Walpersberg bei Großeutersdorf wird Museum - Stiftungsgründung eingeleitet
Von Ulrich Krause
Großeutersdorf, (tlz)
Kilometerlange Kolonnen ausgemergelter, entkräfteter und zerlumpter Menschen, die durch das Land um Kahia ziehen. Hitlerjugend, bei körperlich
anstrengenden Betonierungsarbeiten. Kahlaer Schüler, die zum Arbeitseinsatz befohlen wurden... Das sind Bilder, die Patrick Brion immer vor Augen
hat, wenn er sich in die Geschichte des Walpersberges bei Großeutersdorf (Saale-Holzland-Kreis) vertieft.
Rückblick in das
Jahr 1944: Die zunehmenden Luftangriffe der Alliierten zwangen
Hitler, "kriegswichtige" Produktionsanlagen in den
Untergrund zu verlegen. Die unterirdische Porzellänsandgrube
im Walpersberg bei Großeutersdorf schien dem Thüringer
Gauleiter Fritz Sauckel ein geeignetes Objekt dafür. Nach
Stilllegung der Grube erfolgt der Baubeginn für die
Reimahg-Werke (Reichsmarschall Hermann Gering) im April 1944. An
die 15 000 Zwangsarbeiter stampften unter unmenschlichen
Arbeits- und Lebensbedingungen in den folgenden neun Monaten
ein gewaltiges Flugzeugwerk aus dem Boden. Fertig wurde
allerdings nur die erste Baustufe mit gewaltigen unterirdischen
Produktionshallen (100 Meter lang, 20 Meter breit und einer
Deckenstärke von sechs Metern). Auf dem Berg entstand eine
Startbahn, auf die die fertigen Flugzeuge über eine spezielle
Rampe hochgezogen werden sollten. Geplant war, in dem Werk monatlich
1200 Düsenjäger vom Typ Messerschmidt ME 262
herzustellen. Doch dazu kam es nicht. Das Kriegsende setzte auch
diesen wahnwitzigen Plänen ein Ende. Nur relativ wenige
Maschinen wurden hergestellt.
Der Walpersberg war als Militärobjekt immer in wohlgehütetes Geheimnis. Auch zu DDR-Zeiten, in denen die NVA auf etwa zehn Prozent der Fläche zum Teil schwere Munition lagerte.
Licht in das Dunkel um den Walpersberg zu bringen, hat sich der Verein "Reimahg e.V." zum Ziel gemacht. Die 30 Menschen um Vereinsvorsitzende Steffi Freyer und den belgischen Offizier Patrick Brion fühlen sich vor allem den Zwangsarbeitern verpflichtet, die hier schuften mussten. "Wir wollen aber auch den Deutschen in der Umgebung die unfreiwillig direkt oder indirekt mit dem Werk zu tun hatten, ein Stück ihrer Geschichte zurückgeben", sagt Brion. Dem soll eine Gedenkstätte dienen, die auf dem Walpersberg eingerichet werden soll.
Brion macht das Schicksal der Zwangsarbeiter deutlich. Sie mussten bis zur körperlichen Erschöpfung arbeiten. Ohne dass sie wussten, was unter ihren Händen entsteht, wo sie überhaupt sind. Daher hatten sie es auch schwer, im Nachhinein Ansprüche geltend zu machen. Dabei komme es vielen gar nicht aufs Geld an, weiß der Belgier. Man wolle ihnen mit der Gedenkstätte helfen, mit ihrer Geschichte klar zu kommen. "Listen mit 8000 Namen haben wir gefunden", sagt Brion. Immer wieder bekommen wir Anfragen.
Um den Berg übernehmen zu können, der jetzt noch dem Land gehört, muss eine Stiftung gegründet werden. Einen großen Schritt in diese Richtung habe man gestern beim Wirtschaftsministerium gemacht. Die ausgearbeitete Satzung wurde für gut befunden. "Es wird wohl keine Hindernisse mehr geben", hofft Steffi Freyer.
Ein Stück Zuversicht mehr, den Berg der Bevölkerung im kommenden Mai als Gedenkstätte und Museum öffnen zu können. Geöffnet solle vorerst an den Wochenenden und an Feiertagen werden. Der Berg bekommt damit seine Geschichte zurück.
© TLZ 06.11.2004
Anfragen an den Verein www.reimahg.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den : 27.07.2014