Polyreaktion

Polyreaktion (auch Polymerbildungsreaktion, nach IUPAC Polymerization, genannt) ist eine allgemeine Sammelbezeichnung für Synthesereaktionen, die gleichartige oder unterschiedliche Monomere in Polymere (Kunststoffe) überführen.
Polyreaktionen lassen sich in Kettenpolymerisationen und Stufenwachstumsreaktionen einteilen (siehe Abbildung):
- Kettenpolymerisationen (auch Kettenwachstumsreaktionen, in der engl. Literatur chain-growth polymerization genannt) erfolgen über ein aktives Kettenende. Sie lassen sich in radikalische, kationische, anionische und koordinative Kettenpolymerisationen unterteilen.
- Stufenwachstumsreaktionen (in der engl. Literatur step-growth polymerization genannt) erfolgt über Polykondensation (auch Kondensationpolymerisationen) oder Polyaddition (auch Additionspolymerisationen genannt).
Begriff
Es entstehen häufig Missverständnisse durch uneinheitliche Wortwahl und Begriffsbedeutungen in der deutschen und englischen Fachliteratur, sowie durch die in der Literatur oft abweichende Begriffsverwendung von den Vorschlägen der IUPAC. So bezeichnet in der deutschen (und besonders älteren) Literatur Polymerisation oft Kettenpolymerisationen im heutigen Sinne. Zunehmend wird jedoch der Begriff Polymerisation als Oberbegriff für verschiedene Polymerbildungsreaktionen verwendet, womit dem Vorschlag der IUPAC gefolgt wird.
Die Bezeichnung Kettenpolymerisation (nach IUPAC chain polymerization) ist in der deutschen Literatur – im Gegensatz zum klassischen Wort Polymerisation (siehe Begriffsklärung) – weitgehend IUPAC-konform.
Der Begriff Polyreaktion wird gelegentlich als Synonym zu Polymerisation im modernen (hier definierten) Sinn verwendet, um eine Alternative zu dem doppeldeutig verwendeten Begriff zu haben. Polyreaktion besitzt keine englische Entsprechung.
Einteilung
Polymerbildungsreaktionen verlaufen grundsätzlich ausgehend von niedermolekularen Ausgangsverbindungen (Monomeren) zu langkettigen, oft auch verzweigten, hochmolekularen Molekülen (Makromoleküle). In der Kunststoffchemie ist der Verlauf des Wachstums bei der Polymerbildung wichtig und lässt sich in Kettenwachstum und Stufenwachstum unterteilen.
Kettenwachstumsreaktion
-
→ Hauptartikel: Kettenpolymerisation
Beim Kettenwachstum (Kettenpolymerisation) erfolgt nach einer Startreaktion (Initiierung) eine fortwährende Anbindung von Monomeren (M) an die wachsende Polymerkette die aus i Monomereinheiten entstanden ist (Pi):
- Pi + M → Pi+1
In dieser Gleichung kann i alle ganzzahligen Werte ≥ 2 haben, da nicht zwischen Dimeren, Oligomeren oder Polymeren unterschieden werden soll. Ein solches Wachstum tritt auf, wenn nur die wachsende Polymerkette eine reaktionsaktivierende Funktionalität trägt. Es kann sich dabei um ein Radikal (radikalische Kettenpolymerisation), ein Kation (kationische Kettenpolymerisation), ein Anion (anionische Kettenpolymerisation) oder um einen koordinativen Komplex (koordinative Kettenpolymerisation) handeln. Die Bildung der Polymere verlaufen alle als (unverzweigte) Kettenreaktionen. Dieses Wachstum hat zur Folge, dass schon bei sehr niedrigen Umsätzen sich Makromoleküle bilden und große Mengen an Monomere unverändert vorliegen.
Stufenwachstumsreaktion
Stufenwachstum erfolgt, wenn die Monomere mindestens zwei funktionelle Gruppen tragen, die beide unabhängig voneinander reaktionsfähig sind; sie verlaufen nicht als Kettenwachstumsreaktionen. Bei diesem Wachstum bilden sich bei niedrigen und mittleren Umsätzen nur Dimere, Trimere und Oligomere. Erst bei fast vollständigem Umsatz der funktionellen Gruppen bilden sich hochmolekulare Produkte. In der folgenden Abbildung werden Monomere als Kreise symbolisiert.
Die grünen Segmente der Kreise stellen zwei reaktive funktionelle Gruppen dar, die alle Monomere zu Beginn der Reaktion (0 % Umsatz) tragen. Bei 25 % Umsatz haben sich im Wesentlichen nur Dimere gebildet; reaktiven Gruppen haben sich unter Ausbildung einer chemischen Bindung vereinigt. Selbst bei 75 % Umsatz liegen nur Oligomere vor. Um hochmolekulare Verbindungen zu bilden, ist ein fast vollständiger Umsatz nötig. Stufenwachstum lässt sich in Polyaddition und Polykondensation unterteilen.
Polyaddition
-
→ Hauptartikel: Polyaddition
Bei der Polyaddition (Additionspolymerisation, IUPAC: polyaddition) erfolgt das Wachstum über Additionsreaktionen. Als Erstes bilden sich aus den Monomeren (M) Dimere (P2) und Trimere (P3):
- M + M → P2
- P2 + M → P3
Bei Fortschritt des Wachstums reagieren Addukte mit beliebigen Polymerisationsgrad miteinander. In der Reaktionsgleichung können i und j daher alle ganzzahligen Werte ≥ 2 tragen.
- Pi + Pj → Pi+j
Polykondensation
-
→ Hauptartikel: Polykondensation
Polykondensation (Kondensationpolymerisation, IUPAC: polykondensation) verläuft über Kondensationsreaktionen. Daher wird bei jeder Reaktion ein Molekül (L), wie z. B. Wasser, abgespalten. Der Fortschritt des Wachstums ist ansonsten ähnlich der Polyaddition:
- M + M → P2 + L
- P2 + M → P3 + L
- Pi + Pj → Pi+j + L
Verlauf des Kettenwachstums



Der maximale, mittlere Polymerisationsgrad
wird bei der Kettenpolymerisation (1) schon bei geringen Umsätzen erreicht; das
schnelle Wachstum wird durch Abbruchreaktionen beendet. Es liegt ein Gemisch aus
dem (gewünschten) Polymer und vielen Monomeren vor. Im Verlauf der Reaktion
erfolgt durch neue, zögerlich ablaufende Initiierung (Propagation) die Bildung
von neuen, wiederum schnell wachsenden Polymerketten, die zu vollständigen
Umsetzungen der Monomere führen können. Bei der Stufenpolymerisation (2) bilden
sich bei fortschreitendem Umsatz nur Oligomere. Erst bei fast vollständigem
Umsatz wird der maximale, mittlerer Polymerisationsgrad erreicht. Bei dem
Sonderfall der Lebenden
Polymerisation (3), einem Sonderfall der Kettenpolymerisation, wächst der
Polymerisationsgrad kontinuierlich zum maximale, mittlerer Polymerisationsgrad
an, da keine Abbruchreaktionen das Wachstum stoppen.



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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 24.08. 2020