5. Der in seiner Konstruktion vergnügte Stirner
Wir sind jetzt grade wieder so weit, als wir p. 19 bei dem Jüngling, der in den Mann überging, und p. 90 bei dem mongolenhaften Kaukasier waren,
der sich in den kaukasischen Kaukasier verwandelt und "sich selber findet". Wir sind also bei der dritten Selbstfindung des geheimnisvollen Individuums, dessen "saure Lebenskämpfe" uns der heilige Max vorführt. Nur haben wir jetzt die ganze Geschichte hinter uns und müssen wegen des großen Materials, das wir verarbeitet haben, einen Rückblick auf den ungeheuern Kadaver des ruinierten Menschen werfen.
Wenn der heilige Max auf einer spätem Seite, wo er längst seine Geschichte vergessen hat, behauptet, daß "schon längst die Genialität als die Schöpferin neuer weltgeschichtlicher Produktionen angesehen wird" (p. 214), so haben wir gesehen, daß dies wenigstens seiner Geschichte auch seine schlimmsten Feinde nicht nachlästern können, da hier keine Personen, geschweige Genies, sondern nur versteinerte Gedankenkrüppel und Hegelsche Wechselbälge auftreten.
Repetitio est mater studiorum <Die Wiederholung ist die Mutter der Studien>. Sankt Max, der seine ganze Historie der "Philosophie oder Zeit" nur gegeben hat, um Gelegenheit zu einigen flüchtigen Studien Hegels zu finden, repetiert schließlich noch einmal seine ganze einzige Geschichte. Dies geschieht indes mit einer naturgeschichtlichen Wendung, die uns wichtige Aufschlüsse über die "einzige" Naturwissenschaft gibt und sich daraus erklärt, daß bei ihm die "Welt" jedesmal, wo sie eine wichtige Rolle zu spielen hat, sich sogleich in die Natur verwandelt. Die "einzige" Naturwissenschaft beginnt sofort mit dem Geständnis ihrer Ohnmacht. Sie betrachtet nicht das wirkliche, durch die Industrie und Naturwissenschaft gegebene Verhältnis, sie proklamiert das phantastische Verhältnis des Menschen zur Natur. "Wie Weniges vermag der Mensch zu bezwingen! Er muß die Sonne ihre Bahn ziehen, das Meer seine Wellen treiben, die Berge zum Himmel ragen lassen." (p. 122.) Sankt Max, der die Mirakel liebt, wie alle Heiligen, es aber dennoch nur bis zum logischen Mirakel bringt, ärgert sich darüber, daß er die Sonne nicht den Cancan tanzen lassen, er jammert, daß er das Meer, nicht in Ruhestand versetzen kann, es entrüstet ihn, daß er die Berge zum Himmel ragen lassen muß. Obwohl p. 124 die Welt bereits am Ende der alten Zeit "prosaisch" wird, so ist sie für unsern Heiligen noch immer höchst unprosaisch. Für ihn zieht noch immer "die Sonne", nicht die Erde ihre Bahn, und sein Gram ist, daß er nicht à la Josua ihr ein: "Sonne, stehe stille" kommandieren kann. p. 123 entdeckt Stirner, daß "der Geist" am Ende der alten Welt "unaufhaltsam wieder überschäumte, weil in seinem Innern Gase (Geister) sich entwickelten und, nachdem der mechanische Stoß, der von Außen kommt, unwirksam geworden, chemische
Spannungen, die im Innern erregen, ihr wunderbares Spiel zu treiben begannen".
Dieser Satz enthält die bedeutendsten Data der "einzigen" Naturphilosophie, die bereits auf der vorigen Seite dahin gekommen war, daß die Natur für den Menschen "das Unbezwingliche" sei. Die profane Physik weiß Nichts von einem mechanischen Stoß, der unwirksam wird - die einzige Physik hat allein das Verdienst ihrer Entdeckung. Die profane Chemie kennt keine "Gase", die "chemische Spannungen" und noch dazu "im Innern" erregen. Gase, die neue Mischungen, neue chemische Verhältnisse eingehen, erregen keine "Spannungen", sondern höchstens Abspannungen, indem sie in den tropfbaren Aggregatzustand übergehen und dadurch ihr Volumen auf weniger als ein Tausendstel des früheren reduzieren. Wenn der heilige Max "in" seinem eignen "Innern" "Spannungen" infolge von "Gasen" verspürt, so sind das höchst "mechanische Stöße", keineswegs "chemische Spannungen" - sie werden hervorgebracht durch die chemische, wieder auf physiologischen Ursachen beruhende Verwandlung gewisser Mischungen in andre, wodurch ein Teil der Bestandteile der früheren Mischung luftförmig wird, dadurch ein größeres Volumen einnimmt, und wenn dazu kein Raum vorhanden ist, nach außen hin einen "mechanischen Stoß" oder Druck [ver]ursacht. [Daß] diese nicht existierenden ["chemi]schen Spannungen" "im Innern", nämlich diesmal im Kopfe des heiligen Max, ein höchst "wunder[bares] Spiel treiben", "sehen wir [nun"] an der Rolle, die sie [in] der "einzigen" Naturwissenschaft spielen. Übrigens möge der heilige Max den profanen Naturforschern nicht länger vorenthalten, welchen Unsinn er sich bei dem verrückten Wort "chemische Spannungen" vorstellt und noch dazu bei solchen "chemischen Spannungen", die "im Innern erregen" (als ob ein "mechanischer Stoß" auf den Magen ihn nicht auch "im Innern errege").
Die "einzige" Naturwissenschaft ist bloß deswegen geschrieben worden, weil Sankt Max diesmal die Alten doch nicht anständigerweise berühren konnte, ohne zugleich ein paar Worte über die "Welt der Dinge", die Natur, fallen zu lassen.
Die Alten lösen sich, wie uns hier versichert wird, am Ende der alten Welt in lauter Stoiker auf, "die durch keinen Einsturz der Welt" (wie oft soll sie denn einstürzen?) "aus ihrer Fassung zu bringen sind" (p. 123). Die Alten werden also Chinesen, die auch "aus dem Himmel ihrer Ruhe kein unvorhergesehener Fall" (oder Einfall) "stürzt" (p. 88). Ja, Jacques le bonhomme glaubt wirklich, daß gegen die letzten Alten "der mechanische Stoß, der von Außen kommt, unwirksam geworden sei". Wie sehr dies der wirklichen Lage der Römer und Griechen am Ende der alten Welt entspricht, der gänzlichen
Haltlosigkeit und Unsicherheit, die dem "mechanischen Stoß" kaum noch einen Rest von vis inertiae <Trägheit; Beharrungsvermögen> entgegenzusetzen hatte, darüber ist u.a. Lukian zu vergleichen. Die gewaltigen mechanischen Stöße, die das römische Weltreich durch seine Zerteilung unter die verschiednen Cäsaren und deren Kriege miteinander, durch die kolossale Konzentration des Besitzes, namentlich des Grundbesitzes, in Rom, die dadurch hervorgerufene Verminderung der Bevölkerung in Italien, durch die Hunnen und Germanen erhielt, sind für unsern heiligen Historiker "unwirksam geworden"; nur die "chemischen Spannungen", nur die "Gase", die das Christentum "im Innern erregte", haben das römische Reich gestürzt. Die großen Erdbeben [im Westen] und im Osten, u.a., [die durch] "mechanische Stöße" Hun[derttau]sende unter den R[uinen] ihrer Städte begruben, [wovon] die Menschen auch geistig [keines]wegs unalteriert verblieben [,sind] nach "Stirner" wohl ebenfalls "[un]wirksam" oder chemische Spannungen. Und "in der Tat" (!) "schließt die alte Geschichte damit, daß Ich an der Welt Mein Eigentum errungen habe", was vermittelst des Bibelspruchs bewiesen wird: "Mir" (d.h. Christus) "sind alle Dinge übergeben vom Vater." Hier ist also Ich = Christus. Bei dieser Gelegenheit versäumt Jacques le bonhomme nicht, dem Christen zu glauben, daß er Berge versetzen pp. könne, wenn "ihm nur daran läge". Er proklamiert sich als Christen zum Herrn der Welt, ist es denn aber auch nur als Christ; er proklamiert sich zum "Eigner der Welt". "Hiermit hatte der Egoismus den ersten vollständigen Sieg errungen, indem Ich Mich dazu erhoben hatte, der Eigner der Welt zu sein." (p. 124.) Um sich zum vollendeten Christen zu erheben, hatte das Stirnersche Ich nur noch den Kampf durchzusetzen, auch geistlos zu werden (was ihm gelungen ist, ehe denn die Berge waren). "Selig sind, die da arm an Geist sind, denn das Himmelreich ist ihrer." Sankt Max hat die Armut am Geist vollendet und rühmt sich dessen sogar in seiner großen Freude vor dem Herrn.
Der geistlose Sankt Max glaubt an die aus der Auflösung der alten Welt hervorgehenden phantastischen Gasbildungen der Christen. Der alte Christ hatte kein Eigentum an dieser Welt, er begnügte sich daher mit der Einbildung seines himmlischen Eigentums und mit seinem göttlichen Besitztitel. Statt an der Welt das Eigentum des Volks zu haben, stempelte er sich selbst und seine Lumpengenossenschaft zum "Volk des Eigentums" (1 Petri 2,9). Die christliche Vorstellung von der Welt ist nach "Stirner" die Welt, worin sich wirklich die alte Welt auflöst, obgleich es doch höchstens [eine Welt] der Einbildungen ist, worin [sich die W]elt der alten Vorstellungen
[auflöst in ei]ne Welt, in der der Christ [im Glauben] auch Berge versetzen, sich [mächtig f]ühlen und zur "Unwirksam[keit des] mechanischen Stoßes" vor[wärts]dringen kann. Da die Menschen [bei "S]tirner" nicht mehr durch die [Außen]welt bestimmt, auch nicht mehr [durch] den mechanischen Stoß des [Be]dürfnisses zum Produzieren fort[ge]trieben werden, überhaupt der mechanische Stoß, und damit auch der Geschlechtsakt, seine Wirkung verloren hatte, so können [sie] nur durch Wunder fortexistiert haben. Es ist allerdings für deutsche Schöngeister und Schulmeister von der Gashaltigkeit "Stirners" viel leichter, statt die Umgestaltung der wirklichen Eigentums- und Produktionsverhältnisse der alten Welt darzustellen, sich zu begnügen mit der christlichen Phantasie des Eigentums, die in Wahrheit Nichts ist als das Eigentum der christlichen Phantasie.
Derselbe Urchrist, der in Jacques le bonhommes Einbildung der Eigner der alten Welt war, gehörte in der Wirklichkeit meist zur Welt der Eigner, war Sklave und konnte verschachert werden. Doch "Stirner", in seiner Konstruktion vergnügt, jubelt unaufhaltsam weiter.
"Das erste Eigentum, die erste Herrlichkeit ist erworben!" (p. 124.)
In derselben Weise fährt der Stirnersche Egoismus fort, sich Eigentum und Herrlichkeit zu erwerben und "vollständige Siege" zu erringen. In dem theologischen Verhältnis des Urchristen zur alten Welt ist all sein Eigentum und all seine Herrlichkeit prototypisch vollendet.
Dies Eigentum des Christen wird so motiviert:
"Die Welt ist entgöttert ..., prosaisch geworden. sie ist Mein Eigentum, mit dem Ich schalte, wie Mir's (nämlich dem Geiste) beliebt." p. 124.
Dies will heißen: Die Welt ist entgöttert, also von Meinen Phantasien für Mein eignes Bewußtsein befreit, sie ist prosaisch geworden, verhält sich also prosaisch zu Mir, und schaltet und waltet mit Mir nach ihrer beliebten Prosa, keineswegs Mir zuliebe. Abgesehen davon, daß "Stirner" hier wirklich glaubt, im Altertum habe keine prosaische Welt existiert und habe das Göttliche in der Welt gesessen, verfälscht er sogar die christliche Vorstellung, die ihre Ohnmacht gegen die Welt beständig bejammert und ihren Sieg über die Welt in ihrer Phantasie selbst wieder als einen idealen darstellt, indem sie ihn auf den Jüngsten Tag verlegt. Erst als das Christentum von der wirklichen Weltmacht mit Beschlag belegt und exploitiert wurde, womit es natürlich aufgehört hatte, weltlos zu sein, konnte es sich einbilden, der Eigner der Welt zu sein. Sankt Max gibt dem Christen dasselbe falsche Verhältnis zur alten Welt wie dem Jüngling zur "Welt des Kindes"; er gibt dem Egoisten
dasselbe Verhältnis zur Welt des Christen wie dem Mann zur Welt des Jünglings.
Der Christ hat nun auch nichts mehr zu tun, als möglichst schnell geistlos zu werden und ebenso die Welt des Geistes in ihrer Eitelkeit zu erkennen, wie dies von ihm mit der Welt der Dinge geschah - um dann auch mit der Welt des Geistes "nach Belieben schalten und walten" zu können, wodurch er vollendeter Christ, Egoist wird. Das Verhalten des Christen zur alten Welt gibt also die Norm für das Verhalten des Egoisten zur neuen Welt ab. Die Vorbereitung zu dieser Geistlosigkeit war der Inhalt eines "fast zweitausendjährigen" Lebens, ein Leben, das natürlich in seinen Hauptepochen nur in Deutschland sich zuträgt.
"Unter mancherlei Wandlungen wurde aus dem heiligen Geiste mit der Zeit die absolute Idee, welche wieder in mannigfaltigen Brechungen zu den verschiedenen Ideen der Menschenliebe, Bürgertugend, Vernünftigkeit usw. auseinanderschlug." p. 125, p. 126
Der deutsche Stubenhocker dreht hier wieder die Sache um. Die Ideen der Menschenliebe pp., Münzen, deren Gepräge schon ganz abgegriffen war, namentlich durch ihre große Zirkulation im achtzehnten Jahrhundert, wurden von Hegel zusammengeschlagen in das Sublimat der absoluten Idee, in welcher Umprägung es ihnen indes ebensowenig gelang, im Auslande Kurs zu erhalten, wie dem preußischen Papiergelde.
Der konsequente, aber und abermals dagewesene Schluß der Stirnerschen Geschichtsanschauung ist folgender: "Begriffe sollen überall entscheiden, Begriffe das Leben regeln, Begriffe herrschen. Das ist die religiöse Welt, welcher Hegel einen systematischen Ausdruck gab" (p. 126), und welche unser gutmütiger Biedermann so sehr für die wirkliche Welt versieht, daß er auf der folgenden Seite, p. 127, sagen kann: "Jetzt herrscht in der Welt Nichts als der Geist." In dieser Welt des Wahns festgeritten, kann er nun auch p.128 erst einen "Altar" bauen und dann "um diesen Altar" "eine Kirche wölben", eine Kirche, deren "Mauern" Fortschrittsbeine haben und "immer weiter hinausrücken". "Bald umspannt jene Kirche die ganze Erde"; Er, der Einzige, und Szeliga, sein Knecht, stehen draußen, "schweifen um die Mauern herum und werden zum äußersten Rande hinausgetrieben"; "aufschreiend in verzehrendem Hunger" ruft Sankt Max seinem Knechte zu: "Noch ein Schritt, und die Welt des Heiligen hat gesiegt." Plötzlich "versinkt" Szeliga "in den äußersten Abgrund", der über ihm liegt - ein schriftstellerisches Wunder. Da nämlich die Erde eine Kugel ist, kann der Abgrund, sobald die Kirche die ganze Erde umspannt, nur über Szeliga liegen. So verkehrt er die Gesetze der Schwere, fährt ärschlings gen Himmel und bringt
dadurch die "einzige" Naturwissenschaft zu Ehren, was ihm um so leichter wird, als nach p. 126 "die Natur der Sache und der Begriff des Verhältnisses" dem "Stirner" gleichgültig sind, "ihn nicht in der Behandlung oder Schließung desselben leiten", und "das Verhältnis, das" Szeliga mit der Schwere "eingegangen", durch Szeligas "Einzigkeit selbst einzig" ist und keineswegs von der Natur der Schwere "abhängt" oder davon, "wie Andere", z.B. die Naturforscher, "es rubrizieren". "Stirner" verbittet sich überdem schließlich, daß man Szeligas "Handlung vom wirklichen" Szeliga "trenne und nach dem menschlichen Werte veranschlage".
Nachdem der heilige Max seinem treuen Diener so ein anständiges Unterkommen im Himmel besorgt hat, schreitet er zu seiner eignen Passion. Er hat p. 95 entdeckt, daß selbst der "Galgen" die "Farbe des Heiligen" habe; es "graut den Menschen vor der Berührung desselben, es liegt etwas Unheimliches, d.h. Unheimisches, Uneigenes, darin". Um diese Uneigenheit des Galgens aufzuheben, macht er ihn zu seinem eignen Galgen, was er nur dadurch vollziehen kann, daß er sich daran hängt. Auch dies letzte Opfer bringt der Löwe aus Juda dem Egoismus. Der heilige Christ läßt sich ans Kreuz hangen, nicht um das Kreuz, sondern um die Menschen von ihrer Unheiligkeit zu erlösen; der heillose Christ hängt sich selbst an den Galgen, um den Galgen von der Heiligkeit oder sich selbst von der Uneigenheit desGalgens zu erlösen.
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"Die erste Herrlichkeit, das erste Eigentum ist erworben, der erste vollständige Sieg ist errungen!" Der heilige Streiter hat jetzt die Geschichte überwunden, er hat sie in Gedanken, reine Gedanken, die Nichts als Gedanken sind, aufgelöst und am Ende der Tage nur ein Gedankenheer sich gegenüberstehen. So zieht er aus, Er, Sankt Max, der seinen "Galgen" jetzt auf den Rücken genommen hat wie der Esel das Kreuz, und Szeliga, sein Knecht, der, mit Fußtritten im Himmel empfangen, gesenkten Hauptes wieder bei seinem Herrn sich einfindet, um dieses Gedankenheer oder vielmehr bloß den Heiligenschein dieser Gedanken zu bekämpfen. Diesmal ist es Sancho Pansa, voller Sittensprüche, Maximen und Sprüchwörter, der den Kampf gegen das Heilige übernimmt, und Don Quixote tritt als sein frommer und getreuer Knecht auf. Der ehrliche Sancho kämpft mit derselben Tapferkeit wie vorzeiten der caballero Manchego <manchanische Ritter> und verfehlt nicht, wie dieser, mehrmals eine mongolische Hammelherde für einen Schwarm von Gespenstern zu versehen.
Der feiste Maritornes hat sich "unter mancherlei Wandlungen mit der Zeit in mannigfaltigen Brechungen" in eine keusche Berliner Nähterin verwandelt, die an der Bleichsucht zugrunde geht, worüber Sankt Sancho eine Elegie anstimmt - eine Elegie, die allen Referendarien und Gardelieutnants den Satz des Rabelais zum Bewußtsein gebracht hat, daß des weltbefreienden "Kriegsknechts erstes Waffenstück der Hosenlatz ist".
Sancho Pansa vollbringt seine Heldentaten dadurch, daß er das ganze ihm gegenüberstehende Gedankenheer in seiner Nichtigkeit und Eitelkeit erkennt. Die ganze große Aktion beschränkt sich auf ein bloßes Erkennen, das am Ende der Tage Alles bestehen läßt, wie es war, und nur seine Vorstellung, nicht einmal von den Dingen, sondern von den philosophischen Phrasen über die Dinge, ändert.
Nun also, nachdem die Alten als Kind, Neger, negerhafte Kaukasier, Tier, Katholiken, englische Philosophie, Ungebildete, Nichthegelianer, Welt der Dinge, realistisch, und die Neuen als Jüngling, Mongole, mongolenhafte Kaukasier, der Mensch, Protestanten, deutsche Philosophie, Gebildete, Hegelianer, Welt der Gedanken, idealistisch dagewesen sind, nachdem Alles geschehen ist, was da beschlossen war von Ewigkeit im Rate der Wächter, nun ist endlich die Zeit erfüllet. Die negative Einheit Beider, die schon als Mann, Kaukasier, kaukasischer Kaukasier, vollendeter Christ, in Knechtsgestalt, gesehen "durch einen Spiegel in einem dunklen Wort" (1. Cor[inther] 13, 12), aufgetreten war, kann jetzt, nach der Passion und dem Galgentod Stirners und der Himmelfahrt Szeligas in ihrer Glorie, auf die einfachste Namengebung zurückkehrend, kommen in den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit. "So heißt es nun": Was früher "Man" war (vgl. Ök[onomie] d[es] A[lten] Bundes), wird jetzt "ich" - die negative Einheit von Realismus und Idealismus, der Welt der Dinge und der Welt des Geistes. Diese Einheit von Realismus und Idealismus heißt bei Schelling "Indifferenz", oder Berlinisch verdolmetscht: Jleichjiltigkeit; bei Hegel wird sie negative Einheit, in der die beiden Momente aufgehoben werden; Sankt Max, den als guten deutschen Spekulanten noch immer die "Einheit der Gegensätze" nicht schlafen läßt, ist damit nicht zufrieden; er will diese Einheit an einem "leibhaftigen Individuum", in einem "ganzen Kerl" vor sich sehen, wozu ihm Feuerbach in den "Anekdotis" und der "Philosophie der Vernunft" Vorschub geleistet hat. Dieses Stirnersche "Ich", das am Ende der bisherigen Welt herauskommt, ist also kein "leibhaftiges Individuum", sondern eine durch die von Appositionen unterstützte Hegelsche Methode konstruierte Kategorie, deren weitere "Flohsprünge" wir im Neuen Testament verfolgen werden. Hier bemerken wir nur noch, daß dies Ich in letzter
Instanz dadurch zustande kommt, daß es über die Welt des Christen sich dieselben Einbildungen macht wie der Christ über die Welt der Dinge. Wie der Christ sich die Welt der Dinge aneignet, indem er sich phantastisches Zeug über sie "in den Kopf setzt", so eignet "Ich" sich die christliche Welt, die Welt der Gedanken, vermöge einer Reihe phantastischer Einbildungen über dieselbe an. Was der Christ sich über sein Verhältnis zur Welt einbildet, glaubt ihm "Stirner", findet es probat und macht es ihm gutmütig nach.
"So halten wir nun, daß der Mensch gerecht werde ohne die Werke, allein durch den Glauben." Römer 3, 28.
Hegel, dem sich die neue Welt auch in die Welt abstrakter Gedanken auf gelöst hatte, bestimmt die Aufgabe des neuen Philosophen im Gegensatz zum alten dahin, statt wie die alten sich vom "natürlichen Bewußtsein" zu befreien und "das Individuum aus der unmittelbaren sinnlichen Weise zu reinigen und es zur gedachten und denkenden Substanz" (Geist) "zu machen" - die "festen, bestimmten, fixen Gedanken aufzuheben". Dies, fügt er hinzu, vollbringe "die Dialektik". "Phänomenologie", p. 26, 27. "Stirner unterscheidet sich von Hegel dadurch, daß er dasselbe ohne Dialektik vollbringt.
Was die "Freien" hier zu tun haben, besagt die Ökonomie des Alten Bundes. Wir können nicht dafür, daß das Ich, dem wir bereits so nahe gerückt waren, uns jetzt wieder in unbestimmte Ferne zurücktritt. Es ist überhaupt nicht unsre Schuld, daß wir nicht schon von p. 20 "des Buchs" sogleich auf das Ich übergingen.
A) Der politische Liberalismus
Der Schlüssel zu Sankt Maxens und seiner Vorgänger Kritik des Liberalismus ist die Geschichte des deutschen Bürgertums. Wir heben einige Momente dieser Geschichte seit der französischen Revolution hervor.
Der Zustand Deutschlands am Ende des vorigen Jahrhunderts spiegelt sich vollständig ab in Kants "Critik der practischen Vernunft". Während die französische Bourgeoisie sich durch die kolossalste Revolution, die die Geschichte kennt, zur Herrschaft aufschwang und den europäischen Kontinent eroberte, während die bereits politisch emanzipierte englische Bourgeoisie die Industrie revolutionierte und sich Indien politisch und die ganze andere
Welt kommerziell unterwarf, brachten es die ohnmächtigen deutschen Bürger nur zum "guten Willen". Kant beruhigte sich bei dem bloßen "guten Willen", selbst wenn er ohne alles Resultat bleibt, und setzte die Verwirklichung dieses guten Willens, die Harmonie zwischen ihm und den Bedürfnissen und Trieben der Individuen, ins Jenseits. Dieser gute Wille Kants entspricht vollständig der Ohnmacht, Gedrücktheit und Misere der deutschen Bürger, deren kleinliche Interessen nie fähig waren, sich zu gemeinschaftlichen, nationalen Interessen einer Klasse zu entwickeln, und die deshalb fortwährend von den Bourgeois aller andern Nationen exploitiert wurden. Diesen kleinlichen Lokalinteressen entsprach einerseits die wirkliche lokale und provinzielle Borniertheit, andrerseits die kosmopolitische Aufgeblähtheit der deutschen Bürger. Überhaupt hatte seit der Reformation die deutsche Entwicklung einen ganz kleinbürgerlichen Charakter erhalten. Der alte Feudaladel war größtenteils in den Bauernkriegen vernichtet worden; was übrigblieb, waren entweder reichsunmittelbare Duodezfürsten, die sich allmählich eine ziemliche Unabhängigkeit verschafften und die absolute Monarchie im kleinsten und kleinstädtischsten Maßstabe nachahmten, oder kleinere Grundbesitzer, die teils ihr bißchen Vermögen an den kleinen Höfen durchbrachten und dann von kleinen Stellen in den kleinen Armeen und Regierungsbüros lebten - oder Krautjunker, die ein Leben führten, dessen sich der bescheidenste englische Squire <Landedelmann> oder französische gentilhomme de province <Landedelmann> geschämt hätte. Der Ackerbau wurde auf eine Weise betrieben, die weder Parzellierung noch große Kultur war und die trotz der fortdauernden Hörigkeit und Fronlasten die Bauern nie zur Emanzipation forttrieb, sowohl weil diese Art des Betriebes selbst keine aktiv revolutionäre Klasse aufkommen ließ, als auch weil ihr die einer solchen Bauernklasse entsprechende revolutionäre Bourgeoisie nicht zur Seite stand.
Was die Bürger betrifft, so können wir hier nur ein paar bezeichnende Momente hervorheben. Bezeichnend ist, daß die Leinenmanufaktur, d.h. die auf dem Spinnrad und Handwebstuhl beruhende Industrie, in Deutschland gerade zu derselben Zeit zu einiger Bedeutung kam, als in England diese unbeholfenen Instrumente durch Maschinen verdrängt wurden. Am bezeichnendsten ist ihre Stellung zu Holland. Holland, der einzige Teil der Hanse, der zu kommerzieller Bedeutung kam, riß sich los, schnitt Deutschland bis auf zwei Häfen (Hamburg und Bremen) vom Welthandel ab und beherrschte seitdem den ganzen deutschen Handel. Die deutschen Bürger waren zu ohnmächtig, der Exploitation durch die Holländer Schranken zu setzen. Die
Bourgeoisie des kleinen Hollands mit ihren entwickelten Klasseninteressen war mächtiger als die viel zahlreicheren Bürger Deutschlands mit ihrer Interesselosigkeit und ihren zersplitterten kleinlichen Interessen. Der Zersplitterung der Interessen entsprach die Zersplitterung der politischen Organisation, die kleinen Fürstentümer und die freien Reichsstädte. Wo sollte politische Konzentration in einem Lande herkommen, dem alle ökonomischen Bedingungen derselben fehlten? Die Ohnmacht jeder einzelnen Lebenssphäre (man kann weder von Ständen noch von Klassen sprechen, sondern höchstens von gewesenen Ständen und ungebornen Klassen) erlaubte keiner einzigen, die ausschließliche Herrschaft zu erobern. Die notwendige Folge davon war, daß während der Epoche der absoluten Monarchie, die hier in ihrer allerverkrüppeltsten, halb patriarchalischen Form vorkam, die besondre Sphäre, welcher durch die Teilung der Arbeit die Verwaltung der öffentlichen Interessen zufiel, eine abnorme Unabhängigkeit erhielt, die in der modernen Bürokratie noch weiter getrieben wurde. Der Staat konstituierte sich so zu einer scheinbar selbständigen Macht und hat diese in andern Ländern nur vorübergehende Stellung - Übergangsstufe - in Deutschland bis heute behalten. Aus dieser Stellung erklärt sich sowohl das anderwärts nie vorkommende redliche Beamtenbewußtsein wie die sämtlichen in Deutschland kursierenden Illusionen über den Staat, wie die scheinbare Unabhängigkeit, die die Theoretiker hier gegenüber den Bürgern haben - der scheinbare Widerspruch zwischen der Form, in der diese Theoretiker die Interessen der Bürger aussprechen, und diesen Interessen selbst.
Die charakteristische Form, die der auf wirklichen Klasseninteressen beruhende französische Liberalismus in Deutschland annahm, finden wir wieder bei Kant. Er sowohl wie die deutschen Bürger, deren beschönigender Wortführer er war, merkten nicht, daß diesen theoretischen Gedanken der Bourgeois materielle Interessen und ein durch die materiellen Produktionsverhältnisse bedingter und bestimmter Wille zugrunde lag; er trennte daher diesen theoretischen Ausdruck von den Interessen, die er ausdrückt, machte die materiell motivierten Bestimmungen des Willens der französischen Bourgeois zu reinen Selbstbestimmungen des "freien Willens", des Willens an und für sich, des menschlichen Willens, und verwandelte ihn so in rein ideologische Begriffsbestimmungen und moralische Postulate. Die deutschen Kleinbürger schauderten daher auch vor der Praxis dieses energischen Bourgeoisliberalismus zurück, sobald diese sowohl in der Schreckensherrschaft als in dem unverschämten Bourgeoiserwerb hervortrat.
Unter der Herrschaft Napoleons trieben die deutschen Bürger ihren kleinen Schacher und ihre großen Illusionen noch weiter. Über den Schachergeist, der damals in Deutschland herrschte, kann Sankt Sancho u.a. Jean Paul vergleichen, um ihm allein zugängliche belletristische Quellen zu zitieren. Die deutschen Bürger, die über Napoleon schimpften, weil er sie Zichorien zu trinken zwang und ihren Landfrieden durch Einquartierung und Konskription störte, verschwendeten ihren ganzen moralischen Haß an ihn und ihre ganze Bewunderung an England; während Napoleon ihnen durch seine Reinigung des deutschen Augiasstalles und die Herstellung zivilisierter Kommunikationen die größten Dienste leistete und die Engländer nur auf die Gelegenheit warteten, sie à tort et à travers <wild drauflos> zu exploitieren. In gleich kleinbürgerlicher Weise bildeten sich die deutschen Fürsten ein, für das Prinzip der Legitimität und gegen die Revolution zu kämpfen, während sie nur die bezahlten Landsknechte der englischen Bourgeois waren. Unter diesen allgemeinen Illusionen war es ganz in der Ordnung, daß die zur Illusion privilegierten Stände, die Ideologen, die Schulmeister, die Studenten, die Tugendbündler, das große Wort führten und der allgemeinen Phantasterei und der Interesselosigkeit einen analogen, überschwenglichen Ausdruck gaben.
Durch die Julirevolution - da wir nur wenige Hauptpunkte andeuten, überspringen wir den Zwischenraum - wurden die der ausgebildeten Bourgeoisie entsprechenden politischen Formen den Deutschen von außen zugeschoben. Da die deutschen ökonomischen Verhältnisse noch bei weitem nicht die Entwicklungsstufe erreicht hatten, der diese politischen Formen entsprachen, so akzeptierten die Bürger diese Formen nur als abstrakte Ideen, an und für sich gültige Prinzipien, fromme Wünsche und Phrasen, Kantsche Selbstbestimmungen des Willens und der Menschen, wie sie sein sollen. Sie verhielten sich daher viel sittlicher und uninteressierter zu ihnen als andre Nationen; d.h., sie machten eine höchst eigentümliche Borniertheit geltend und blieben mit allen ihren Bestrebungen ohne Erfolg.
Endlich drückte die immer heftiger werdende Konkurrenz des Auslandes und der Weltverkehr, dem sich Deutschland immer weniger entziehen konnte, die deutschen zersplitterten Lokalinteressen zu einer gewissen Gemeinsamkeit zusammen. Die deutschen Bürger begannen, namentlich seit 1840, auf die Sicherstellung dieser gemeinsamen Interessen zu denken; sie wurden national und liberal und verlangten Schutzzölle und Konstitutionen. Sie sind also jetzt beinahe so weit wie die französischen Bourgeois 1789.
Wenn man, wie die Berliner Ideologen, den Liberalismus und den Staat, selbst innerhalb der deutschen Lokaleindrücke stehend, beurteilt oder gar auf die Kritik der deutschbürgerlichen Illusionen über den Liberalismus sich beschränkt, statt ihn im Zusammenhange mit den wirklichen Interessen aufzufassen, aus denen er hervorgegangen ist und mit denen zusammen er allein wirklich existiert, kommt man natürlich zu den abgeschmacktesten Resultaten von der Welt. Dieser deutsche Liberalismus, wie er sich bis zur neuesten Zeit hin noch aussprach, ist, wie wir gesehen haben, schon in seiner populären Form Schwärmerei, Ideologie über den wirklichen Liberalismus, Wie leicht also, seinen Inhalt ganz in Philosophie, in reine Begriffsbestimmungen, in "Vernunfterkenntnis" zu verwandeln! Ist man also gar so unglücklich, selbst den verbürgerten Liberalismus nur in der sublimierten Gestalt zu kennen, die Hegel und die von ihm abhängigen Schulmeister ihm gegeben haben, so gelangt man zu Schlußfolgerungen, die ausschließlich ins Reich des Heiligen gehören. Sancho wird uns hiervon ein trauriges Exempel liefern.
"Man hat in jüngster Zeit" in der aktiven Welt "so viel von" der Herrschaft der Bourgeois "gesprochen, daß man sich nicht wundern darf, wenn die Kunde davon", schon durch den von dem Berliner Buhl übersetzten L. Blanc pp., "auch nach Berlin gedrungen ist" und daselbst die Aufmerksamkeit gemütlicher Schulmeister auf sich gezogen hat (Wigand, p. 190). Man kann indes nicht sagen, daß "Stirner" in seiner Methode der Aneignung der kursierenden Vorstellungen sich "eine besonders gewinnreiche und einträgliche Wendung angewöhnt" habe (Wig[and] ibid.), wie bereits aus seiner Ausbeutung Hegels hervorging und sich nun eines weiteren ergeben wird.
Es ist unserm Schulmeister nicht entgangen, daß in neuester Zeit die Liberalen mit den Bourgeois identifiziert wurden. Weil Sankt Max die Bourgeois mit den guten Bürgern, den kleinen Deutschbürgern identifiziert, faßt er das ihm Tradierte nicht, wie es wirklich ist und von allen kompetenten Schriftstellern ausgesprochen wurde - nämlich so, daß die liberalen Redensarten der idealistische Ausdruck der realen Interessen der Bourgeoisie seien, sondern umgekehrt, daß der letzte Zweck des Bourgeois der sei, ein vollendeter Liberaler, ein Staatsbürger zu werden. Ihm ist nicht der bourgeois die Wahrheit des citoyen, ihm ist der citoyen die Wahrheit des bourgeois. Diese ebenso heilige als deutsche Auffassung geht so weit, daß uns p. 130 "das Bürgertum" (soll heißen die Herrschaft der Bourgeoisie) in einen "Gedanken, nichts als einen Gedanken" verwandelt wird und "der Staat" als "der wahre Mensch" auftritt, der den einzelnen Bourgeois in den "Menschenrechten" die Rechte "des" Menschen, die wahre Weihe erteilt - Alles das, nachdem die Illusionen über den Staat und die Menschenrechte bereits in den "Deutsch-
Französischen Jahrbüchern" hinlänglich aufgedeckt waren (41), eine Tatsache, die Sankt Max im "apologetischen Kommentar" anno 1845 endlich merkt. So kann er nun den Bourgeois, indem er ihn als Liberalen von sich als empirischem Bourgeois trennt, in den heiligen Liberalen, wie den Staat in "das Heilige" und das Verhältnis des Bourgeois zum modernen Staat in ein heiliges Verhältnis, in Kultus verwandeln (p. 131), womit er eigentlich seine Kritik über den politischen Liberalismus schon beschlossen hat. Er hat ihn in "das Heilige" verwandelt (42).
Wir wollen hier einige Exempel davon geben, wie Sankt Max dieses sein Eigentum mit historischen Arabesken herausputzt. Hierzu benutzt er die französische Revolution, für die ihm sein Geschichtsmakler, der heilige Bruno, einen kleinen Lieferungskontrakt auf wenige Data vermittelt hat.
Vermittelst einiger Worte Baillys, die wieder durch des heiligen Bruno "Denkwürdigkeiten" vermittelt sind, "erlangen" durch die Berufung der Generalstaaten "die bisherigen Untertanen das Bewußtsein, daß sie Eigentümer seien" (p. 132). Umgekehrt, mon brave <mein Bester>, die bisherigen Eigentümer betätigen dadurch ihr Bewußtsein, daß sie keine Untertanen mehr sind - ein Bewußtsein, das schon längst erlangt war, z.B. in den Physiokraten, und polemisch gegen die Bourgeois bei Linguet, "Théorie des lois civiles", 1767, Mercier, Mably, überhaupt den Schriften gegen die Physiokraten. Dieser Sinn wurde auch sogleich erkannt im Anfange der Revolution, z.B. von Brissot, Fauchet, Marat, im Cercle social und von sämtlichen demokratischen Gegnern Lafayettes. Hätte der heilige Max die Sache so gefaßt, wie sie sich unabhängig von seinem Geschichtsmakler zutrug, so würde er sich nicht wundern, daß "Baillys Worte freilich so klingen, [als wäre nun jeder ein Eigentümer ..."] <folgen von Mäusen zerfressene Stellen>
[... "Stirner" glaubt, "'den guten Bü]rgern' kann es gleich [gelten, wer sie] und ihre Prinzipien [schützt, ob ei]n absoluter oder konstitutioneller
König, eine Republik usw." - Den "guten Bürgern", die in einem Berliner Keller ihr stilles Weißbier trinken, ist dies allerdings "jleichjültig"; aber den historischen Bourgeois ist dies keineswegs gleich. Der "gute Bürger" "Stirner" bildet sich hier wieder ein, wie überhaupt im ganzen Abschnitte, die französischen, amerikanischen und englischen Bourgeois seien gute Berliner Weißbierphilister. Der obige Satz heißt, aus der Form der politischen Illusion in gutes Deutsch übersetzt: Den Bourgeois "kann es gleichgültig sein", ob sie unumschränkt herrschen oder ob andre Klassen ihrer politischen und ökonomischen Macht die Waage halten. Sankt Max glaubt, ein absoluter König oder sonst Jemand könne die Bourgeois ebensogut schützen, wie sie sich selbst schützen. Und nun gar "ihre Prinzipien", die darin bestehen, die Staatsmacht dem chacun pour soi, chacun chez soi <jeder für sich, jeder bei sich (zu Hause)> unterzuordnen, sie dafür zu exploitieren - das soll ein "absoluter König" können! Sankt Max möge uns das Land nennen, wo bei entwickelten Handels- und Industrieverhältnissen, bei einer großen Konkurrenz die Bourgeois sich von einem "absoluten König" schützen lassen.
Nach dieser Verwandlung der geschichtlichen Bourgeois in geschichtslose deutsche Philister braucht "Stirner" denn auch keine andern Bourgeois zu kennen als "behagliche Bürger und treue Beamte" (!!) - zwei Gespenster, die sich nur auf dem "heiligen" deutschen Boden sehn lassen dürfen - und die ganze Klasse als "gehorsame Diener" zusammenzufassen (p. 138). Er möge sich diese gehorsamen Diener auf der Börse von London, Manchester, New York und Paris einmal ansehen. Da Sankt Max im Zuge ist, kann er jetzt auch the whole hog gehen <das Maß vollmachen> und einem bornierten Theoretiker der "Einundzwanzig Bogen" glauben, "der Liberalismus sei die Vernunfterkenntnis angewandt auf unsre bestehenden Verhältnisse", und zu erklären, "die Liberalen seien Eiferer für die Vernunft". Man sieht aus diesen [...] Phrasen, wie wenig die Deutschen [sich von] ihren ersten Illusionen über den Libera[lismus] erholt haben. "Abraham hat geglaubet auf Hoffnung, da Nichts zu hoffen war, - - und sein Glaube ward ihm gerechnet zur Gerechtigkeit." Röm[er] 4, 18 und 22.
"Der Staat bezahlt gut, damit seine guten Bürger ohne Gefahr schlecht bezahlen können; er sichert sich seine Diener, aus denen er für die guten Bürger eine Schutz macht, eine Polizei bildet, durch gute Bezahlung; und die guten Bürger entrichten gern hohe Abgaben an ihn, um desto niedrigere an ihre Arbeiter zu leisten." p. 152.
Soll heißen: Die Bourgeois bezahlen ihren Staat gut und lassen die Nation dafür zahlen, damit sie ohne Gefahr schlecht bezahlen können; sie sichern
sich durch gute Bezahlung in den Staatsdienern eine Schutzmacht, eine Polizei; sie entrichten gern und lassen die Nation hohe Abgaben entrichten, um das, was sie zahlen, ihren Arbeitern gefahrlos als Abgabe (als Abzug am Arbeitslohn) wieder auflegen zu können. "Stirner" macht hier die neue ökonomische Entdeckung, daß der Arbeitslohn eine Abgabe, eine Steuer ist, die der Bourgeois dem Proletarier zahlt, während die andern, profanen Ökonomen die Steuern als eine Abgabe fassen, die der Proletarier dem Bourgeois zahlt.
Von dem heiligen Bürgertum kommt unser heiliger Kirchenvater nun auf das Stirnersche "einzige" Proletariat (p. 148). Dies besteht aus "Industrierittern, Buhlerinnen, Dieben, Räubern und Mördern, Spielern, vermögenslosen Leuten ohne Anstellung und Leichtsinnigen" (ibid.). Sie sind "das gefährliche Proletariat" und reduzieren sich für einen Augenblick auf "einzelne Schreier", dann endlich "Vagabonden", deren vollendeter Ausdruck die "geistigen Vagabonden" sind, die sich nicht "in den Schranken einer gemäßigten Denkungsart halten". - - "Solch weiten Sinn hat das sogenannte Proletariat oder" (per appos[itionem]) "der Pauperismus!" (p. 149.)
[Das Pro]letariat wird p. 151 ["dagegen vo]m Staate ausgesogen". [Das] ganze Proletariat besteht also aus ruinierten Bourgeois und ruinierten Proletariern, aus einer Kollektion von Lumpen, die in jedem Zeitalter existiert haben und deren massenhafte Existenz nach dem Untergange des Mittelalters dem massenhaften Entstehen des profanen Proletariats vorherging, wie Sankt Max sich aus der englischen und französischen Gesetzgebung und Literatur überzeugen mag. Unser Heiliger hat ganz dieselbe Vorstellung vom Proletariat wie die "guten behaglichen Bürger" und namentlich die "treuen Beamten". Er identifiziert konsequenterweise auch Proletariat und Pauperismus, während der Pauperismus die Lage nur des ruinierten Proletariats, die letzte Stufe ist, auf die der gegen den Druck der Bourgeoisie widerstandslos gewordene Proletarier versinkt, und nur der aller Energie beraubte Proletarier ein Pauper ist. Vgl. Sismondi, Wade etc. "Stirner" und Konsorten können z.B. in den Augen der Proletarier nach Umständen wohl für Paupers gelten, nie aber für Proletarier.
Dies sind Sankt Maxens "eigene" Vorstellungen von der Bourgeoisie und vom Proletariat. Da er aber mit diesen Imaginationen über Liberalismus, gute Bürger und Vagabunden natürlich zu Nichts kommt, so sieht er sich genötigt, um den Übergang auf den Kommunismus fertigzubringen, die wirklichen, profanen Bourgeois und Proletarier, soweit er sie vom Hörensagen kennt, hereinzubringen. Dies geschieht p. 151 und 152, wo das Lumpenproletariat sich in die "Arbeiter", die profanen Proletarier, verwandelt und die Bourgeois
eine Reihe von "mancherlei Wandlungen" und "mannigfaltigen Brechungen" "mit der Zeit" "mitunter" durchmachen. Auf der einen Zeile heißt es: "Die Besitzenden herrschen" - profane Bourgeois; sechs Zeilen weiter: "Der Bürger ist, was er ist, durch die Gnade des Staats" - heilige Bourgeois; wieder sechs Zeilen weiter: "Der Staat ist der status des Bürgertums" - profane Bourgeois; was dahin erklärt wird, daß "der Staat den Besitzenden" "ihren Besitz zu Lehen" gibt und daß das "Geld und Gut" der "Kapitalisten" - ein solches vom Staat zu "Lehen" übertragenes "Staatsgut" ist - heilige Bourgeois. Am Ende verwandelt sich dann dieser allmächtige Staat wieder in "den Staat der Besitzenden", also der profanen Bourgeois, wozu dann eine spätere Stelle paßt: "Die Bourgeoisie wurde durch die Revolution allmächtig." p. 156. Diese "seelenmarternden" und "gräßlichen" Widersprüche hätte selbst Sankt Max nie zustande gebracht, wenigstens nie zu promulgieren gewagt, wenn ihm nicht das deutsche Wort "Bürger", das er nach Belieben als "citoyen" oder "bourgeois" oder als deutscher "guter Bürger" auslegen kann, zu Hülfe gekommen wäre.
Ehe wir weitergehen, müssen wir noch zwei große politisch-ökonomische Entdeckungen konstatieren, die unser Biedermann "in der Stille des Gemütes" "zutage fördert" und die mit der "Jünglingslust" von p. 17 das gemein haben, daß sie ebenfalls "reine Gedanken" sind.
p. 150 reduziert sich alles Unheil der bestehenden sozialen Verhältnisse darauf, daß "Bürger und Arbeiter an die 'Wahrheit' des Geldes glauben". Jacques le bonhomme bildet sich hier ein, es hänge von den "Bürgern" und "Arbeitern" ab, die in allen zivilisierten Staaten der Welt zerstreut sind, morgen am Tage urplötzlich ihren "Unglauben" an die "Wahrheit des Geldes" zu Protokoll zu geben, er glaubt sogar, daß, wenn dieser Unsinn möglich sei, damit irgend etwas getan sei. Er glaubt, die "Wahrheit des Geldes" könne jeder Berliner Literat ebensogut abschaffen, wie er für seinen Kopf die "Wahrheit" Gottes oder der Hegelschen Philosophie abschafft. Daß das Geld ein notwendiges Produkt gewisser Produktions- und Verkehrsverhältnisse ist und eine "Wahrheit" bleibt, solange diese Verhältnisse existieren, das geht einen Heiligen wie Sankt Max, der gen Himmel schaut und der profanen Welt seinen profanen Hintern zudreht, natürlich Nichts an.
Die zweite Entdeckung wird auf p. 152 gemacht und geht dahin, daß "der Arbeiter seine Arbeit nicht verwerten kann", weil er "Denen, die irgendein Staatsgut" "zu Lehen" erhalten haben, "in die Hände fällt". Dies ist nur die weitere Erklärung des schon früher zitierten Satzes von p. 151, daß der Arbeiter vom Staate ausgesogen wird. Hierbei "stellt" sogleich Jeder "die einfache Reflexion an" - daß "Stirner" dies nicht tut, ist nicht "zu verwundern"-, wie es denn komme, daß der Staat nicht auch den "Arbeitern" irgendein
"Staatsgut" zum "Lehen" gegeben habe. Hätte Sankt Max sich diese Frage gestellt, so würde er sich seine Konstruktion des "heiligen" Bürgertums wahrscheinlich erspart haben, weil er dann hätte sehen müssen, in welchem Verhältnis die Besitzenden zum modernen Staat stehen.
Vermittelst des Gegensatzes von Bourgeoisie und Proletariat - das weiß selbst "Stirner" - kommt man auf den Kommunismus. Wie man aber darauf kommt, das weiß nur "Stirner".
"Die Arbeiter haben die ungeheuerste Macht in Händen - - sie dürften nur die Arbeit einstellen und das Gearbeitete als das Ihrige ansehen und genießen. Dies ist der Sinn der hie und da auftauchenden Arbeiterunruhen." p. 53.
Die Arbeiterunruhen, die bereits unter dem byzantinischen Kaiser Zeno ein Gesetz veranlaßten (Zeno, de novis operibus constitutio <Verordnung über die neuen Arbeiten>), die im 14. Jahrhundert in der Jacquerie und dem Aufstande von Wat Tyler, 1518 am evil may-day in London und 1549 im großen Aufstande des Gerbers Ket "auftauchten", die dann den Act 2 und 3 Edward VI., 15 und eine Reihe ähnlicher Parlamentsakte veranlaßten, die bald darauf 1640 und 1659 (acht Aufstände in einem Jahre) in Paris vorkamen und schon seit dem vierzehnten Jahrhundert in Frankreich und England, der gleichzeitigen Gesetzgebung zufolge, häufig gewesen sein müssen - der beständige Krieg, der seit 1770 in England und seit der Revolution in Frankreich von den Arbeitern gegen die Bourgeois mit Gewalt und List geführt wird - Alles Das existiert für Sankt Max nur "hie und da", in Schlesien, Posen, Magdeburg und Berlin, "wie deutsche Blätter melden".
Das Gearbeitete würde, wie Jacques le bonhomme sich einbildet, als Gegenstand des "Ansehens" und "Genießens" immer fortexistieren und sich reproduzieren, wenn auch die Produzenten "die Arbeit einstellten".
Wie oben beim Gelde, verwandelt unser guter Bürger hier wieder "die Arbeiter", die in der ganzen zivilisierten Welt zerstreut sind, in eine geschlossene Gesellschaft, die nur einen Beschluß zu fassen hat, um sich aus allen Schwierigkeiten zu befreien. Sankt Max weiß natürlich nicht, daß allein seit 1830 in England wenigstens fünfzig Versuche gemacht wurden, daß in diesem Augenblicke noch einer gemacht wird, um die sämtlichen Arbeiter nur von England in eine einzige Assoziation zusammenzubringen, und daß höchst empirische Gründe das Gelingen aller dieser Projekte vereitelten. Er weiß nicht, daß selbst eine Minorität der Arbeiter, die sich zu einer Arbeitseinstellung vereinigt, sich sehr bald gezwungen sieht, revolutionär aufzutreten, eine Tatsache, die er an der englischen Insurrektion von 1842 und
früher schon an der welschen <walisischen> Insurrektion von 1839 hätte lernen können, in welchem Jahre die revolutionäre Aufregung unter den Arbeitern zuerst in dem "heiligen Monat", der zugleich mit der allgemeinen Bewaffnung des Volks proklamiert wurde, einen umfassenden Ausdruck erhielt. Man sieht hier wieder, wie Sankt Max überall seinen Unsinn als "den Sinn" geschichtlicher Fakta an den Mann zu bringen sucht, was ihm höchstens bei seinem "Man" gelingt - geschichtlicher Fakta, "denen er seinen Sinn unterschiebt, die also auf einen Unsinn auslaufen mußten" (Wigand, p. 194). Übrigens fällt es keinem Proletarier ein, Sankt Max über "den Sinn" der proletarischen Bewegungen oder über das, was jetzt gegen die Bourgeoisie zu unternehmen sei, zu Rate zu ziehen.
Nach dieser großen Kampagne zieht sich unser heiliger Sancho mit folgender Fanfare zu seiner Maritornes zurück:
"Der Staat beruht auf der Sklaverei der Arbeit. Wird die Arbeit frei, so hat der Staat verloren." (p. 153.)
Der moderne Staat, die Herrschaft der Bourgeoisie, beruht auf der Freiheit der Arbeit. Der heilige Max hat sich ja selbst, wie oft! freilich karikiert genug! aus den "Deutsch-Französischen Jahrbüchern" abstrahiert, daß mit der Freiheit der Religion, des Staats, des Denkens pp., also doch "mitunter" "wohl auch" "etwa" der Arbeit, nicht Ich, sondern nur Einer meiner Zwingherrn frei werde. Die Freiheit der Arbeit ist die freie Konkurrenz der Arbeiter unter sich. Sankt Max hat großes Unglück, wie in allen andern Sphären, so auch in der Nationalökonomie. Die Arbeit ist frei in allen zivilisierten Ländern; es handelt sich nicht darum, die Arbeit zu befreien, sondern sie aufzuheben.
B) Der Kommunismus
Sankt Max nennt den Kommunismus den "sozialen Liberalismus", weil er wohl weiß, in welchem schlechten Geruch das Wort Liberalismus bei den Radikalen von 1842 und bei den am weitesten gegangenen Berliner Freijeistern steht. Diese Verwandlung gibt ihm zugleich Gelegenheit und Courage, den "sozialen Liberalen" allerlei Dinge in den Mund zu legen, die vor "Stirner" noch nie ausgesprochen wurden und deren Widerlegung dann zugleich den Kommunismus widerlegen soll.
Die Überwindung des Kommunismus geschieht durch eine Reihe teils logischer, teils historischer Konstruktionen.
Erste logische Konstruktion.
Weil "Wir Uns zu Dienern von Egoisten gemacht sehen", "sollen Wir" nicht selbst zu Egoisten werden - - sondern lieber die Egoisten unmöglich machen. Wir wollen sie Alle zu Lumpen machen, wollen Alle Nichts haben, damit 'Alle' haben. - So die Sozialen. - Wer ist diese Person, die ihr 'Alle' nennt? Es ist die 'Gesellschaft'," p. 153.
Vermittelst ein paar Anführungszeichen verwandelt Sancho hier "Alle" in eine Person, die Gesellschaft als Person, als Subjekt = die heilige Gesellschaft, das Heilige. Jetzt weiß unser Heiliger, woran er ist, und kann einen ganzen Strom seines Feuereifers gegen "das Heilige" loslassen, womit natürlich der Kommunismus vernichtet ist.
Daß Sankt Max hier wieder den "Sozialen" seinen Unsinn als ihren Sinn in den Mund legt, ist nicht "zu verwundern". Er identifiziert zuerst das "Haben" als Privateigentümer mit dem "Haben" überhaupt. Statt die bestimmten Verhältnisse des Privateigentums zur Produktion, statt das "Haben" als Grundbesitzer, als Rentier, als Commercant <Kaufmann>, als Fabrikant, als Arbeiter zu betrachten - wo sich das "Haben" als ein ganz bestimmtes Haben, als das Kommando über fremde Arbeit ausweist - verwandelt er alle diese Verhältnisse in "die Habe". <hier fehlen im Manuskript 4 Seiten, nämlich der Bogen 31, auf dem sich der Schluß der "Ersten logischen Konstruktion" und der Anfang der "Zweiten logischen Konstruktion" befand>
[...] den politischen Liberalismus tun ließ, der die "Nation" zur höchsten Eigentümerin machte. Der Kommunismus hat also gar kein "persönliches Eigentum" mehr "abzuschaffen", sondern höchstens die Verteilung der "Lehen" auszugleichen, die "égalité" <"Gleichheit"> darin einzuführen. Über die Gesellschaft als "höchste Eigentümerin" und den "Lumpen" vergleiche Sankt Max u.a. den "Egalitaire" von 1840:
"Das soziale Eigentum ist ein Widerspruch, aber der soziale Reichtum ist eine Folge des Kommunismus. Fourier sagt hundertmal, im Gegensatz zu den bescheidnen Bourgeoismoralisten, nicht darin, daß Einige zu viel haben, liege ein soziales Übel, sondern darin, daß Alle zu wenig haben", und signalisiert darum auch, "Le fausse industrie", Paris 1835, p. 410, die "Armut der Reichen".
Desgleichen heißt es bereits in der 1839, also vor Weitlings "Garantien", in Paris erschienenen deutschen kommunistischen Zeitschrift "Die Stimme des Volks", Heft II, p. 14:
"Das Privateigentum, der vielbelobte, fleißige, gemütliche, unschuldige 'Privaterwerb', tut offenbar Abbruch dem Lebensreichtum."
Sankt Sancho nimmt hier die Vorstellung einiger zum Kommunismus übergehenden Liberalen und die Ausdrucksweise einiger aus sehr praktischen Gründen in politischer Form sprechenden Kommunisten für den Kommunismus.
Nachdem er das Eigentum "der Gesellschaft" übertragen hat, werden ihm sämtliche Teilhaber dieser Gesellschaft sofort zu Habenichtsen und Lumpen, obgleich sie selbst in seiner Vorstellung von der kommunistischen Ordnung der Dinge die "höchste Eigentümerin" "haben". - Der wohlmeinende Vorschlag, den er den Kommunisten macht, "das Wort 'Lump' zu einer ehrenden Anrede zu erheben, wie die Revolution das Wort Bürger dazu erhob", ist ein schlagendes Beispiel, wie er den Kommunismus mit einer längst dagewesenen Sache verwechselt. Die Revolution hat selbst, im Gegensatz zu den "honnêtes gens" <anständigen Leuten>, die er sehr dürftig durch gute Bürger übersetzt, das Wort sans-culotte "zu einer ehrenden Anrede erhoben". Solches tut der heilige Sancho, auf daß erfüllet werde das Wort, das da geschrieben steht im Propheten Merlin von den dreitausenddreihundert Backenstreichen, die der Mann, der da kommen soll, sich selber geben muß:
Es menester, que Sancho tu escudero
se dé tres mil azotes, y tre cientos
En ambas sus valientes posaderas
Al aire descubiertas, y de modo
Que le escuezan, le amarguen y le enfaden.
<Es muß dein Schildknapp' Sancho sich dreitausend
Und noch dreihundert Geißelhiebe geben
Auf seine beiden mächt'gen Sitzfleischhälften,
Die er entblößt, und so, daß diese Streiche
Ihn wirklich schmerzen, brennen, peinigen.>
(Don Quijote, Band II, Kapitel 35.)
Sankt Sancho konstatiert "die Erhebung der Gesellschaft zur höchsten Eigentümerin" als "zweiten Raub am Persönlichen, im Interesse der Menschlichkeit", während der Kommunismus nur der vollendete Raub am "Raub des Persönlichen" ist. "Weil ihm der Raub ohne alle Frage für verabscheuungswürdig gilt, darum glaubt z.B." Sankt Sancho "schon mit dem" obigen "Satze" den Kommunismus "gebrandmarkt zu haben". ("Das Buch", p. 102.) "Hatte" "Stirner" "gar den Raub" am Kommunismus "gewittert, wie sollte er denn nicht gegen ihn einen 'tiefen Abscheu' und eine 'gerechte Entrüstung' gefaßt haben"! (Wig[and,] p. 156.) "Stirner" wird hiermit auf-
gefordert, uns den Bourgeois zu nennen, der über den Kommunismus (oder Chartismus) geschrieben und nicht dieselbe Albernheit mit vieler Emphase vorgebracht hat. An dem, was dem Bourgeois für "persönlich" gilt, wird der Kommunismus allerdings einen "Raub" ausüben.
Erstes Korollar.
p. 349. "Der Liberalismus trat sogleich mit der Erklärung auf, daß es zum Wesen des Menschen gehöre, nicht Eigentum, sondern Eigentümer zu sein. Da es hierbei um den Menschen, nicht um den Einzelnen zu tun war, so blieb das Wieviel, welches grade das spezielle Interesse der Einzelnen ausmachte, diesen überlassen. Daher behielt der Egoismus der Einzelnen in diesem Wieviel den freiesten Spielraum und trieb eine unermüdliche Konkurrenz."
D.h. der Liberalismus, i.e. die liberalen Privateigentümer, gaben im Anfange der französischen Revolution dem Privateigentum einen liberalen Schein, indem sie es für ein Menschenrecht erklärten. Sie waren hierzu schon durch ihre Stellung als revolutionierende Partei gezwungen, sie waren sogar gezwungen, der Masse des französischen [Land]volks nicht nur das Recht des Eigentums zu geben, son[dern a]uch wirkliches Eigentum nehmen zu lassen, und sie konnten dies Alles tun, weil dadurch ihr eignes "Wieviel", worauf es ihnen hauptsächlich ankam, unberührt blieb und sogar sichergestellt wurde. - Wir finden hier ferner konstatiert, daß Sankt Max die Konkurrenz aus dem Liberalismus entstehen läßt, ein Backenstreich, den er der Geschichte aus Rache für die Backenstreiche gibt, die er oben sich selbst geben mußte. Die "genauere Erklärung" des Manifestes, womit er den Liberalismus "sogleich auftreten" läßt, finden wir bei Hegel, der sich im Jahre 1820 dahin aussprach:
"Im Verhältnis zu äußerlichen Dingen ist das Vernünftige (d.h. geziemt es mir als Vernunft, als Mensch), "daß ich Eigentum besitze - - was und wieviel ich besitze, ist daher eine rechtliche Zufälligkeit." ("Rechtsphil[osophie]", § 49.)
Bei Hegel ist das Bezeichnende, daß er die Phrase des Bourgeois zum wirklichen Begriff, zum Wesen des Eigentums macht, was "Stirner" ihm getreulich nachmacht. Sankt Max basiert nun auf obige Entwicklung die weitere Aussage, daß der Kommunismus
"die Frage nach dem Wieviel des Innehabens aufstellte und sie dahin beantwortete, daß der Mensch so viel haben müsse, als er brauche. Wird sich mein Egoismus damit genügen können? - - - Ich muß vielmehr so viel haben, als ich mir anzueignen vermögend bin." (p. 349.)
Zuerst ist hier zu bemerken, daß der Kommunismus keineswegs aus dem § 49 der Hegelschen "Rechtsphilosophie" und seinem "Was und Wieviel"
hervorging. Zweitens fällt es "dem Kommunismus" nicht ein, "dem Menschen" etwas geben zu wollen, da "der Kommunismus" keineswegs der Meinung ist, daß "der Mensch" irgend etwas "brauche" als eine kurze kritische Beleuchtung. Drittens schiebt er dem Kommunismus das "Brauchen" des heutigen Bourgeois unter, er bringt also eine Distinktion herein, die ihrer Lumpigkeit wegen bloß in der heutigen Gesellschaft und ihrem ideellen Abbilde, dem Stirnerschen Verein von "einzelnen Schreiern" und freien Nähterinnen, von Wichtigkeit sein kann. "Stirner" hat wieder große "Durchschauungen" des Kommunismus zustande gebracht. Schließlich unterstellt Sankt Sancho in seiner Forderung, so viel haben zu müssen, als er selbst sich anzueignen vermögend ist (wenn diese nicht etwa auf die gewöhnliche Bourgeoisphrase, daß Jeder nach Vermögen haben, das Recht des freien Erwerbs haben solle), den Kommunismus als durchgesetzt, um sein "Vermögen" frei entwickeln und geltend machen zu können, was keineswegs allein von ihm, so wenig wie sein "Vermögen" selbst, sondern auch von den Produktions- und Verkehrsverhältnissen, in denen er lebt, abhängt. - (Vgl. unten den "Verein".) Sankt Max handelt übrigens nicht einmal selbst nach seiner Lehre, da er in seinem ganzen "Buche" Sachen "braucht" und verbraucht, die er "sich anzueignen" nicht "vermögend war".
Zweites Korollar.
"Aber die Sozialreformer predigen Uns ein Gesellschaftsrecht. Da wird der Einzelne der Sklave der Gesellschaft." p. 246. "Nach der Meinung der Kommunisten soll jeder die ewigen Menschenrechte genießen." p. 238.
Über die Ausdrücke Recht, Arbeit pp., wie sie bei proletarischen Schriftstellern vorkommen, und wie sich die Kritik zu ihnen zu verhalten hat, werden wir beim "wahren Sozialismus" (siehe Band II) <gemeint ist Band II der "Deutschen Ideologie"> sprechen. Was das Recht betrifft, so haben wir unter vielen Andern den Gegensatz des Kommunismus gegen das Recht sowohl als politisches und privates als auch in seiner allgemeinsten Form als Menschenrecht geltend gemacht. Siehe "Deutsch-Französische Jahrbücher", wo das Privilegium, das Vorrecht als entsprechend dem ständisch gebundenen Privateigentum, und das Recht als entsprechend dem Zustande der Konkurrenz, des freien Privateigentums gefaßt ist, p. 206 und anderwärts; ebenso das Menschenrecht selbst als Privilegium und das Privateigentum als Monopol. Ferner die Kritik des Rechts in Zusammenhang gebracht mit der deutschen Philosophie und als Konsequenz der Kritik der Religion dargestellt, p. 72, und ausdrücklich die Rechtsaxiome, die auf den Kommunismus führen sollen, als Axiome des Privateigentums gefaßt, wie
das gemeinsame Besitzrecht als eingebildete Voraussetzung des Rechts des Privateigentums, p. 98, 99.
Die obige Redensart übrigens einem Babeuf entgegenzuhalten, ihn als theoretischen Repräsentanten des Kommunismus zu fassen, konnte nur einem Berliner Schulmeister einfallen. "Stirner" entblödet sich indessen nicht, p. 247 zu behaupten, daß der Kommunismus, welcher annimmt,
"daß die Menschen von Natur gleiche Rechte haben, seinen eignen Satz dahin widerlege, daß die Menschen von Natur gar keine Rechte haben. Denn er will z.B. nicht anerkennen, daß die Eltern Rechte gegen die Kinder haben, er hebt die Familie auf. Überhaupt beruht dieser ganze revolutionäre oder Babeufsche (vgl. 'Die Kommunisten in der Schweiz, Kommissionalbericht', p. 3) Grundsatz auf einer religiösen, d.h. falschen Anschauung."
Nach England kommt ein Yankee, wird durch den Friedensrichter daran gehindert, seinen Sklaven auszupeitschen, und ruft entrüstet aus: "Do you call this a land of liberty, where a man can't larrup his nigger?" <"Nennen Sie das ein freies Land, wo man seinen Nigger nicht durchprügeln kann?">
Sankt Sancho blamiert sich hier doppelt. Erstens sieht er darin eine Aufhebung der "gleichen Rechte der Menschen", daß die "von Natur gleichen Rechte" der Kinder gegen die Eltern geltend gemacht, daß Kindern wie Eltern gleiches Menschenrecht gegeben wird. Zweitens erzählt Jacques le bonhomme zwei Seiten vorher, daß der Staat sich nicht einmische, wenn der Sohn vom Vater geprügelt werde, weil er das Familienrecht anerkenne. Was er also einerseits für ein partikulares Recht (Familienrecht) ausgibt, subsumiert er andrerseits unter die "von Natur gleichen Rechte der Menschen". Schließlich gesteht er uns, daß er den Babeuf nur aus dem Bluntschlibericht kennt, während der Bluntschlibericht p. 3 uns ebenfalls gesteht, daß er seine Weisheit aus dem wackern L. Stein, Doktor der Rechte, geschöpft hat. Die gründliche Kenntnis, die Sankt Sancho vom Kommunismus hat, geht aus diesem Zitat hervor. Wie Sankt Bruno sein Revolutionsmakler, so ist Sankt Bluntschli sein Kommunistenmakler. Bei diesem Stande der Dinge darf es uns auch nicht wundern, wenn unser Wort Gottes vom Lande ein paar Zeilen weiter die fraternité <Brüderlichkeit> der Revolution auf die "Gleichheit der Kinder Gottes" (in welcher christlichen Dogmatik kommt die égalite vor?) reduziert.
Drittes Korollar.
p. 414: Weil das Prinzip der Gemeinschaft im Kommunismus kulminiert, darum ist der Kommunismus = "Glorie des Liebesstaat".
Aus dem Liebesstaat, der ein eigenes Fabrikat Sankt Maxens ist, leitet er hier den Kommunismus ab, der dann natürlich auch ein ausschließlich Stirnerscher Kommunismus bleibt. Sankt Sancho kennt nur den Egoismus auf der einen oder den Anspruch auf die Liebesdienste, Erbarmen, Almosen der Leute auf der andern Seite. Außer und über diesem Dilemma gibt es für ihn Nichts.
Dritte logische Konstruktion.
"Weil in der Gesellschaft sich die drückendsten Übelstände bemerklich machen, so denken besonders" (!) "die Gedrückten" (!), "die Schuld in der Gesellschaft zu finden, und machen sich's zur Aufgabe, die rechte Gesellschaft zu entdecken." p. 155.
Im Gegenteil "macht sich's" "Stirner" "zur Aufgabe", die ihm "rechte Gesellschaft", die heilige Gesellschaft, die Gesellschaft als das Heilige zu entdecken. Die heutzutage "in der Gesellschaft" "Gedrückten" "denken" bloß darauf, die ihnen rechte Gesellschaft, die zunächst in der Abschaffung der jetzigen Gesellschaft, auf der Basis der vorgefundenen Produktivkräfte, besteht, durchzusetzen. Weil e.g. <exempli gratia = zum Beispiel> bei einer Maschine "sich drückende Übelstände bemerkbar machen", z.B. daß sie nicht gehen will, und Diejenigen, die die Maschine nötig haben, z.B. um Geld zu machen, den Übelstand in der Maschine finden, auf ihre Veränderung ausgehen pp., so machen sie sich's nach Sankt Sancho zur Aufgabe, nicht sich die Maschine zurechtzurücken, ein sondern die rechte Maschine, die heilige Maschine, die Maschine als das Heilige, das Heilige als die Maschine, die Maschine im Himmel zu entdecken. "Stirner" rät ihnen, "in sich" die Schuld suchen. Ist es nicht ihre Schuld, daß sie z.B. der Hacke und des Pflugs bedürfen? Könnten sie nicht mit den Nägeln die Kartoffeln in den Boden hinein- und aus ihm herauskratzen? Der Heilige predigt ihnen darüber p. 156:
"Es ist das nur eine alte Erscheinung, daß man die Schuld zuerst in allem Andern als in sich sucht - also im Staat, in der Selbstsucht der Reichen, die doch gerade unsere Schuld ist."
Der "Gedrückte", der "im Staate" "die Schuld" des Pauperismus sucht, ist, wie wir oben vorläufig sahen, Niemand anders als Jacques le bonhomme selbst. Zweitens, der "Gedrückte", der sich dabei beruhigt, die "Schuld" in der "Selbstsucht des Reichen" finden zu lassen, ist wieder Niemand anders als Jacques le bonhomme. Er hätte sich aus des Schneiders und Doktors der Philosophie John Watts "Facts and Fictions", aus Hobsons "Poor Man's Companion" etc. eines Bessern in Beziehung auf die andern Gedrückten belehren
können. Und wer ist, drittens; die Person von "Unsrer Schuld", etwa das Proletarierkind, das ., skrofulös auf die Welt kommt, mit Opium heraufgezogen, im siebenten Jahre in die Fabrik geschickt wird - etwa der einzelne Arbeiter, dem hier zugemutet wird, sich auf seine Faust gegen den Weltmarkt zu "empören" - etwa das Mädchen, das entweder verhungern oder sich prostituieren muß? Nein, sondern nur Der, der "alle Schuld", d.h. die "Schuld" des ganzen jetzigen Weltzustandes "in sich" sucht, nämlich abermals Niemand als Jacques le bonhomme selbst: "Es ist dies nur die alte Erscheinung" des christlichen Insichgehens und Bußetuns in germanisch-spekulativer Form, der idealistischen Phraseologie, wo Ich, der Wirkliche, nicht die Wirklichkeit verändern muß, was ich nur mit Andern kann, sondern in mir mich verändern. "Es ist der innerliche Kampf des Schriftstellers mit sich selbst." (Die heilige Familie", p. 122, vgl. p. 73, p. 121 und p. 306.)
Nach Sankt Sancho suchen also die von der Gesellschaft Gedrückten die rechte Gesellschaft. Konsequent müßte er also auch Diejenigen, die "im Staate die Schuld suchen", und Beide sind bei ihm dieselben Personen, den rechten Staat suchen lassen. Dies darf er aber nicht, denn er hat davon gehört, daß die Kommunisten den Staat abschaffen wollen. Diese Abschaffung des Staats muß er jetzt konstruieren, und dies vollbringt der heilige Sancho wieder vermittelst seines "Grauen", der Apposition, in einer Weise, die "sehr einfach aussieht":
"Weil die Arbeiter sich im Notstand befinden, so muß der gegenwärtige Stand der Dinge d.i. der Staat (status = Stand) abgeschafft werden" (ibid.).
Also:
Notstand = | gegenwärtigem Stand der Dinge. |
Gegenwärtiger Stand der Dinge = | Stand. |
Stand = | Status. |
Status = | Staat. |
Schluß: Notstand = | Staat. |
Was kann "einfacher aussehen"? "Es ist nur zu verwundern", daß die englischen Bourgeois von 1688, und die französischen von 1789 nicht dieselben "einfachen Reflexionen und Gleichungen "anstellten", wo damals doch noch viel mehr der Stand = Status = der Staat war. Es folgt daraus, daß überall, wo "Notstand" vorhanden ist, "der Staat", der natürlich in Preußen und in Nordamerika derselbe ist, abgeschafft werden muß.
Sankt Sancho gibt uns jetzt, nach seiner Gewohnheit, einige Sprüche Salomonis.
Spruch Salomonis Nr. 1.
p. 163: "Daß die Gesellschaft gar kein Ich ist, das gehen pp. könnte, sondern ein Instrument, aus dem wir Nutzen ziehen mögen. daß wir keine gesellschaftlichen Pflichten, sondern lediglich Interessen haben, daß wir der Gesellschaft keine Opfer schuldig sind, sondern, opfern wir etwas, es Uns opfern, daran denken die Sozialen nicht, weil sie im religiösen Prinzip gefangen sitzen und eifrig trachten nach einer - heiligen Gesellschaft,"
Hieraus ergeben sich folgende "Durchschauungen" des Kommunismus:
1. hat Sankt Sancho ganz vergessen, daß Er selber es war, der "die Gesellschaft" in ein "Ich" verwandelte, und sich daher bloß in seiner eignen "Gesellschaft" befindet;
2. glaubt er, die Kommunisten warteten darauf, daß ihnen "die Gesellschaft" irgend etwas "gebe", während sie sich höchstens eine Gesellschaft geben wollen;
3. verwandelt er die Gesellschaft, ehe sie existiert, in ein Instrument, aus dem er Nutzen ziehen will, ohne daß er und andre Leute durch gegenseitiges gesellschaftliches Verhalten eine Gesellschaft, also dies "Instrument", produziert haben;
4. glaubt er, daß in der kommunistischen Gesellschaft von "Pflichten" und "Interessen" die Rede sein könne, von zwei sich ergänzenden Seiten eines Gegensatzes, der bloß der Bourgeoisgesellschaft angehört (im Interesse schiebt der reflektierende Bourgeois immer ein Drittes zwischen sich und seine Lebensäußerung, eine Manier, die wahrhaft klassisch bei Bentham erscheint, dessen Nase erst ein Interesse haben muß, ehe sie sich zum Riechen entschließt. Vgl. "das Buch" über das Recht an seiner Nase, p. 247);
5. glaubt Sankt Max, die Kommunisten wollten "der Gesellschaft" "Opfer bringen", wo sie höchstens die bestehende Gesellschaft opfern wollen - er müßte dann ihr Bewußtsein, daß ihr Kampf ein allen dem Bourgeoisregime entwachsenen Menschen gemeinschaftlicher ist, als ein Opfer bezeichnen, das sie sich bringen;
6. daß die Sozialen im religiösen Prinzip befangen sind und
7. daß sie nach einer heiligen Gesellschaft trachten, fand schon oben seine Erledigung. Wie "eifrig" Sankt Sancho nach der "heiligen [Gese]llschaft" "trachtet", um durch sie den Kommu[nis]mus widerlegen zu können, haben wir gesehen.
Spruch Salomonis Nr. II.
p. 277: "Wäre das Interesse an der sozialen Frage weniger leidenschaftlich und verblendet, so würde man ... erkennen, daß eine Gesellschaft nicht neu werden kann, solange Diejenigen, welche sie ausmachen und konstituieren, die Alten bleiben."
"Stirner" glaubt hier, daß die kommunistischen Proletarier, die die Gesellschaft revolutionieren, die Produktionsverhältnisse und die Form des Verkehrs auf eine neue Basis, d.h. auf sich als die Neuen, auf ihre neue Lebensweise setzen, "die Alten" bleiben. Die unermüdliche Propaganda, die diese Proletarier machen, die Diskussionen, die sie täglich unter sich führen, beweisen hinlänglich, wie wenig sie selbst "die Alten" bleiben wollen und wie wenig sie überhaupt wollen, daß die Menschen "die Alten" bleiben sollen. Die Alten" würden sie nur dann bleiben, wenn sie mit Sankt Sancho "die Schuld in sich suchten; sie wissen aber zu gut, daß sie nur unter veränderten Umständen aufhören werden, "die Alten" zu sein, und darum sind sie entschlossen, diese Umstände bei der ersten Gelegenheit zu verändern. In der revolutionären Tätigkeit fällt das Sich-Verändern mit dem Verändern der Umstände zusammen. - Dieser große Spruch wird durch ein ebenso großes Exempel erläutert, das natürlich wieder aus der Welt "des Heiligen" genommen ist.
"Sollte z.B. aus dem jüdischen Volk eine Gesellschaft entstehen, welche einen neuen Glauben über die Erde verbreitete, so durften diese Apostel doch keine Pharisaer bleiben."
Die ersten Christen | = | eine Gesellschaft zur Verbreitung des Glaubens (gestiftet Anno I). |
= | Congregatio de propaganda fide (gestiftet 1640) | |
Anno I | = | Anno 1640 |
Diese entstehen sollende Gesellschaft | = | Diese Apostel |
Das jüdische Volk | = | Pharisäer |
Christen | = | Nichtpharisäer |
= | Nicht das jüdische Volk |
Was kann einfacher aussehen?
Durch diese Gleichungen gestärkt, spricht Sankt Max das große historische Wort gelassen aus:
"Die Menschen, weit entfernt, sich zur Entwicklung kommen zu lassen, wollten immer eine Gesellschaft bilden."
Die Menschen, immer weit entfernt, eine Gesellschaft bilden zu wollen, ließen dennoch nur die Gesellschaft zu einer Entwicklung kommen, weil sie sich fortwährend nur als Vereinzelte entwickeln wollten, und kamen deshalb nur in und durch die Gesellschaft zu ihrer eignen Entwicklung. Übrigens kann es nur einem Heiligen vom Gepräge unsres Sancho einfallen, die Entwicklung "der Menschen" von der Entwicklung "der Gesellschaft", in der diese Menschen leben, zu trennen und von dieser phantastischen Grundlage aus weiterzuphantasieren. Er hat übrigens seinen ihm von Sankt Bruno eingegebenen Satz vergessen, in dem er gleich vorher die moralische Forderung an die Menschen stellte, sich selbst zu ändern und dadurch ihre Gesellschaft - worin er also die Entwicklung der Menschen mit der Entwicklung ihrer Gesellschaft identifizierte.
Vierte logische Konstruktion.
Er läßt den Kommunismus, im Gegensatz zu den Staatsbürgern, p. 156 sagen:
"Nicht darin besteht Unser Wesen" (!), "daß wir Alle die gleichen Kinder des Staats" (!) "sind, sondern darin, daß wir Alle füreinander da sind. Darin sind Wir Alle gleich, daß Wir Alle füreinander da sind, daß jeder für den Andern arbeitet, daß Jeder von Uns ein Arbeiter ist." Er setzt nun "als Arbeiter existieren" = "Jeder von uns nur durch den Andern existieren", wo also der Andere "z.B. für meine Kleidung, Ich für sein Vergnügungsbedürfnis, er für meine Nahrung, Ich für seine Belehrung arbeite. Also das Arbeitertum ist unsere Würde und unsere Gleichheit. - Welchen Vorteil bringt Uns das Bürgertum? Lasten. Und wie hoch schlägt man unsere Arbeit an? So niedrig als möglich. - - Was könnt Ihr uns entgegenstellen? Doch auch nur Arbeit!" "Nur für Arbeit sind wir Euch einen Recom[pe]nse <Belohnung, Entschädigung> schuldig"; "nur durch Das, was Ihr [Uns] Nützliches leistet", "habt Ihr [ei]nen Anspruch auf Uns". "Wir wollen Euch nur, so viel wert sein, als Wir Euch leisten; Ihr aber sollt desgleichen von Uns gehalten sein." "Die Leistungen, die Uns etwas wert sind, also die gemeinnützigen Arbeiten, bestimmen den Wert. -- Wer Nützliches verrichtet, der stehe Keinem nach, oder - alle (gemeinnützigen) Arbeiter sind gleich. Da aber der Arbeiter seines Lohnes wert ist, so sei auch der Lohn gleich." p. 157,158.
Bei "Stirner" fängt "der Kommunismus" damit an, sich nach "dem Wesen" umzusehen; er will wieder, als guter "Jüngling", nur "hinter die Dinge kommen". Daß der Kommunismus eine höchst praktische Bewegung ist, die praktische Zwecke mit praktischen Mitteln verfolgt und die sich höchstens in
Deutschland, den deutschen Philosophen gegenüber, einen Augenblick auf "das Wesen" einlassen kann, das geht unsern Heiligen natürlich Nichts an. Dieser Stirnersche "Kommunismus", der so sehr nach "dem Wesen" schmachtet, kommt daher auch nur zu einer philosophischen Kategorie, dem "Füreinandersein", die dann vermittelst einiger gewaltsamen Gleichungen
Füreinandersein | = Nur durch den Andern existieren |
= Als Arbeiter existieren | |
= allgemeines Arbeitertum |
der empirischen Welt etwas näher gerückt wird. Übrigens wird der heilige Sancho aufgefordert, z.B. in Owen (der doch als Repräsentant des englischen Kommunismus ebensowohl für "den Kommunismus" gelten kann wie z.B der nichtkommunistische Proudhon (43), aus dem er sich das meiste der obigen Sätze abstrahiert und zurechtgestellt) eine Stelle nachzuweisen, in der irgend etwas von den obigen Sätzen über "Wesen", allgemeines Arbeitertum etc. sich findet. Übrigens brauchen wir so weit gar nicht einmal zurückzugehen. Die schon oben zitierte deutsche kommunistische Zeitschrift "Die Stimme des Volks" spricht sich im dritten Heft dahin aus:
"Was heute Arbeit heißt, ist nur ein winzig elendes Stück des gewaltigen, großmächtigen Produzierens; nämlich nur dasjenige Produzieren, welches widerlich und gefährlich, beehrt die Religion und Moral, Arbeit zu taufen, und unterfängt sich noch obendrein, allerlei Sprüche, gleichsam Segenssprüche (oder Hexensprüche) drüber zu streuen: 'Arbeiten im Schweiß des Angesichts' als Prüfung Gottes; 'Arbeit macht das Leben süß' zur Ermunterung usw. Die Moral der Welt, in der wir leben, hütet sich sehr weislich, das Verkehren der Menschen von den amüsanten und freien Seiten auch Arbeit zu nennen. Das schmäht sie, obschon es auch Produzieren ist. Das schimpft sie gern Eitelkeit, eitle Lust, Wollust. Der Kommunismus hat diese heuchlerische Predigerin, die elende Moral, entlarvt."
Als allgemeines Arbeitertum hat nun Sankt Max den ganzen Kommunismus auf gleichen Arbeitslohn reduziert, eine Entdeckung, die sich in folgenden drei "Brechungen" wiederholt: p. 351: "Gegen die Konkurrenz erhebt sich das Prinzip der Lumpengesellschaft - die Verteilung. Soll Ich nun etwa, der Vielvermögende, vor dem Unvermögenden Nichts voraushaben?" Ferner p. 363 spricht er von einer "allgemeinen Taxe für die menschliche Tätigkeit
in der kommunistischen Gesellschaft". Und endlich p. 350, wo er den Kommunisten unterschiebt, sie hielten "die Arbeit" für "das einzige Vermögen" der Menschen. Sankt Max bringt also das Privateigentum in seiner doppelten Gestalt, als Verteilung und Lohnarbeit, wieder in den Kommunismus herein. Wie schon früher beim "Raub", manifestiert Sankt Max hier wieder die allergewöhnlichsten und borniertesten Bourgeoisvorstellungen als seine "eignen" "Durchschauungen" des Kommunismus. Er macht sich ganz der Ehre würdig, von Bluntschli unterrichtet worden zu sein. Als echter Kleinbürger hat er dann auch Furcht, er, "der Vielvermögende", "solle Nichts vor dem Unvermögenden voraushaben" - obwohl er Nichts mehr zu fürchten hätte, als seinem eignen "Vermögen" überlassen zu bleiben.
Nebenbei bildet sich "der Vielvermögende" ein, das Staatsbürgertum sei den Proletariern gleichgültig, nachdem er zuerst vorausgesetzt hat, sie hätten es. Gerade wie er oben sich einbildete, dem Bourgeois sei die Regierungsform gleichgültig. Den Arbeitern liegt so viel am Staatsbürgertum, d.h. dem aktiven Staatsbürgertum, daß sie da, wo sie es haben, wie in Amerika, es gerade "verwerten", und wo sie es nicht haben, es erwerben wollen. Vergleiche die Verhandlungen der nordamerikanischen Arbeiter in zahllosen Meetings, die ganze Geschichte des englischen Chartismus und des französischen Kommunismus und Reformismus.
Erstes Korollar.
"Der Arbeiter hält sich, in seinem Bewußtsein, daß das Wesentliche an ihm der Arbeiter sei, vom Egoismus fern und unterwirft sich der Oberhoheit einer Arbeitergesellschaft, wie der Bürger mit Hingebung" (!) "am Konkurrenzstaate hing." p. 162.
Der Arbeiter hält sich höchstens an dem Bewußtsein, daß das Wesentliche an ihm für den Bourgeois der Arbeiter sei, der sich darum auch gegen den Bourgeois als solchen geltend machen kann. Die beiden Entdeckungen Sankt Sanchos, die "Hingebung des Bürgers" und den "Konkurrenzstaat", kann man nur als neue "Vermögens "-Beweise des "Vielvermögenden" registrieren.
Zweites Korollar.
"Der Kommunismus soll das 'Wohl Aller' bezwecken. Das sieht doch wirklich so aus, als brauchte dabei Keiner zurückzustehen. Welches wird denn aber dieses Wohl sein? Haben Alle ein und dasselbe Wohl? ist Allen gleich wohl bei Einem und Demselben? ... Ist dem so, so handelt sichs vom 'wahren Wohl'. Kommen Wir damit nicht gerade bei dem Punkte an, wo die Religion ihre Gewaltherrschaft beginnt? --- Die Gesellschaft hat ein Wohl als das 'wahre Wohl' dekretiert, und hieße dies Wohl z.B. redlicher erarbeiteter Genuß, Du aber zögest die genußreiche Faulheit vor, so würde die Gesellschaft
-- für das, wobei Dir wohl ist, zu sorgen sich weislich hüten. Indem der Kommunismus das Wohl Aller proklamiert, vernichtet er gerade das Wohlsein Derer, welche bisher von Renten lebten etc." p.411, 412.
"Ist dem so", so ergehen sich hieraus folgende Gleichungen:
Das Wohl Aller | = Kommunismus |
= Ist dem so | |
= Ein und dasselbe Wohl Aller | |
= Das Gleichwohlsein Aller bei Einem und Demselben | |
= Das Wahre Wohl | |
= [Das heilige Wohl, das Heilige, Herrschaft des Heiligen, Hierarchie] <Die eckigen Klammern stammen von Marx> | |
= Gewaltherrschaft der Religion | |
Kommunismus | = Gewaltherrschaft der Religion |
"Das sieht doch wirklich so aus", als ob "Stirner" hier vom Kommunismus dasselbe gesagt hätte, was er bisher von allen andern Sachen sagte.
Wie tief unser Heiliger den Kommunismus "durchschaut" hat, geht wieder daraus hervor, daß er ihm zumutet, den "redlich erarbeiteten Genuß" als "wahres Wohl" durchsetzen zu wollen. Wer außer "Stirner" und einigen Berliner Schuster- und Schneidermeistern denkt an "redlich erarbeiteten Genuß" (44)! Und nun gar den Kommunisten dies in den Mund zu legen, bei denen die Grundlage dieses ganzen Gegensatzes von Arbeit und Genuß wegfällt. Der moralische Heilige mag sich darüber beruhigen. Das "redliche Erarbeiten" wird man ihm und Denen überlassen, die er, ohne es zu wissen, vertritt - seinen kleinen, von der Gewerbfreiheit ruinierten und moralisch "empörten" Handwerksmeistern. Auch die "genußreiche Faulheit" gehört ganz der trivialsten Bürgeranschauung an. Die Krone des ganzen Satzes ist aber das pfiffige Bürgerbedenken, das er den Kommunisten macht: sie wollten das "Wohlsein" der Rentiers vernichten und sprächen doch vom "Wohlsein Aller". Er glaubt also, daß in der kommunistischen Gesellschaft noch Rentiers vorkommen, deren "Wohlsein" zu vernichten wäre. Er behauptet, daß das "Wohlsein" als Rentier ein den Individuen, die jetzt Rentiers sind, inhärentes, von ihrer Individualität nicht zu trennendes sei; er bildet sich ein, daß für
diese Individuen gar kein anderes "Wohlsein" existieren könne als das, was durch ihr Rentier-Sein bedingt ist. Er glaubt ferner, die Gesellschaft sei schon kommunistisch eingerichtet, solange sie noch gegen Rentiers und dergleichen zu kämpfen hat.(45) Die Kommunisten machen sich allerdings kein Gewissen daraus, die Herrschaft der Bourgeois zu stürzen und ihr "Wohlsein" zu zerstören, sobald sie die Macht dazu haben werden (46). Es liegt ihnen keineswegs daran, ob dies ihren Feinden gemeinsame, durch die Klassenverhältnisse bedingte "Wohlsein" auch als persönliches "Wohlsein" sich an eine bornierterweise vorausgesetzte Sentimentalität adressiert.
Drittes Korollar.
p. 190 "ersteht" in der kommunistischen Gesellschaft "die Sorge wieder als Arbeit".
Der gute Bürger "Stirner", der sich bereits freut, im Kommunismus seine geliebte "Sorge" wiederzufinden, hat sich diesmal doch verrechnet. Die "Sorge" ist nichts anderes als die gedrückte und geängstigte Gemütsstimmung, die im Bürgertum die notwendige Begleiterin der Arbeit, der lumpenhaften Tätigkeit des notdürftigen Erwerbes ist. Die "Sorge" floriert in ihrer reinsten Gestalt beim deutschen guten Bürger, wo sie chronisch und "immer sich selbst gleich", miserabel und verächtlich ist, während die Not des Proletariers eine akute, heftige Form annimmt, ihn zum Kampf um Leben und Tod treibt, ihn revolutionär macht und deshalb keine "Sorge", sondern Leidenschaft produziert. Wenn der Kommunismus nun sowohl die "Sorge" des Bürgers wie die Not des Proletariers aufheben will, so versteht es sich doch wohl von selbst, daß er dies nicht tun kann, ohne die Ursache Beider, die "Arbeit", aufzuheben.
Wir kommen jetzt zu den historischen Konstruktionen des Kommunismus.
Erste historische Konstruktion.
"Solange der Glaube für die Ehre und Würde der Menschen ausreichte, ließ sich gegen keine auch noch so anstrengende Arbeit etwas einwenden." - "All ihr Elend konnten die unterdrückten Klassen nur so lange ertragen, als sie Christen waren" (höchstens waren sie so lange Christen, als sie ihr Elend ertrugen) "denn das Christentum" (das mit dem Stock hinter ihnen steht) "läßt ihr Murren und ihre Empörung nicht aufkommen." p. 158.
"Woher nur 'Stirner' alles Dies weiß", was die unterdrückten Klassen konnten, erfahren wir aus Heft I der "Allg[emeinen] Literat[ur]-Z[ei]t[un]g", wo "die Kritik in Buchbindermeistergestalt" folgende Stelle eines unbedeutenden Buchs zitiert:
"Der moderne Pauperismus hat einen politischen Charakter angenommen; während der alte Bettler sein Los mit Ergebenheit trug und es als eine göttliche Schickung ansah, frägt der neue Lump, ob er gezwungen sei, armselig durchs Leben zu wandern, weil er zufällig in Lumpen geboren wurde."
Wegen dieser Macht des Christentums fanden bei der Emanzipation der Leibeignen gerade die blutigsten und erbittertsten Kämpfe gegen die geistlichen Feudalherren statt und setzte sie sich durch trotz alles Murrens und aller Empörung des in den Pfaffen inkorporierten Christentums (vergl. Eden, "History of the Poor", Book I; Guizot, "Histoire de la civilisation en France"; Monteil, "Histoire des Français des divers états" ppp.), während andrerseits die kleinen Pfaffen, namentlich im Anfange des Mittelalters, die Leibeigenen zum "Murren" und zur "Empörung" gegen die weltlichen Feudalherren aufreizten (vergl. u.a. schon das bekannte Kapitular Karls des Großen). Vergleiche auch, was oben bei Gelegenheit der "hie und da auftauchenden Arbeiterunruhen" über die "unterdrückten Klassen" und ihre Aufstände im 14. Jahrhundert gesagt wurde.
Die früheren Formen der Arbeiteraufstände hingen mit der jedesmaligen Entwicklung der Arbeit und der dadurch gegebenen Gestalt des Eigentums zusammen; die direkt oder in[dir]ekt kommunistische Insurrek[tio]n mit der großen Industrie. [Sta]tt auf diese weitläuftige Geschichte einzugehen, veranstaltet Sankt Max einen heiligen Übergang von den duldenden unterdrückten Klassen zu den ungeduldigen unterdrückten Klassen:
"Jetzt, wo Jeder sich zum Menschen ausbilden soll" ("woher nur" z.B. die katalonischen Arbeiter "wissen", daß "Jeder sich zum Menschen ausbilden soll"?), "fällt die Bannung des Menschen an maschinenmäßige Arbeit zusammen mit der Sklaverei" p. 158.
Vor Spartakus und dem Sklavenkriege war es also das Christentum, das die "Bannung des Menschen an maschinenmäßige Arbeit" nicht "mit der Sklaverei zusammenfallen" ließ; und zu Spartakus' Zeit war es der Begriff Mensch, der dies Verhältnis aufhob und die Sklaverei erst erzeugte. "Oder sollte" Stirner "gar" etwas von dem Zusammenhange der modernen Arbeiterunruhen mit der Maschinerie gehört haben und hier haben andeuten wollen? In diesem Falle hat nicht die Einführung der Maschinenarbeit die Arbeiter in Rebellen, sondern die Einführung des Begriffes "Mensch" die Maschinenarbeit in Sklaverei verwandelt. - "Ist dem so", so "sieht das doch wirklich so aus", als wäre dies eine "einzige" Geschichte der Arbeiterbewegungen.
Zweite geschichtliche Konstruktion.
"Die Bourgeoisie hat das Evangelium des materiellen Genusses verkündet und wundert sich nun, daß diese Lehre unter Uns Proletariern Anhänger findet." p. 159.
Eben wollten die Arbeiter den Begriff "des Menschen", das Heilige verwirklichen, jetzt den "materiellen Genuß", das Weltliche; oben die "Plackerei" der Arbeit, jetzt nur noch die Arbeit des Genießens. Sankt Sancho schlägt sich hier auf ambas sus valientes posaderas <seine beiden mächtigen Sitzfleischhälften>, zuerst auf die materielle Geschichte, dann auf die Stirnersche, heilige. Nach der materiellen Geschichte war es die Aristokratie, welche zuerst das Evangelium des Weltgenusses an die Stelle des Genusses des Evangeliums setzte, für welche die nüchterne Bourgeoisie sich zunächst aufs Arbeiten legte und ihr mit vieler Schlauheit den Genuß überließ, der ihr selbst durch eigne Gesetze untersagt wurde (bei welcher Gelegenheit die Macht der Aristokratie in der Gestalt des Geldes in die Taschen der Bourgeois rückte).
Nach der Stirnerschen Geschichte hat die Bourgeoisie sich damit begnügt, "das Heilige" zu suchen, den Staatskultus zu betreiben und "alle existierenden Objekte in vorgestellte zu verwandeln", und es bedurfte der Jesuiten, um "die Sinnlichkeit vor dem gänzlichen Verkommen zu retten". Nach derselben Stirnerschen Geschichte hat die Bourgeoisie durch die Revolution alle Macht an sich gerissen, also auch ihr Evangelium, das des materiellen Genusses, obgleich wir nach derselben Stirnerschen Geschichte jetzt so weit sind, daß "in der Welt nur Gedanken herrschen". Die Stirnersche Hierarchie sitzt jetzt also "entre ambas posaderas " <zwischen den beiden Sitzfleischhälften>.
Dritte historische Konstruktion.
p. 159. "Nachdem das Bürgertum von Befehl und Willkür Einzelner befreit hatte, blieb jene Willkür übrig, welche aus der Konjunktur der Verhältnisse entspringt und
die Zufälligkeit der Umstände genannt werden kann. Das Glück und die vom Glück begünstigten blieben übrig."
Sankt Sancho läßt dann die Kommunisten "ein Gesetz und eine neue Ordnung finden, die diesen Schwankungen" (dem Dings da) "ein Ende macht" - von der er so viel weiß, daß die Kommunisten nun ausrufen sollen: "Diese Ordnung sei dann heilig!" (wo er vielmehr nun ausrufen müßte: Die Unordnung meiner Einbildungen sei die heilige Ordnung der Kommunisten). - "Hier ist Weisheit" (Offenb[arung] Joh[annis] 13, 18). "Wer Verstand hat, der überlege die Zahl" des Unsinns, den der sonst so weitläuftige, sich stets wieder von sich gebende Stirner [hi]er in wenige [Zeilen] zusammendrängt.
In allgemeinster Fassung heißt der erste Satz: Nachdem das Bürgertum die Feudalität abgeschafft hatte, blieb das Bürgertum übrig. Oder nachdem in "Stirners" Einbildung die Herrschaft der Personen abgeschafft worden war, blieb grade das Umgekehrte zu tun übrig. "Das sieht denn doch wirklich so aus", als könnte man die zwei entlegensten Geschichtsepochen in einen Zusammenhang bringen, der der heilige Zusammenhang, der Zusammenhang als Das Heilige, der Zusammenhang im Himmel ist.
Dieser Satz Sankt Sanchos ist übrigens nicht mit dem obigen mode simple <der einfachen Art> Unsinns zufrieden, er muß es bis zum mode composé und bicomposé <zur zusammengesetzten und zweifach zusammengesetzten Art> des Unsinns bringen. Nämlich erstens glaubt Sankt Max den sich befreienden Bourgeois, daß sie, indem sie sich von Befehl und Willkür Einzelner befreiten, die Masse der Gesellschaft überhaupt von Befehl und Willkür Einzelner befreiten. Zweitens befreiten sie sich realiter nicht von "Befehl und Willkür der Einzelnen", sondern von der Herrschaft der Korporation, Zunft, der Stände, und konnten daher nun erst als wirkliche einzelne Bourgeois dem Arbeiter gegenüber "Befehl und Willkür" ausüben. Drittens hoben sie nur den plus ou moins <mehr oder weniger> idealistischen Schein des bisherigen Befehls und der bisherigen Willkür der Einzelnen auf, um an seine Stelle diesen Befehl und diese Willkür in ihrer materiellen Grobheit herzustellen. Er, Bourgeois, wollte seinen "Befehl und Willkür" nicht mehr durch den bisherigen "Befehl und Willkür" der im Monarchen, im Adel und in der Korporation konzentrierten politischen Macht beschränkt wissen, sondern höchstens durch die in Gesetzen von Bourgeois ausgesprochnen Gesamtinteressen der ganzen Bourgeoisklasse. Er tat nichts als den Befehl und die Willkür über den Befehl und die Willkür der einzelnen Bourgeois aufheben (siehe Politischen Liberalismus).
Indem Sankt Sancho nun die Konjunktur der Verhältnisse, welche mit der Herrschaft der Bourgeoisie eine ganz andre Konjunktur ganz andrer Verhältnisse wurde, statt sie wirklich zu analysieren, als die allgemeine Kategorie "Konjunktur pp." übrigbleiben läßt und sie mit dem noch unbestimmteren Namen "Zufälligkeit der Umstände" beschenkt - als ob der "Befehl und die Willkür Einzelner" nicht selbst eine "Konjunktur der Verhältnisse" sei - indem er also so die reale Grundlage des Kommunismus, nämlich die bestimmte Konjunktur der Verhältnisse unter dem Bourgeoisregime beseitigt, kann er nun auch den so luftig gemachten Kommunismus in seinen heiligen Kommunismus verwandeln. "Das sieht denn doch wirklich so aus", als ob "Stirner" ein "Mensch von nur ideellem", eingebildetem historischem "Reichtum" sei - der "vollendete Lump". Siehe "das Buch", p. 362.
Diese große Konstruktion, oder vielmehr ihr Vordersatz, wird uns p. 189 noch einmal mit vieler Emphase in folgender Form wiederholt:
"Der politische Liberalismus hob die Ungleichheit der Herren und Diener auf; er machte herrenlos, anarchisch" (!); "der Herr wurde nun vom Einzelnen, dem Egoisten, entfernt, um ein Gespenst zu werden, das Gesetz oder der Staat."
Gespensterherrschaft = (Hierarchie) = Herrenlosigkeit, gleich Herrschaft der "allmächtigen" Bourgeois. Wie wir sehen, ist diese Gespensterherrschaft vielmehr die Herrschaft der vielen wirklichen Herren; also konnte der Kommunismus mit gleichem Recht als die Befreiung von dieser Herrschaft der Vielen gefaßt werden, was Sankt Sancho aber nicht durfte, weil sonst sowohl seine logischen Konstruktionen des Kommunismus wie auch die ganze Konstruktion der "Freien" umgeworfen worden wären. So geht's aber im ganzen "Buche". Ein einziger Schluß aus den eignen Prämissen unsres Heiligen, ein einziges historisches Faktum wirft ganze Reihen von Durchschauungen und Resultaten zu Boden.
Vierte geschichtliche Konstruktion. p. 350 leitet Sankt Sancho den Kommunismus direkt aus der Abschaffung der Leibeigenschaft her.
I. Vordersatz:
Es war außerordentlich viel damit gewonnen, als man es durchsetzte, als Inhaber betrachtet" (!) zu werden. Die Leibeigenschaft wurde damit aufgehoben und jeder, der bis dahin selbst Eigentum gewesen, ward nun ein Herr."
(In dem mode simple des Unsinns heißt dies wieder: Die Leibeigenschaft wurde aufgehoben, sobald sie aufgehoben ward.) Der mode composé dieses Unsinns ist, daß Sankt Sancho glaubt, vermittelst der heiligen Kontempla-
tion, des "Betrachtens" und "Betrachtetwerdens" sei man zum "Inhaber" geworden, während die Schwierigkeit darin bestand, "Inhaber" zu werden und die Betrachtung sich dann nachher von selbst hinzusetzte; und der mode bicomposé ist, daß, nachdem die anfangs noch partikuläre Aufhebung der Leibeigenschaft angefangen hatte, ihre Konsequenzen zu entwickeln, und dadurch allgemein geworden war, man aufhörte, "durchsetzen" [z]u können, als [des] Innehabens wert "betrachtet" zu werden (dem Inhaber wurden die Innegehabten zu kostspielig); daß also die größte Masse, "die bisher selbst Eigentum", d.h. gezwungene Arbeiter "gewesen waren", dadurch keine "Herren", sondern freie Arbeiter wurden.
II. Historischer Untersatz, der zirka acht Jahrhunderte umfaßt und dem man "freilich nicht ansehen wird, wie inhaltsschwer" er ist (vgl. Wigand, p. 194).
"Allein forthin reicht Dein Haben und Deine Habe nicht mehr aus und wird nicht mehr anerkannt; dagegen steigt Dein Arbeiten und Deine Arbeit im Werte. Wir achten nun Deine Bewältigung der Dinge wie vorher" (?) "Dein Innehaben derselben. Deine Arbeit ist Dein Vermögen. Du bist nun Herr oder Inhaber des Erarbeiteten, nicht des Ererbten." (ihid.)
"Forthin" "nicht mehr" - "dagegen" - "nun - "wie vorher" - "nun - "oder" - "nicht" - das ist der Inhalt dieses Satzes.
Obgleich "Stirner" "nun" dahin gekommen ist, daß Du (nämlich Szeliga) Herr des Erarbeiteten, nicht des Ererbten, bist, so fällt ihm "nun" vielmehr ein, daß derzeit gerade das Gegenteil stattfindet - und dies läßt ihn den Kommunismus als Wechselbalg aus diesen beiden Mißgeburten von Vordersätzen gebären.
III. Kommunistischer Schluß.
"Da aber DERZEIT Alles ein Ererbtes ist und jeder Groschen, den Du besitzest, nicht ein Arbeits-, sondern Erbgepräge trägt" (kulminierender Unsinn), "SO muß Alles umgeschmolzen werden."
Woraus Szeliga nun sowohl beim Auf- und Untergang der mittelaltrigen Kommunen wie beim Kommunismus des neunzehnten Jahrhunderts angelangt zu sein sich einbilden kann. Und womit Sankt Max trotz alles "Ererbten" und "Erarbeiteten" zu keiner "Bewältigung der Dinge", sondern höchstens zur "Habe" des Unsinns gekommen ist.
Liebhaber von Konstruktionen können nun noch p. 421 nachsehen, wie Sankt Max, nachdem er den Kommunismus aus der Leibeigenschaft konstruiert hat, ihn nun noch als Leibeigenschaft unter einem Lehnsherrn, der Gesellschaft, konstruiert - nach demselben Muster, wie er schon oben das
Mittel, wodurch wir etwas erwerben, zu dem "Heiligen" macht, durch dessen "Gnade" uns etwas gegeben wird. Jetzt nur noch schließlich einige "Durchschauungen" des Kommunismus, die sich aus den obigen Prämissen ergeben.
Zuerst gibt "Stirner" eine neue Theorie der Exploitation, die darin besteht, daß
"der Arbeiter in einer Stecknadelfabrik nur ein einzelnes Stück arbeitet, nur einem Andern in die Hand arbeitet, und von diesem Andern benutzt, exploitiert wird". p. 158.
Hier entdeckt also "Stirner", daß die Arbeiter einer Fabrik sich wechselseitig exploitieren, weil sie einander "in die Hand arbeiten", während der Fabrikant, dessen Hände gar nicht arbeiten, auch nicht imstande ist, die Arbeiter zu exploitieren. "Stirner" gibt hier ein schlagendes Exempel von der betrübten Lege, in die die deutschen Theoretiker durch den Kommunismus versetzt worden sind. Sie müssen sich jetzt auch mit profanen Dingen wie Stecknadelfabriken usw. beschäftigen, bei denen sie sich wie wahre Barbaren wie Ojibbeway-Indianer und Neuseeländer benehmen.
"Dagegen heißt es nun "im Stirnerschen Kommunismus" l. c.:
"Jede Arbeit soll den Zweck haben, daß der "Mensch" befriedigt werde. Deshalb muß er" ("der" Mensch) "auch in ihr Meister werden, d.h. sie als eine Totalität schaffen können."
"Der Mensch" muß Meister werden! - "Der Mensch" bleibt Stecknadelknopfmacher, hat aber das beruhigende Bewußtsein, daß Nadelknöpfe zur Nadel gehören und daß er die ganze Nadel machen kann. Die Ermüdung und der Ekel, den die ewige Wiederholung des Nadelknopfmachens hervorbringt, verwandelt sich durch dies Bewußtsein in "Befriedigung des Menschen". [O, P]roudhon!
Weitere Durchschauung.
"Da die Kommunisten erst die freie Tätigkeit für das Wesen" (iterum Crispinus) <(wiederum Crispinus)> "des Menschen erklären, bedürfen sie, wie alle werkltätige Gesinnung, eines Sonntags, einer Erhebung und Erbauung neben ihrer geistlosen Arbeit."
Abgesehen von dem hier eingeschobenen "Wesen des Menschen" muß der unglückliche Sancho die "freie Tätigkeit", d.h. bei den Kommunisten die aus der freien Entwicklung aller Fähigkeiten hervorgehende, schöpferische Lebensäußerung, um "Stirner" verständlich zu sein, des "ganzen Kerls", in "geistlose Arbeit" verwandeln, weil nämlich der Berliner merkt, daß es sich hier nicht um die "saure Arbeit des Gedankens" handelt. Durch diese einfache
Verwandlung können nun auch die Kommunisten in die "werkeltägige Gesinung" umgesetzt werden. Mit dem Werkeltage des Bürgers findet sich dann natürlich auch sein Sonntag im Kommunismus wieder.
p 161. "Die sonntägliche Seite des Kommunismus ist, daß der Kommunist in Dir den Menschen, den Bruder erblickt."
Der Kommunist erscheint hier also als "Mensch" und als "Arbeiter". Dies nennt Sankt Sancho 1. c.: "eine zwiefache Anstellung des Menschen durch den Kommunisten" ein Amt des materiellen Erwerbs und eins des geistigen".
Hier bringt er also sogar den "Erwerb" und die Bürokratie wieder in den Kommunismus herein, der dadurch freilich "sein letztes Absehen erreicht" und aufhört, Kommunismus zu sein. Er muß dies übrigens tun, weil nachher in seinem "Verein" Jeder ebenfalls "eine zwiefache Anstellung" als Mensch und als "Einziger" erhält. Diesen Dualismus legitimiert er vorläufig dadurch, daß er ihn dem Kommunismus in die Schuhe schiebt, eine Methode, die wir bei seinem Lehnswesen und seiner Verwertung wiederfinden werden.
p. 344 glaubt "Stirner", die "Kommunisten" wollten "die Eigentumsfrage gütlich lösen", und p. 413 sollen sie gar an die Aufopferung der Menschen [und an] die selbstverleugnende Gesinnung der Kapitalisten appellieren! (47) Die wenigen seit Babeufs Zeit aufgetretenen kommunistischen Bourgeois, die nicht revolutionär waren, sind sehr dünne gesät; die große Masse der Kommunisten ist in allen Ländern revolutionär. Was die Ansicht der Kommunisten über die "selbstverleugnende Gesinnung der Reichen" und die "Aufopferung der Menschen" ist, mag Sankt Max aus ein paar Stellen Cabets, gerade des Kommunisten ersehen, der noch am meisten den Schein haben kann, als appelliere er an das dévoûment, die Aufopferung (48). Diese Stellen sind gegen die Republikaner und namentlich gegen Herrn Buchez' Angriff auf den Kommunismus gerichtet, der in Paris noch eine sehr kleine Zahl Arbeiter unter seinem Kommando hat:
"Ebenso mit der Aufopferung (dévoûment); es ist dies die Doktrin des Herrn Buchez, diesmal ihrer katholischen Form entkleidet, weil Herr Buchez ohne Zweifel fürchtet, daß seine Katholizität die Masse der Arbeiter anwidert und zurückstößt. 'Um würdig seine Pflicht (devoir) zu erfüllen (sagt Buchez), bedarf es der Aufopferung (dévoûment).' - Begreife, wer kann, welcher Unterschied zwischen devoir und dévoûment. - 'Wir fordern Aufopferung von Allen, sowohl für die große nationale Einheit als für die Arbeiterassoziation ... es ist notwendig, daß wir vereint seien, immer hingegeben (dévoués), die Einen für die Andern.' - Es ist notwendig, es ist notwendig - das ist leicht zu sagen, und man sagt es seit sehr langer Zeit, und man wird es noch sehr lange Zeit ohne mehr Erfolg sagen, wenn man nicht auf andere Mittel sinnt! Buchez beklagt sich über die Selbstsucht der Reichen; aber wozu dienen solche Klagen? Buchez erklärt alle die für Feinde, welche sich nicht devouieren <aufopfern> wollen."
"'Wenn', sagt er, 'durch den Egoismus getrieben, sich ein Mensch weigert, für die Andern sich hinzugeben, was muß man tun? ... Wir werden keinen Augenblick anstehen zu antworten: Die Gesellschaft hat immer das Recht, uns Das zu nehmen, was die eigne Pflicht uns gebietet, ihr aufzuopfern ... Die Aufopferung ist das [e]inzige Mittel, seine Pflicht zu erfüllen. [Je]der von uns muß sich aufopfern, [ü]berall und immer. Der, welcher aus Egoismus seine Pflicht der [Hi]ngebung zu erfüllen sich weigert, muß hierzu gezwungen werden.' - So schreit Buchez allen Menschen zu: Opfert Euch, opfert Euch! Denkt nur daran, Euch zu opfern! Heißt das nicht die menschliche Natur verkennen und mit Füßen treten? Ist das nicht eine falsche Anschauung? Wir möchten fast sagen, eine kindische, eine abgeschmackte Anschauung?" ("Réfutation des doctrines de l'Atelier", par Cabet, p. 19, 20.) - Cabet zeigt nun p. 22 dem Republikaner Buchez nach, daß er notwendig auf eine "Aristokratie der Aufopferung" mit verschiedenen Stufen kommt, und fragt dann ironisch: "Was wird nun aus dem dévoûment? Wo bleibt das dévoûment, wenn man nur deswegen sich devouiert, um zu den höchsten Spitzen der Hierarchie zu gelangen? ... Ein solches System könnte aufkommen in dem Kopfe von Einem, der es zum Papst oder Kardinal bringen wollte - aber in den Köpfen von Arbeitern!!!" - "Herr Buchez will nicht, daß die Arbeit eine angenehme Zerstreuung werde, noch daß der Mensch für sein eignes Wohlsein arbeite und sich neue Genüsse schaffe. Er behauptet ... 'daß der Mensch nur auf die Erde gesetzt worden ist, um einen Beruf, eine Pflicht (une fonction, un devoir) zu erfüllen'. 'Nein', predigt er den Kommunisten, 'der Mensch, diese große Macht, ist nicht für sich selbst erschaffen (n'a point été fait pour lui-même) ... Das ist ein roher Gedanke. Der Mensch ist ein Werkmann (ouvrier) in der Welt, er muß das Werk (æuvre) vollbringen, welches die Moral seiner Tätigkeit auferlegt, das ist seine Pflicht ... Verlieren wir niemals aus dem Gesicht, daß wir einen hoher Beruf (une haute fonction) zu erfüllen haben, einen Beruf, der mit dem ersten Tage des Menschen begonnen hat und nur mit der Menschheit zugleich [endig]en wird.' - Aber wer hat dem [Herrn] Buchez alle diese schönen Sachen enthüllt? (Mais qui a révelé toutes ccs belles choses à M. Buchez lui-même", wo Stirner übersetzen würde: Woher nur Buchez alles das weiß, was der Mensch soll?) - "Du reste, comprenne
qui pourra. <Im übrigen begreife das, wird kann> - Buchez fährt fort: 'Wie! Der Mensch hätte Tausende von Jahrhunderten warten müssen, um von Euch Kommunisten zu lernen, daß er für sich selbst gemacht ist und keinen andren Zweck hat als in allen möglichen Genüssen zu leben? ... Aber man darf sich so nicht verirren. Man darf nicht vergessen, daß wir geschaffen sind, um zu arbeiten (faits pour travailler), um immer zu arbeiten, und daß die einzige Sache, die wir fordern können, das zum Leben Nötige (la suffisante vie) ist, d.h. ein Wohlsein, welches dazu hinreicht, daß wir angemessen unsern Beruf erfüllen können. Außerhalb dieses Kreises ist alles absurd und gefährlich.' - Aber so beweisen Sie doch! Beweisen Sie! Und begnügen Sie sich nicht damit, wie ein Prophet zu orakeln! Gleich von vornherein sprechen Sie von Tausenden von Jahrhunderten! Und dann, wer behauptet, daß man uns in allen Jahrhunderten erwartet hat? Aber Euch hat man wohl erwartet mit allen Euren Theorien von dévoûment, devoir, nationalité française, association ouvrière <Aufopferung, Pflicht, französische Nationalität, Arbeiterassoziation>? 'Schließlich', sagt Buchez, 'bitten wir Euch, nicht von dem, was wir gesagt haben, Euch verletzt zu fühlen.' - Wir sind ebenso höfliche Franzosen, wir bitten Euch ebenfalls, nicht verletzt zu sein." (p. 31.) - 'Glaubt uns', sagt Buchez, 'es existiert communauté <Gemeinschaft>, die seit langer Zeit errichtet ist und wovon Ihr auch Mitglieder seid.' - Glaubt uns, Buchez", schließt Cabet, "werdet Kommunist!"
"Aufopferung", "Pflicht", "Sozialpflicht", "Recht der Gesellschaft", "der Beruf, die Bestimmung des Menschen", "Arbeiter der Beruf des Menschen", moralisches Werk", "Arbeiterassoziation", "Schaffen des zum Leben Unentbehrlichen" sind das nicht dieselben Dinge, die Sankt Sancho den Kommunisten vorwirft, deren Mangel Herr Buchez den Kommunisten vorwirft und dessen feierliche Vorwürfe Cabet verhöhnt? Ist nicht selbst Stirners Hierarchie" hier [sch]on vorhanden?
Schließlich gibt Sankt Sancho dem Kommunismus p. 169 den Gnadenstoß, indem er folgenden Satz ausstößt:
"Indem die Sozialisten auch das Eigentum wegnehmen" (!), "beachten sie nicht, daß dies sich in der Eigenheit eine Fortdauer sichert. Ist denn bloß Geld und Gut ein Eigentum, oder ist jede Meinung ein Mein, ein Eigenes? Es muß also jede Meinung aufgehoben oder unpersönlich gemacht werden."
Oder ist Sankt Sanchos Meinung, insofern sie nicht auch zur Meinung Anderer wird, ein Kommando über irgend etwas, selbst über die fremde Meinung? Indem Sankt Max hier das Kapital seiner Meinung gegen den Kommunismus geltend macht, tut er wieder Nichts Andres, als daß er die ältesten und trivialsten Bourgeoiseinwürfe gegen ihn vorbringt, und glaubt etwas Neues gesagt zu haben, weil ihm, dem jebildeten Berliner, diese Abgedroschenheiten neu sind. Unter und nach vielen Andern hat Destutt de Tracy
vor ungefähr dreißig Jahren und später in dem hier zitierten Buche dasselbe viel besser gesagt. Z.B.:
"Man hat förmlich den Prozeß des Eigentums instruiert und Gründe für und wider vorgebracht, als wenn es von uns abhinge zu beschließen, daß es Eigentum gebe oder nicht gebe in dieser Welt; aber das heißt durchaus unsre Natur verkennen." ("Traité de la volonté", Paris, 1826, p. 18.)
Und nun gibt sich Herr Destutt de Tracy daran zu beweisen, daß propriété, individualité und personalité <Eigentum, Individuum und Persönlichkeit> identisch sind, daß in dem moi <Ich> auch das mien <Mein> liege, und er findet darin eine Naturgrundlage für das Privateigentum, daß
"die Natur den Menschen mit einem unvermeidlichen und unveräußerlichen Eigentum begabt hat, dem seines Individuums". (p. 17.) - Das Individuum "sieht klar, daß dieses Ich exklusiver Eigentümer des Körpers ist, den es beseelt, der Organe, die es bewegt, aller ihrer Fähigkeiten, aller ihrer Kräfte, aller Wirkungen, die sie produzieren, aller ihrer Leidenschaften und Handlungen; denn Alles dies endet und beginnt mit diesem Ich, existiert nur durch es, ist nur bewegt durch seine Aktion; und keine andre Person kann diese selben Instrumente anwenden, noch in derselben Weise von ihnen affiziert sein." (p. 16.) - "Das Eigentum existiert, wenn nicht gerade überall, wo ein empfindendes Individuum existiert, mindestens überall, wo ein wollendes Individuum existiert." (p. 19.)
Nachdem er so Privateigentum und Persönlichkeit identifiziert hat, gibt sich nun wie bei "Stirner" vermittelst des Wortspiels mit Mein und Meinung, Eigentum und Eigenheit bei Destutt de Tracy aus propriété <Eigentum> und propre <eigen> folgender Schluß:
"Es ist also durchaus unnütz, darüber zu streiten, ob es nicht besser sei, daß Jedem von uns Nichts eigen wäre (de discuter s'il ne vaudrait pas mieux que rien ne fût propre à chacun de nous) - - in allen Fällen heißt das fragen. ob es nicht wünschenswert sei, daß wir ganz andre wären als wir sind, und selbst untersuchen, ob es nicht besser wäre, daß wir gar nicht seien." (p. 22.)
"Das sind höchst populäre", bereits traditionell gewordene Einwürfe gegen den Kommunismus, "und es ist" ebendeswegen nicht "zu verwundern, daß Stirner" sie wiederholt.
Wenn der bornierte Bourgeois zu den Kommunisten sagt: Indem Ihr das Eigentum, d.h. meine Existenz als Kapitalist, als Grundbesitzer, als Fabrikant, und Eure Existenz als Arbeiter aufhebt, hebt Ihr meine und Eure Individualität auf; indem Ihr es mir unmöglich macht, Euch Arbeiter zu exploitieren, meine Profite, Zinsen oder Renten einzustreichen, macht Ihr es mir unmöglich, als Individuum zu existieren. - Wenn also der Bourgeois den
Kommunisten erklärt: Indem Ihr meine Existenz als Bourgeois aufhebt, hebt Ihr meine Existenz als Individuum auf, wenn er so sich als Bourgeois mit sich als Individuum identifiziert, so ist daran wenigstens die Offenherzigkeit und Unverschämtheit anzuerkennen. Für den Bourgeois ist dies wirklich der Fall; er glaubt nur insofern Individuum zu sein, als er Bourgeois ist.
Sobald aber die Theoretiker der Bourgeoisie hereinkommen und dieser Behauptung einen allgemeinen Ausdruck geben, das Eigentum des Bourgeois mit der Individualität auch theoretisch identifizieren und diese Identifizierung logisch rechtfertigen wollen, fängt der Unsinn erst an, feierlich und heilig zu werden.
"Stirner" widerlegte oben die kommunistische Aufhebung des Privateigentums dadurch, daß er das Privateigentum in das "Haben" verwandelte und dann das Zeitwort "Haben" für ein unentbehrliches Wort, für eine ewige Wahrheit erklärte, weil es auch in der kommunistischen Gesellschaft vorkommen könne, daß er Leibschmerzen "habe". Geradeso begründet er hier die Unabschaffbarkeit des Privateigentums darauf, daß er es in den Begriff des Eigentums verwandelt, den etymologischen Zusammenhang zwischen "Eigentum" und "eigen" exploitiert und das Wort "eigen" für eine ewige Wahrheit erklärt, weil es doch auch unter dem kommunistischen Regime vorkommen kann, daß ihm Leibschmerzen "eigen" sind. Dieser ganze theoretische Unsinn, der sein Asyl in der Etymologie sucht, wäre unmöglich, wenn nicht das wirkliche Privateigentum, das die Kommunisten aufheben wollen, in den abstrakten Begriff "das Eigentum" verwandelt würde. Hiermit erspart man sich einerseits die Mühe, über das wirkliche Privateigentum etwas zu sagen oder auch nur zu wissen, und kann andrerseits leicht dahin kommen, im Kommunismus einen Widerspruch zu entdecken, indem man in ihm, nach der Aufhebung des (wirklichen) Eigentums, allerdings leicht noch allerlei Dinge entdecken kann, die sich unter "das Eigentum" subsumieren lassen. In der Wirklichkeit verhält sich die Sache freilich gerade umgekehrt (49). In der Wirklichkeit habe ich nur insoweit Privateigentum, als ich Verschacherbares habe, während meine Eigenheit durchaus unverschacherbar sein kann. An meinem Rock habe ich nur so lange Privateigentum, als ich ihn wenigstens verschachern, versetzen oder verkaufen kann, [als er verschach]erbar ist. Verliert er diese Eigenschaft, wird er zerlumpt, so kann er für mich noch allerlei Eigenschaften haben, die ihn mir wertvoll machen, er kann sogar zu meiner
Eigenschaft werden und mich zu einem zerlumpten Individuum machen. Aber es wird keinem Ökonomen einfallen, ihn als mein Privateigentum zu rangieren, da er mir über kein auch noch so geringes Quantum fremder Arbeit noch ein Kommando gibt. Der Jurist, der Ideologe des Privateigentums, kann vielleicht noch so etwas faseln. Das Privateigentum entfremdet nicht nur die Individualität der Menschen, sondern auch die der Dinge. Der Grund und Boden hat Nichts mit der Grundrente, die Maschine Nichts mit dem Profit zu tun. Für den Grundbesitzer hat der Grund und Boden nur die Bedeutung der Grundrente, er verpachtet seine Grundstücke und zieht die Rente ein; eine Eigenschaft, die der Boden verlieren kann, ohne irgendeine seiner inhärenten Eigenschaften, ohne z.B. einen Teil seiner Fruchtbarkeit zu verlieren, eine Eigenschaft, deren Maß, ja deren Existenz von gesellschaftlichen Verhältnissen abhängt, die ohne Zutun des einzelnen Grundbesitzers gemacht und aufgehoben werden. Ebenso mit der Maschine. Wie wenig das Geld, die allgemeinste Form des Eigentums, mit der persönlichen Eigentümlichkeit zu tun hat, wie sehr es ihr geradezu entgegengesetzt ist, wußte bereits Shakespeare besser als unser theoretisierender Kleinbürger:
Soviel hievon macht schwarz weiß, häßlich schön,
Schlecht gut, alt jung, feig tapfer, niedrig edel,
Ja dieser rote Sklave - -
Er macht den Aussatz lieblich - -
- - dieser führt
Der überjähr'gen Witwe Freier zu;
Die, von Spital und Wunden giftig eiternd,
Mit Ekel fortgeschickt, verjüngt balsamisch
Zu Maienjugend dies - -
- - sichtbare Gottheit,
Die du Unmöglichkeiten eng verbrüderst,
Zum Kuß sie zwingst!
Mit einem Wort, Grundrente, Profit etc., die wirklichen Daseinsweisen des Privateigentums, sind gesellschaftliche, einer bestimmten Produktionsstufe entsprechende Verhältnisse und "individuelle" nur so lange, als sie noch nicht zur Fessel der vorhandenen Produktivkräfte geworden sind.
Nach Destutt de Tracy muß die Majorität der Menschen, die Proletarier, längst alle Individualität verloren haben, obgleich es heutzutage so aussieht, als entwickle sich unter ihnen noch gerade am meisten Individualität. Der Bourgeois hat es um so leichter, aus seiner Sprache die Identität merkantilischer und individueller oder auch allgemein menschlicher Beziehungen zu beweisen, als diese Sprache selbst ein Produkt der Bourgeoisie ist und daher wie in der Wirklichkeit, so in der Sprache die Verhältnisse des Schachers zur
Grundlage aller andern gemacht worden sind. Z.B. propriété Eigentum und Eigenschaft, property Eigentum und Eigentümlichkeit, "eigen" im merkantilischen Sinn und im individuellen Sinn, valeur, value, Wert - commerce, Verkehr - échange, exchange, Austausch usw., die sowohl für kommerzielle Verhältnisse wie für Eigenschaften und Beziehungen von Individuen als solchen gebraucht werden. In den übrigen modernen Sprachen ist dies ganz ebenso der Fall. Wenn Sankt Max sich ernstlich darauf legt, diese Zweideutig zu exploitieren, so kann er es leicht dahin bringen, eine glänzende Reihe neuer ökonomischer Entdeckungen zu machen, ohne ein Wort von der Ökonomie zu wissen; wie denn auch seine später zu registrierenden neuen ökonomischen Fakta sich ganz innerhalb dieses Kreises der Synonymik halten.
Der gutmütige und leichtgläubige Jacques nimmt den Wortwitz des Bourgeois mit Eigentum und Eigenschaft so genau, in so heiligem Ernst, daß er sich sogar bestrebt, sich als Privateigentümer zu seinen eignen Eigenschaften zu verhalten, wie wir später sehen werden.
p. 421 endlich belehrt "Stirner" den Kommunismus darüber, daß "man" (nämlich der Kommunismus)
"in Wahrheit nicht das Eigentum angreift, sondern die Entfremdung des Eigentums".
Sankt Max wiederholt uns in dieser neuen Offenbarung nur einen alten Witz, den z.B. bereits die Saint-Simonisten vielfach ausgebeutet haben. Vgl. z.B. "Leçons sur l'industrie et les finances", Paris 1832, wo es u.a. heißt:
"Das Eigentum wird nicht abgeschafft, sondern seine Form wird verwandelt, - -, es wird erst zur wahren Personifikation werden, - - es wird erst seinen wirklichen individuellen Charakter erhalten." (p. 42, 43.)
Da diese von den Franzosen aufgebrachte und namentlich von Pierre Leroux outrierte Phrase von den deutschen spekulativen Sozialsten mit vielem Wohlgefallen aufgenommen worden und weiter ausspekuliert ist und zuletzt zu reaktionären Umtrieben und praktischen Beutelschneidereien Anlaß gegeben hat, so werden wir sie hier, wo sie nichtssagend ist, auch nicht behandeln, sondern weiter unten, bei Gelegenheit des wahren Sozialismus.
Sankt Sancho gefällt sich darin, [nach dem] Vorbilde des von Reichardt [exploitierten] Wönigers die Proletarier [und damit] auch die Kommunisten zu "Lum[pen" zu] machen. Er definiert seinen "Lumpen" p. 362 dahin, daß er ein Mensch von nur idealem Reichtum" ist. Wenn die Stirnerschen "Lumpen" einmal, wie im fünfzehnten Jahrhundert die Pariser Bettler, ein Lumpenkönigreich stiften, so wird Sankt Sancho Lumpenkönig, da er der
"vollendete" Lump, ein Mensch von nicht einmal idealem Reichtum ist und daher auch von den Zinsen des Kapitals seiner Meinung zehrt.
Nach dem Sankt Max den Liberalismus und Kommunismus als unvollendete Existenzweisen des philosophischen "Menschen" und damit der neueren deutschen Philosophie überhaupt sich zurechtgemacht hat (wozu er insoweit berechtigt war, als nicht nur der Liberalismus, sondern auch der Kommunismus in Deutschland eine kleinbürgerliche und zugleich überschwenglich-ideologische Gestalt erhalten hat), ist es ihm nunmehr leicht, die neuesten Formen der deutschen Philosophie, den von ihm so genannten "humanen Liberalismus" als vollendeten Liberalismus und Kommunismus und zugleich als Kritik dieser beiden darzustellen.
Durch diese heilige Konstruktion ergehen sich nun folgende drei ergötzliche Wandlungen - (vgl. auch die Ökonomie des Alten Bundes):
1. Der Einzelne ist nicht der Mensch, darum gilt er nichts - kein persönlicher Wille, Ordonnanz - "dessen Namen wird man nennen": "Herrenlos" - politischer Liberalismus, den wir schon oben behandelt haben.
2. Der Einzelne hat nichts Menschliches, darum gilt kein Mein und Dein oder Eigentum: "besitzlos" - Kommunismus, den wir ebenfalls schon behandelt haben.
3. Der Einzelne soll in der Kritik dem jetzt erst gefundenen Menschen Platz machen: "gottlos" = Identität von "Herrenlos" und "besitzlos" - humaner Liberalismus. p. 180, 181. - In der näheren Ausführung dieser letzteren negativen Einheit faßt sich die unerschütterliche Rechtgläubigkeit Jacques' zu folgender Spitze zusammen: p. 189:
"Der Egoismus des Eigentums hat sein Letztes eingebüßt, wenn auch das 'Mein Gott' sinnlos geworden ist, denn" (allergrößtes Denn!) "Gott ist nur, wenn ihm das Heil des Einzelnen am Herzen liegt, wie dieser in ihm sein Heil sucht."
Hiernach hätte der französische Bourgeois erst dann sein "letztes" "Eigentum eingebüßt", wenn das Wort adieu aus der Sprache verbannt [wäre]. Ganz im Einklang mit der bis[herigen] Konstruktion wird hier das Eigentum an Gott, das heilige Eigentum im Himmel, das Eigentum der Phantasie, die Phantasie des Eigentums für das höchste Eigentum und den letzten Notanker des Eigentums erklärt.
Aus diesen drei Illusionen über Liberalismus, Kommunismus und deutsche Philosophie braut er sich nun seinen neuen - diesmal, dem "Heiligen"
sei Dank, den letzten - Übergang zum "Ich". Ehe wir ihm dahin folgen, wollen wir noch einen Blick auf seinen letzten "sauren Lebenskampf" mit dem "humanen Liberalismus" werfen.
Nachdem unser Biedermann Sancho in seiner neuen Rolle als caballero andante <fahrender Ritter>, und zwar als caballero de la tristisima figura <Ritter von der traurigen Gestalt> die ganze Geschichte durchzogen, überall die Geister und Gespenster, die "Drachen und Straußen, Feldteufel und Kobolde, Marder und Geier, Rohrdommeln und Igel" (vgl. Jes[aia] 34, 11-14) bekämpft und "umgeblasen" hat, wie wohl muß ihm jetzt werden, wenn er nun endlich aus allen diesen verschiedenen Ländern auf seine Insel Barataria, in "das Land" als solches kommt, wo "der Mensch" in puris naturalibusa <im reinen Naturzustand> herumläuft! Rufen wir uns noch einmal seinen Großen Satz, das ihm aufgebundene Dogma ins Gedächtnis, worauf seine ganze Geschichtskonstruktion beruht: daß
"die Wahrheiten, die sich aus dem Begriffe des Menschen ergeben, als Offenbarungen eben dieses Begriffes verehrt und - heilig gehalten werden"; den Offenbarungen dieses heiligen Begriffs" werde selbst "durch Abschaffung mancher durch diesen Begriff manifestierten Wahrheiten nicht ihre Heiligkeit genommen". (p. 51.)
Wir brauchen kaum zu wiederholen, was wir dem heiligen Schriftsteller an allen seinen Beispielen nachgewiesen haben, daß man hinterher als Offenbarung des Begriffs "Mensch" konstruiert, darstellt, sich vorstellt, befestigt und rechtfertigt, was empirische, von den wirklichen Menschen in ihrem wirklichen Verkehr, keineswegs vom heiligen Begriff des Men[schen] geschaffene Verhältnisse sind. [Man] rufe sich auch seine Hierarchie [in das] Gedächtnis. Nun zum humanen [Liber]alismus.
[p. 4]4, wo Sankt Max "in Kürze" ["die theo]logische Ansicht Feuerbachs und Unsere [einander] gegenüberstellt", wird Feuerbach zunächst Nichts entgegengestellt als eine Redensart. Wie wir schon bei der Geisterfabrikation sahen, wo "Stirner" seinen Magen unter die Sterne versetzt (dritter Dioskur), Schutzpatron gegen die Seekrankheit), weil er und sein Magen "verschiedene Namen für völlig Verschiedenes" sind (p. 42) so erscheint das Wesen hier zunächst auch als existierendes Ding, und "so heißt es nun" p. 44:
"Das höchste Wesen ist allerdings das Wesen des Menschen, aber eben weil es sein Wesen und nicht er selbst ist, so bleibt es sich ganz gleich, ob wir es außer ihm sehen und als 'Gott' anschauen oder in ihm finden und 'Wesen des Menschen' oder 'der Mensch' nennen. Ich bin weder Gott noch der Mensch, weder das höchste Wesen noch Mein Wesen, und darum ist's in der Hauptsache einerlei, ob Ich das Wesen in Mir oder außer Mir denke."
Das "Wesen des Menschen" ist also hier als ein existierendes Ding vorausgesetzt, es ist "das höchste Wesen", es ist nicht "Ich", und Sankt Max, statt über "das Wesen" etwas zu sagen, beschränkt sich auf die einfache Erklärung, daß es jleichjültig ist, "ob Ich es in Mir oder außer Mir", ob ich es in dieser oder jener Lokalität "denke". Daß diese Gleichgültigkeit gegen das Wesen durchaus keine bloße Nachlässigkeit des Stils ist, geht schon daraus hervor, daß er selbst die Unterscheidung zwischen wesentlich und unwesentlich macht, daß bei ihm selbst sogar "das edle Wesen des Egoismus" p. 71 figurieren kann. Was übrigens bisher von deutschen Theoretikern über Wesen und Unwesen gesagt worden ist, findet sich Alles schon viel besser bei Hegel in der "Logik".
Wir fanden die grenzenlose Rechtgläubigkeit "Stirners" an die Illusionen der deutschen Philosophie darin konzentriert, daß er fortwährend der Geschichte als einzig handelnde Person "den Menschen" unterschiebt und glaubt, "der Mensch" habe die Geschichte gemacht. Wir werden dies jetzt auch wieder bei Feuerbach finden, dessen Illusionen er getreulichst akzeptiert, um darauf weiter fortzubauen.
p. 77. "Überhaupt bewirkt Feuerbach nur eine Umstellung von Subjekt und Prädikat, eine Bevorzugung des Letzteren. Da er aber selbst sagt: 'Die Liebe ist nicht dadurch heilig (und hat den Menschen niemals dadurch für heilig gegolten), daß sie ein Prädikat Gottes, sondern sie ist ein Prädikat Gottes, weil sie durch und für sich selbst göttlich ist', so konnte er finden, daß der Kampf gegen die Prädikate selbst eröffnet werden mußte, gegen die Liebe und alle Heiligkeiten. Wie durfte er hoffen, die Menschen von Gott abzuwenden, wenn er ihnen das Göttliche ließ? Und ist ihnen, wie Feuerbach sagt, Gott selbst nie die Hauptsache gewesen, sondern nur seine Prädikate, so konnte er ihnen immerhin den Flitter noch länger lassen, da ja die Puppe doch blieb, der eigentliche Kern."
Weil Feuerbach also "selbst" das sagt, so ist das Grund genug für Jacques le bonhomme, ihm zu glauben, daß den Menschen die Liebe gegolten habe, - weil sie "durch und für sich selbst göttlich ist". Wenn nun gerade das Umgekehrte von dem, was Feuerbach sagt, stattfand - und wir "erkühnen uns, dies zu sagen" (Wigand, p. 157) -, wenn den Menschen weder Gott noch seine Prädikate jemals die Hauptsache gewesen sind, wenn dies selbst nur die religiöse Illusion der deutschen Theorie ist - so passiert also unsrem Sancho dasselbe, was ihm bereits bei Cervantes passierte, als man ihm vier Pfähle unter seinen Sattel stellte, da er schlief, und seinen Grauen unter ihm wegzog.
Auf diese Aussagen Feuerbachs gestützt, beginnt Sancho den Kampf, der ebenfalls bereits bei Cervantes am neunzehnten vorgezeichnet steht, da der
ingenioso hidalgo <scharfsinnige Adlige> gegen die Prädikate kämpft, die Vermummten, so den Leichnam der Welt zu Grabe tragen, und die, in ihren Talaren und Leichenmänteln verwickelt, sich nicht regen können und es unsrem Hidalgo leicht machen, sie mit seiner Stange umzurennen und weidlich abzuprügeln. Der letzte Versuch, die nun bis zur Ermüdung durchgepeitschte Kritik der Religion als einer eignen Sphäre weiter auszubeuten, innerhalb der Voraussetzungen der deutschen Theorie stehenzubleiben und doch sich den Schein zu geben, als trete man heraus, aus diesem bis zur letz[ten] Faser abgenagten Knochen noch [eine Ru]mfordsche breite Bettelsuppe [für "das] Buch" zu kochen, bestand darin, die materiellen Verhältnisse nicht in ihrer wirklichen Gestalt, nicht einmal in der profanen Illusion der in der heutigen Welt praktisch Befangenen, sondern in dem himmlischen Extrakt ihrer profanen Gestalt als Prädikate, als Emanationen Gottes, als Engel zu bekämpfen. So war nun das Himmelreich wieder bevölkert und der alten Manier der Exploitation dieses Himmelreichs wieder neues Material in Masse geschaffen. So war der Kampf mit der religiösen Illusion, mit Gott, wieder dem wirklichen Kampf untergeschoben. Sankt Bruno, dessen Broterwerb die Theologie ist, macht in seinen "sauren Lebenskämpfen" gegen die Substanz denselben Versuch pro aris et focis <wörtlich: für Altar und Herd; hier: für die eigne Denkweise und die eigne Stellung>, als Theologe aus der Theologie herauszutreten. Seine "Substanz" ist Nichts als die in Einem Namen zusammengefaßten Prädikate Gottes; mit Ausschluß der Persönlichkeit, die er sich vorbehält - der Prädikate Gottes, die wieder nichts sind als die verhimmelten Namen von Vorstellungen der Menschen von ihren bestimmten empirischen Verhältnissen, Vorstellungen, die sie später aus praktischen Gründen heuchlerisch festhalten. Das empirische, materielle Verhalten dieser Menschen kann natürlich mit dem von Hegel ererbten theoretischen Rüstzeug auch nicht einmal verstanden werden. Indem Feuerbach die religiöse Welt als die Illusion der bei ihm selbst nur noch als Phrase vorkommenden irdischen Welt aufzeigte, ergab sich von selbst auch für die deutsche Theorie die von ihm nicht beantwortete Frage: Wie kam es, daß die Menschen sich diese Illusionen "in den Kopf setzten"? Diese Frage bahnte selbst für die deutschen Theoretiker den Weg zur materialistischen, nicht voraussetzungslosen, sondern die wirklichen materiellen Voraussetzungen als solche empirisch beobachtenden und darum erst wirklich kritischen Anschauung der Welt. Dieser Gang war schon angedeutet in den "Deutsch-Französischen Jahrbüchern" in der "Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie" und "Zur Judenfrage". Da dies damals noch in philosophischer Phraseologie geschah, so gaben die hier traditionell unter-
laufenden philosophischen Ausdrücke wie "menschliches Wesen", "Gattung" pp. den deutschen Theoretikern die erwünschte Veranlassung, die wirkliche Entwicklung zu mißverstehen und zu glauben, es handle sich hier wieder nur um eine neue Wendung ihrer abgetragenen theoretischen Röcke - wie denn auch der Dottore Graziano der deutschen Philosophie, der Doktor Arnold Ruge, glaubte, er dürfe hier noch fortwährend mit seinen unbeholfenen Gliedmaßen um sich schlagen und seine pedantisch-burleske Maske zur Schau tragen. Man muß "die Philosophie beiseite liegenlassen" (Wig[and,] p. 187, vgl. Heß, "Die letzten Philosophen", p. 8), man muß aus ihr herausspringen und sich als ein gewöhnlicher Mensch an das Studium der Wirklichkeit geben, wozu auch literarisch ein ungeheures, den Philosophen natürlich unbekanntes Material vorliegt; und wenn man dann einmal wieder Leute wie Krummacher oder "Stirner" vor sich bekommt, so findet man, daß man sie längst "hinter" und unter sich hat. Philosophie und Studium der wirklichen Welt verhalten sich zueinander wie Onanie und Geschlechtsliebe. Sankt Sancho, der trotz seiner von uns mit Geduld und von ihm mit Emphase konstatierten Gedankenlosigkeit innerhalb der Welt der reinen Gedanken stehenbleibt, kann natürlich nur durch ein moralisches Postulat, durch das Postulat der "Gedankenlosigkeit", sich vor ihr retten (p. 196 des "Buchs"). Er ist der Bürger, der sich durch die banqueroute cochonne <schludrigen Bankrott> vor dem Handel rettet, wodurch er natürlich kein Proletarier, sondern unbemittelter bankerutter Bürger wird. Er wird nicht Weltmann, sondern gedankenloser, bankerutter Philosoph.
Die von Feuerbach überlieferten Prädikate Gottes als wirkliche Mächte über die Menschen, als Hierarchen, sind der der empirischen Welt untergeschobne Wechselbalg, den "Stirner" vorfindet. So sehr beruht seine ganze "Eigenheit" nur auf "Eingegebnem". Wenn "Stirner" (s. auch p. 63) Feuerbach vorwirft, er komme zu Nichts, weil er das Prädikat zum Subjekt mache und umgekehrt, [so] kann er nur noch zu viel weniger kommen, [weil] er diese Feuerbachschen, zu Subjekten gemachten Prädikate als wirkliche [die Welt behe]rrschende Persönlichkeiten, diese Phrasen über die Verhältnisse als die wirklichen Verhältnisse treulichst akzeptiert, ihnen das Prädikat heilig beilegt, dies Prädikat in ein Subjekt, "das Heilige", verwandelt, also ganz dasselbe tut, was er Feuerbach zum Vorwurf macht, und nun, nachdem er hierdurch den bestimmten Inhalt, um den es sich handelte, gänzlich losgeworden ist, gegen dies "Heilige", das natürlich immer dasselbe bleibt, seinen Kampf, d.h. seinen "Widerwillen" eröffnet. Bei Feuerbach ist noch das Bewußtsein, was ihm Sankt Max zum Vorwurf macht, "daß es sich bei ihm 'nur um die Vernichtung einer Illusion handelt'" (p. 77 "des Buchs") - obgleich Feuerbach dem Kampfe gegen diese Illusion noch viel zu große Wichtigkeit beilegt. Bei
"Stirner" ist auch dies Bewußtsein "alle jeworden", er glaubt wirklich an die Herrschaft der abstrakten Gedanken der Ideologie in der heutigen Welt, er glaubt, in seinem Kampfe gegen die "Prädikate", die Begriffe, nicht mehr eine Illusion, sondern die wirklichen Herrschermächte der Welt anzugreifen. Daher seine Manier, alles auf den Kopf zu stellen, daher seine enorme Leichtgläubigkeit, mit der er alle scheinheiligen Illusionen, alle heuchlerischen Beteuerungen der Bourgeoisie für bare Münze nimmt. Wie wenig übrigens "die Puppe" "der eigentliche Kern" "des Flitters" und wie lahm dies schöne Gleichnis ist, zeigt sich am besten an "Stirners" eigner "Puppe" - "dem Buch" -, an dem gar kein, weder "eigentlicher" noch un-"eigentlicher" "Kern" vorhanden ist und wo selbst das Wenige, was auf den 491 Seiten vorhanden ist, kaum den Namen "Flitter" verdient. - Sollen wir aber einmal einen "Kern" darin finden, so ist dieser Kern - der deutsche Kleinbürger.
Woher übrigens Sankt Maxens Haß gegen die "Prädikate" stammt, darüber gibt er selbst im apologetischen Kommentar einen höchst naiven Aufschluß. Er zitiert folgende Stelle aus dem "Wesen des Christenthums", p. 31: "Ein wahrer Atheist ist nur der, welchem die Prädikate des göttlichen Wesens, wie z.B. die Liebe, die Weisheit, die Gerechtigkeit Nichts sind, aber nicht der, welchem nur das Subjekt dieser Prädikate Nichts ist" - und ruft dann triumphierend aus: "Trifft dies nicht bei Stirner ein?" - "Hier ist Weisheit." Sankt Max fand in obiger Steile einen Wink, wie man es anfangen müsse, um "am Allerweitesten" zu gehen. Er glaubt Feuerbach, daß dies Obige das "Wesen" des "wahren Atheisten" sei und läßt sich nun von ihm die "Aufgabe" stellen, der "wahre Atheist" zu werden. Der "Einzige" ist "der wahre Atheist".
Noch viel leichtgläubiger als gegen Feuerbach "machiniert" er gegen Sankt Bruno oder "die Kritik". Was er sich alles von "der Kritik" aufbinden läßt, wie er sich unter ihre Polizeiaufsicht stellt, wie sie ihm seine Lebensart, seinen "Beruf" eingibt - wir werden das allgemach sehen. Einstweilen genügt als Probe seines Glaubens an die Kritik, daß er p. 186 "Kritik" und "Masse" als zwei Personen behandelt, die gegeneinander kämpfen und "sich vom Egoismus zu befreien suchen", und p. 187 Beide "für das nimmt, wofür sie sich - ausgeben".
Mit dem Kampf gegen den humanen Liberalismus ist der lange Kampf des Alten Bundes, wo der Mensch ein Zuchtmeister auf den Einzigen war, beendigt; die Zeit ist erfüllet und das Evangelium der Gnade und Freude bricht herein über die sündige Menschheit.
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Der Kampf um "den Menschen" ist die Erfüllung des Wortes, das da geschrieben steht bei Cervantes am einundzwanzigsten, "welches von dem hohen Abenteuer und reichen Gewinnung des Helmes Mambrins handelt". Unser Sancho, der seinem ehemaligen Herrn und jetzigen Knecht Alles nachmacht, hat "den Schwur getan, den Helm Mambrins" - den Menschen - für sich "zu erobern". Nachdem er in seinen verschiedenen "Auszügen" den ersehnten Helm bei den Alten und Neuen, Liberalen und Kommunisten vergebens gesucht hat, "sieht er einen Menschen zu Pferde, der auf seinem Kopfe etwas trägt, welches leuchtet, als wenn es von Gold wäre", und spricht zu Don Quijote-Szeliga: "Wenn Ich mich nicht täusche, so kommt Einer dort zu uns heran, der auf seinem Haupte den Helm Mambrins trägt, wegen dessen Ich den Schwur getan habe, so du weißest." "Nehme sich Eure Herrlichkeit wohl in Acht, was sie sagen und noch mehr, was sie tun", erwidert der im Laufe der Zeit klug gewordene Don Quijote. "Sage Mir, siehst du nicht jenen Ritter, der zu uns herankommt auf einem graugefleckten Roß, und hat auf seinem Haupte einen goldenen Helm?" - "Was Ich sehe und gewahre", erwidert Don Quijote, "ist nur ein Kerl auf einem grauen Esel wie der Eurige, welcher auf seinem Kopfe etwas trägt, was glänzt." - "Also nun das ist der Helm des Mambrin", sagt Sancho.
Unterdessen kam der heilige Barbier Bruno auf seinem Eselein, der Kritik, ruhig herangetrabt, mit seinem Barbierbecken auf dem Kopfe; Sankt Sancho legt seine Lanze auf ihn ein, Sankt Bruno springt von seinem Esel, läßt das Becken liegen (wie wir ihn denn auch hier im Konzil ohne dies Becken auftreten sahen) und läuft querfeldein, "weil er der Kritiker selber ist". Sankt Sancho nimmt hocherfreut den Mambrinshelm auf, und als Don Quijote bemerkt: er sehe einem Barbierbecken vollkommen ähnlich, antwortet Sancho:
"Ohne Zweifel ist dieses famose Stück des verzauberten, 'spukhaft' gewordenen Helmes in die Hand eines Menschen gefallen, der seinen Wert nicht zu schätzen wußte, die eine Hälfte einschmolz und die andre so zurechtgehämmert, daß sie, wie du sagst, ein Barbierbecken zu sein scheint; er möge übrigens für profane Augen aussehen, wie er wolle, für Mich, der Ich seinen Wert kenne, ist das einerlei."
"Die zweite Herrlichkeit, das zweite Eigentum ist nun erworben!"
Jetzt, nachdem er "den Menschen", seinen Helm, erworben hat, stellt er sich ihm gegenüber, verhält sich zu ihm wie zu seinem "unversöhnlichsten Feind" und erklärt ihm rundheraus (warum, werden wir später sehen), daß Er (Sankt Sancho) nicht "der Mensch", sondern "der Unmensch, das Unmenschliche" sei. Als dieses "Unmenschliche" zieht er nun auf die Sierra Morena, um sich durch Büßungen auf die Herrlichkeit des Neuen Bundes
vorzubereiten. Dort zieht er sich "splitternackt" aus (p. 184), um seine Eigenheit zu erlangen und um Das zu übertreffen, was sein Vorläufer bei Cervantes am fünfundzwanzigsten tut: "Und sich mit aller Eile der Hosen entkleidend, blieb er halbnackt im Hemde und machte, ohne sich zu besinnen, zwei Bocksprünge in der Luft, den Kopf nach unten, die Beine nach oben, Dinge enthüllend, die seinen getreuen Schildknappen veranlaßten, Rozinante herumzuwerfen, um sie nicht zu sehen. - "Das Unmenschliche" übertrifft sein profanes Vorbild bei weitem. Es "kehrt entschloßnen Mutes sich selbst den Rücken und wendet sich dadurch auch von dem beunruhigenden Kritiker ab" und "läßt ihn stehen". "Das Unmenschliche" läßt sich dann mit der "stehengelassenen" Kritik in eine Disputation ein, es "verachtet sich selbst", es "denkt sich im Vergleich zu einem Andern", es "befiehlt Gott", es "sucht sein besseres Selbst außer sich", es tut Buße dafür, daß es noch nicht einzig war, es erklärt sich für das Einzige, "das Egoistische und das Einzige" - obwohl es dies kaum noch zu erklären brauchte, nachdem es sich selbst entschloßnen Muts den Rücken gekehrt hat. Alles dies hat "das Unmenschliche" aus sich selbst vollbracht (siehe Pfister, "Geschichte der Teutschen"), und nun reitet Es auf seinem Grauen geläutert und triumphierend in das Reich des Einzigen ein.
Ende des Alten Testaments.
Datum der letzten Änderung : Jena, den : 09.02.2013