Karl Grün:
"Die soziale Bewegung in Frankreich
und Belgien" (Darmstadt 1845)
oder
Die Geschichtschreibung
des wahren Sozialismus
"Wahrlich, gälte es hier nicht, zugleich eine ganze Rotte zu zeichnen ... wir würden die Feder noch wegwerfen ... Und jetzt tritt sie" (Mundts "Geschichte der Gesellschaft") "mit derselben Anmaßung vor den großen Leserkreis des Publikums, des Publikums, das heißhungrig nach Allem greift, was nur das Wort sozial an der Stirne trägt, weil ein richtiger Takt ihm sagt, welche Geheimnisse der Zukunft in diesem Wörtchen verborgen liegen. Doppelte Verantwortlichkeit des Schriftstellers, doppelte Züchtigung, wenn er unberufen ans Werk ging!"
"Darüber wollen wir eigentlich mit Herrn Mundt nicht rechten, daß er von den faktischen Leistungen der sozialen Literatur Frankreichs und Englands durchaus nichts weiß, als was ihm Herr L .Stein verraten, dessen Buch anerkannt werden konnte, als es erschien. ... Aber heute noch ... über Saint-Simon Phrasen machen, Bazard und Enfantin die beiden Zweige des Saint-Simonismus nennen, Fourier folgen lassen, über Proudhon ungenügendes Zeug nachplappern, etc.! ... Dennoch würden wir gerne ein Auge zudrücken, wäre mindestens die Genesis der sozialen Ideen eigen und neu dargestellt."
Mit dieser hochfahrenden, rhadamantischen Sentenz eröffnet Herr Grün ("Neue Anekdote" p. 122, 123) eine Rezension von Munds "Geschichte der Gesellschaft".
Wie überrascht wird der Leser von dem artistischen Talent des Herrn Grün sein, das unter der obigen Maske nur eine Selbstkritik seines eignen, damals noch ungebornen Buchs versteckte.
Herr Grün bietet uns das amüsante Schauspiel einer Verschmelzung des wahren Sozialismus mit jungdeutschem Literatentum. Das obige Buch ist in Briefen an eine Dame geschrieben, woraus der Leser schon ahnt, daß hier die tiefsinnigen Götter des wahren Sozialismus mit den Rosen und Myrten der
"jungen Literatur" bekränzt einherwandeln. Pflücken wir gleich einige Rosen:
"Die Carmagnole sang sich selbst in meinem Kopfe ... auf alle Fälle aber bleibt es schrecklich, daß die Carmagnole im Kopfe eines deutschen Schriftstellers, wenn nicht vollständig logieren, so doch ein Frühstück nehmen darf." p. 3.
"Hätte ich den alten Hegel hier, ich packte ihn bei den Ohren: Was, die Natur wäre das Anderssein des Geistes? Was, Er Nachtwächter?" p. 11.
"Brüssel stellt gewissermaßen den französischen Konvent dar: es hat eine Bergpartie und eine Partie des Tales." p. 24.
"Die Lüneburger Heide der Politik." p. 80.
"Bunte, poetische, inkonsequente, phantastische Chrysalide." p. 82.
"Den Liberalismus der Restauration, den bodenlosen Kaktus, der sich als Schmarotzerpflanze um die Bänke der Deputiertenkammer wand." p. 87, 88.
Daß der Kaktus weder "bodenlos" noch eine "Schmarotzerpflanze" ist, tut diesem schönen Bilde ebensowenig Abbruch, wie dem vorigen, daß es weder "bunte" noch "poetische" noch "inkonsequente" "Chrysaliden" oder Puppen gibt.
"Ich selbst aber komme mir mitten in diesem Gewoge" (der Zeitungen und Zeitungsschreiber im Cabinet Montpensier) "vor wie ein zweiter Noah, der seine Tauben aussendet, ob sich irgendwo Hütten oder Reben bauen lassen, ob es möglich sei, mit den erzürnten Göttern einen räsonnablen Vertrag abzuschließen." p. 259.
Herr Grün spricht hier wohl von seiner Tätigkeit als Zeitungskorrespondent.
"Camille Desmoulins war ein Mensch. Die Konstituante bestand aus Philistern. Robespierre war ein tugendhafter Magnetiseur. Die neue Geschichte ist mit einem Wort der Kampf auf Tod und Leben wider die Épiciers <Krämer> und die Magnetiseure!!!" p. 311.
"Das Glück ist ein Plus, aber ein Plus in der xten Potenz." p. 203.
Also das Glück = +x, eine Formel, die sich nur in der ästhetischen Mathematik des Herrn Grün findet.
"Die Organisation der Arbeit, was ist sie? Und die Völker antworteten der Sphinx mit tausend Zeitungsstimmen ... Frankreich singt die Strophe, Deutschland die Antistrophe, das alte mystische Deutschland." p. 259.
"Nordamerika ist mir sogar widerwärtiger als die alte Welt, weil dieser Egoismus der Krämerwelt die rote Farbe einer impertinenten Gesundheit trägt ... weil dort Alles so oberflächlich, so wurzellos, fast möchte ich sagen so kleinstädtisch ist ... Ihr nennt Amerika die neue Welt; es ist die älteste von allen alten, unsre abgetragenen Kleider machen dort Parade." p. 101, 324.
Bisher wußte man nur, daß die ungetragenen deutschen Strümpfe dort getragen werden, obwohl sie zum "Parademachen" zu schlecht sind.
"Der logisch feste Garantismus dieser Institutionen". p .461.
Wen solche Blüten nicht erfreun,
Verdienet nicht, ein "Mensch" zu sein!
Welch graziöser Mutwille! Welche schnippische Naivetät! Welch heroisches Durchwühlen durch die Ästhetik! Welche Heinesche Nonchalance und Genialität!
Wir haben den Leser getäuscht. Herrn Grüns Belletristik schmückt nicht die Wissenschaft des wahren Sozialismus, sondern die Wissenschaft ist nur die Ausfüllung zwischen diesen belletristischen Schwätzereien. Sie bildet sozusagen ihren "sozialen Hintergrund".
In einem Aufsatze des Herrn Grün: "Feuerbach und die Socialisten" ("Deutsches Bürgerbuch", p. 74) findet sich folgende Äußerung:
"Wenn man Feuerbach nennt, so hat man die ganze Arbeit der Philosophie genannt von Baco von Verulam bis heute, so hat man zugleich gesagt, was die Philosophie in letzter Instanz will und bedeutet, so hat man den Menschen als letztes Ergebnis der Weltgeschichte. Dabei geht man sicherer, weil gründlicher, zu Werke, als wenn man den Arbeitslohn. die Konkurrenz, die Mangelhaftigkeit der Konstitutionen und Verfassungen aufs Tapet bringt ... Wir haben den Menschen gewonnen, den Menschen, der sich der Religion, der toten Gedanken, alles ihm fremden Wesens mit allen Übersetzungen in der Praxis entledigt hat, den reinen, wahrhaften Menschen."
Dieser Eine Satz klärt vollständig auf über die Art von "Sicherheit" und "Gründlichkeit", welche bei Herrn Grün zu suchen ist. Auf kleine Fragen läßt er sich nicht ein. Ausgestattet mit dem ungetrübten Glauben an die Resultate der deutschen Philosophie, wie sie in Feuerbach niedergelegt sind, nämlich daß "der Mensch", der "reine, wahrhafte Mensch", das Endziel der Weltgeschichte sei, daß die Religion das entäußerte menschliche Wesen sei, daß das menschliche Wesen das menschliche Wesen und der Maßstab aller Dinge sei; ausgestattet mit den weiteren Wahrheiten des deutschen Sozialismus (siehe oben), daß auch das Geld, die Lohnarbeit pp. Entäußerungen des menschlichen Wesens seien, daß der deutsche Sozialismus die Verwirklichung der deutschen Philosophie und die theoretische Wahrheit des auswärtigen Sozialismus und Kommunismus sei pp. - reist Herr Grün nach Brüssel und Paris mit der ganzen Selbstgefälligkeit des wahren Sozialismus.
Die gewaltigen Posaunenstöße des Herrn Grün zum Lobe des wahren Sozialismus und der deutschen Wissenschaft übertreffen Alles, was von seinen übrigen Glaubensgenossen in dieser Beziehung geliefert ist. Was den wahren
Sozialismus angeht, so kommen diese Lobpreisungen offenbar von Herzen. Herrn Grüns Bescheidenheit erlaubt ihm nicht, einen einzigen Satz auszusprechen, den nicht schon ein anderer wahrer Sozialist vor ihm in den "Einundzwanzig Bogen", dem "Bürgerbuch" und den "Neuen Anekdotis" geoffenbart hatte. Ja, sein ganzes Buch hat keinen andren Zweck, als ein in den "Einundzwanzig Bogen" p. 74-88 von Heß gegebenes Konstruktionsschema der französischen sozialen Bewegung auszufüllen und damit einem ebendaselbst p. 88 ausgesprochenen Bedürfnis zu entsprechen. Was aber die Lobeserhebungen der deutschen Philosophie angeht, so muß diese sie ihm um so höher anrechnen, je weniger er sie kennt. Der Nationalstolz der wahren Sozialisten, der Stolz auf Deutschland als das Land "des Menschen", des "Wesens des Menschen", gegenüber den andern profanen Nationalitäten erreicht bei ihm seinen Gipfelpunkt. Wir geben gleich einige Proben davon:
"Ich möchte doch wissen, ob sie nicht Alle erst von uns lernen müssen, Franzosen und Engländer, Belgier und Nordamerikaner." p. 28.
Dies wird jetzt ausgeführt.
"Die Nordamerikaner kommen mir grundprosaisch vor, und den Sozialismus sollen sie wohl, trotz aller ihrer gesetzlichen Freiheit, erst von uns kennenlernen." p. 101.
Besonders seitdem sie seit 1829 eine eigne sozialistisch-demokratische Schule haben, die ihr Nationalökonom Cooper bereits 1830 bekämpfte.
"Die belgischen Demokraten! Glaubst Du wohl, sie wären halb so weit als wir Deutsche? Habe ich mich wieder mit Einem herumbalgen müssen, der die Realisierung des freien Menschentuns für eine Chimäre hält!" p. 28.
Hier macht sich die Nationalität "des Menschen", des "Wesens des Menschen", des "Menschentums" breit gegenüber der belgischen Nationalität.
"Ihr Franzosen, laßt den Hegel in Ruhe, bis Ihr ihn versteht. (Wir glauben, daß die sonst sehr schwache Kritik der Rechtsphilosophie von Lerminier mehr Einsicht in Hegel beweist als irgend etwas, was Herr Grün, sei es unter eigenem Namen, sei es qua <als > "Ernst von der Haide" geschrieben hat.) "Trinkt einmal ein Jahr lang keinen Kaffee, keinen Wein; erhitzt Euer Gemüt durch keine aufregende Leidenschaft; laßt den Guizot regieren und Algier unter die Herrschaft Marokkos kommen" (wie sollte Algier je unter die Herrschaft Marokkos kommen, selbst wenn die Franzosen es aufgäben!); "sitzt auf einer Mansarde und studiert die 'Logik' nebst der 'Phönomenologie'. Wenn Ihr dann endlich nach Jahresfrist, mager und mit rotangelaufenen Augen in die Straßen hinabsteigt und meinetwegen über den ersten Dandy oder öffentlichen Ausrufer stolpert, laßt Euch das nicht irren. Denn Ihr seid mittlerweile große und mächtige Menschen geworden, Euer Geist gleicht einem Eichbaum, den wundertätige" (!) "Säfte ernährten;
was Ihr anseht, das enthüllt Euch seine geheimsten Schwächen; Ihr dringt als erschaffne Geister dennoch ins Innre der Natur; Euer Blick ist tötend, Euer Wort versetzt Berge, Eure Dialektik ist schärfer als die schärfste Guillotine. Ihr Stellt Euch ans Hotel de Ville - und die Bourgeoisie ist gewesen, Ihr tretet ans Palais Bourbon - und es zerfällt, seine ganze Deputiertenkammer löst sich in das nihilum album <graue Nichts> auf, Guizot verschwindet, Ludwig Philipp erblaßt zum geschichtlichen Schemen, und aus all diesen zugrunde gegangnen Momenten erhebt sich siegesstolz die absolute Idee der freien Gesellschaft. Ohne Scherz, den Hegel könnt Ihr nur bezwingen, wenn Ihr selbst vorher Hegel werdet. Wie ich schon oben sagte: Moors Geliebte kann nur durch Moor sterben." p. 115, 116.
Der belletristische Duft, der diese Sätze des wahren Sozialismus umgibt, wird Jedermann in die Nase steigen. Herr Grün, wie alle wahren Sozialisten, vergißt nicht, das alte Geschwätz von der Oberflächlichkeit der Franzosen wieder vorzubringen:
"Bin ich doch dazu verdammt, den französischen Geist jedesmal, wenn ich ihn in der Nähe habe, ungenügend und oberflächlich zu finden." p. 371.
Herr Grün verheimlicht es uns nicht, daß sein Buch dazu bestimmt ist, den deutschen Sozialismus als die Kritik des französischen zu verherrlichen:
"Der Pöbel der deutschen Tagesliteratur hat unsren sozialistischen Bestrebungen nachgesagt, sie seien die Nachahmung französischer Verkehrtheiten. Es hat bis jetzt Niemand der Mühe wert gehalten, nur eine Silbe darauf zu erwidern. Dieser Pöbel muß sich schämen - besitzt er anders noch Schamgefühl -, wenn er dieses Buch liest. Das hat er sich wohl nicht träumen lassen, daß der deutsche Sozialismus die Kritik des französischen ist, daß er, weit entfernt, die Franzosen für Erfinder des neuen Contrat social <Gesellschaftsvertrag> zu halten, vielmehr die Forderung an sie stellt, sich erst durch die deutsche Wissenschaft zu ergänzen? In diesem Augenblick wird hier in Paris die Herausgabe einer Übersetzung von Feuerbachs 'Wesen des Christenthums' veranstaltet. Wohl bekomme den Franzosen die deutsche Schule! Was auch aus der ökonomischen Lage des Landes, aus der Konstellation der hiesigen Politik entstehe, zu einem menschlichen Leben in der Zukunft befähigt einzig die humanistische Weltanschauung. Das unpolitische, verworfne Volk der Deutschen, dies Volk, welches gar kein Volk ist, wird den Eckstein gelegt haben zum Bau der Zukunft." p. 353.
Allerdings, "was aus der ökonomischen Lage und der Konstellation der Politik" in einem Lande "entsteht", braucht ein wahrer Sozialist bei seinem vertrauten Umgange mit dem "Wesen des Menschen" nicht zu wissen.
Herr Grün als Apostel des wahren Sozialismus begnügt sich nicht damit, gleich seinen Mitaposteln der Unwissenheit andrer Völker die Allwissenheit der Deutschen stolz entgegenzuhalten. Er nimmt seine alte Literatenpraxis
zu Hülfe, er drängt sich den Repräsentanten der verschiedenen sozialistischen, demokratischen und kommunistischen Parteien in der verrufensten Weltfahrer-Manier auf, und nachdem er sie von allen Seiten beschnüffelt hat, tritt er ihnen als Apostel des wahren Sozialismus entgegen. Er hat sie nur noch zu belehren, ihnen die tiefsten Aufschlüsse über das freie Menschentum mitzuteilen. Die Überlegenheit des wahren Sozialismus über die Parteien Frankreichs verwandelt sich hier in die persönliche Überlegenheit des Herrn Grün gegenüber den Repräsentanten dieser Parteien. Schließlich bietet dies dann auch Gelegenheit, nicht nur die französischen Parteichefs als Piedestal des Herrn Grün dienen zu lassen, sondern auch noch eine Masse von Klatschereien anzubringen und so den deutschen Kleinstädter für die Anstrengung zu entschädigen, die ihm die inhaltvolleren Sätze des wahren Sozialismus verursacht haben.
"Kats verzog sein ganzes Gesicht zu einer plebejischen Heiterkeit, als ich ihm meine hohe Zufriedenheit mit seiner Rede bezeugte." p. 50.
Herr Grün erteilt Kats auch sogleich Unterricht über den französischen Terrorismus und "war so glücklich, meinem neuen Freunde Beifall abzugewinnen". p. 51.
Ganz anders bedeutsam wirkt er auf Proudhon:
"Ich hatte das unendliche Vergnügen, gewissermaßen der Privatdozent des Mannes zu werden, dessen Scharfsinn vielleicht seit Leasing und Kant nicht überboten wurde." p. 404.
Luis Blanc ist nur "sein schwarz Jüngelchen". p. 314.
"Er frug sehr wißbegierig, aber zugleich sehr unwissend, nach unsren Zuständen, Wir Deutsche kennen" (?) "die französischen fast so gut wie die Franzosen selbst; wenigstens studieren" (?) "wir sie." p. 315.
Und über den "Papa Cabet" erfahren wir, daß er "borniert" ist. p. 382. Herr Grün legt ihm "Fragen" vor, von denen Cabet
"gestand, daß er sie nicht gerade approfondiert hätte. Das hatte ich" (Grün) "längst gemerkt. und da hörte natürlich Alles auf, um so mehr, als mir einfiel, daß Cabets Mission eine längst in sich abgeschlossene sei." p. 381.
Wir werden später sehen, wie Herr Grün dem Cabet eine neue "Mission" zu geben gewußt hat.
Wir heben zunächst das Schema und die paar überkommenen allgemeinen Gedanken hervor, die das Gerippe des Grünschen Buches bilden. Beides ist abgeschrieben von Heß, den Herr Grün überhaupt auf die großartigste Weise paraphrasiert. Sachen, die schon bei Heß ganz unbestimmt und
mystisch sind, die aber im Anfange - in den "Einundzwanzig Bogen" - anzuerkennen waren und nur durch ihre ewige Wiederaufdrängung im "Bürgerbuch", den "Neuen Anekdotis" und den "Rheinischen Jahrbüchern" zu einer Zeit, wo sie bereits antiquiert waren, langweilig und reaktionär geworden sind - diese Sachen werden bei Herrn Grün vollends Unsinn.
Heß synthetisiert die Entwicklung des französischen Sozialismus mit der Entwicklung der deutschen Philosophie - Saint-Simon mit Schelling, Fourier mit Hegel, Proudhon mit Feuerbach. Vgl. z.B. "Einundzw[anzig] Bogen", p. 78, 79, 326, 327, "Neue Anekd[ota]". p. 194, 195, 196, 202 seqq. (Parallele zwischen Feuerbach und Proudhon. Z.B. Heß: "Feuerbach ist der deutsche Proudhon" pp., "N[eue] A[nekdota]", p. 202. Grün: "Proudhon ist der französische Feuerbach", p. 404.) - Dieser Schematismus mit der Ausführung, die Heß ihm gibt, bildet den ganzen inneren Zusammenhang des Grünschen Buchs. Nur daß Herr Grün nicht verfehlt, die Heßschcn Sätze belletristisch anzustreichen. Ja selbst offenbare Schnitzer von Heß, z.B. daß theoretische Entwicklungen den "sozialen Hintergrund" und die "theoretische Basis" praktischer Bewegungen bilden (z.B. "N. An.", p. 192), schreibt Herr Grün getreulichst nach. (Z.B. Grün, p. 264: "Der soziale Hintergrund, den die politische Frage des achtzehnten Jahrhunderts hatte ... war das gleichzeitige Produkt beider philosophischen Richtungen" - der Sensualisten und Deisten.) Ebenso die Meinung, man brauche Feuerbach nur praktisch zu machen, ihn nur aufs soziale Leben anzuwenden, um die vollständige Kritik der bestehenden Gesellschaft zu geben. Nimmt man noch die sonstige Kritik des französischen Kommunismus und Sozialismus durch Heß hinzu, z.B. daß "Fourier, Proudhon pp. nicht über die Kategorie der Lohnarbeit hinausgekommen sind", "Bürgerbuch", p. 40 u.a., daß "Fourier die Welt mit neuen Assoziationen des Egoismus beglücken möchte", "N. Anekd.", p. 196, daß "selbst die radikalen franz[ösischen] Kommunisten noch nicht über den Gegensatz von Arbeit und Genuß hinaus sind, sich noch nicht zu der Einheit von Produktion und Konsumtion pp. erhoben haben", "Bürgerb[uch]", p. 43, daß "die Anarchie die Negation des Begriffs der politischen Herrschaft ist", "Einundzwanzig Bogen", p. 77 ppp., so hat man die ganze Kritik der Franzosen durch Herrn Grün in der Tasche, ebensogut wie Herr Grün sie bereits in der Tasche hatte, ehe er nach Paris ging. Außer dem Obengenannten erleichtern dann noch einige in Deutschland traditionell zirkulierende Phrasen über Religion, Politik, Nationalität, menschlich und unmenschlich ppp., Phrasen, die von den Philosophen auf die wahren Sozialisten übergegangen sind, Herrn Grün den Rechnungsabschluß mit den französischen Sozialisten und Kommunisten. Er hat nur überall nach "dem Menschen" und dem
Worte menschlich zu suchen und zu verdammen, wo er dies nicht findet. Z.B.: "Du bist politisch, Du bist borniert", p. 283. In ähnlicher Weise kann Herr Grün dann ausrufen: Du bist national, religiös, nationalökonomisch, Du hast einen Gott - Du bist nicht menschlich, Du bist borniert, wie er dies im ganzen Buche tut. Womit natürlich Politik, Nationalität, Religion pp. gründlich kritisiert und zugleich die Eigentümlichkeit der gerade kritisierten Schriftsteller und ihr Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Entwicklung hinreichend beleuchtet sind.
Man sieht schon hieraus, daß das Grünsche Machwerk weit unter dem Buche von Stein steht, der wenigstens versuchte, den Zusammenhang der sozialistischen Literatur mit der wirklichen Entwicklung der französischen Gesellschaft darzustellen. Es bedarf indes kaum der Erwähnung, daß Herr Grün sowohl im vorliegenden Buche wie in den "Neuen Anekdotis" mit der größten Vornehmheit auf seinen Vorgänger herabsieht.
Aber hat Herr Grün wenigstens die ihm von Heß und Andern überlieferten Sachen richtig kopiert? Hat er innerhalb seines höchst unkritisch auf Treu und Glauben angenommenen Schemas wenigstens das nötige Material niedergelegt, hat er eine richtige und vollständige Darstellung der einzelnen sozialistischen Schriftsteller nach den Quellen gegeben? Dies sind doch wahrlich die niedrigsten Forderungen, die man an den Mann stellen kann, von dem Nordamerikaner und Franzosen, Engländer und Belgier zu lernen haben, der der Privatdozent Proudhons war und jeden Augenblick auf die deutsche Gründlichkeit gegenüber den oberflächlichen Franzosen pocht
Von der ganzen saint-simonistischen Literatur hat Herr Grün kein einziges Buch in der Hand gehabt. Seine Hauptquellen sind: vor Allem der vielverachtete Lorenz Stein, ferner die Hauptquelle Steins, L. Reybaud (wofür er p. 260 an Herrn Reybaud ein Exempel statuieren will und ihn einen Philister nennt; er stellt sich auf derselben Seite, als sei ihm Reybaud erst lange, nachdem er die Saint-Simonisten abgefertigt, ganz zufällig in die Hände geraten) und stellenweise L. Blanc. Wir werden den Beweis ganz direkt liefern.
Vergleichen wir zuerst, was Herr Grün über das Leben Saint-Simons selbst sagt.
Die Hauptquellen für das Leben Saint-Simons sind die Fragmente seiner Selbstbiographie in den Œuvres de Saint-Simon, publiziert von Olinde Rodrigues, und dem "Organisateur" vom 19. Mai 1830. Wir haben hier also sämtliche Aktenstücke vor uns: 1. die Originalquellen, 2. Reybaud, der sie auszog, 3. Stein, der Reybaud benutzte, 4. die belletristische Ausgabe von Herrn Grün.
Herr Grün:
"Saint-Simon kämpft den Befreiungskampf der Amerikaner mit, ohne ein besondres Interesse am Kriege selbst zu haben; es fällt ihm ein, man könne die beiden großen Weltmeere verbinden." p. 84.
Stein, p. 143:
"Zuerst trat er in den militärischen Dienst ... und ging mit Bouillé nach Amerika ... In diesem Krieg, dessen Bedeutung er übrigens wohl begriff ... der Krieg als solcher, sagte er, interessierte mich nicht, nur der Zweck dieses Kriegs etc." ... "Nachdem er vergebens versucht, den Vizekönig von Mexiko für einen großen Kanalbau zur Verbindung der beiden Weltmeere zu interessieren."
Reybaud, p. 77:
"Soldat de l'indépendance américaine, il servait sous Washington ... la guerre, en elle-même, ne m'intéressait pas, dit-il; mais le seul but de la guerre m'intéressait vivement, et cet intérêt m'en faisait supporter les travaux sans répugnance."
<"Als Soldat der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung diente er unter Washington ... der Krieg selbst interessierte mich nicht, sagte er, sondern einzig der Zweck des Krieges interessierte mich lebhaft, und dieses Interesse ließ mich seine Beschwernisse ohne Widerwillen ertragen.>
Herr Grün schreibt nur ab, daß Saint-Simon "kein besondres Interesse am Kriege selbst" hatte, läßt aber die Pointe aus, nämlich sein Interesse für den Zweck dieses Kriegs.
Herr Grün läßt ferner weg, daß Saint-Simon seinen Plan beim Vizekönig habe durchsetzen wollen, und reduziert ihn dadurch auf einen bloßen "Einfall". Er läßt ebenfalls fort, weil Stein dies nur durch die Jahreszahl andeutet, daß Saint-Simon dies erst "à la paix" <"im Frieden"> tat.
Herr Grün fährt unmittelbar fort:
"Später" (wann?) "entwirft er den Plan zu einer französisch-holländischen Expedition nach dem englischen Indien." (ibid).
Stein:
"Er reiste 1785 nach Holland, um eine vereinigte französisch-holländische Expedition gegen die englischen Kolonien in Indien zu entwerfen." p.143.
Stein erzählt hier falsch und Grün kopiert getreu. Nach Saint-Simon selbst hatte der Herzog von La Vauguyon die Generalstaaten bestimmt, eine vereinigte Expedition mit Frankreich nach den englischen Kolonien in Indien zu unternehmen. Von sich selbst sagt er nur, daß er, "während eines Jahres die Ausführung dieses Plans betrieben" (poursuivi) habe.
Herr Grün:
"In Spanien will er einen Kanal von Madrid ins Meer graben." (ibid.)
Saint-Simon will einen Kanal graben, welcher Unsinn! Vorhin fiel ihm ein, jetzt will er. Grün verfälscht hier das Faktum, nicht weil er, wie oben, den Stein zu getreu, sondern weil er ihn zu oberflächlich abschreibt.
Stein, p. 44:
"1786 nach Frankreich zurückgekehrt, ging er schon im folgenden Jahr nach Spanien, um dem Gouvernement einen Plan zur Vollendung eines Kanals von Madrid bis zum Meere vorzulegen."
Herr Grün konnte bei raschem Lesen sich seinen obigen Satz aus dem Steinschen abstrahieren, weil es bei Stein wenigstens den Schein hat, als sei der Bauplan und die Idee des ganzen Projekts von Saint-Simon ausgegangen, während dieser nur einen Plan zur Beseitigung der bei dem längst begonnenen Kanalbau eingetretenen finanziellen Schwierigkeiten entwarf.
Reybaud:
"Six ans plus tard il proposa au gouvernement espagnol un plan de canal qui devait établir une ligne navigable de Madrid à la mer." p.78.
<"Sechs Jahre später unterbreitete er der spanischen Regierung den Plan eines Kanals, der eine schiffbare Verbindung zwischen Madrid und dem Meer herstellen sollte.">
Derselbe Irrtum wie bei Stein.
Saint-Simon, p. XVII:
"Le gouvernement espagnol avait entrepris un canal qui devait faire communiquer Madrid à la mer; cette entreprise languissait parce que ce gouvernement manquait d'ouvriers et d'argent; je me concertait avec M. le comte de Gabarrus, aujourd'hui ministre des finances, et nous présentâmes au gouvernement le projet suivant" etc.
<"Die spanische Regierung hatte den Bau eines Kanals unternommen, der Madrid mit dem Meere verbinden sollte; dieses Unternehmen stockte, weil es der Regierung an Arbeitern und Geld fehlte, ich verständigte mich mit dem Grafen Cabarrus, dem heutigen Finanzminister, und wir legten der Regierung folgendes Projekt vor" usw.>
Herr Grün:
"In Frankreich spekuliert er auf Nationalgüter."
Stein schildert erst Saint-Simons Stellung während der Revolution und kommt dann auf seine Spekulation in Nationalgütern, p. 144 seqq. Woher aber Herr Grün den unsinnigen Ausdruck hat: "auf Nationalgüter spekulieren", statt in Nationalgütern, auch hierüber können wir dem Leser durch Vorlage des Originals Aufklärung geben:
Reybaud, p. 78:
"Revenu à Paris, il tourna son activité vers des spéculations, et trafiqua sur les domaines nationaux."
<"Nach Paris zurückgekehrt, wandte er seine Tätigkeit Spekulationen zu und spekulierte in Nationalgütern." (sur ist in den meisten anderen Verbindungen mit auf zu übersetzen.)>
Herr Grün stellt seinen obigen Satz ohne alle Motivierung hin. Man erfährt gar nicht, weshalb Saint-Simon in Nationalgütern spekulierte und weshalb dies an sich triviale Faktum von Bedeutung in seinem Leben ist. Herr Grün findet nämlich überflüssig, aus Stein und Reybaud abzuschreiben, daß Saint-Simon eine wissenschaftliche Schule und ein großes industrielles Etablissement als Experimente gründen und sich das dazu nötige Kapital durch diese Spekulationen verschaffen wollte. Saint-Simon motiviert selbst seine Spekulationen hierdurch. (Œuvres, p. XIX.)
Herr Grün:
"Er heiratet, um die Wissenschaft bewirten zu können, um das Leben der Menschen zu erproben, um sie psychologisch auszusaugen." (ibid.)
Herr Grün überspringt hier plötzlich eine der wichtigsten Perioden Saint-Simons, die seiner naturwissenschaftlichen Studien und Reisen. Was heißt das, heiraten, um die Wissenschaft zu bewirten, heiraten, um die Menschen (die man nicht heiratet) psychologisch auszusaugen pp.? Die ganze Sache ist die: Saint-Simon heiratete, um Salons halten und dort unter Andern auch die Gelehrten studieren zu können.
Stein drückt dies so aus, p. 149:
"Er verheiratet sich 1801 ... Ich habe die Ehe benutzt, um die Gelehrten zu studieren." (Vgl. Saint-Simon. p. 23.)
Jetzt, durch Vergleichung des Originals, wird Herrn Grüns Unsinn verständlich und erklärlich.
Das "psychologische Aussaugen der Menschen" reduziert sich bei Stein und Saint-Simon selbst auf die Beobachtung der Gelehrten im gesellschaftlichen Leben. Saint-Simon wollte, ganz im Zusammenhange mit seiner sozialistischen Grundansicht, den Einfluß der Wissenschaft auf die Persönlichkeit der Gelehrten und auf ihr Verhalten im gewöhnlichen Leben
kennenlernen. Bei Herrn Grün verwandelt sich dies in einen sinnlosen, unbestimmten, romanhaften Einfall.
Herr Grün:
"Er wird arm" (wie, wodurch?), "kopiert in einem Lombard für tausend Franken Jahrgehalt - er, der Graf, der Sprößling Karls des Großen; dann" (wann und warum?) lebt er von der Gnade eines ehemaligen Dieners; später" (wann und warum?) "versucht er sich zu erschießen, wird gerettet und beginnt ein neues Leben des Studiums und der Propaganda. Jetzt erst schreibt er seine beiden Hauptwerke."
"Er wird" - "dann" - "später - "Jetzt" sollen bei Herrn Grün die Chronologie und den Zusammenhang der einzelnen Lebensmomente Saint-Simons ersetzen.
Stein, p. 156,157:
"Dazu kam ein neuer und furchtbarer Feind, die allmählich immer drückender werdende äußere Not ... Nach sechs Monaten peinlichen Harrens wird ... ihm eine Stelle -" (auch den Gedankenstrich hat Herr Grün von Stein, nur daß er so pfiffig war, ihn hinter den Lombard zu stellen) "als Kopist im Lombard" (nicht, wie Herr Grün pfiffigerweise ändert, in einem Lombard", da es bekanntlich in Paris nur den einen, öffentlichen Lombard gibt) mit tausend Franken Jahrgehalt. Wunderbarer Glückswechsel jener Zeiten! Der Enkel des berühmten Höflings an Ludwigs XIV. Hofe, der Erbe einer Herzogskrone, eines mächtigen Vermögens, ein geborner Pair von Frankreich und Grande von Spanien, Kopist in einem Lombard!"
Hier erklärt sich Herrn Grüns Versehen mit dem Lombard; hier, bei Stein, ist der Ausdruck am Orte. Um sich auch sonst noch von Stein zu unterscheiden, nennt Herr Grün Saint-Simon nur "Graf" und "Sprößling Karls des Großen". Letzteres hat er von Stein p. 142, Reybaud p. 77, die indes so klug sind, zu sagen, Saint-Simon leite sich selbst von Karl dem Grollen her. Statt der positiven Fakta Steins, die allerdings unter der Restauration die Armut Saint-Simons auffallend machen, erfahren wir bei Herrn Grün nur seine Verwunderung darüber, daß ein Graf und angeblicher Sprößling Karls des Großen überhaupt herunterkommen kann.
Stein:
"Zwei Jahre lebte er noch" (nach dem Selbstmordsversuch) ,und wirkte in ihnen vielleicht mehr als in ebensoviel Jahrzehnten seines früheren Lebens. Der 'Catéchisme des industriels' ward vollendet" (Herr Grün verwandelt dies Vollenden eines längst vorbereiteten Werks in: "Jetzt erst schrieb er" pp.) "und der 'Nouveau christianisme' pp.", p. 164, 165.
p. 169 nennt Stein diese beiden Schriften "die beiden Hauptwerke seine, Lebens".
Herr Grün hat also nicht nur die Irrtümer Steins kopiert, sondern auch aus unbestimmt gehaltenen Stellen Steins neue fabriziert. Um seine Abschreiberei zu verdecken, nimmt er nur die hervorspringendsten Fakta heraus, raubt ihnen aber ihren Charakter als Fakta, indem er sie sowohl aus dem chronologischen Zusammenhange wie aus ihrer ganzen Motivierung reißt und selbst die allernotwendigsten Mittelglieder ausläßt. Was wir nämlich oben gegeben haben, ist buchstäblich Alles, was Herr Grün von Saint-Simons Leben berichtet. In dieser Darstellung wird das bewegte, tätige Leben Saint-Simons in eine Reihe von Einfällen und Ereignissen verwandelt, die weniger Interesse darbieten als das Leben des ersten besten gleichzeitigen Bauern oder Spekulanten in einer bewegten Provinz Frankreichs. Und dann, nachdem er diese biographische Sudelei hingeworfen hat, ruft er aus: "Dieses ganze, echt zivilisierte Leben!" Ja er scheut sich nicht, p. 85 zu sagen: "Saint-Simons Leben ist der Spiegel des Saint-Simonismus selbst -" als wenn dies Grünsche "Leben" Saint-Simons der Spiegel von irgend etwas wäre, außer von Herrn Grüns Art der Buchmacherei "selbst".
Wir haben uns bei dieser Biographie länger aufgehalten, weil sie ein klassisches Exempel von der Art und Weise liefert, in der Herr Grün die französischen Sozialisten gründlich behandelt. Wie er hier schon scheinbar nonchalant hinwirft, ausläßt, verfälscht, transponiert, um seine Abschreiberei zu verbergen, so werden wir später sehen, daß Herr Grün auch fernerhin alle Symptome eines innerlich beunruhigten Plagiarius entwickelt: künstliche Unordnung, um die Vergleichung zu erschweren, Auslassung von Sätzen und Worten, die er wegen Unkenntnis der Originale nicht recht versteht, aus den Zitaten seiner Vorgänger, Dichtung und Ausschmückung durch unbestimmte Phrasen, perfide Ausfälle auf die Leute, die er gerade kopiert. Ja Herr Grün ist so übereilt und hastig in seiner Abschreiberei, daß er sich oft auf Sachen beruft, von denen er dem Leser nie gesprochen, die er aber als Leser Steins im Kopfe mit sich herumträgt.
Wir gehn jetzt auf die Grünsche Darstellung der Doktrin Saint-Simons über.
1."Lettres d'un habitant de Genève à ses contemporains"
Herr[n] Grün wurde aus Stein nicht recht klar, in welchem Zusammenhange der in der eben zitierten Schrift gegebene Plan zur Unterstützung der Gelehrten mit dem phantastischen Anhange der Broschüre steht. Er spricht
von dieser Schrift, als wenn es sich in ihr hauptsächlich um eine neue Organisation der Gesellschaft handle, und schließt wie folgt:
"Die geistliche Macht in den Händen der Gelehrten, die weltliche Macht in den Händen der Eigentümer, die Wahl für Alle." p. 85. Vgl. Stein, p. 151, Reybaud, p. 83.
Den Satz "le pouvoir de nommer les individus appelés à remplir les fonctions des chefs de l'humanité entre les mains de tout le monde" <"die Macht zur Ernennung der Individuen, die berufen sind, die Funktionen der Führer der Menschheit auszuüben, in den Händen von jedermann">, den Reybaud aus Saint-Simon (p. 47) zitiert und Stein höchst unbeholfen übersetzt - diesen Satz reduziert Herr Grün auf "die Wahl für Alle", wodurch er allen Sinn verliert. Bei Saint-Simon ist von der Wahl des Newtonschen Rats die Rede, bei Herrn Grün handelt es sich von der Wahl überhaupt.
Nachdem Herr Grün durch vier oder fünf von Stein und Reybaud abgeschriebne Sätze längst mit den "Lettres pp." fertig geworden ist und schon vom "Nouveau christianisme" gesprochen hat, kehrt er plötzlich zu ihnen zurück.
"Aber die abstrakte Wissenschaft tut's freilich nicht." (Noch viel weniger die konkrete Unwissenheit, wie wir sehen.) "Vom Standpunkt der abstrakten Wissenschaft waren ja die 'Eigentümer' und 'Jedermann' noch auseinandergefallen." p. 87.
Herr Grün vergißt, daß er bisher nur von "der Wahl für alle", nicht von "Jedermann" gesprochen hat. Aber bei Stein und Reybaud findet er "tout le monde" und setzt daher "Jedermann" in Anführungszeichen. Er vergißt ferner, daß er den folgenden Satz Steins, wodurch das "ja" in seinem eignen Satze motiviert wird, nicht mitgeteilt hat:
"Es treten ihm" (Saint-Simon) "neben den Weisen oder Wissenden die propriétaires <Eigentümer> und tout le monde auseinander. Zwar sind Beide noch ohne eigentliche Grenze im Verhältnis zueinander ... dennoch liegt schon in jenem vagen Bilde der tout le monde der Keim der Klasse verborgen, die zu begreifen und zu heben die spätere Grundtendenz seiner Theorie ward, der classe la plus nombreuse et la plus pauvre <zahlreichsten und ärmsten Klasse> wie in der Wirklichkeit dieser Teil des Volkes damals nur potentiell da war." p. 154.
Stein hebt hervor, daß Saint-Simon zwischen propriétaires und tout le monde schon einen Unterschied, aber noch einen sehr unbestimmten macht. Herr Grün verdreht dies dahin, daß Saint-Simon den Unterschied überhaupt noch macht. Dies ist natürlich ein großes Versehen von Saint-Simon und nur dadurch zu erklären, daß er in den "Lettres" auf dem Standpunkte der abstrakten Wissenschaft sich befindet. Leider aber spricht Saint-Simon an der fraglichen Stelle gar nicht, wie Herr Grün meint, von Unterschieden
in einer zukünftigen Gesellschaftsordnung. Er adressiert sich wegen einer Subskription an die ganze Menschheit, die ihm, wie er sie vorfindet, in drei Klassen geteilt erscheint: in drei Klassen, die nicht, wie Stein glaubt, savants <gelehrte>, propriétaires und tout le monde sind, sondern 1. die savants und artistes <Künstler> und alle Leute mit liberalen Ideen, 2. die Gegner der Neuerung, d.h. die propriétaires, sofern sie sich nicht der ersten Klasse anschließen, 3. das surplus de l'humanité qui se rallie au mot: Égalité <Der Rest der Menschheit, der sich bei der Parole Gleichheit versammelt>. Diese drei Klassen bilden tout le monde. Vgl. Saint-Simon, "Lettres", p. 21, 22. Da Saint-Simon übrigens an einer späteren Stelle sagt, er halte seine Verteilung der Gewalt für vorteilhaft für alle Klassen, so entspricht in der Stelle, wo er von dieser Verteilung spricht, p. 47, tout le monde offenbar dem surplus, das sich bei der Parole Gleichheit ralliiert, ohne indes die andern Klassen auszuschließen. Stein hat also in der Hauptsache das Richtige getroffen, obwohl er die Stelle p. 21, 22 nicht berücksichtigt, und Herr Grün, der das Original gar nicht kennt, klammert sich an das unbedeutende Versehen Steins, um aus seinem Räsonnement sich baren Unsinn zu abstrahieren.
Wir erhalten sogleich ein noch frappanteres Beispiel. p. 94, wo Herr Grün gar nicht mehr von Saint-Simon, sondern von seiner Schule spricht, erfahren wir unerwartet:
"Saint-Simon sagt in einem seiner Bücher die mysteriösen Worte: 'Die Frauen werden zugelassen werden, sie werden selbst ernannt werden können.' Aus diesem fast tauben Saatkorn ist der ganze ungeheure Spektakel der Emanzipation der Frauen entsprossen."
Allerdings, wenn Saint-Simon in einer beliebigen Schrift von einer Zulassung und Ernennung der Frauen, man weiß nicht wozu, gesprochen hat, so sind dies sehr "mysteriöse Worte". Dies Mysterium existiert aber nur für Herrn Grün. Das "eine der Bücher" Saint-Simons ist kein andres als die "Lettres d'un habitant de Genève". Nachdem Saint-Simon hier gesagt hat, daß jeder Mensch für den Newtonschen Rat oder dessen Abteilungen unterschreiben kann, fährt er fort: Les femmes seront admises à souscrire, elles pourront être nommées < Die Frauen werden zum Unterschreiben zugelassen werden, sie werden ernannt werden können.>. Natürlich, zu einer Stelle in diesem Rat oder seinen Abteilungen. Stein hat diese Stelle, wie sich gebührt, bei dem Buche selbst zitiert und macht dabei folgende Bemerkung:
Hier pp. "finden sich alle Spuren seiner späteren Ansicht und selbst seiner Schule im Keime wieder, und selbst der erste Gedanke einer Emanzipation der Frauen". p. 152.
Stein hebt auch richtig in einer Note hervor, daß Olinde Rodrigues diese Stelle in seiner Ausgabe von 1832 als einzige Belegstelle für die Frauenemanzipation bei Saint-Simon selbst aus polemischen Gründen groß drucken ließ. Grün, um seine Abschreiberei zu verbergen, versetzt diese Stelle von dem Buch, wohin sie gehört, in die Schule, macht den obigen Unsinn daraus, verwandelt Steins "Keim" in ein "Saatkorn" und bildet sich kindischerweise ein, die Lehre von der Emanzipation der Frauen sei aus dieser Stelle hervorgegangen.
Herr Grün riskiert eine Ansicht über einen Gegensatz, worin die "Briefe eines Bewohners von Genf" zum "Katechismus der Industriellen" stehen sollen und der darin besteht, daß im "Katechismus" das Recht der travailleurs geltend gemacht wird. Herr Grün mußte diesen Unterschied allerdings zwischen den ihm von Stein und Reybaud überlieferten "Lettres" und dem ebenso überlieferten "Catéchisme" entdecken. Hätte er den Saint-Simon selbst gelesen, so konnte er statt dieses Gegensatzes in den "Lettres" schon sein "Saatkorn" zu der unter Andern im "Catéchisme" weiter entwickelten Anschauung finden. Z.B.:
"Tous les hommes travailleront" <"Alle Menschen werden arbeiten müssen">, "Lettres", p. 60. "Si sa cervelle" (des Reichen) "ne sera pas propre au travail, il sera bien obligé de faire travailler ses bras; car Newton ne laissera sûrement pas sur cette planète ... des ouvriers volontairement inutiles dans l'atelier." <" Wenn sein Gehirn nicht zur Arbeit taugt, wird er mit den Händen arbeiten müssen; denn Newton wird auf diesem Planeten sicher keine Arbeiter dulden, die in der Werkstatt willentlich unnütz sind."> p. 64.
2. "Catéchisme politique des industriels"
Da Stein diese Schrift gewöhnlich als "Catéchisme des industriels" zitiert, so kennt Herr Grün keinen andern Titel. Die Angabe des richtigen Titels wenigstens wäre um so eher von Herrn Grün zu verlangen gewesen, als er da, wo er ex officio <von Amts wegen> von dieser Schrift spricht, ihr nur zehn Zeilen dediziert.
Nachdem Herr Grün aus Stein abgeschrieben hat; daß Saint-Simon in dieser Schrift der Arbeit die Herrschaft geben will, fährt er fort:
"Die Welt teilt sich für ihn jetzt in Müßiggänger und Industrielle." p. 85.
Herr Grün begeht hier ein Falsum. Er schiebt dem "Catéchisme" eine Unterscheidung unter, die er bei Stein viel später, bei Gelegenheit der saint-simonistischen Schule, vorfindet:
Stein, p. 206:
"Die Gesellschaft besteht gegenwärtig nur aus Müßiggängern und Arbeitern." (Enfantin.)
Statt dieser untergeschobenen Einteilung findet sich im "Catéchisme" die Einteilung in drei Klassen, die classes féodale, intermédiaire et industrielle <feudale, mittlere und industrielle Klasse>, auf die Herr Grün natürlich nicht eingehen konnte, ohne Stein abzuschreiben, da er den "Catéchisme" selbst nicht kannte.
Herr Grün wiederholt hierauf noch einmal, daß die Herrschaft der Arbeit der Inhalt des "Catéchisme" ist, und schließt dann seine Charakteristik dieser Schrift folgendermaßen:
"Wie der Republikanismus sagt: Alles für das Volk, Alles durch das Volk, so sagt Saint-Simon: Alles für die Industrie, Alles durch die Industrie." (ibid.)
Stein, p. 165:
"Da Alles durch die Industrie geschieht, so muß such Alles für sie geschehen."
Wie Stein richtig angibt (p. 160, Note), findet sich bereits auf der Schrift Saint-Simons "L'industrie" von 1817 das Motto: Tout par I'industrie, tout pour elle <Alles durch die Industrie, alles für sie>. Herrn Grüns Charakteristik des "Catéchisme" besteht also darin, daß er, außer dem obigen Falsum, das Motto einer viel früheren Schrift, die er gar nicht kennt, falsch zitiert.
Hiermit hat die deutsche Gründlichkeit den "Catéchisme politique des industriels" hinreichend kritisiert. Wir finden indes noch an andern sehr zerstreuten Stellen des Grünschen Sammelsuriums einzelne hieher gehörige Glossen. Herr Grün verteilt mit innerem Vergnügen über seine eigene Schlauheit die Sachen, die er bei Steins Charakteristik dieser Schrift zusammenfindet, und verarbeitet sie mit anerkennenswerter Courage:
Herr Grün, p. 87:
"Die freie Konkurrenz war ein unreiner, ein konfuser Begriff, ein Begriff, der in sich selbst eine neue Welt von Kampf und Unglück enthielt, den Kampf zwischen Kapital und Arbeit und das Unglück des kapitallosen Arbeiters. Saint-Simon reinigte den Begriff der Industrie, er reduzierte ihn auf den Begriff der Arbeiter, er formulierte die Rechte und Beschwerden des vierten Standes, des Proletariats. Er mußte das Erbrecht aufheben, weil es zum Unrecht am Arbeiter, am Industriellen wurde. Diese Bedeutung hat sein 'Katechismus der Industriellen'."
Herr Grün fand bei Stein, p. 169, bei Gelegenheit des "Catéchisme":
"Das ist mithin die wahre Bedeutung Saint-Simons, diesen Gegensatz" (von Bourgeoisie und peuple <Volk>) "als einen bestimmten vorausgesehen zu haben."
Dies das Original zu der "Bedeutung" des "Katechismus"' bei Herrn Grün.
Stein:
"Er" (Saint-Simon im "Catéchisme") "beginnt mit dem Begriff des industriellen Arbeiters.
Hieraus macht Herr Grün den kolossalen Unsinn, daß Saint-Simon, der die freie Konkurrenz als einen "unreinen Begriff" vorfand, "den Begriff der Industrie reinigte und ihn auf den Begriff der Arbeiter reduzierte". Daß der Begriff des Herrn Grün von der freien Konkurrenz und Industrie ein sehr "unreiner" und "konfuser" ist, zeigt er an allen Ecken.
Noch nicht zufrieden mit diesem Unsinn, wagt er die direkte Lüge, Saint-Simon habe die Aufhebung des Erbrechts verlangt.
Immer noch auf die Art gestützt, wie er den "Catéchisme" nach Stein versteht, sagt er p. 88:
"Saint-Simon hatte die Rechte des Proletariats festgesetzt, er hatte die neue Parole bereits ausgegeben: Die Industriellen, die Arbeiter sollen auf die erste Stufe der Macht erhoben werden. Das war einseitig, aber jeder Kampf führt die Einseitigkeit mit sich; wer nicht einseitig ist, kann nicht kämpfen."
Herr Grün mit seiner schönrednerischen Maxime von der Einseitigkeit begeht hier selbst die Einseitigkeit, den Stein dahin mißzuverstehen, Saint-Simon habe die eigentlichen Arbeiter, die Proletarier, "auf die erste Stufe der Macht erheben" wollen. Vgl. p. 102, wo über Michel Chevalier gesagt wird:
"M. Chevalier spricht noch mit sehr großer Teilnahme von den Industriellen ... aber dem Jünger sind die Industriellen nicht mehr die Proletarier, wie dem Meister; er faßt Kapitalist, Unternehmer und Arbeiter in einen Begriff zusammen, rechnet also die Müßiggänger mit zu einer Kategorie, die nur die ärmste und zahlreichste Klasse umfassen sollte."
Bei Saint-Simon gehören zu den industriellen außer den Arbeitern auch die fabricants, négociants <Fabrikanten, Kaufleute>, kurz, sämtliche industrielle Kapitalisten, an die er sich sogar vorzugsweise adressiert. Herr Grün konnte dies bereits auf der ersten Seite des "Catéchisme" finden. Man sieht aber, wie er, ohne die Schrift selbst je gesehen zu haben, nach dem Hörensagen belletristisch über sie phantasiert.
Bei seiner Besprechung des "Catéchisme" sagt Stein:
"Von ... kommt Saint-Simon zu einer Geschichte der Industrie in ihrem Verhältnis zur Staatsgewalt ... er ist der erste, der es zum Bewußtsein gebracht hat, daß in der
Wissenschaft der Industrie ein staatliches Moment verborgen liege ... es läßt sich nicht leugnen, daß ihm ein wesentlicher Anstoß gelungen ist. Denn erst seit ihm besitzt Frankreich eine Histoire de l'économie politique" pp., p. 165, 170.
Stein selbst ist im höchsten Grade konfus, wenn er von einem "staatlichen Moment" in "der Wissenschaft der Industrie" spricht. Er zeigt indes, daß er eine richtige Ahnung hatte, indem er hinzufügt, daß die Geschichte des Staats aufs genaueste zusammenhänge mit der Geschichte der Volkswirtschaft.
Sehen wir, wie Herr Grün später, da er von der saint-simonistischen Schule spricht, diesen Fetzen Steins sich aneignet.
"Saint-Simon hatte in seinem 'Katechismus der Industriellen' eine Geschichte der Industrie versucht, indem er das staatliche Element in ihr hervorhob. Der Meister selbst brach also die Bahn zur politischen Ökonomie." p. 99.
Herr Grün verwandelt "also" zunächst das "staatliche Moment" Steins in ein "staatliches Element" und macht es zu einer sinnlosen Phrase, indem er die näheren Data, die Stein gegeben hatte, wegläßt. Dieser "Stein, den die Bauleute verworfen haben", ist für Herrn Grün wirklich zum "Eckstein" seiner "Briefe und Studien" geworden. Zugleich aber auch zum Stein des Anstoßes. Aber noch mehr. Während Stein sagt, Saint-Simon habe durch Hervorhebung dieses staatlichen Moments in der Wissenschaft der Industrie die Bahn gebrochen zur Geschichte der politischen Ökonomie, läßt Herr Grün ihn die Bahn zur politischen Ökonomie selbst brechen. Herr Grün räsoniert etwa so: Ökonomie gab es bereits vor Saint-Simon; wie Stein erzählt, hob er das staatliche Moment in der Industrie hervor, machte also die Ökonomie staatlich - staatliche Ökonomie = politische Ökonomie, also brach Saint-Simon die Bahn zur politischen Ökonomie. Herr Grün verrät unleugbar einen sehr heitern Geist bei Bildung seiner Konjekturen.
Der Art, wie Herr Grün Saint-Simon die Bahn zur politischen Ökonomie brechen läßt, entspricht die Art, wie er ihn die Bahn zum wissenschaftlichen Sozialismus brechen läßt:
"Er" (der Saint-Simonismus) enthält ... den wissenschaftlichen Sozialismus, indem Saint-Simon sein ganzes Leben lang nach der neuen Wissenschaft suchte"! p. 82.
Herr Grün gibt in derselben glänzenden Weise wie bisher Auszüge aus den Auszügen von Stein und Reybaud mit belletristischer Ausschmückung und unbarmherziger Zerreißung der bei diesen zusammengehörigen Glieder.
Wir geben nur ein Beispiel, um zu zeigen, daß er auch diese Schrift nie in der Hand gehabt hat.
"Es galt für Saint-Simon, eine einheitliche Weltanschauung herstellen, wie sie für organische Geschichtsperioden paßt, die er ausdrücklich den kritischen gegenüberstellt. Seit Luther leben wir nach seiner Meinung in einer kritischen Periode, er gedachte den Anfang der neuen organischen Periode zu begründen. Daher das 'Neue Christentum'." p. 88.
Saint-Simon hat nie und nirgends die organischen Geschichtsperioden den kritischen gegenübergestellt. Herr Grün lügt dies geradezu. Erst Bazard machte diese Einteilung. Herr Grün fand bei Stein und Reybaud, daß im "Nouveau christianisme" Saint-Simon die Kritik Luthers anerkennt, aber seine positive, dogmatische Doktrin mangelhaft findet. Herr Grün wirft diesen Satz mit seinen Reminiszenzen aus ebendenselben Quellen über die saint-simonistische Schule zusammen und fabriziert daraus seine obige Behauptung.
Nachdem Herr Grün in der geschilderten Weise über Saint-Simons Leben und Werke mit einziger Benutzung von Stein und dessen Leitfaden Reybaud einige belletristische Phrasen gemacht hat, schließt er mit dem Ausruf:
"Und diesen Saint-Simon haben die Philister der Moral, Herr Reybaud und mit ihm die ganze Schar deutscher Nachschwätzer, in Schutz nehmen zu müssen geglaubt, indem sie mit ihrer gewöhnlichen Weisheit orakelten, ein solcher Mensch, ein solches Leben seien nicht nach gewöhnlichen Maßstäben zu messen! - Sagt doch, sind Eure Maßstäbe von Holz? Sprecht die Wahrheit, es soll uns lieb sein, wenn sie von recht festem Eichenstamm sind. Gebt sie her, wir wollen sie als ein kostbares Geschenk dankbar hinnehmen, wir wollen sie nicht verbrennen, behüte! Wir wollen den Rücken der Philister mit ihnen - messen." p. 89.
Durch solche belletristische burschikose Phrasen dokumentiert Herr Grün seine Überlegenheit über seine Vorbilder.
Da Herr Grün von den Saint-Simonisten geradesoviel gelesen hat wie von Saint-Simon selbst, nämlich Nichts, so hätte er wenigstens einen ordentlichen Auszug aus Stein und Reybaud machen, die chronologische Reihenfolge beobachten, den Verlauf im Zusammenhange erzählen, die nötigen Punkte erwähnen sollen. Statt dessen tut er, durch sein böses Gewissen verleitet, das Gegenteil, wirft möglichst durcheinander, läßt die allernotwendigsten Dinge aus und richtet eine Konfusion an, die noch größer ist als in seiner Darstellung von Saint-Simon. Wir müssen uns hier noch kürzer fassen,
da wir ein Buch schreiben müßten, so dick wie das des Herrn Grün, um jedes Plagiat und jeden Schnitzer hervorzuheben.
Über die Zeit vom Tode Saint-Simons bis zur Julirevolution, die Zeit, worin mit die bedeutendste theoretische Entwicklung des Saint-Simonismus fällt, erfahren wir nichts: Hiermit fällt sogleich der bedeutendste Teil des Saint-Simonismus, die Kritik der bestehenden Zustände, ganz fort für Herrn Grün. Es war in der Tat auch schwer, hierüber etwas zu sagen, ohne die Quellen selbst, namentlich die Journale, zu kennen.
Herr Grün eröffnet seinen Kursus über die Saint-Simonisten mit folgendem Satze:
"Jedem nach seiner Fähigkeit, jeder Fähigkeit nach ihren Werken, so heißt das praktische Dogma des Saint-Simonismus."
Wie Reybaud, p. 96, diesen Satz als Übergangspunkt von Saint-Simon zu den Saint-Simonisten darstellt, so Herr Grün, der fortfährt:
"Es entspringt unmittelbar aus dem letzten Worte Saint-Simons: allen Menschen die freiste Entwicklung ihrer Anlagen zu sichern."
Herr Grün wollte sich hier von Reybaud unterscheiden. Reybaud knüpft dieses "praktische Dogma" an den "Nouveau christianisme" an. Herr Grün hält dies für einen Einfall Reybauds und substituiert dem "Nouveau christianisme" ungeniert das letzte Wort Saint-Simons. Er wußte nicht, daß Reybaud nur einen wörtlichen Auszug aus der "Doctrine de Saint-Simon, Exposition, première année", p. 70, gab.
Herr Grün weiß sich nicht recht zu erklären, wie hier bei Reybaud, nach einigen Auszügen über die religiöse Hierarchie des Saint-Simonismus, das "praktische Dogma" plötzlich hereingeschneit kommt. Während dieser Satz erst im Zusammenhang mit den religiösen Ideen des "Nouveau christianisme" aufgefaßt auf eine neue Hierarchie hinweisen kann, während er ohne diese Ideen höchstens eine profane Klassifikation der Gesellschaft verlangt, bildet sich Herr Grün ein, aus diesem Satze allein folge die Hierarchie. Er sagt p. 91:
"Jedem nach seiner Fähigkeit, das heißt die katholische Hierarchie zum Gesetz der gesellschaftlichen Ordnung machen. Jeder Fähigkeit nach ihren Werken: das heißt auch noch die Werkstatt zur Sakristei, auch noch das ganze bürgerliche Leben in eine Domäne des Pfaffen verwandeln."
Bei Reybaud findet er nämlich im oben erwähnten Auszug aus der Exposition:
"L'église vraiment universelle va paraître ... l'église universelle gouverne le temporel comme le spirituel .... la science est sainte, l'industrie est sainte ... et tout bien
est bien d'église et toute profession est une fonction religieuse, un grade dans la hiérarchie sociale. - à chacun selon sa capacité, a chaque capacité selon ses æuvres."
<"Die wahrhaft allumfassende Kirche wird erscheinen ... die allumfassende Kirche regiert das Weltliche wie das Geistliche ... die Wissenschaft ist heilig, die Industrie ist heilig... und alles Gut ist Kirchengut, und jeder Beruf ist ein geistliches Amt, ein Grad in der sozialen Hierarchie. - Jedem nach seiner Fähigkeit, jeder Fähigkeit nach ihren Werken.">
Herr Grün hatte offenbar nur diese Stelle umzudrehen, nur die vorhergehenden Sätze in Folgerungen aus dem Schlußsatz zu verwandeln, um seinen ganz unbegreiflichen Satz herauszubringen.
"So wirr und kraus gestaltet sich" die Grünsche Widerspiegelung des Saint-Simonismus, daß er p. 90 erst aus dem "praktischen Dogma" ein "geistiges Proletariat", aus diesem geistigen Proletariat eine "Hierarchie der Geister" und aus dieser Hierarchie der Geister eine Spitze der Hierarchie hervorgehen läßt. Hätte er auch nur die Exposition gelesen, so würde er gesehen haben, wie die religiöse Anschauungsweise des "Nouveau christianisme" in Verbindung mit der Frage, wie denn die capacité festzustellen sei, die Notwendigkeit der Hierarchie und ihrer Spitze hereinbringt.
Mit dem Einen Satz "à chacun selon sa capacité, à chaque capacité selon ses æuvres" hat Herr Grün seine ganze Darstellung und Kritik der Exposition von 1828/29 abgeschlossen. Den "Producteur" und "Organisateur" erwähnt er außerdem kaum einmal. Er blättert in Reybaud und findet in dem Abschnitt "Dritte Epoche des Saint-Simonismus", p. 126, Stein, p. 205:
" ... et les jours suivants le Globe parut avec le sous-titre de Journal de la doctrine de Saint-Simon, laquelle était résumée ainsi sur la première page:
Religion
Science | Industrie |
Association universelle."
<" ... und in den folgenden Tagen erschien der 'Globe' mit dem Untertitel 'Zeitschrift für die Lehre Saint-Simons', welche auf der ersten Seite wie folgt zusammengefaßt wurde;
Religion
Wissenschaft | Industrie |
Allumfassende Vereinigung."
Herr Grün springt nun unmittelbar von dem obigen Satze ins Jahr 1831, indem er folgendermaßen Reybaud verarbeitet (p. 91):
"Die Saint-Simonisten stellten folgendes Schema ihres Systems auf, dessen Formulierung besonders das Werk Bazards war:
Religion
Wissenschaft | Industrie |
Allgemeine Association."
Herr Grün läßt drei Sätze fort, die ebenfalls auf dem Titel des "Globe" stehen und sich Alle auf praktische soziale Reformen beziehen. Sie finden sich sowohl bei Stein wie bei Reybaud. Er tut dies, um dies bloße Aushängeschild eines Journals in ein "Schema" des Systems verwandeln zu können. Er verschweigt, daß es auf dem Titel des "Globe" stand, und kann nun im verstümmelten Titel dieses Blattes den ganzen Saint-Simonismus durch die kluge Bemerkung kritisieren, daß die Religion obenan stehe. Er konnte übrigens bei Stein finden, daß im "Globe" dies keineswegs der Fall ist. Der "Globe" enthält, was Herr Grün freilich nicht wissen konnte, die ausführlichsten und wichtigsten Kritiken der bestehenden, besonders der ökonomischen Zustände
Woher Herr Grün die neue, aber wichtige Nachricht hat, daß die "Formulierung dieses Schemas" von vier Worten "besonders das Werk Bazards war", ist schwer zu sagen.
Vom Januar 1831 springt Herr Grün jetzt zurück zum Oktober 1830:
"Ein kurzes, aber umfassendes Glaubensbekenntnis adressierten die Saint-Simonisten in der Periode Bazard" (woher die?) "kurz nach der Julirevolution an die Deputiertenkammer, nachdem die Herren Dupin und Mauguin sie von der Tribüne herab bezichtigt hatten, Güter- und Weibergemeinschaft zu lehren."
Folgt nun diese Adresse, und macht Herr Grün darauf die Bemerkung:
"Wie vernünftig und gemessen ist das Alles noch. Bazard redigierte die Eingabe an die Kammer." p. 92-94.
Was zunächst diese Schlußbemerkung betrifft, so sagt Stein, p. 205:
"Seiner Form und Haltung nach stehen wir keinen Augenblick an, es" (dies Aktenstück) "mit Reybaud Bazard mehr zuzuschreiben als Enfantin."
Und Reybaud, p. 123:
"Aux formes, aux prétentions assez modérées de cet écrit il est facile de voir qu'il provenait plutôt de l'impulsion de M. Bazard que de celle de son collègue."
<"An den Formen, an den ziemlich gemäßigten Forderungen dieser Schrift sieht man leicht, daß sie eher dem Anstoß des Herrn Bazard als dem seines Kollegen entsprang.">
Herrn Grüns geniale Kühnheit verwandelt Reybauds Vermutung, daß Bazard eher als Enfantin den Anstoß zu dieser Adresse gab, in die Gewißheit, daß er sie ganz redigierte. Der Übergang zu diesem Aktenstück ist übersetzt aus Reybaud, p. 122:
"MM. Dupin et Mauguin signalèrent du haut de la tribune une secte qui prêchait la communauté des biens et la communauté des femmes."
<"Die Herren Dupin und Mauguin wiesen von der Tribüne herab auf eine Sekte hin, die Güter- und Weibergemeinschaft predigt.">
Nur läßt Herr Grün das von Reybaud gegebne Datum weg und sagt dafür: "kurz nach der Julirevolution". Die Chronologie paßt überhaupt nicht in die Art des Herrn Grün, sich von seinen Vorgängern zu emanzipieren. Von Stein unterscheidet er sich hier, indem er in den Text setzt, was bei Stein in einer Note steht, indem er den Eingangspassus der Adresse wegläßt, indem er fonds de production (produktives Kapital) mit "Grundvermögen" und classement social des individus (gesellschaftliche Klassifizierung der Individuen) mit "gesellschaftliche Ordnung der Einzelnen" übersetzt.
Folgen nun einige liederliche Notizen über die Geschichte der saint-simonistischen Schule, welche mit derselben künstlerischen Plastik aus Stein, Reybaud und L. Blanc zusammengewürfelt sind wie oben das Leben Saint-Simons. Wir überlassen dem Leser, diese im Buche selbst nachzusehen.
Wir haben dem Leser jetzt Alles mitgeteilt, was Herr Grün vom Saint-Simonismus in der Periode Bazard, d.h. seit dem Tode Saint-Simons bis zum ersten Schisma, zu sagen weiß. Er kann jetzt einen belletristisch-kritischen Trumpf ausspielen, indem er Bazard einen "schlechten Dialektiker" nennt und fortfährt:
"Aber so sind die Republikaner. Sie wissen nur zu sterben, Cato wie Bazard; wenn sie sich nicht erdolchen, lassen sie sich das Herz brechen." p. 95.
"Wenige Monate nach diesem Streite brach ihm" (Bazard) "das Herz." Stein, p. 210.
Wie richtig die Bemerkung des Herrn Grün ist, beweisen Republikaner wie Levasseur, Carnot, Barère, Billaud-Varennes, Buonarroti, Teste, d'Argenson etc. etc.
Folgen nun einige banale Phrasen über Enfantin, wo wir bloß auf folgende Entdeckung des Herrn Grün aufmerksam machen:
"Wird es an dieser geschichtlichen Erscheinung endlich klar, daß die Religion nichts ist als Sensualismus, daß der Materialismus kühn denselben Ursprung in Anspruch nehmen darf wie das heilige Dogma selbst?" p. 97.
Herr Grün blickt selbstgefällig um sich: "Hat wohl schon Jemand daran gedacht?" Er würde nie "daran gedacht" haben, wenn nicht schon die "Hallischen Jahrbücher" bei Gelegenheit der Romantiker "daran gedacht" hätten. Man hätte übrigens hoffen können, daß seit der Zeit Herr Grün weiter gedacht hätte.
Herr Grün weiß, wie wir gesehen haben, von der ganzen ökonomischen Kritik der Saint-Simonisten Nichts. Indessen benutzt er Enfantin, um auch über die ökonomischen Konsequenzen Saint-Simons, von denen er schon oben fabelte, ein Wort zu sagen. Er findet nämlich bei Reybaud, p. 129 seqq., und Stein, p. 206, Auszüge aus der "Politischen Ökonomie" Enfantins, ver-
fälscht aber auch hier, indem er die Aufhebung der Steuern auf die notwendigsten Lebensbedürfnisse, welche Reybaud und Stein nach Enfantin richtig als Konsequenz der Vorschläge über das Erbrecht darstellen, zu einer gleichgültigen, unabhängigen Maßregel neben diesen Vorschlägen macht. Er beweist auch darin seine Originalität, daß er die chronologische Ordnung verfälscht, zuerst vom Priester Enfantin und Ménilmontant und dann vom Ökonomen Enfantin spricht, während seine Vorgänger die Ökonomie Enfantins in der Periode Bazard gleichzeitig mit dem "Globe" behandeln, für den sie geschrieben wurde. Wenn er hier die Periode Bazard in die Periode Ménilmontant hereinzieht, so zieht er später, wo er von der Ökonomie und M. Chevalier spricht, wieder die Periode von Ménilmontant herein. Das "Livre nouveau" gibt ihm hiezu Gelegenheit, und wie gewöhnlich verwandelt er die Vermutung Reybauds, daß M. Chevalier der Verfasser dieser Schrift sei, in eine kategorische Behauptung.
Herr Grün hat jetzt den Saint-Simonismus "in seiner Gesamtheit" (p. 82) dargestellt. Er hat sein Versprechen gehalten, "ihn nicht in seine Literatur hinein kritisch zu verfolgen" (ibid.), und hat sich daher in eine ganz andere "Literatur", in Stein und Reybaud, höchst unkritisch verwickelt. Zum Ersatz gibt er uns einige Aufschlüsse über M. Chevaliers ökonomische Vorlesungen von 1841/42, wo er längst aufgehört hatte, Saint-Simonist zu sein. Herrn Grün lag nämlich, als er über den Saint-Simonismus schrieb, eine Kritik dieser Vorlesungen in der "Revue des deux Mondes" vor, die er in derselben Weise benutzen konnte wie bisher Stein und Reybaud. Wir geben nur eine Probe seiner kritischen Einsicht:
"Er behauptet darin, es würde nicht genug produziert. Das ist ein Wort, ganz würdig der alten ökonomischen Schule mit ihren verrosteten Einseitigkeiten ... Solange die politische Ökonomie nicht einsieht, daß die Produktion abhängig von der Konsumtion ist, solange kommt diese sogenannte Wissenschaft auf keinen grünen Zweig." p. 102.
Man sieht, wie Herr Grün mit den ihm vom wahren Sozialismus überlieferten Phrasen über Konsumtion und Produktion weit über jedes ökonomische Werk erhaben dasteht. Abgesehen davon, daß er in jedem Ökonomen finden kann, daß die Zufuhr auch von der Nachfrage, d.h. die Produktion von der Konsumtion abhängt, gibt es in Frankreich sogar eine eigne ökonomische Schule, die von Sismondi, die die Produktion in einer andern Weise von der Konsumtion abhängig machen will, als dies durch die freie Konkurrenz ohnehin der Fall ist, und die den entschiedensten Gegensatz bildet zu den von Herrn Grün angefeindeten Ökonomen. Wir werden Herrn Grün übrigens erst später mit dem ihm anvertrauten Pfunde, der Einheit von Produktion und Konsumtion, mit Erfolg wuchern sehen.
Herr Grün entschädigt den Leser für die durch seine dünnen, verfälschten und mit Phrasen adulterierten Auszüge aus Stein und Reybaud erregte Langeweile durch folgendes jungdeutsch sprühendes, humanistisch glühendes und sozialistisch blühendes Raketenfeuer:
"Der ganze Saint-Simonismus als soziales System war nichts weiter als ein Sprudelregen von Gedanken, den eine wohltätige Wolke über den Boden Frankreichs ausgoß" (früher p. 82, 83 eine "Lichtmasse, aber noch als Lichtchaos (!), "nicht als geordnete Helle" !!). "Er war ein Schaustück von der erschütterndsten und lustigsten Wirkung zugleich. Der Dichter starb noch vor der Aufführung, der eine Regisseur während der Vorstellung; die übrigen Regisseure und sämtliche Schauspieler legten ihre Kostüme ab, schlüpften in ihre bürgerlichen Kleider hinein, gingen heim und taten, als sei Nichts vorgefallen. Es war ein Schauspiel, ein interessantes, zuletzt etwas verwirrt, einige Akteure chargierten - das war Alles." p. 104.
Wie richtig hat Heine seine Nachkläffer beurteilt: "Ich habe Drachenzähne gesäet und Flöhe geerntet."
Außer einigen Übersetzungen über die Liebe aus den "Quatre mouvements" erfahren wir auch hier nichts, was nicht schon bei Stein vollständiger ist. Die Moral fertigt Herr Grün mit einem Satze ab, der schon lange vor Fourier von hundert anderen Schriftstellern gesagt war:
"Die Moral ist nach Fourier weiter nichts als der systematische Versuch, die Leidenschaften der Menschen zu unterdrücken." p. 147.
Die christliche Moral hat sich selbst nie anders definiert, Auf Fouriers Kritik der jetzigen Landwirtschaft und Industrie geht Herr Grün gar nicht ein und begnügt sich, zur Kritik des Handels einige allgemeine Setze aus der Einleitung ("Origine de l'économie politique et de la controverse mercantile", <"Ursprung der politischen Ökonomie und der Kontroverse über den Handel"> p. 332, 334 der "Quatre mouvements") zu einem Abschnitt der "Quatre mouvements" zu übersetzen. Folgen dann einige Auszüge aus den "Quatre mouvements" und einer aus dem "Traité de l'association" über die französische Revolution, nebst den schon aus Stein bekannten Tabellen über die Zivilisation. So wird der kritische Teil Fouriers, der wichtigste, auf 28 Seiten wörtlicher Übersetzungen, die sich mit sehr wenigen Ausnahmen auf das Allerallgemeinste und Abstrakteste beschränken und Wichtiges und Unwichtiges durcheinanderwerfen, mit der größten Oberflächlichkeit und Hast abgefertigt.
Herr Grün geht nun zur Darstellung des Fourierschen Systems über. Vollständigeres und Besseres liegt längst in der schon von Stein zitierten Schrift von Chouroa vor. Herr Grün hält es zwar für "unumgänglich nötig", tiefe Aufschlüsse über die Serien Fouriers zu geben, weiß aber zu diesem Behufe nichts Besseres zu tun, als wörtliche Zitate aus Fourier selbst zu übersetzen und später, wie wir sehen werden, einige belletristische Phrasen über die Zahl zu machen. Er denkt nicht daran, zu zeigen, wie Fourier auf die Serien kam und wie er und seine Schüler Serien konstruiert haben; er gibt nicht den geringsten Aufschluß über die innere Konstruktion dieser Serien. Derartige Konstruktionen, gerade wie die Hegelsche Methode, werden nur kritisiert, indem man aufzeigt, wie sie zu machen sind, und dadurch beweist, daß man Herr über sie ist.
Bei Herrn Grün tritt endlich ganz in den Hintergrund, was Stein wenigstens einigermaßen hervorhebt, der Gegensatz von travail répugnant <abstoßender Arbeit> und travail attrayant <anziehender Arbeit>.
Die Hauptsache bei dieser ganzen Darstellung ist die Kritik Fouriers durch Herrn Grün. Wir rufen dem Leser ins Gedächtnis zurück, was wir schon oben über die Quellen der Grünschen Kritik sagten, und werden nun an einigen Beispielen zeigen, wie Herr Grün die Sätze des wahren Sozialismus erst akzeptiert und dann übertreibt und verfälscht. Daß die Fouriersche Teilung zwischen Kapital, Talent und Arbeit einen prächtigen Stoff zu breiter Klugtuerei bietet, daß man hier über die Unmöglichkeit und Ungerechtigkeit der Teilung, über das Hereinkommen der Lohnarbeit usw. weitläuftiges Gerede machen kann, ohne diese Teilung aus dem wirklichen Verhältnis von Arbeit und Kapital zu kritisieren, bedarf keiner weiteren Erwähnung. Proudhon hat das vor Herrn Grün schon Alles unendlich besser gesagt, ohne damit den Kern der Frage auch nur berührt zu haben.
Die Kritik der Psychologie Fouriers schöpft Herr Grün, wie seine ganze Kritik, aus dem "Wesen des Menschen":
"Denn das menschliche Wesen ist Alles in Allem." p. 190.
"Fourier appelliert ebenfalls an dies menschliche Wesen, dessen inneres Gehäuse" (!) "er uns auf seine Weise in der Tafel der zwölf Leidenschaften enthüllt; auch er will, was alle redlichen und vernünftigen Köpfe wollen, das innere Wesen des Menschen zur Wirklichkeit, zur Praxis machen. Was drinnen ist, soll auch draußen sein, und so der Unterschied zwischen drinnen und draußen überhaupt aufgehoben werden. Die Geschichte der Menschheit wimmelt von Sozialisten, wenn wir sie an diesem Merkmale erkennen wollen ... es kommt bei Jedem nur darauf an, was er sich unter dem Wesen des Menschen denkt." p. 190.
Oder vielmehr, es kommt den wahren Sozialisten nur darauf an, Jedem Gedanken über das Wesen des Menschen unterzuschieben und die verschiedenen Stufen des Sozialismus in verschiedne Philosophien des Wesens des Menschen zu verwandeln. Diese ungeschichtliche Abstraktion verleitet hier Herrn Grün dazu, die Aufhebung alles Unterschiedes zwischen Innen und Außen zu proklamieren, eine Aufhebung, die sogar der Fortpflanzung des Wesens des Menschen ein Ende machen würde. Man sieht übrigens gar nicht ein, weshalb die Deutschen so erschrecklich mit ihrer Weisheit vom Wesen des Menschen renommieren, da ihre ganze Weisheit, die drei allgemeinen Eigenschaften, Verstand, Herz und Wille, bereits seit Aristoteles und den Stoikern ziemlich allgemein bekannt sind. Von diesem Standpunkt aus wirft Herr Grün Fourier vor, daß er den Menschen in zwölf Leidenschaften "zerklüftet".
"Von der Vollständigkeit dieser Tafel, psychologisch gesprochen, will ich gar nicht reden; ich halte sie für ungenügend - (wobei sich, "psychologisch gesprochen", das Publikum beruhigen mag). - "Weiß man etwa durch diese Zwölfzahl, was der Mensch ist? Noch keinen Augenblick. Fourier hätte ebensogut bloß die fünf Sensitiven nennen können; in ihnen liegt der ganze Mensch, wenn man sie erklärt, wenn man den menschlichen Inhalt derselben zu deuten versteht" (als wenn dieser "menschliche Inhalt" nicht ganz von der Stufe der Produktion und des Verkehrs der Menschen abhinge). "Ja, der Mensch liegt ganz allein in Einem Sinne, im Gefühle, er fühlt anders als das Tier" pp, p. 205.
Man sieht, wie Herr Grün, hier zum ersten Male im ganzen Buche, sich anstrengt, um vom Feuerbachschen Standpunkte nur irgend etwas über Fouriers Psychologie zu sagen. Man sieht ebenfalls, welch eine Phantasie dieser "ganze Mensch" ist, der in einer einzigen Eigenschaft eines wirklichen Individuums "liegt" und vom Philosophen aus ihr heraus interpretiert wird; was das überhaupt für ein "Mensch" ist, der nicht in seiner wirklichen geschichtlichen Tätigkeit und Dasein angeschaut wird, sondern aus seinem eignen Ohrläppchen oder sonstigen Unterscheidungsmerkmal vom Tier gefolgert werden kann. Dieser Mensch "liegt" in sich selbst, wie sein eigner Komedon. Daß das menschliche Gefühl menschlich und nicht tierisch ist, diese Einsicht macht natürlich nicht nur jeden psychologischen Versuch überflüssig, sondern ist auch zugleich die Kritik aller Psychologie.
Fouriers Behandlung der Liebe kann Herr Grün sehr leicht kritisieren, indem er dessen Kritik der jetzigen Liebesverhältnisse an den Phantasien mißt, in denen Fourier sich eine Anschauung von der freien Liebe zu geben suchte. Herr Grün nimmt diese Phantasien ernsthaft als echter deutscher Philister. Sie sind das Einzige, das er ernsthaft nimmt. Wollte er einmal auf
diese Seite des Systems eingehen, so ist nicht abzusehen, weshalb er nicht auch auf Fouriers Ausführungen über Erziehung einging, die bei weitem das beste sind, was in dieser Art existiert, und die genialsten Beobachtungen enthalten. Übrigens verrät Herr Grün bei Gelegenheit der Liebe, wie wenig er als echter jungdeutscher Belletrist von Fouriers Kritik gelernt hat. Er meint, es sei einerlei, ob man von der Aufhebung der Ehe oder des Privateigentums ausgehe, eins müsse immer das Andre nach sich ziehen. Es ist aber reine belletristische Phantasie, von einer andern Auflösung der Ehe, als wie sie sich schon jetzt in der bürgerlichen Gesellschaft praktisch vorfindet, ausgehen zu wollen. Bei Fourier selbst konnte er finden, daß dieser überall nur von der Umänderung der Produktion ausgeht.
Es nimmt Herrn Grün wunder, daß Fourier, der doch überall von der Neigung (soll heißen Attraktion) ausgeht, allerlei "mathematische" Versuche macht, weshalb er auch p. 203 der "mathematische Sozialist" genannt wird. Selbst die ganzen Lebensverhältnisse Fouriers aus dem Spiel gelassen, hätte Herr Grün auf die Attraktion näher eingehen müssen, wo er sehr bald gefunden haben würde, daß solch ein Naturverhältnis nicht ohne Berechnung näher bestimmt werden kann. Statt dessen regaliert er uns mit einer belletristischen, mit Hegelschen Traditionen verquickten Philippika gegen die Zahl, worin Stellen vorkommen wie:
Fourier "berechnet die Moleküle Deines abnormsten Geschmackes",
ein wahres Wunder - ferner:
"Die so hart befehdete Zivilisation beruhte auf dem herzlosen Einmaleins ... die Zahl ist nichts Bestimmtes ... Was ist Eins? Die Eins hat keine Ruhe, sie wird Zwei, Drei, Vier" -
es geht ihr wie dem deutschen Landpfarrer, der auch "keine Ruhe" hat, bis er eine Frau und neun Kinder hat ...
"Die Zahl tötet alles Wesentliche und Wirkliche, was ist eine halbe Vernunft, was ist ein Drittel Wahrheit" -
er hätte auch fragen können: Was ist ein grün angelaufener Logarithmus? ...
"bei der organischen Entwicklung wird die Zahl verrückt"
ein Satz, worauf die Physiologie und organische Chemie beruhen. (p. 203, 204.)
"Wer die Zahl zum Maße der Dinge nimmt, der wird, nein - der ist ein Egoist.
An diesen Satz kann er den ihm von Heß überlieferten (s. oben) übertreibend anknüpfen:
"Der ganze Fouriersche Organisationsplan beruht auf Nichts als auf Egoismus ... der ärgste Ausdruck des zivilisierten Egoismus ist gerade Fourier." p. 206, 208.
Er beweist dies sogleich, indem er erzählt, wie in der Fourierschen Weltordnung der Ärmste täglich von 40 Schüsseln speist, 5 Mahlzeiten täglich genommen werden, die Leute 144 Jahre alt werden und dergl. mehr. Die kolossale Anschauung der Menschen, die Fourier der bescheidnen Mittelmäßigkeit der Restaurationsmenschen mit naivem Humor gegenüberstellt, gibt Herrn Grün bloß Gelegenheit, die unschuldigste Seite herauszunehmen und darüber moralische Philisterglossen zu machen.
Indem Herr Grün Fourier Vorwürfe macht über seine Auffassung der französischen Revolution, gibt er zugleich einen Vorschmack seiner eignen Einsicht in die Revolutionszeit:
"Hätte man nur vierzig Jahre früher um die Assoziation gewußt" (läßt er Fourier sagen), "so wäre die Revolution vermieden worden. Wie kam es denn aber" (fragt Herr Grün), "daß der Minister Turgot das Recht zur Arbeit kannte und daß dennoch der Kopf Ludwigs XVI. fiel? Mit dem Rechte zur Arbeit hätte man doch leichter als mit Hühnereiern die Staatsschuld bezahlen können." p. 211.
Herr Grün übersieht nur die Bagatelle, daß das Recht zur Arbeit, wovon Turgot spricht, die freie Konkurrenz ist, und daß ebendiese freie Konkurrenz die Revolution nötig hatte, um sich durchzusetzen.
Herr Grün kann seine ganze Kritik Fouriers zusammenfassen in dem Satz, daß Fourier "die Zivilisation" keiner "gründlichen Kritik" unterworfen habe. Und warum tat Fourier dies nicht? Man höre:
"Sie ist kritisiert worden in ihren Erscheinungen, nicht in ihren Grundlagen; sie ist als Daseiendes perhorresziert, lächerlich gemacht, in ihrer Wurzel aber nicht untersucht worden. Weder die Politik noch die Religion sind vor das Forum der Kritik gezogen worden, und deshalb blieb das Wesen des Menschen ununtersucht." p. 209.
Herr Grün erklärt hier also die wirklichen Lebensverhältnisse der Menschen für Erscheinungen, Religion und Politik aber für die Grundlage und Wurzel dieser Erscheinungen. Man sieht an diesem abgeschmackten Satze, wie die wahren Sozialisten die ideologischen Phrasen der deutschen Philosophie gegenüber den wirklichen Darstellungen französischer Sozialisten als höhere Wahrheit geltend machen und zugleich, wie sie ihr eigentliches Objekt, das Wesen des Menschen, mit den Resultaten der französischen Kritik der Gesellschaft zu verbinden streben. Daß, wenn Religion und Politik als Grundlage der materiellen Lebensverhältnisse gefaßt werden, Alles in letzter Instanz auf Untersuchungen über das Wesen des Menschen, d.h. über das Bewußtsein des Menschen von sich selbst ausläuft, ist ganz natürlich. - Man sieht zugleich, wie wenig es dem Herrn Grün darauf ankommt, was er abschreibt; an einer späteren Stelle, wie auch in den "Rhein[ischen] Jahrbüchern",
eignet er sich in seiner Weise an, was in den "Deutsch-Französischen Jahrbüchern" über das Verhältnis von citoyen und bourgeois gesagt war und was dem obigen Satze direkt widerspricht.
Wir haben dem Leser bis zuletzt die Ausführung des vom wahren Sozialismus Herrn Grün anvertrauten Satzes über Produktion und Konsumtion vorbehalten. Sie ist ein schlagendes Exempel, wie Herr Grün die Sätze des wahren Sozialismus als Maßstab an die Leistungen der Franzosen legt und sie dadurch, daß er sie aus ihrer völligen Unbestimmtheit herausreißt, als vollständigen Unsinn darlegt.
"Produktion und Konsumtion lassen sich in der Theorie und in der äußern Wirklichkeit zeitlich und räumlich trennen, dem Wesen nach sind sie nur Eins. Ist nicht die Tätigkeit des gewöhnlichsten Gewerbes, z.B. des Brotbackens, eine Produktion, welche für hundert Andre zur Konsumtion wird? Ja, welche es für den Backenden selbst ist, der ja Korn, Wasser, Milch, Eier pp. konsumiert? Ist die Konsumtion von Schuhen und Kleidern nicht die Produktion bei Schustern und Schneidern? ... Produziere ich nicht, wenn ich Brot esse? Ich produziere ungeheuer, ich produziere Mühlen, Backtröge, Backöfen und folglich Pflüge, Eggen, Dreschflegel, Mühlräder, Schreinerarbeit, Maurerarbeit" ("und folglich" Schreiner, Maurer und Bauern, "folglich" ihre Eltern, "folglich" alle ihre Vorfahren, "folglich" Adam). "Konsumiere ich nicht, wenn ich produziere? Ebenfalls ungeheuer ... Lese ich ein Buch, so konsumiere ich zwar zunächst das Produkt ganzer Jahre, wenn ich es für mich behalte oder verderbe, ich konsumiere den Stoff und die Tätigkeit der Papierfabrik, der Buchdruckerei, des Buchbinders. Produziere ich aber nichts? Ich produziere vielleicht ein neues Buch, und dadurch neues Papier, neue Typen, neue Druckerschwärze, neue Buchbinderwerkzeuge; lese ich es bloß, und lesen es tausend Andre auch, so produzieren wir durch unsre Konsumtion eine neue Auflage und dadurch alle jene Materialien, die zur Beschaffung derselben erforderlich sind. Die Alles das verfertigen, konsumieren wieder eine Masse Rohmaterial, das aber produziert werden will und nur durch Konsumtion produziert werden kann ... Mit Einem Worte, Tätigkeit und Genuß sind Eins, eine verkehrte Welt hat sie nur auseinandergerissen, hat den Begriff des Wertes und Preises zwischen Beide hineingeschoben, durch diesen Begriff den Menschen mitten auseinandergerissen und mit dem Menschen die Gesellschaft." p. 191.192.
Produktion und Konsumtion stehen in der Wirklichkeit vielfach im Widerspruch gegeneinander. Man braucht aber nur diesen Widerspruch wahrhaft zu interpretieren, das wahre Wesen der Produktion und Konsumtion zu greifen, um die Einheit Beider herzustellen und allen Widerspruch aufzuheben. Diese deutsch-ideologische Theorie paßt daher auch ganz vortrefflich auf die bestehende Welt; die Einheit von Produktion und Konsumtion wird an Exempeln aus der gegenwärtigen Gesellschaft bewiesen, sie existiert an sich.
Herr Grün beweist vor allen Dingen, daß überhaupt ein Verhältnis zwischen Produktion und Konsumtion existiert. Er setzt auseinander, daß er keinen Rock tragen, kein Brot essen kann, ohne daß Beides produziert ist, und daß es in der heutigen Gesellschaft Leute gibt, die Röcke, Schuhe, Brot produzieren, von welchen Dingen andre Leute die Konsumenten sind. Herr Grün hält diese Einsicht für neu. Er drückt sie in einer klassischen, belletristisch-ideologischen Sprache aus. Z.B.:
"Man glaubt, der Genuß des Kaffees, des Zuckers usw. sei bloße Konsumtion; ist dieser Genuß aber nicht Produktion in den Kolonien?"
Er hätte ebensogut fragen können: Ist dieser Genuß nicht der Genuß der Peitsche für den Negersklaven und die Produktion von Prügeln in den Kolonien? Man sieht, wie bei dieser überschwenglichen Manier nichts als eine Apologie der bestehenden Zustände herauskommt. Die zweite Einsicht des Herrn Grün besteht darin, daß er konsumiert, wenn er produziert, nämlich das Rohmaterial, überhaupt die Produktionskosten; dies ist die Einsicht, daß Nichts aus Nichts wird, daß er Material haben muß. Er konnte in jeder Ökonomie unter dem Kapitel "Reproduktive Konsumtion" ausgeführt finden, welche verwickelten Beziehungen in dies Verhältnis hereinkommen, wenn man sich nicht mit Herrn Grün auf die triviale Erkenntnis beschränkt, daß man ohne Leder keine Stiefel machen kann.
Bisher hat Herr Grün sich davon überzeugt, daß produziert werden muß, um zu konsumieren, und daß bei der Produktion Rohmaterial konsumiert wird. Die eigentliche Schwierigkeit für ihn beginnt da, wo er beweisen will, daß er produziert, wenn er konsumiert. Herr Grün macht hier einen gänzlich verfehlten Versuch, sich über das allertrivialste und allgemeinste Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr ein geringes Licht zu verschaffen. Er bringt es zu der Einsicht, daß seine Konsumtion, d.h. seine Nachfrage, neue Zufuhr produziert. Er vergißt aber, daß seine Nachfrage eine effektive Nachfrage sein, daß er ein Äquivalent für das verlangte Produkt bieten muß, damit sie neue Produktion hervorrufe. Die Ökonomen beziehen sich ebenfalls auf die Untrennbarkeit von Konsumtion und Produktion und die absolute Identität von Nachfrage und Zufuhr, gerade wenn sie beweisen wollen, daß nie Überproduktion stattfindet; aber so ungeschickte und triviale Dinge wie Herr Grün bringen sie nicht vor. Übrigens ist diese Manier ganz dieselbe, wodurch alle Adlige, Pfaffen, Rentiers usw. von jeher ihre Produktivität bewiesen haben. Herr Grün vergißt ferner, daß Brot heutzutage durch Dampfmühlen, früher durch Wind- und Wassermühlen, noch früher durch Handmühlen produziert wurde, daß diese verschiedenen Produktionsweisen vom bloßen Brotessen gänzlich unabhängig sind und also eine geschichtliche Ent-
wicklung der Produktion hereinkommt, an die der "ungeheuer produzierende" Herr Grün nicht denkt. Daß mit diesen verschiedenen Stufen der Produktion auch verschiedene Verhältnisse der Produktion zur Konsumtion, verschiedne Widersprüche Beider gegeben sind, daß diese Widersprüche zu verstehen sind nur aus einer Betrachtung, zu lösen nur durch eine praktische Veränderung der jedesmaligen Produktionsweise und des ganzen darauf basierenden gesellschaftlichen Zustandes, das ahnt Herr Grün nicht. Wenn Herr Grün in seinen übrigen Beispielen an Trivialität schon unter den allergewöhnlichsten Ökonomen steht, so beweist er bei seinem Beispiel vom Buch, daß diese viel "menschlicher" sind als er. Sie verlangen gar nicht, daß er, wenn er ein Buch konsumiert hat, sogleich ein neues produziere! Sie sind damit zufrieden, daß er seine eigne Bildung dadurch produziert und damit auf die Produktion überhaupt günstig wirkt. Durch die Auslassung des Mittelgliedes, der baren Zahlung, die Herr Grün durch bloße Abstraktion von ihr überflüssig macht, wodurch seine Nachfrage erst effektiv wird, verwandelt sich die reproduktive Konsumtion des Herrn Grün in ein blaues Wunder. Er liest, und durch sein bloßes Lesen setzt er die Schriftgießer, Papierfabrikanten und Drucker in den Stand, neue Typen, neues Papier, neue Bücher zu produzieren. Seine bloße Konsumtion ersetzt allen diesen Leuten die Produktionskosten. Wir haben übrigens bisher die Virtuosität hinreichend nachgewiesen, womit Herr Grün aus alten Büchern neue Bücher herauszulesen und sich als Produzent von neuem Papier, neuen Typen, neuer Druckerschwärze und neuen Buchbinderwerkzeugen um die kommerzielle Welt verdient zu machen weiß. Der erste Brief des Grünschen Buchs endet mit den Worten: "Ich stehe im Begriff, mich in die Industrie zu stürzen." Nirgendwo im ganzen Buche verleugnet Herr Grün diese seine Devise.
Worin bestand also die ganze Tätigkeit des Herrn Grün? Um den Satz des wahren Sozialismus von der Einheit von Produktion und Konsumtion zu beweisen, nimmt Herr Grün seine Zuflucht zu den allertrivialsten Sätzen der Ökonomie über Nachfrage und Zufuhr, und um diese wieder für seinen Zweck zurechtzustutzen, wirft er aus ihnen die notwendigen Mittelglieder heraus und verwandelt sie damit in reine Phantasien. Der Kern des Ganzen ist also eine unwissende und phantastische Verklärung der bestehenden Zustände.
Charakteristisch ist noch der sozialistische Schluß, worin er wieder ganz seinen deutschen Vorgängern nachstammelt. Produktion und Konsumtion sind getrennt, weil eine verkehrte Welt sie auseinandergerissen hat. Wie fing das diese verkehrte Welt an? Sie schob einen Begriff zwischen Beide. Durch diesen Schub riß sie den Menschen mitten auseinander. Damit nicht zufrieden,
reißt sie hierdurch die Gesellschaft, d.h. sich selbst, ebenfalls mitten auseinander. Diese Tragödie hat sich im Jahre 1845 zugetragen.
Die Einheit von Konsumtion und Produktion, die bei den wahren Sozialisten ursprünglich die Bedeutung hat, daß die Tätigkeit selbst Genuß bieten soll (bei ihnen freilich eine rein phantastische Vorstellung), wird von Herrn Grün dahin weiter bestimmt, daß "Konsumtion und Produktion, ökonomisch gesprochen, sich decken müssen" (p. 196), daß kein Überschuß der Produktenmasse über die unmittelbaren Konsumtionsbedürfnisse stattfinden darf, womit natürlich alle Bewegung ein Ende hat. Er wirft daher auch Fourier mit wichtiger Miene vor, daß er diese Einheit durch eine Überproduktion stören wolle. Herr Grün vergißt, daß die Überproduktion nur durch ihren Einfluß auf den Tauschwert der Produkte Krisen hervorruft, und daß nicht nur bei Fourier, sondern auch in der besten Welt des Herrn Grün der Tauschwert verschwunden ist. Über diese philisterhafte Albernheit ist weiter nichts zu sagen, als daß sie des wahren Sozialismus würdig ist.
Herr Grün wiederholt an vielen Orten mit großer Selbstgefälligkeit seinen Kommentar zur Theorie des wahren Sozialismus über Produktion und Konsumtion. So auch bei Gelegenheit Proudhons:
"Predigt die soziale Freiheit der Konsumenten, so habt Ihr die wahre Gleichheit der Produktion." p. 433.
Nichts leichter als das zu predigen! Der Fehler lag bisher bloß daran,
"daß die Konsumenten nicht erzogen, nicht gebildet sind, daß nicht Alle menschlich konsumieren". p. 432. "Dieser Gesichtspunkt, daß die Konsumtion der Maßstab der Produktion ist, nicht umgekehrt, ist der Tod jeder bisherigen ökonomischen Anschauung." (ibid.) "Die wahre Solidarität der Menschen untereinander macht sogar den Satz zur Wahrheit, daß die Konsumtion eines Jeden die Konsumtion Aller zur Voraussetzung hat." (ibid.)
Die Konsumtion eines Jeden hat innerhalb der Konkurrenz plus ou moins <mehr oder weniger> fortwährend die Konsumtion Aller zur Voraussetzung, ebenso wie die Produktion eines Jeden die Produktion Aller. Es handelt sich nur darum, wie, in welcher Weise dies der Fall ist. Hierauf antwortet Herr Grün nur mit dem moralischen Postulat der menschlichen Konsumtion, der Erkenntnis des "wahren Wesens der Konsumtion" (p. 432). Da er von den wirklichen Produktions- und Konsumtionsverhältnissen nichts weiß, so bleibt ihm keine andre Zuflucht übrig als der letzte Schlupfwinkel der wahren Sozialisten, das Wesen des Menschen. Aus demselben Grunde beharrt er darauf, nicht von der
Produktion, sondern von der Konsumtion auszugehen. Wenn man von der Produktion ausgeht, so muß man sich um die wirklichen Produktionsbedingungen und die produktive Tätigkeit der Menschen bekümmern. Wenn man aber von der Konsumtion ausgeht, so kann man sich bei der Erklärung, daß jetzt nicht "menschlich" konsumiert werde, und bei dem Postulat der "menschlichen Konsumtion", der Erziehung zur wahren Konsumtion und dergleichen Phrasen beruhigen, ohne sich im Geringsten auf die wirklichen Lebensverhältnisse der Menschen und ihre Tätigkeit einzulassen.
Schließlich ist noch zu erwähnen, daß gerade die Ökonomen, die von der Konsumtion ausgingen, reaktionär waren und das revolutionäre Element in der Konkurrenz und großen Industrie ignoriert haben.
Der "bornierte Papa Cabet" und Herr Grün
Herr Grün schließt seinen Exkurs über die fourieristische Schule und Herrn Reybaud mit folgenden Worten:
"Ich will den Arbeitsorganisierern das Bewußtsein ihres Wesens beibringen, ich will ihnen historisch zeigen, woher sie stammen ... diesen Zwittern ... die auch nicht den mindesten Gedanken aus sich selbst geschöpft haben. Und später werde ich vielleicht Raum finden, an dem Herrn Reybaud ein Exempel zu statuieren, nicht nur an Herrn Reybaud, sondern auch an Herrn Say. Im Grunde genommen ist der erstere so schlimm nicht, er ist bloß dumm; der Zweite aber ist mehr als dumm, er ist gelehrt.
Also." p. 260.
Die gladiatorische Stellung, in die sich Herr Grün wirft, seine Drohungen gegen Reybaud, die Verachtung gegen die Gelehrsamkeit, seine schmetternden Versprechungen, alles das sind sichre Zeichen, daß er hier mit großen Dingen schwanger geht. Im vollen "Bewußtsein seines Wesens"' ahnten wir aus diesen Symptomen, daß Herr Grün im Begriffe stehe, einen der ungeheuerlichsten plagiarischen Coups auszuführen. Wenn man seiner Taktik einmal auf die Spur gekommen ist, verliert seine Marktschreierei ihre Unschuld und löst sich überall in eine pfiffige Berechnung auf.
"Also":
Folgt ein Kapitel mit der Überschrift:
"Die Organisation der Arbeit!"
"Wo wurde dieser Gedanke geboren? - In Frankreich. - Aber wie?"
Auch unter der Etikette:
"Rückblick auf das achtzehnte Jahrhundert."
"Wo wurde dies" Kapitel des Herrn Grün "geboren? In Frankreich. Aber wie?" Das wird der Leser sogleich erfahren.
Noch einmal erinnre sich der Leser, daß Herr Grün hier den französischen Arbeitsorganisierern das Bewußtsein ihres Wesens durch eine historische Demonstration auf gründliche deutsche Weise beibringen will.
Also.
Als Herr Grün gemerkt hatte, daß Cabet "borniert" und seine "Mission eine längst in sich abgeschlossene" sei, was er freilich längst gemerkt hatte, hörte nicht "natürlich alles auf". Im Gegenteil, er gab dem Cabet die neue Mission, in einigen willkürlich zusammengewürfelten Zitaten den französischen "Hintergrund" zu Herrn Grüns deutscher Geschichte der sozialistischen Entwicklung des 18. Jahrhunderts zu bilden.
Wie beginnt er dies? Er liest "produktiv".
Cabet in seiner "Voyage en Icarie" würfelt im zwölften und dreizehnten Kapitel die Meinungen alter und neuer Autoritäten für den Kommunismus zusammen. Er macht durchaus nicht die Prätension, eine historische Bewegung zu schildern. Der Kommunismus gilt den französischen Bourgeois für eine anrüchige Person. Gut, sagt Cabet, ich werde Euch Zeugenbeweise der respektabelsten Männer aller Zeiten beibringen, die für den Charakter meines Klienten einstehen; und Cabet verfährt wie ein Advokat. Selbst die seinem Klienten ungünstigen Zeugenaussagen verwandelt er in günstige. Historische Treue ist in einem Plaidoyer nicht zu verlangen. Wenn ein berühmter Mann gelegentlich einmal gegen das Geld, gegen die Ungleichheit, gegen den Reichtum, gegen soziale Mißstände ein Wort hat fallen lassen, Cabet hebt es auf, bittet es zu wiederholen, macht es zum Glaubensbekenntnis des Mannes, läßt es drucken, klatscht in die Hände und ruft mit ironischer Bonhomie seinem geärgerten Bourgeois zu: Écoutez, écoutez, n'était-il pas communiste? <Hört, war er nicht Kommunist?> Da entgeht ihm keiner, nicht Montesquieu, nicht Sieyes, nicht Lamartine, nicht einmal Guizot - alles Kommunisten malgré eux <gegen ihren Willen>. Voilà mon communiste tout trouvé! <Da haben wir meinen Kommunisten ertappt!>
Herr Grün in seiner produktiven Laune liest die von Cabet für das achtzehnte Jahrhundert gesammelten Zitate; er zweifelt keinen Augenblick, daß das alles seine Richtigkeit habe, er phantasiert dem Leser einen mystischen Zusammenhang vor zwischen den Schriftstellern die bei Cabet sich zufällig auf einer Seite begegnen, er übergießt das Ganze mit seiner jungdeutsch-belletristischen Jauche und tauft es dann wie oben.
Also.
Herr Grün: | Cabet: |
Herr Grün eröffnet seinen Rückblick mit folgenden Worten: | Cabet eröffnet seine Zitate mir folgenden Worten: |
Die soziale Idee ist nicht vom Himmel gefallen, sie ist organisch, d.h. im Wege der allmählichen Entwicklung entstanden. Ich kann hier ihre vollständige Geschichte nicht schreiben, kann nicht bei Indern und Chinesen beginnen, nach Persien, Ägypten und Judäa übergehen, die Griechen und Römer um ihr gesellschaftliches Bewußtsein fragen, das Christentum, den Neuplatonismus und die Patristik verhören, das Mittelalter und die Araber reden lassen, die Reformation und die erwachende Philosophie untersuchen und so bis aufs achtzehnte Jahrhundert kommen." p. 261. |
"Vous prétendez, adversaires de la communauté, qu'elle n'a pour elle que quelques opinions sans crédit et sans poids; eh bien, je vais interroger devant vous l'histoire et tous les philosophes: écoutez! je ne m'arrête pas à vous parler de plusieurs peuples anciens, qui pratiquaient ou avaient pratiqué la communauté des biens! Je ne m'arrête non plus aux Hébreux .. ni aux prêtes Égyptiens, ni à Minos ... Lycurge et Pythagore ... je ne vous parle non plus de Confucius et de Zoroastre, qui l'un Chine et l'autre en Perse ... proclamèrent ce principe". <"Ihr Gegner der Gemeinschaft behauptet, sie habe nur einige Meinungen ohne Ansehen und Gewicht für sich; nun, ich werde vor euren Augen die Geschichte und alle Philosophen befragen: hört! Ich halte mich nicht damit auf, euch von mehreren alten Völkern zu erzählen, die die Gütergemeinschaft praktizierten oder praktiziert hatten! Ebensowenig halte ich mich bei den Hebräern auf ... bei den ägyptischen Priestern, bei Minos ... Lykurg und Pythagoras ... ich sage euch auch nichts von Konfuzius und Zarathustra, die, der eine in China und der andere in Persien ... dieses Prinzip verkündeten.">"Voyage en Icarie", deuxième edition, p. 470 |
Nach den angeführten Stellen geht Cabet auf die griechische und römische Geschichte ein, verhört das Christentum, den Neuplatonismus, die Patristik, das Mittelalter, die Reformation, die erwachende Philosophie. Vgl. Cabet, p. 47l-482. Herr Grün überläßt das Abschreiben dieser elf Seiten andern "geduldigeren Leuten, dafern der Bücherstaub den" (zum Abschreiben nämlich) "nötigen Humanismus in ihrem Herzen hat bestehen lassen". Gr[ün,] p. 261. Nur das soziale Bewußtsein der Araber gehört Herrn Grün. Wir harren mit Sehnsucht der Aufschlüsse, die er hierüber der Welt mitzuteilen hat. "Ich muß mich aufs achtzehnte Jahrhundert beschränken." Folgen wir Herrn Grün ins achtzehnte Jahrhundert und bemerken wir nur vorher, daß fast ganz dieselben Worte bei Grün wie bei Cabet unterstrichen sind.
Herr Grün: | Cabet: | |
"Locke, der Begründer des Sensualismus sagt: Derjenige, welcher über seine Bedürfnisse hinaus besitzt, überspringt die Grenzen der Vernunft und der ursprünglichen Gerechtigkeit uns raubt, was Andern gehört. Jeder Uberfluß ist eine Usurpation, und der Anblick des Dürftigen muß <bei Grün: müßte> die Gewissensbisse in der Seele des Reichen erwecken. Verderbte Menschen, die ihr im Überflusse und der Wollust schwimmt, zittert, das eines Tages der Unglückliche, der des Notwendigen ermangelt, wahrhaft die Rechte des Menschen kennenlerne. Der Betrug, die Treulosigkeit, die Habsucht haben die Ungleichheit des Besitzes hervorgebracht, welche das Unglück des menschlichen Geschlechts ausmacht, indem sie auf der einen Seite neben den Reichtümern, auf der andern neben dem Elende alle Leiden aufhäuft. Der Philosoph muß also den Gebrauch der Münze als eine der verderblichsten Erfindungen der menschlichen Industrie betrachten". p. [265,] 266. |
"Mais voici Locke, écoutez-le s'écrier dans son admirable Gouvernement civil: 'Celui qui possède au delà de ses besoins, passe les bornes de la raison et de la justice primitive et enlève ce qui appartient aux autres. Toute superfluité est une usurpation, et la vue de l'indigent devrait éveiller le remords dans l'âme du riche. Hommes pervers, qui nagez dans l'opulence et les voluptés, tremblez qu'un jour l'infortuné qui manque du nécessaire n'apprenne à connaître vraiment les droits de l'homme.' Ecoutez-le s'écrier encore: 'La fraude, la mauvaise foi, l'avarice ont produit cette inégalité dans les fortunes, qui fait le malheur de l'espèce humaine, en amoncelant d'un côté tous les vices avec la richesse et de l'autre tous les maux avec la misere'" (woraus Herr Grün Unsinn macht). "Le philosophe doit donc considérer l'usage de la monnaie comme une des plus funestes inventions de l'industrie humaine." <"Doch hier ist Locke; hört ihn in seiner bewundernswürdigen 'Bürgerlichen Regierung' ausrufen: 'Derjenige, der über seine Bedürfnisse hinaus besitzt, überschreitet die Grenzen der Vernunft und der ursprünglichen Gerechtigkeit und raubt das, was den anderen gehört. Jeder Überfluß ist eine Usurpation, und der Anblick des Bedürftigen müßte den Gewissensbiß in der Seele des Reichen wecken. Verderbte Menschen, die ihr in Überfluß und Wollust schwimmt, zittert, daß eines Tages der Unglückliche, der des Notwendigen ermangelt. wahrhaft die Rechte des Menschen kennenlerne.' Hört ihn weiter ausrufen: 'Der Betrug, die Unredlichkeit, die Habsucht haben, indem sie auf der einen Seite alle Laster neben dem Reichtum und auf der anderen alle Leiden neben dem Elend aufhäuften, jene Ungleichheit des Besitzes hervorgebracht die das Unglück des menschlichen Geschlechts ausmacht.' Der Philosoph muß also den Gebrauch des Geldes als eine der verderblichsten Erfindungen der menschlichen Betriebsamkeit betrachten."> p. 485. |
Herr Grün schließt aus diesen Zitaten Cabets, daß Locke "ein Gegner des Geldsystems" (p. 264), "der erklärteste Gegner des Geldes und jedes Besitzes, der über das Bedürfnis hinausgeht" (p. 266) gewesen sei. Leider ist dieser Locke einer der ersten wissenschaftlichen Verfechter des Geldsystems,
ein ganz spezieller Patron des Durcbpeitschens der Vagabunden und Paupers, einer der Doyens der modernen Nationalökonomie.
Herr Grün: | Cabet: |
"Schon Bossuet, der Bischof von Meaux, sagt in seiner 'Politik, aus der Heiligen Schrift gezogen': 'Ohne die Regierungen' ('ohne die Politik' - lächerlicher Zusatz des Herrn Grün), würde die Erde nebst allen ihren Gutern ebenso gemeinschaftlich den Menschen gehören als Luft und Licht; nach dem Urrechte der Natur hat Niemand das besondre Recht auf irgend etwas. Alles gehört Allen, aus der bürgerlichen Regierung entspringt das Eigentum.' Ein Pfaff aus dem siebzehnten Jahrhundert besitzt die Ehrlichkeit, solche Dinge zu sagen, solche Anschauungen! Auch der germanische Puffendorf, den man (i.e. Herr Grün) nur aus einem Schillerschen Epigramm kennt, meinte: 'Die gegenwärtige Ungleichheit des Vermögens ist eine Ungerechtigkeit, welche die übrigen Ungleichheiten nach sich ziehen kann durch die Unverschämtheit der Reichen und durch die Feigheit der Armen.'" p. 270. Herr Grün fügt noch hinzu: "Wir wollen nicht abschweifen, sondern in Frankreich bleiben." |
"Ecoutez le baron de Puffendorff, professeur de droit naturel en Allemagne et conseiller d'état à Stockholm et à Berlin, qui dans son droit de la nature et des gens réfute la doctrine d'Hobbes et de Grotius sur la monarchie absolue, qui proclame l'égalité naturelle, la fraternité, la communauté des biens primitive, et qui reconnaît que la propriété est une institution humaine, qu'elle résulte d'un partage consenti pour assurer à chacun et surtout au travailleur une possession perpétuelle, indivise ou divise, et que par conséquent l'inégalité actuelle de fortune est une injustice qui n'entraîne les autres inégalités" (unsinnig von Herrn Grün übersetzt) "que par l'insolence des riches et la lâcheté des pauvres. Et Bossuet, l'évêque de Meaux, le précepteur du dauphin de France, le célèbre Bossuet, dans sa 'Politique tiré de l'Ecriture sainte', rédigée pour l'instruction du Dauphin, ne reconnaît-il pas aussi que sans les gouvernements la terre et tous les biens seraient aussi communs entre les hommes que l'air et la lumière: Selon le droit primitif de la nature nul n'a le droit particulier sur quoi que ce soit: tout est à tous, et c'est du gouvernement civil que naît la propriété." <"Hört den Baron von Puffendorff, Professor des Naturrechts in Deutschland und Staatsrat in Stockholm und Berlin, der in seinem Natur- und Völkerrecht die Lehre von Hobbes und Grotius über die absolute Monarchie widerlegt, der die natürliche Gleichheit, die Brüderlichkeit und die ursprüngliche Gütergemeinschaft verkündet und der erkennt, daß das Eigentum eins menschliche Einrichtung ist, daß es aus einer allgemein gebilligten Teilung hervorgeht, um jedem und vor allem dem Arbeiter einen dauernden, ungeteilten oder geteilten Besitz zu sichern, und daß folglich die gegenwärtige Ungleichheit der Vermögen eine Ungerechtigkeit ist, die die anderen Ungleichheiten (. . .) nur durch die Unverschämtheit der Reichen und die Feigheit der Armen nach sich zieht. - Und Bosset, der Bischof von Meaux, der Lehrer des Thronfolgers von Frankreich, der berühmte Bosset, erkennt er nicht auch in seiner 'Politik, aus der Heiligen Schrift gezogen', die er für den Unterricht des Thronfolgers verfaßte, daß ohne die Regierungen die Erde und alle Güter den Menschen ebenso gemeinsam gehören würden wie die Luft und des Licht: Nach dem ursprünglichen Recht der Natur hat niemand das besondere Recht auf irgend etwas; alles gehört allen, und erst aus der bürgerlichen Regierung entspringt das Eigentum"> p. 486 |
Herrn Grüns "Abschweifung" von Frankreich besteht darin, daß Cabet einen Deutschen zitiert. Er orthographiert sogar den deutschen Namen nach der unrichtigen Orthographie des Franzosen. Abgesehen davon, daß er gelegentlich falsch übersetzt und ausläßt, überrascht er durch seine Verbesserungen. Cabet spricht zuerst von Pufendorff und dann von Bossuet, Herr Grün spricht zuerst von Bossuet und dann von Pufendorff. Cabet spricht von Bossuet als einem berühmten Mann; Herr Grün nennt ihn "einen Pfaffen". Cabet zitiert den Pufendorff mit seinen Titeln; Herr Grün macht die aufrichtige Bemerkung, daß man ihn nur aus einem Schillerschen Epigramm kenne. Jetzt kennt er ihn auch aus einem Cabetschen Zitat, und es zeigt sich, daß der bornierte Franzose Cabet nicht nur seine eignen Landsleute, sondern auch die Deutschen besser studiert hat als Herr Grün.
Cabet sagt: "Ich beeile mich, auf die großen Philosophen des achtzehnten Jahrhunderts zu kommen, und ich beginne mit Montesquieu", p. 487; Herr Grün, um auf Montesquieu zu kommen, beginnt mit einer Schilderung "des legislativen Genies des achtzehnten Jahrhunderts", p. 282. Man vergleiche ihre wechselseitigen Zitate aus Montesquieu, Mably, Rousseau, Turgot. Uns genügt es hier, Cabet und Herrn Grün über Rousseau und Turgot zu vergleichen. Cabet kommt von Montesquieu zu Rousseau; Herr Grün konstruiert diesen Übergang: "Rousseau war der radikale Politiker, wie Montesquieu der konstitutionelle."
Herr Grün zitiert aus Rousseau: | Cabet: |
"Das größte Übel ist schon geschehen, wenn man Arme zu verteidigen und Reiche im Zaum zu halten hat etc." .......................................... (endet mit den Worten) "woraus folgt, daß der soziale Zustand den Menschen nur dann vorteilhaft ist, wenn sie Alle von ihnen etwas und keiner von ihnen zuviel hat." Rousseau wird nach Herrn Grün "konfus und völlig schwankend, wenn er sich über die Frage erklären soll: Welche Umwandlung geht mit dem früheren Besitz vor, wenn der naturwilde Mensch in die Gesellschaft tritt? Was antwortet er? Er antwortet: Die Natur hat alle Güter gemeinschaftlich gemacht ... (endet mit den Worten:) im Fall einer Teilung wird der Anteil eines Jeden sein Eigentum." p. 284, 285. |
"Ecoutez maintenant Rousseau, l'auteur de cet immortel 'Contrat social' ... écoutez: 'Les hommes sont égaux en droit. La nature a rendu tous les biens communs ... dans le cas de partage le part de chacun devient sa propriété. Dans tous les cas la société est toujours seule propriétaire de tous les biens.'" (Pointe, die Herr Grün wegläßt.) "Ecoutez encore: '... (endet:) "d'où il suit que l'état social n'est avantageux aux hommes qu'autant qu'il ont tous quelque chose et qu'aucun d'eux n'a rien de trop.' Ecoutez, écoutez encore Rousseau dans son 'Économie politique': 'Le plus grand mal est déjà fait quand on a des pauvres à défendre, et des riches à contenir'", etc. etc. <"Hört jetzt Rousseau den Verfasser des unsterblichen 'Gesellschaftsvertrages' ... hört: 'Die Menschen sind im Rechte gleich. Die Natur hat alle Güter gemeinschaftlich gemacht ... Im Falle der Teilung wird der Anteil eines jeden sein Eigentum. In allen Fällen ist die Gesellschaft immer die einzige Eigentümerin aller Güter: Hört weiter: '... woraus folgt, daß der gesellschaftliche Zustand den Menschen nur dann vorteilhaft ist, wenn sie alle etwas haben und wenn keiner von ihnen zuviel hat.' - Hört, hört ferner Rousseau in seiner 'Politischen Ökonomie': 'Das größte Übel ist schon geschehen, wenn man Arme zu verteidigen und Reiche im Zaume zu halten hat.'"> p. 489, 490. |
Herrn Grüns geniale Neuerungen bestehen hier darin, erstens, daß er die Zitate aus dem "Contrat social" und der "Economie politique" durcheinanderwirft, und zweitens, daß er damit anfängt, womit Cabet schließt. Cabet nennt die Titel der Rousseauschen Schriften, woraus er zitiert, Herr Grün verschweigt sie. Diese Taktik erklären wir daraus, daß Cabet von einer "Économie politique" des Rousseau spricht, die Herr Grün nicht einmal aus einem Schillerschen Epigramme kennen kann. Herrn Grün, der alle Geheimnisse der "Encyclopedie" durchschaut hat (vgl. p. 263), war es ein Geheimnis, daß Rousseaus "èconomie politique" nichts andres ist als der Artikel der "Encyclopedie" über die économie politique.
Gehen wir zu Turgot über. Bei diesem begnügt sich Herr Grün nicht mehr mit dem bloßen Kopieren der Zitate, er schreibt die Schilderung ab, die Cabet von Turgot gibt.
Herr Grün: | Cabet: |
"Einer der edelsten und vergeblichsten Versuche, auf dem Boden des Alten, das den Zusammensturz allerorts drohte, das Neue aufzupflanzen, wurde von Turgot gemacht. Umsonst. Die Aristokratie bringt eine künstliche Hungersnot, bringt Revolten zuwege, kabaliert und verleum- det so lange, bis der debonnäre Ludwig seinen Minister entläßt. - Die Aristokratie wollte nicht hören, sie mußte also fühlen. Die Entwicklung der Menschheit rächt immer die guten Engel, welche den letzten dringenden Mahnruf vor einer Katastrophe ergehen lassen, auf das Furchtbarste. Das französische Volk segnete Turgot, Voltaire wünschte ihm vor seinem Tode die Hand zu küssen, der König hatte ihn seinen Freund genannt ... Turgot, der Baron, der Minister, einer der letzten Feudalherren, trug sich mit dem Gedanken, man müsse eine Hauspresse erfinden, um die Preßfreiheit völlig sicherzustellen," p. 289, 290. | "Et cependant, tandis que le roi déclare que lui seul et son ministre (Turgot) sont dans la cour les amis du peuple, tandis que le peuple le comble de ses bénédictions, tandis que les philosophes le couvrent de leur admiration, tandis que Voltaire veut, avant de mourir, baiser la main qui a signé tant d'améliorations populaires, l'aristocratie conspire, organise même une vaste famine et des émeutes pour le perdre et fait tant par ses intrigues et calomnies qu'elle parvient à déchaîner les salons de Paris contre le réformateur et à perdre Louis XVI lui-même en le forçant à renvoyer le vertueux ministre qui le sauverait," p. 497. "Revenons à Turgot, baron, ministre de Louis XVI pendant la première année de son règne, qui veut réformer les abus, qui fait une foule de réformes, qui veut faire établir une nouvelle langue et qui, pour assurer la liberté de la presse, travaille lui-même à l'invention d'une presse à domicile." <"Indes, während der König erklärt, am Hofe seien allein er und sein Minister (Turgot) Freunde des Volkes, während das Volk ihn mit seinen Segnungen überhäuft, während die Philosophen ihn mit Bewunderung überschütten, während Voltaire vor seinem Tode die Hand küssen will, die soviel dem Volk wohltätige Verordnungen unterschrieben hat - währenddessen verschwört sich die Aristokratie, organisiert sogar eine ausgedehnte Hungersnot und Aufstände, um ihn zu stürzen, und erreicht mit ihren Ränken und Verleumdungen so viel, daß sie die Salons von Paris gegen den Reformator entfesselt und Ludwig XVI. selbst zugrunde richtet, indem sie ihn zwingt, den tugendhaften Minister zu entlassen, der ihn gerettet hätte." - "Kehren wir zu Turgot zurück, dem Baron, dem Minister Ludwigs XVI. im ersten Jahr seiner Regierung, der die Mißbräuche reformieren will, der eine Menge Reformen durchführt, der eine neue Sprache einführen will und der, um die Pressefreiheit zu sichern, selbst an der Erfindung einer Hauspresse arbeitet."> p. 495. |
Cabet nennt Turgot Baron und Minister, Herr Grün schreibt ihm dies ab. Um Cabet zu verschönern, verwandelt er den jüngsten Sohn des Prévôts <Vorstehers> der Kaufleute von Paris in "einen der ältesten Feudalherren". Vabet irrt sich, wenn er die Hungersnot und die Revolte von 1775 als Machwerk der Aristokratie hinstellt. Bis auf die heutige Zeit ist man über die Urheber des Geschreis über die Hungersnot und der damit zusammenhängenden Bewegung nicht aufgeklärt. Jedenfalls hatten die Parlamente und populäre Vorurteile weit mehr Anteil daran als die Aristokratie. Daß Herr Grün diesen Irrtum des "bornierten Papa" Cabet abschreibt, ist in der Ordnung. Er glaubt an ihn wie an ein Evangelium. Auf Cabets Autorität gestützt, zählt Herr Grün Turgot unter die Kommunisten, Turgot, einen der Chefs der physiokratischen Schule, den entschiedensten Vertreter der freien Konkurrenz, den Verteidiger des
Wuchers, den Lehrer Adam Smiths. Turgot war ein großer Mann, weil er seiner Zeit entsprach und nicht den Einbildungen des Herrn Grün. Wie diese entstanden sind, haben wir gezeigt.
Gehen wir nun zu den Männern der französischen Revolution über. Cabet setzt seinen Bourgeois, gegen den er plädiert, in die äußerste Verlegenheit, indem er Sieyès unter die Vorläufer des Kommunismus zählt, und zwar weil Sieyès die Gleichheit der Rechte anerkenne und das Eigentum erst durch den Staat sanktionieren lasse, Cabet, p. 499-502. Herr Grün, der "jedesmal dazu verdammt ist, den französischen Geist, wenn er ihn in der Nähe hat, ungenügend und oberflächlich zu finden", schreibt dies getrost ab und bildet sich ein, ein alter Parteichef wie Cabet sei dazu berufen, den "Humanismus" des Herrn Grün "vor dem Bücherstaub" zu konservieren. Cahet fährt fort: "Écoutez le fameux Mirabeau!" <"Hört den berühmten Mirabeau!">, p. 504, Herr Grün sagt: "Hören wir Mirabeau!" p. 292, und zitiert einige der von Cabet hervorgehobenen Stellen, worin Mirabeau sich für gleiche Teilung der Erbschaft unter den Geschwistern ausspricht. Herr Grün ruft aus: "Kommunismus für die Familie!" p. 292. Nach dieser Methode kann Herr Grün sämtliche Bourgeois-Institutionen durchgehen und überall ein Stück Kommunismus finden, so daß sie alle zusammen der vollendete Kommunismus sind. Er kann den Code Napoléon einen Code de la communauté <Gesetzbuch der Gemeinschaft> taufen und in den Hurenhäusern, Kasernen und Gefängnissen kommunistische Kolonien entdecken.
Schließen wir diese langweiligen Zitate mit Condorcet. Die Vergleichung der beiden Bücher wird dem Leser hier ganz speziell zeigen, wie Herr Grün ausläßt, durcheinanderwirft, bald Titel zitiert, bald nicht, die chronologischen Daten wegläßt, aber genau der Ordnung Cabets folgt, selbst wenn dieser nicht genau nach der Chronologie geht, und schließlich es doch nie weiter bringt als zu einem schlecht und ängstlich maskierten Auszuge aus Cabet.
Herr Grün: | Cabet: |
"Der radikale Girondist ist Condorcet. Er erkennt die Ungerechtigkeit der Besitzverteilung an, er entschuldigt das arme Volk ... wenn das Volk ein wenig diebisch aus Prinzip sei, so liege das an den Institutionen. In seinem Journal 'Der soziale Unterricht' ... er gestattet sogar große Kapitalisten ... Condorcet machte bei der Legislative den Antrag, die 100 Millionen der drei emigrierten Prinzen in 100 000 Teile zu verteilen ... organisiert den Unterricht und die Einrichtung öffentlicher Unterstützungen." (Vgl. Urtext.) |
"Entendez Condorcet soutenir dans sa réponse à l'académie de Berlin" ...(kommt lange Stelle bei Cabet, schließt:) "'C'est donc uniquement parce que les institutions sont mauvaises que le peuple est Si souvent un peu voleur par principe.' Ecoutez-le dans son journal 'L'instruction sociale' ... il tolère même de grands capitalistes." pp. Écoutez l'un des chefs Girondins, le philosophe Condorcet, le 6 juillet 1792 à la tribune de l'assemblée législative: 'Décrétez que les biens des trois princes, français (Louis XVIII, Charles X, et le prince de Condé'" - was Herr Grün wegläßt -) "'soient sur-le-champ mis en vente ... ils montent à près de 100 millions, et vous remplacerez trois princes par cent mille citoyens ... organisez l'instruction et les établissements de secours publics.' |
"In seinem Bericht über die öffentliche Erziehung an die Legislative sagt Condorcet: 'Allen Individuen der menschlichen Gattung die Mittel darzubieten, ihre Bedürfnisse zu befriedigen ... das ist der Gegenstand des Unterrichts und die Pflicht einer Staatsgewalt etc." (Hier verwandelt Herr Grün den Bericht des Komitees über Condorcets Plan in einen Bericht Condorcets.) Grün p. 293, 294. |
Mais écoutez le comité d'instruction publique présentant à l'assemblée législative son rapport sur le plan d'éducation rédigé par Condorcet, 20 avril 1792: 'L'éducation publique doit offrir à tous les individus les moyens de pourvoir a leurs besoins ... tel doit être le premier but d'une instruction nationale et sous ce point de vue elle est pour la puissance politique un devoir de justice'". <"Hört Condorcet in seiner Artwort an die Berliner Akademie behaupten, ...Also einzig, weil die Einrichtungen schlecht sind, ist das Volk so oft aus Prinzip ein wenig diebisch.' - Hört ihn in seinem Journal 'Der soziale Unterricht' ... er duldet sogar großen Kapitalisten ... " - "Hört einen der Girondistenführer, den Philosophen Condorcet, am 6. Juli 1792 auf der Tribüne der gesetzgebenden Versammlung: 'Dekretiert, daß die Güter der drei französischen Prinzen (Ludwigs XVIII., Karl X. und des Prinzen von Condé) auf der Stelle zum Verkauf ausgeboten werden ... sie belaufen sich auf nahezu 100 Millionen, und ihr werdet drei Prinzen durch hunderttausend Staatsbürger ersetzen ... organisiert den Unterricht und öffentliche Unterstützungseinrichtungen.' - Aber hört das Komitee für den öffentlichen Unterricht, wie es der gesetzgebenden Versammlung seinen Bericht über den von Condorcet entworfenen Erziehungsplan am 20. April 1792 vorlegt: 'Die öffentliche Erziehung soll allen Individuen die Mittel bieten, ihre Bedürfnisse zu befriedigen ... dies muß das erste Ziel eines nationalen Unterrichts sein, und unter diesem Gesichtspunkt ist er eine Pflicht der Gerechtigkeit für die politische Gewalt.'"> pp., p. 502, 503, 505, 509. |
Herr Grün, der durch diese unverschämte Abschreiberei aus Cabet den französischen Arbeitsorganisierern auf historischem Wege das Bewußtsein ihres Wesens beibringt, verfährt nebenbei noch nach dem Prinzip: Divide et impera <Teile und herrsche>. Er wirft zwischen die Zitate sogleich sein Endurteil über die Leute, die er soeben aus einer
französische Revolution, und teilt das Ganze in zwei Hälften durch einige Zitate aus Morelly, der gerade zur rechten Zeit für Herrn Grün durch Villegardelle in Paris en vogue <in Mode> gebracht und von dem die Hauptstellen bereits lange vor Herrn Grün im Pariser "Vorwärts" übersetzt worden waren. Von der Liederlichkeit, mit der Herr Grün übersetzt, hier nur ein paar eklatante Beispiele:
Morelly:
"L'intérêt rend les cæurs dénaturés et répand l'amertume sur les plus doux liens, qu'il change en de pesantes chaînes que détestent chez nous les époux en se détestant eux-mêmes."
<"Das Interesse läßt die Herzen entarten und verbreitet Bitterkeit über die süßesten Bande, die es in schwere Ketten verwandelt, welche bei uns die Gatten verabscheuen, indem sie zugleich sich selbst verabscheuen.">
Herr Grün:
"Das Interesse macht die Herzen unnatürlich und verbreitet Bitterkeit über die süßesten Bande, die es in schwere Ketten verwandelt, welche unsre Gatten verabscheuen und sich selbst dazu." p. 274.
Reiner Unsinn.
Morelly:
"Notre âme ... contracte une soif si furieuse qu'elle se suffoque pour l'étancher."
<"Unsere Seele bekommt einen so wütenden Durst, daß sie sich erstickt, um ihn zu löschen.">
Herr Grün:
"Unsere Seele ... bekommt ... einen so wütenden Durst, daß sie erstickt, um ihn zu löschen." ibid.
Wieder reiner Unsinn.
Morelly:
"Ceux qui prétendent régler les mæurs et dicter des lois" pp.
<"Die, welche sich anmaßen, die Sitten zu regeln und Gesetze zu diktieren">
Herr Grün:
"Die, welche sich dafür ausgeben, die Sitten zu regeln und Gesetze zu diktieren" pp., p. 275.
Alle drei Fehler aus einem einzigen Passus von Morelly, in 14 Zeilen bei Herrn Grün. Auch in seiner Darstellung Morellys sind große Plagiate aus Villegardelle.
Herr Grün kann seine ganze Weisheit über das achtzehnte Jahrhundert und die Revolution in folgende Worte zusammenfassen:
"Gegen die alte Welt liefen der Sensualismus, der Deismus und der Theismus vereinigt Sturm. Die alte Welt stürzte. Als eine neue Welt erbaut werden sollte, siegte der Deismus in der Konstituante, der Theismus im Konvent, der reine Sensualismus wurde geköpft oder stumm gemacht." p. 263.
Man sieht, wie die philosophische Manier, die Geschichte mit einigen kirchengeschichtlichen Kategorien abzufertigen, bei Herrn Grün auf der Stufe der tiefsten Erniedrigung, der bloßen belletristischen Phrase steht; wie sie nur dazu dient, die Arabeske seiner Plagiate zu bilden. Avis aux philosophes! <Warnung an die Philosophen!>
Wir übergehen, was Herr Grün über den Kommunismus sagt. Die historischen Notizen sind aus Cabets Broschüren abgeschrieben, die "Voyage en Icarie" in der vom wahren Sozialismus adoptierten Weise aufgefaßt (vgl. "Bürgerbuch" und "Rheinische Jahrb[ücher]"). Herr Grün beweist seine Kenntnis der französischen und zugleich der englischen Zustände dadurch, daß er Cabet den "kommunistischen O'Connell von Frankreich" nennt, p. 382, und sagt dann:
"Er wäre imstande, mich hängen zu lassen, wenn er die Gewalt dazu hätte und wüßte, was ich über ihn denke und schreibe. Diese Agitatoren sind für Unsereins gefährlich, weil sie borniert sind." p. 382.
"Herr Stein hat sich selbst das glänzendste Armutszeugnis ausgestellt, da er diesen Proudhon en bagatelle <als eine Null> behandelte" (vgl. "Einundzw[anzig] Bogen", p. 84). "Es gehört freilich etwas mehr als Hegelscher abgekochter Kohl dazu, um diese inkarnierte Logik zu verfolgen." p. 411.
Einige wenige Beispiele mögen zeigen, daß Herr Grün auch in diesem Abschnitte sich treu bleibt.
Er übersetzt von p. 437-444 einige Auszüge aus den nationalökonomischen Beweisen Proudhons, daß das Eigentum unmöglich sei, und ruft am Ende aus:
"Dieser Kritik des Eigentums, welche die vollständige Auflösung desselben ist, brauchen wir nichts hinzuzufügen! Wir wollen hier nicht eine neue Kritik schreiben,
welche wieder die Gleichheit der Produktion, die Vereinzelung der gleichen Arbeiter aufhöbe. Schon oben habe ich das Nötige angedeutet, das Übrige" (was Herr Grün nämlich nicht angedeutet hat) "wird sich beim Wiederaufbau der Gesellschaft, bei der Gründung der wahren Besitzverhältnisse finden." p. 444.
So sucht Herr Grün dem Eingehen auf die nationalökonomischen Entwicklungen Proudhons zu entschlüpfen und zugleich sich darüber zu erheben. Proudhons sämtliche Beweise sind falsch, doch das wird sich für Herrn Grün finden, sobald es von Andern nachgewiesen ist.
Die in der "Heiligen Familie" gegebenen Bemerkungen über Proudhon, namentlich, daß Proudhon die Nationalökonomie vom nationalökonomischen, das Recht vom juristischen Standpunkte aus kritisiere, werden von Herrn Grün abgeschrieben. Er hat indes so wenig verstanden, w[or]u[m] es sich handelte, daß er die [ei]gentliche Pointe wegläßt, [nämlich] daß Proudhon die Illusi[onen der] Juristen und Ökonomen ge[genüber] ihrer Praxis geltend m[acht, und] rein sinnlos[e Phrasen] für den obigen Satz gibt.
Das Wichtigste in Proudhons Buch "De la création de l'ordre dans l'humanité" ist seine dialectique sérielle <Seriendialektik>, der Versuch, eine Methode des Denkens zu geben, wodurch an die Stelle der selbständigen Gedanken der Denkprozeß tritt. Proudhon sucht von französischem Standpunkte aus nach einer Dialektik, wie Hegel sie wirklich gegeben hat. Die Verwandtschaft mit Hegel ist hier also realiter vorhanden, nicht durch phantastische Analogie. Hier war es also leicht, eine Kritik der Proudhonschen Dialektik zu geben, wenn man mit der Kritik der Hegelschen fertig geworden war. Dies war aber um so weniger von den wahren Sozialisten zu verlangen, als der von ihnen sich vindizierte Philosoph Feuerbach damit nicht zustande gekommen war. Herr Grün sucht auf eine wirklich drollige Weise seine Aufgabe zu eskamotieren. Gerade an der Stelle, wo er sein deutsches schweres Geschütz spielen lassen sollte, reißt er aus mit einer unanständigen Gebärde. Er füllt erst einige Blätter mit Übersetzungen aus und erklärt dem Proudhon dann mit breitspuriger belletristischer captatio benevolentiae <Jagen nach Popularität>, daß er mit seiner ganzen dialectique serielle nur den Gelehrten spielen wolle. Er sucht ihn freilich durch den Zuruf zu trösten:
"Ach, mein lieber Freund, was das Gelehrt- (und "Privatdozent-)sein anbetrifft, so täusche dich nicht. Wir haben Alles wieder verlernen müssen, was uns unsre Scholarchen und Universitätsmaschinen (mit Ausnahme von Stein, Reybaud und Cabet) - mit so unendlicher Mühe, mit so vielem Widerwillen von ihrer und von unsrer Seite beizubringen suchten." p. [457.]
Zum Beweise, daß Herr Grün jetzt nicht mehr "mit so unendlicher Mühe", wenn auch vielleicht noch mit eben "so vielem Widerwillen" lernt, beginnt er seine sozialistischen St[ud]ien und Briefe in Paris am 6. November [und] hat bis zum nächsten 20. Januar [nicht] nur die Studien, sondern auch [die Darstellung de]s "wahren Gesamteindrucks des vollstän[dig]en Verlaufs mit Notwendigkeit" voll[en]det.
Datum der letzten Änderung : Jena, den : 11.02.2013