17. Kapitel. Verwandlung von Wert resp. Arbeitskraft in Arbeitslohn | Inhalt | 19. Kapitel. der Stücklohn

ACHTZEHNTES KAPITEL
Der Zeitlohn

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Der Arbeitslohn nimmt selbst wieder sehr mannigfaltige Formen an, ein Umstand, nicht erkennbar aus den ökonomischen Kompendien, die in ihrer brutalen Interessiertheit für den Stoff jeden Formunterschied vernachlässigen. Eine Darstellung aller dieser Formen gehört jedoch in die spezielle Lehre von der Lohnarbeit, also nicht in dieses Werk. Dagegen sind die zwei herrschenden Grundformen hier kurz zu entwickeln.

Der Verkauf der Arbeitskraft findet, wie man sich erinnert, stets für bestimmte Zeitperioden statt. Die verwandelte Form, worin der Tageswert, Wochenwert usw. der Arbeitskraft sich unmittelbar darstellt, ist daher die des "Zeitlohns", also Tageslohn usw.

Es ist nun zunächst zu bemerken, daß die im fünfzehnten Kapitel dargestellten Gesetze über den Größenwechsel von Preis der Arbeitskraft und Mehrwert sich durch einfache Formveränderung in Gesetze des Arbeitslohns verwandeln. Ebenso erscheint der Unterschied zwischen dem Tauschwert der Arbeitskraft und der Masse der Lebensmittel, worin sich dieser Wert umsetzt, jetzt als Unterschied von nominellem und reellem Arbeitslohn. Es wäre nutzlos, in der Erscheinungsform zu wiederholen, was in der wesentlichen Form bereits entwickelt. Wir beschränken uns daher auf wenige, den Zeitlohn charakterisierende Punkte.

Die Geldsumme (30), die der Arbeiter für seine Tagesarbeit, Wochenarbeit usw. erhält, bildet den Betrag seines nominellen oder dem Wert nach geschätzten Arbeitslohns. Es ist aber klar, daß je nach der Länge des Arbeitstags, also je nach der täglich von ihm gelieferten Quantität Arbeit, derselbe Tageslohn, Wochenlohn usw. einen sehr verschiednen Preis der Arbeit, d.h. sehr verschiedne Geldsummen für dasselbe Quantum Arbeit

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darstellen kann.(31) Man muß also bei dem Zeitlohn wieder unterscheiden zwischen Gesamtbetrag des Arbeitslohns, Taglohns, Wochenlohns usw. und Preis der Arbeit. Wie nun diesen Preis finden, d.h. den Geldwert eines gegebnen Quantums Arbeit? Der durchschnittliche Preis der Arbeit ergibt sich, indem man den durchschnittlichen Tageswert der Arbeitskraft durch die Stundenzahl des durchschnittlichen Arbeitstags dividiert. Ist z.B. der Tageswert der Arbeitskraft 3 sh., das Wertprodukt von 6 Arbeitsstunden, und ist der Arbeitstag zwölfstündig, so ist der Preis einer Arbeitsstunde = 3 sh./12 = 3 d. Der so gefundene Preis der Arbeitsstunde dient als Einheitsmaß für den Preis der Arbeit.

Es folgt daher, daß der Taglohn, Wochenlohn usw. derselbe bleiben kann, obgleich der Preis der Arbeit fortwährend sinkt. War z.B. der gewohnheitsmäßige Arbeitstag 10 Stunden und der Tageswert der Arbeitskraft 3 sh., so betrug der Preis der Arbeitsstunde 33/5 d.; er sinkt auf 3 d., sobald der Arbeitstag zu 12 Stunden, und 22/5 d., sobald er zu 15 Stunden steigt. Tages- oder Wochenlohn bleiben trotzdem unverändert. Umgekehrt kann der Taglohn oder Wochenlohn steigen, obgleich der Preis der Arbeit konstant bleibt oder selbst sinkt. War z.B. der Arbeitstag zehnstündig und ist der Tageswert der Arbeitskraft 3 sh., so der Preis einer Arbeitsstunde 33/5 d. Arbeitet der Arbeiter infolge zunehmender Beschäftigung und bei gleichbeibendem Preise der Arbeit 12 Stunden, so steigt sein Tageslohn nun auf 3 sh. 71/5 d. ohne Variation im Preise der Arbeit. Dasselbe Resultat könnte herauskommen, wenn statt der extensiven Größe der Arbeit ihre intensive Größe zunähme.(32) Steigen des nominellen Tages- oder Wochenlohns mag daher begleitet sein von gleichbleibendem oder sinkendem Preis der Arbeit. Dasselbe gilt von der Einnahme der Arbeiterfamilie, sobald das vom Familienhaupt gelieferte Arbeitsquantum durch die Arbeit der Fami-

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lienglieder vermehrt wird. Es gibt also von der Schmälerung des nominellen Tages- oder Wochenlohns unabhängige Methoden zur Herabsetzung des Preises der Arbeit.(33)

Als allgemeines Gesetz aber folgt: Ist die Quantität der Tages-, Wochenarbeit usw. gegeben, so hängt der Tages- oder Wochenlohn vom Preise der Arbeit ab, der selbst variiert, entweder mit dem Wert der Arbeitskraft oder den Abweichungen ihres Preises von ihrem Werte. Ist dagegen der Preis der Arbeit gegeben, so hängt der Tages- oder Wochenlohn von der Quantität der Tages- oder Wochenarbeit ab.

Die Maßeinheit des Zeitlohns, der Preis der Arbeitsstunden, ist der Quotient des Tageswerts der Arbeitskraft, dividiert durch die Stundenzahl des gewohnheitsmäßigen Arbeitstags. Gesetzt, letztrer betrage 12 Stunden, der Tageswert der Arbeitskraft 3 sh., das Wertprodukt von 6 Arbeitsstunden. Der Preis der Arbeitsstunde ist unter diesen Umständen 3 d., ihr Wertprodukt 6 d. Wird der Arbeiter nun weniger als 12 Stunden täglich (oder weniger als 6 Tage in der Woche) beschäftigt, z.B. nur 6 oder 8 Stunden, so erhält er, bei diesem Preise der Arbeit, nur 2 oder 11/2 sh. Taglohn.(34) Da er nach der Voraussetzung im Durchschnitt 6 Stunden täglich arbeiten

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muß, um nur einen dem Wert seiner Arbeitskraft entsprechenden Taglohn zu produzieren, da er nach derselben Voraussetzung von jeder Stunde nur 1/2 für sich selbst, 1/2 aber für den Kapitalisten arbeitet, so ist es klar, daß er das Wertprodukt von 6 Stunden nicht herausschlagen kann, wenn er weniger als 12 Stunden beschäftigt wird. Sah man früher die zerstörenden Folgen der Überarbeit, so entdeckt man hier die Quellen der Leiden, die für den Arbeiter aus seiner Unterbeschäftigung entspringen.

Wird der Stundenlohn in der Weise fixiert, daß der Kapitalist sich nicht zur Zahlung eines Tages- oder Wochenlohns verpflichtet, sondern nur zur Zahlung der Arbeitsstunden, während deren es ihm beliebt, den Arbeiter zu beschäftigen, so kann er ihn unter der Zeit beschäftigen, die der Schätzung des Stundenlohns oder der Maßeinheit für den Preis der Arbeit ursprünglich zugrunde liegt. Da diese Maßeinheit bestimmt ist durch die Proportion Tageswert der Arbeitskraft/Arbeitstag von gegebner Stundenzahl, verliert sie natürlich allen Sinn, sobald der Arbeitstag aufhört, eine bestimmte Stundenzahl zu zählen. Der Zusammenhang zwischen der bezahlten und unbezahlten Arbeit wird aufgehoben. Der Kapitalist kann jetzt ein bestimmtes Quantum Mehrarbeit aus dem Arbeiter herausschlagen, ohne ihm die zu seiner Selbsterhaltung notwendige Arbeitszeit einzuräumen. Er kann jede Regelmäßigkeit der Beschäftigung vernichten und ganz nach Bequemlichkeit, Willkür und augenblicklichem Interesse die ungeheuerste Überarbeit mit relativer oder gänzlicher Arbeitslosigkeit abwechseln lassen. Er kann, unter dem Vorwand, den "normalen Preis der Arbeit" zu zahlen, den Arbeitstag, ohne irgend entsprechende Kompensation für den Arbeiter, anormal verlängern. Daher der durchaus rationelle Aufstand (1860) der im Baufach beschäftigten Londoner Arbeiter gegen den Versuch der Kapitalisten, diesen Stundenlohn aufzuherrschen. Die gesetzliche Beschränkung des Arbeitstags macht solchem Unfug ein Ende, obgleich natürlich nicht der aus Konkurrenz der Maschinerie, Wechsel in der Qualität der angewandten Arbeiter, partiellen und allgemeinen Krisen entspringenden Unterbeschäftigung.

Bei wachsendem Tages- oder Wochenlohn kann der Preis der Arbeit nominell konstant bleiben und dennoch unter sein normales Niveau sinken. Dies findet jedesmal statt, sobald mit konstantem Preis der Arbeit, resp. der Arbeitsstunde, der Arbeitstag über seine gewohnheitsmäßige Dauer verlängert wird. Wenn in dem Bruch Tageswert der Arbeitskraft/Arbeitstag der Nenner wächst, wächst der Zähler noch rascher. Der Wert der Arbeitskraft, weil ihr Verschleiß, wächst mit der Dauer ihrer Funktion und in rascherer

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Proportion als das Inkrement ihrer Funktionsdauer. In vielen Industriezweigen, wo Zeitlohn vorherrscht, ohne gesetzliche Schranken der Arbeitszeit, hat sich daher naturwüchsig die Gewohnheit herausgebildet, daß der Arbeitstag nur bis zu einem gewissen Punkt, z.B. bis zum Ablauf der zehnten Stunde, als normal gilt ("normal working day", "the day's work", "the regular hours of work <"normaler Arbeitstag", "Tagesarbeit", "reguläre Arbeitszeit">). Jenseits dieser Grenze bildet die Arbeitszeit Überzeit (overtime) und wird, die Stunde als Maßeinheit genommen, besser bezahlt (extra pay), obgleich oft in lächerlich kleiner Proportion.(35) Der normale Arbeitstag existiert hier als Bruchteil des wirklichen Arbeitstags, und der letztere währt oft während des ganzen Jahres länger als der erstere.(36) Der Wachstum im Preis der Arbeit mit der Verlängerung des Arbeitstags über eine gewisse Normalgrenze gestaltet sich in verschiednen britischen Industriezweigen so, daß der niedrige Preis der Arbeit während der sog. Normalzeit dem Arbeiter die besser bezahlte Überzeit aufzwingt, will er überhaupt einen genügenden Arbeitslohn herausschlagen.(37)

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Gesetzliche Beschränkung des Arbeitstags macht diesem Vergnügen ein Ende.(38)

Es ist allgemein bekannte Tatsache, daß, je länger der Arbeitstag in einem Industriezweig, um so niedriger der Arbeitslohn.(39) Fabrikinspektor A. Redgrave illustriert dies durch eine vergleichende Übersicht der zwanzigjährigen Periode von 1839-1859, wonach der Arbeitslohn in den dem Zehnstundengesetz unterworfenen Fabriken stieg, während er fiel in den Fabriken, wo 14 bis 15 Stunden täglich gearbeitet wird.(40)

Zunächst folgt aus dem Gesetz: "Bei gegebnem Preis der Arbeit hängt der Tages- oder Wochenlohn von der Quantität der gelieferten Arbeit ab", daß, je niedriger der Preis der Arbeit, desto größer das Arbeitsquantum sein muß oder desto länger der Arbeitstag, damit der Arbeiter auch nur einen kümmerlichen Durchschnittslohn sichre. Die Niedrigkeit des Arbeitspreises wirkt hier als Sporn zur Verlängerung der Arbeitszeit.(41)

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Umgekehrt aber produziert ihrerseits die Verlängerung der Arbeitszeit einen Fall im Arbeitspreise und damit im Tages- oder Wochenlohn.

Die Bestimmung des Arbeitspreises durch

Tageswert der Arbeitskraft/Arbeitstag von gegebner Stundenzahl

ergibt, daß bloße Verlängerung des Arbeitstags den Arbeitspreis senkt, wenn keine Kompensation eintritt. Aber dieselben Umstände, welche den Kapitalisten befähigen, den Arbeitstag auf die Dauer zu verlängern, befähigen ihn erst und zwingen ihn schließlich, den Arbeitspreis auch nominell zu senken, bis der Gesamtpreis der vermehrten Stundenzahl sinkt, also der Tages- oder Wochenlohn. Hinweis auf zwei Umstände genügt hier. Verrichtet ein Mann das Werk von 11/2 oder 2 Männern, so wächst die Zufuhr der Arbeit, wenn auch die Zufuhr der auf dem Markt befindlichen Arbeitskräfte konstant bleibt. Die so unter den Arbeitern erzeugte Konkurrenz befähigt den Kapitalisten, den Preis der Arbeit herabzudrücken, während der fallende Preis der Arbeit ihn umgekehrt befähigt, die Arbeitszeit noch weiter heraufzuschrauben.(42) Bald jedoch wird diese Verfügung über anormale, d.h. das gesellschaftliche Durchschnittsniveau überfließende Quanta unbezahlter Arbeit zum Konkurrenzmittel unter den Kapitalisten selbst. Ein Teil des Warenpreises besteht aus dem Preis der Arbeit. Der nicht gezahlte Teil des Arbeitspreises braucht nicht im Warenpreis zu rechnen. Er kann dem Warenkäufer geschenkt werden. Dies ist der erste Schritt, wozu die Konkurrenz treibt. Der zweite Schritt, wozu sie zwingt, ist, wenigstens einen Teil des durch die Verlängerung des Arbeitstags erzeugten anormalen Mehrwerts ebenfalls aus dem Verkaufspreis der Ware auszuschließen. In dieser Weise bildet sich erst sporadisch und fixiert sich nach und nach ein anormal niedriger Verkaufspreis der Ware, der von nun an zur konstanten Grundlage kümmerlichen Arbeitslohns bei übermäßiger Arbeitszeit wird, wie er ursprünglich das Produkt dieser Umstände war. Wir deuten diese Bewegung bloß an, da die Analyse der Konkurrenz nicht hierhin gehört. Doch mag für einen Augenblick der Kapitalist selbst sprechen.

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"In Birmingham ist die Konkurrenz unter den Meistern so groß, daß mancher von uns gezwungen ist, als Arbeitsanwender zu tun, was er sich schämen würde, sonst zu tun; und dennoch wird nicht mehr Geld gemacht (and yet no more money is made), sondern das Publikum allein hat den Vorteil davon."(43)

Man erinnert sich der Zwei Sorten Londoner Bäcker, wovon die eine Brot zum vollen Preise (the "fullpriced" backers), die andre es unter seinem normalen Preise verkauft ("the underpriced", "the undersellers"). Die "fullpriced" denunzieren ihre Konkurrenten vor der parlamentarischen Untersuchungskommission:

"Sie existieren nur, indem sie erstens das Publikum betrügen" (durch Fälschung der Ware) "und zweitens 18 Arbeitsstunden aus ihren Leuten für den Lohn zwölfstündiger Arbeit herausschinden ... Die unbezahlte Arbeit (the unpaid labour) der Arbeiter ist das Mittel, wodurch der Konkurrenzkampf geführt wird ... Die Konkurrenz unter den Bäckermeistern ist die Ursache der Schwierigkeit in Beseitigung der Nachtarbeit. Ein Unterverkäufer, der sein Brot unter dem mit dem Mehlpreis wechselnden Kostpreis verkauft, hält sich schadlos, indem er mehr Arbeit aus seinen Leuten herausschlägt. Wenn ich nur 12 Stunden Arbeit aus meinen Leuten herausschlage, mein Nachbar dagegen 18 oder 20, muß er mich im Verkaufspreis schlagen. Könnten die Arbeiter auf Zahlung für Überzeit bestehen, so wäre es mit diesem Manöver bald zu Ende ... Eine große Anzahl der von den Unterverkäufern Beschäftigten sind Fremde, Jungen und andre, die fast mit jedem Arbeitslohn, den sie kriegen können, vorlieb zu nehmen gezwungen sind."(44)

Diese Jeremiade ist auch deswegen interessant, weil sie zeigt, wie nur der Schein der Produktionsverhältnisse sich im Kapitalistenhirn widerspiegelt. Der Kapitalist weiß nicht, daß der normale Preis der Arbeit ein bestimmtes Quantum unbezahlter Arbeit einschließt und eben diese unbezahlte Arbeit die normale Quelle seines Gewinns ist. Die Kategorie der Mehrarbeitszeit existiert überhaupt nicht für ihn, denn sie ist eingeschlossen im normalen Arbeitstag, den er im Taglohn zu zahlen glaubt. Wohl aber existiert für ihn die Überzeit, die Verlängerung des Arbeitstags über die dem gewohnten Preis der Arbeit entsprechende Schranke. Seinem unterverkaufenden Konkurrenten gegenüber besteht er sogar auf

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Extrazahlung (extra pay) für diese Überzeit. Er weiß wieder nicht, daß diese Extrazahlung ebensowohl unbezahlte Arbeit einschießt, wie der Preis der gewöhnlichen Arbeitsstunde. Z.B. der Preis einer Stunde des zwölfstündigen Arbeitstags ist 3 d., das Wertprodukt von 1/2 Arbeitsstunde, während der Preis der überzeitigen Arbeitsstunde 4 d., das Wertprodukt von 2/3 Arbeitsstunde. Im ersten Fall eignet sich der Kapitalist von einer Arbeitsstunde die Hälfte, im andern 1/3 ohne Zahlung an.


Fußnoten

(30) Der Geldwert selbst wird hier immer als konstant vorausgesetzt.

(31) "Der Preis der Arbeit ist die Summe, die für eine gegebene Menge Arbeit gezahlt wird." (Sir Edward West, "Price of Corn and Wages of Labour", Lond. 1826, p. 67.) West ist der Verfasser der in der Geschichte der politischen Ökonomie epochemachenden anonymen Schrift: "Essay on the Application of Capital to Land. By a Fellow of Univ. of Oxford", Lond. 1815.

(32) "Die Arbeitslöhne hängen vom Preis der Arbeit und der Menge der geleisteten Arbeit ab ... Eine Erhöhung der Arbeitslöhne schließt nicht notwendig eine Steigerung des Preises der Arbeit ein. Bei länger Beschäftigung und größerer Anstrengung können die Arbeitslöhne beträchtlich anwachsen, während der Preis der Arbeit derselbe bleibt kann." (West, l.c.p. 67, 68 u. 112.) Die Hauptfrage: wie wird der "price of labour" bestimmt? fertigt West übrigens mit banalen Redensarten ab.

(33) Dies fühlt der fanatischste Vertreter der industriellen Bourgeoisie des 18. Jahrhunderts, der oft von uns zitierte Verfasser des "Essay on Trade and Commerce" richtig heraus, obgleich er die Sache konfus darstellt: "Es ist die Menge der Arbeit und nicht ihr Preis" (versteht darunter den nominellen Tages- oder Wochenlohn), "die durch den Preis der Nahrungsmittel und anderen lebensnotwendigen Dinge bestimmt wird: setzt den Preis der lebensnotwendigen Dinge stark herab, so senkt ihr natürlich entsprechend die Menge der Arbeit ... Die Fabrikherren wissen, daß es verschiedne Wege gibt, den Preis der Arbeit zu heben oder zu senken, außer der Änderung seines nominellen Betrags." (l.c.p. 48 u. 61.) In seinen "Three Lectures on the Rate of Wages", Lond. 1830, worin N. W. Senior Wests Schrift benutzt, ohne sie anzuführen, sagt er u.a.: "Der Arbeiter ist hauptsächlich an der Höhe des Arbeitslohnes interessiert." (p. 15.) Also der Arbeiter ist hauptsächlich interessiert in dem, was er erhält, dem nominellen Betrag des Lohns, nicht in dem, was er gibt, der Quantität der Arbeit!

(34) Die Wirkung solcher anormalen Unterbeschäftigung ist durchaus verschieden von der einer allgemeinen zwangsgesetzlichen Reduktion des Arbeitstags. Erstere hat mit der absoluten Länge des Arbeitstags nichts zu schaffen und kann ebensowohl bei 15stündigem als bei 6stündigem Arbeitstag eintreten. Der normale Preis der Arbeit ist im ersten Fall darauf berechnet, daß der Arbeiter 15 Stunden, im zweiten darauf, daß er 6 Stunden per Tag durchschnittlich arbeitet. Die Wirkung bleibt daher dieselbe, wenn er in dem einen Fall nur 71/2, in dem andren nur 3 Stunden beschäftigt wird.

(35) "Die Rate der Zahlung für Überzeit" (in der Spitzenmanufaktur) "ist so klein, 1/2 d. usw. per Stunde, daß sie in peinlichem Kontrast steht zur massenhaften Unbill, die sie der Gesundheit und Lebenskraft der Arbeiter antut ... Der so gewonnene kleine Überschuß muß außerdem oft in Extra-Erfrischungsmitteln wieder verausgabt werden." ("Child. Empl. Comm., II. Rep.", p. XVI, n. 117.)

(36) Z.B. in der Tapetendruckerei vor der neulichen Einführung des Fabrikakts. "Wir arbeiteten ohne Pause für Mahlzeiten, so daß das Tageswerk von 101/2 Stunden um halb 5 Uhr nachmittags beendet ist, und alles spätere ist Überzeit, die selten vor 6 Uhr abends aufhört, so daß wir in der Tat das ganze Jahr durch Überzeit arbeiten." (Mr. Smiths Evidene in "Child. Empl. Comm., I. Rep.", p. 125.)

(37) Z.B. in den schottischen Bleichereien. "In einigen Teilen Schottlands wurde diese Industrie" (vor Einführung des Fabrikakts 1862) "nach dem System der Überzeit betrieben, d.h. 10 Stunden galten als normaler Arbeitstag. Dafür erhielt der Mann 1 sh. 2 d. Hierzu kam aber täglich eine Überzeit von 3 oder 4 Stunden, wofür 3 d. per Stunde gezahlt wurde. Folge dieses Systems: Ein Mann, der nur die Normalzeit arbeitete, konnte nur 8 sh. Wochenlohn verdienen. Ohne Überzeit reichte der Lohn nicht aus." ("Reports of Insp. of Fact., 30th April 1863", p. 10.) Die "Extrazahlung für Überzeit ist eine Versuchung, der die Arbeiter nicht widerstehen können". ("Rep. of Insp. of Fact., 30th April 1848", p. 5.) Die Buchbinderei in der City von London verwendet sehr viele junge Mädchen vom 14.-15. Jahr an, und zwar unter dem Lehrlingskontrakt, der bestimmte Arbeitsstunden vorschreibt. Nichtsdestoweniger arbeiten sie in der Schlußwoche jedes Monats bis 10, 11, 12 und 1 Uhr nachts, zusammen mit den älteren Arbeitern, in sehr gemischter Gesellschaft. "Die Meister verlocken (tempt) sie durch Extralohn und Geld für ein gutes Nachtessen", das sie in benachbarten Kneipen zu sich nehmen. Die große Liederlichkeit, so unter diesen "young immortals" <"jungen unsterblichen Seelen"> produziert ("Child. Empl. Comm., V. Rep.", p. 44, n. 191), findet ihre Kompensation darin, daß von ihnen unter andrem auch viele Bibeln und Erbauungsbücher gebunden werden.

(38) Sieh "Reports of Insp. of Fact., 30th April 1863", l.c. Mit ganz richtiger Kritik des Sachverhältnisses erklärten die im Baufach beschäftigten Londoner Arbeiter während des großen strike und lock-out <Aussperrung> von 1860, den Stundenlohn nur annehmen zu wollen unter zwei Bedingungen: 1. daß mit dem Preis der Arbeitsstunde ein Normalarbeitstag von resp. 9 und 10 Stunden festgesetzt werde und der Preis für die Stunde des zehnstündigen Arbeitstags größer sei als für die des neunstündigen; 2. daß jede Stunde über den Normaltag hinaus als Überzeit verhältnismäßig höher bezahlt werde.

(39) "Es ist zudem eine recht bemerkenswerte Tatsache, daß da, wo in der Regel die Arbeitszeit lang ist, die Löhne gering sind."("Rep. of Insp. of Fact., 31st Oct. 1863", p. 9.) "Die Arbeit, die einen Hungerlohn einbringt, ist meist übermäßig lang."("Public Health, Sixth Rep. 1863", p. 15.)

(40) "Reports of Insp. of Fact., 30th April 1860", p. 31, 32.

(41) Die Hand-Nägelmacher in England haben z.B. wegen des niedrigen Arbeitspreises 15 Stunden täglich zu arbeiten, um den kümmerlichsten Wochenlohn herauszuschlagen. "Es sind viele, viele Stunden des Tags, und während aller der Zeit muß er hart schanzen, um 11 d. oder 1 sh. herauszuschlagen, und davon gehen 21/2 bis 3 d. ab für Verschleiß der Werkzeuge, Feuerung, Eisenabfall."("Child. Empl. Comm., III. Rep.", p. 136, n. 671.) Die Weiber verdienen bei derselben Arbeitszeit nur einen Wochenlohn von 5 sh.(l.c.p. 137, n. 674.)

(42) Wenn ein Fabrikarbeiter z.B. verweigerte, die hergebrachte lange Stundenzahl zu arbeiten, "würde er sehr schnell durch jemand ersetzt werden, der beliebig lang zu arbeiten gewillt ist, und würde so arbeitslos werden". ("Reports of Insp. of Fact., 31st Oct. 1848", Evidence, p. 39, n. 58.) "Wenn ein Mann die Arbeit von zweien leistet ... wird im allgemeinen die Profitrate steigen ..., da diese zusätzliche Zufuhr von Arbeit ihren Preis herabgedrückt hat." (Senior, l.c.p. 15.)

(43) "Child. Empl. Comm., III. Rep.", Evidence, p. 66, n. 22.

(44) "Report etc. relative to the Grievances complained of by the journeymen bakers", Lond. 1862, p. LII und ib., Evidence, n. 479, 359, 27. Indes lassen auch die fullpriced, wie früher erwähnt und wie ihr Wortführer Bennet selbst zugesteht, ihre Leute "Arbeit beginnen um 11 Uhr abends oder früher und verlängern sie oft bis 7 Uhr des folgenden Abends".(l.c.p. 22.)



Datum der letzten Änderung : Jena, den : 02.03.2013