ABM-Vertrag

Der ABM-Vertrag (russisch Договор об ограничении систем противоракетной обороны / Vertrag über die Begrenzung von antiballistischen Raketenabwehrsystemen, ПРО / PRO, englisch Anti-Ballistic Missile Treaty), am 28. Mai 1972 mit unbefristeter Gültigkeit abgeschlossen, war ein Rüstungskontrollvertrag zwischen den USA und der Sowjetunion zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen (Anti-Ballistic Missiles, ABM). Er war einer der beiden Teile der SALT-I-Vereinbarung. Am 13. Juni 2002 traten die USA einseitig vom Vertrag zurück, nachdem sie, wie vertraglich festgelegt, 6 Monate zuvor eine Absichtserklärung abgegeben hatten, in der sie dem Vertragspartner – dem Rechtsnachfolger der Sowjetunion, Russland – den Rücktritt ankündigten.

Vertragsinhalt

Übersicht

Durch die Begrenzung auf zwei ABM-Stellungen mit je 100 Abschussvorrichtungen, die zudem 1.300 Kilometer voneinander entfernt sein müssen, und durch weitere Einschränkungen bei der Entwicklung und Aufstellung von ABM-Radargeräten wurde der Aufbau einer landesweit wirksamen Raketenabwehr verhindert.

Vorgeschichte

Raketenabwehrsysteme

Ende der 1950er, Anfang der 1960er-Jahre entwickelten die USA etliche Raketensysteme, die, so die Absicht, anfliegende Interkontinentalraketen abschießen könnten. Das US-Militär verband mit diesen technologischen Entwicklungen die Prognose, bald das ganze Land durch einen Raketenschutzschirm wirksam vor den gröbsten Folgen eines Nuklearkrieges schützen zu können. Als Teil dieser Verteidigungsstrategie wurde zusammen mit Kanada das North American Air Defense Command eingerichtet (heute unter dem Kürzel NORAD bekannt).

In den frühen 1960er-Jahren gelang ein erster waffentechnischer Durchbruch mit der Etablierung des Nike-Zeus-Systems, das mithin die Basis für ein späteres ABM-System bilden sollte. Außerdem wurde mit der Entwicklung der Sprint-Kurzstreckenrakete, die zum Schutz der Raketenabwehrbasen selbst dienen sollte, ein zweites Standbein geschaffen. Beide Entwicklungen sollten die Grundlage für das erste landesweite ABM-Projekt Sentinel bilden.

Mit Sentinel wurde die Raketenabwehrtechnologie erstmals auch in der breiten Wissenschaft und der Bevölkerung diskutiert. Zum einen wurden die technologischen Hindernisse diskutiert, die trotz hoher Investitionen in Forschung und Entwicklung nach wie vor enorm waren, zum anderen die sicherheitspolitischen Auswirkungen eines solchen Systems. Angenommen wurde, dass die Sowjetunion einem funktionierenden ABM-System nur mit einem Angriff zuvorkommen konnte. In politischer Hinsicht war Sentinel zudem deshalb brisant, weil das Projekt bedeutete, Kernwaffen in unmittelbarer Nähe zu Bevölkerungszentren zu stationieren.

Bedeutung des ABM-Vertrags

Der ABM-Vertrag war der erste Vertrag, der nicht Offensiv-Waffen, sondern Defensiv-Waffen begrenzte und damit die gegenseitige Verwundbarkeit der Großmächte erhöhte. Die zugrunde liegende Überlegung war, dass kein Land einen nuklearen Erstschlag führen wird, wenn es sich gegen den unweigerlich folgenden Gegenschlag, den Zweitschlag, nicht ausreichend schützen kann. Die Angst vor der eigenen Vernichtung sollte einen Erstschlag mit Nuklearraketen ausschließen. Diese Vorstellung, die Sicherheit durch ein Gleichgewicht bei den Defensivwaffen zu erhöhen, wurde zur Doktrin der Mutual assured destruction (MAD), dem „Gleichgewicht des Schreckens“, ausgebaut. Die beiden Supermächte USA und Sowjetunion schrieben ein bereits vorhandenes strategisches Gleichgewicht mit diesem Vertrag fest.

Während diese Debatten geführt wurden, hatte Moskau nicht nur seinerseits mit der Entwicklung einer Raketenabwehr begonnen (A-35), sondern es wurde mit Mehrfachsprengköpfen (MIRV) eine Technologie eingeführt, die es ermöglichte, auf einer Interkontinentalrakete mehrere einzeln lenkbare Sprengköpfe zu transportieren. Die USA verfügten bereits über diese Technologie, die Sowjetunion erprobte sie noch. Da für jeden Sprengkopf eine Abwehrrakete notwendig sein würde, war eine zuverlässige Abwehr ballistischer Flugkörper auf absehbare Zeit sowieso nicht im Bereich der Möglichkeiten. Aber immerhin wurde ein drohendes ABM-Wettrüsten für einige Jahre eingedämmt, von dem zudem angenommen wurde, dass es aufgrund der ungleich komplexeren Technologie sehr viel kostenintensiver geworden wäre als die bisherige Rüstung mit Offensivwaffen.

Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 kündigten die USA den ABM-Vertrag, um neue Raketenabwehrsysteme entwickeln zu können: „Today, our security environment is profoundly different… Russia is not an enemy, but in fact is increasingly allied with us on a growing number of critically important issues… Today, the United States and Russia face new threats to their security. Principal among these threats are weapons of mass destruction and their delivery means wielded by terrorists and rogue states.“[Pressemitteilung des Weißen Hauses vom 13. Dezember 2001] Präsident Putin reagierte mit einer Erklärung, dass die Sicherheit der Russischen Föderation nicht betroffen sei.

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 28.11. 2021