war, seit der Fundierung von 1633 weitgehend überwunden.
In diesem Jahr wurden die Güter Remda und Apolda der Universität von ihren damaligen Erhalterstaaten Sachsen-Weimar, Sachsen-Eisenach und Sachsen-Altenburg übertragen. Die Einkünfte Remdas hatte man auf 1800 Gulden und die Apoldas auf 1200 Gulden geschätzt. Eine vollständige Fundierung und ökonomische Unabhängigkeit waren zwar nicht erreicht, aber die Universität war seitdem doch mit so viel eigenem Besitz und Einkünften ausgestattet, daß sie drei Viertel der Besoldungen selbst zu decken vermochte.
Dies war einer freieren geistigen Entwicklung der Universität förderlich.


 
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den : 20.10. 2014