KZ Buchenwald

Eine Chronik des Grauens

1937
15. Juli
Auf dem Ettersberg treffen die ersten 149 Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen ein. In den folgenden Wochen löst die SS die Konzentrationslager Sachsenburg und Lichtenburg auf und bringt die Insassen - Widerständler, Zeugen Jehovas, vorbestrafte Kriminelle und vereinzelt auch Homosexuelle - in das neue Lager. Sie müssen den Wald roden, Kanalisation und Stromleitungen legen, Straßen, Kasernen, Wohnhäuser, Garagen und ein Barackenlager bauen. Lagerkommandant ist Karl Koch.
28. Juli
Das neue Konzentrationslager "K.L. Ettersberg" wird nach einem Einspruch der Weimarer NS-Kulturgemeinde in "K.L. Buchenwald/ Post Weimar" umbenannt.
14. August
Der 23jährige Altonaer Arbeiter Hermann Kempeck wird erhängt aufgefunden. Er ist der erste Tote des KZ Buchenwald.
Jahresende
Im Lager auf dem Ettersberg befinden sich 2561 Gefangene. Seit Sommer sind 48 von ihnen gestorben und im Städtischen Krematorium Weimar eingeäschert worden.
1938
Februar
Belegung des "Bunkers", wie der Zellenbau im Torgebäude von den Häftlingen genannt wird. Unter dem SS-Aufseher Martin Sommer wird er zur Folter- und Mordstätte des Lagers.
April
Beginn der Massenverhaftung sogenannter Arbeitsscheuer. Tausende, die eine zugewiesene Arbeit verweigert haben, obdachlos oder nicht seßhaft sind, werden in die Konzentrationslager gebracht.
1. Mai
Die SS führt in allen Häftlingskategorien die Untergruppe Juden ein. Entzug der Mittagskost für das gesamte Lager wegen eines angeblichen Diebstahles von Radieschen aus der Gärtnerei.
Mai
Lagerkommandant Karl Koch setzt die tägliche Wasserration pro Baracke auf vier Eimer fest. Chronischer Wassermangel begleitet die Aufbauzeit.
4. Juni
Auf dem Appellplatz wird der Arbeiter Emil Bargatzky vor den angetretenen Häftlingen am Galgen erhängt. Es ist die erste öffentliche Hinrichtung in einem deutschen Konzentrationslager.
Mitte Juni
Mehr als tausend Juden werden im Schafstall und im Rohbau der Häftlingsküche ohne Betten, Bänke und Tische untergebracht. Die SS richtet sich neben dem Stacheldrahtzaun einen Zoo ein.
26. Juni
Bei einer "Barackendurchsuchung" verwüsten SS-Leute die Baracken, zerschlagen Fensterscheiben, reißen Fensterbretter ab, schlitzten über 300 Strohsäcke auf und zerschneiden Bettlaken und Wolldecken. Laut Diensttagebuch des 1. Schutzhaftlagerführers kommen an diesem Tag drei Juden um. Hinter der Nummer des einen ist vermerkt: "vor der Baracke zusammengebrochen und verstorben".
September
Mit Transporten aus Dachau kommen die ersten österreicher in das Lager. Unter ihnen sind viele Prominente jüdischer Herkunft aus Kunst, Bildung und Wissenschaft.
Oktober
Die Zahl der Insassen übersteigt erstmals die Zehntausend.
November
Nach den antijüdischen Pogromen werden 9 845 Juden in einen Stacheldrahtpferch gedrängt, grausam mißhandelt und ausgeraubt. 255 Juden verlieren dabei ihr Leben.
Dezember
Der Schriftsteller Fritz Löhner (Künstlername: Beda) und der Komponist Hermann Leopoldi, beide als österreichische Juden in Buchenwald inhaftiert, schaffen das "Buchenwaldlied".
21. Dezember
Der Sozialdemokrat Peter Forster wird auf dem Appellplatz am Galgen hingerichtet.
Jahresende
Die Lagerstärke liegt bei 11 028 Gefangenen. Unter den 771 Toten des Lagers im Jahre 1938 waren 408 Juden.
1939
Februar
Infolge der überfüllung und des anhaltenden Wassermangels bricht die erste Typhusepidemie aus. über das Lager wird eine Quarantäne verhängt.
1. April
Im Bereich der Lagerkommandantur nimmt das Sonderstandesamt "Weimar II" die Arbeit auf, die vorrangig in der Registrierung von Toten besteht.
19./20. April
Entlassungen im Gefolge einer "Gnadenaktion" zu Hitlers Geburtstag.
18. Juli
Nach mehr als einem Jahr im "Bunker" stirbt der evangelische Pfarrer Paul Schneider an den Folgen einer Behandlung im Krankenbau.
6. September
Die Lebensmittelration für Juden wird auf täglich 400 Gramm Brot und einen Liter Suppe herabgesetzt. Trotz Todesdrohung verweigern die Zeugen Jehovas auf dem Appellplatz vor den Maschinengewehren der SS geschlossen die Meldung zur Wehrmacht.
27. September
Am Appellplatz wird ein Sonderlager errichtet. Zu seinen ersten Insassen gehören 110 Polen, die von der SS in einen Drahtverhau eingepfercht werden, wo sie binnen weniger Wochen verhungern und erfrieren.
Oktober
Nach Kriegsbeginn werden 8 500 Männer eingewiesen, darunter etwa 700 Tschechen, Hunderte burgenländische Roma, über 2 200 Polen und mehr als tausend Wiener Juden. über 3 000 Polen und Juden werden von der SS im Sonderlager am Appellplatz in Zelten zusammengedrängt. Das Sonderlager wird zum Schauplatz eines Sterbens, das durch gezieltes Aushungern, Terror und Vernachlässigung die Züge eines Massenmordes erhält.
1. November
Nach Ausbruch einer Ruhrepidemie wird Lagersperre verhängt.
9. November
Nach dem am Vorabend begangenen Attentat gegen Hitler in München rächt sich die SS an den Juden des Lagers. 21 Juden werden im Steinbruch durch ein Exekutionskommando ermordet. Für alle Juden des Lagers folgen drei Tage Essenentzug.
November
Wegen Diebstahls eines Schweines aus den Stallungen am nordwestlichen Lagerrand müssen alle Häftlinge mehrere Tage hungern.
Jahresende
Im Lager befinden sich 11 807 Häftlinge. 1939 sind 1 235 Gefangene in Buchenwald gestorben.
Eingangstor mit dem Spruch „Jedem das Seine“ – eine Schrift im von den Nazis verfemten Bauhausstil, gestaltet durch den Häftling und Bauhausschüler Franz Ehrlich
1940
Jahresbeginn
Hunderte Häftlinge, besonders burgenländische Roma und Wiener Juden, fallen im Winter der Kälte und der Zwangsarbeit zum Opfer oder werden durch Injektionen ermordet. Neben dem Appellplatz beginnt der Bau des Krematoriums.
Februar
Das Sonderlager auf dem Appellplatz wird aufgelöst. Fast die Hälfte der Insassen ist gestorben.
3. April
Ernst Heilmann, Mitglied des Deutschen Reichstages und Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im Preußischen Landtag, wird durch Giftinjektion ermordet.
Mai
Lagerkommandant Koch läßt für sich und seine Frau eine Reithalle bauen.
 
Juli
232 niederländische Geiseln werden eingeliefert.
 
22. August
über die Stapo-Leitstelle Posen werden 640 Polen eingeliefert.
 
September
Anordnung, den Toten vor der Einäscherung die Goldzähne herauszuziehen. Seit Sommer ist das Krematorium im Lager in Betrieb.
 
Jahresende
7 440 Gefangene befinden sich im Lager. Im Laufe des Jahres sind 1 772 gestorben.
 
1941
 
20. Februar
389 niederländische Juden werden ins KZ Buchenwald eingeliefert.
Mai/Juni
Die SS verlegt die niederländischen Juden sowie die Mehrzahl der Sinti und Roma des Lagers in das KZ Mauthausen bei Linz, wo sie in den Steinbrüchen zugrunde gehen.
5./12. Juli
Vom KZ Dachau kommen zwei Häftlingstransporte polnischer und jüdischer Häftlinge. Ihr körperlicher Zustand ist schlecht. Zeitweise vom übrigen Lager isoliert, werden die Tuberkulosekranken durch todbringende Injektionen ermordet. 
13./14 Juli
Mit zwei Transporten der Mordaktion unter dem Aktenzeichen 14 f 13 bringt die SS 187 kranke oder invalide Häftlinge in die "Euthanasie"-Tötungsanstalt Sonnenstein bei Pirna und läßt sie im Gas ersticken.
 
September
Im Schießstand der Deutschen Ausrüstungswerke neben dem Lager erschießt die SS die ersten sowjetischen Kriegsgefangenen, die im Lager eintreffen. Später entsteht in einem ehemaligen SS-Pferdestall westlich des Lagers eine Erschießungsanlage. Vom SS-Kommando 99 werden in den folgenden zwei Jahren dort schätzungsweise 8 000 sowjetische Kriegsgefangene durch Genickschuß ermordet.
 
18. Oktober
Ein Transport mit 2 000 sowjetischen Kriegsgefangenen kommt an. Die SS richtet ein Kriegsgefangenenlager im westlichen Lagerteil ein.
 
November
Eine Kommission von "Euthanasie"-Gutachtern sondert Häftlinge zur Vernichtung aus.
 
Jahresende
Lagerkommandant Koch wird nach Lublin versetzt. Im Lager befinden sich 7 911 Häftlinge und 1 903 sowjetische Kriegsgefangene. 1 522 Männer sind 1941 im Lager gestorben. Die durch Genickschuß ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen erscheinen in keiner Statistik.
1942
Januar
Hermann Pister tritt den Dienst als neuer Lagerkommandant an. In den Baracken 44 und 49 beginnen Versuche an Häftlingen mit Testimpfstoffen der Behring-Werke Marburg/Lahn, des Robert-Koch-Instituts Berlin und des Instituts für Fleckfieber- und Virusforschung des Oberkommandos des Heeres Krakau. 145 Gefangene werden künstlich infiziert, fünf sterben im Verlauf des Versuches.
Februar
In den Weimarer Gustloff-Werken entsteht das erste Außenkommando bei einem Rüstungsbetrieb. Bevor im Herbst 1943 ein Außenlager in Weimar gebaut wird, kommen die Häftlinge täglich aus dem Lager zur Arbeit. 
März
Die SS läßt in der Gaskammer der "Euthanasie"-Tötungsanstalt Bernburg 384 jüdische Häftlinge ermorden.
 
11. Mai
Bei Poppenhausen in Thüringen erhängt die Buchenwalder SS als "Sühnemaßnahme" öffentlich 20 polnische Häftlinge.
 
Juli
300 Behinderte und 51 Geistliche werden in das KZ Dachau bei München verlegt. An der Straße nach Weimar beginnt der Bau der Gewehrfabrik für das Fritz-Sauckel-Werk der Wilhelm-Gustloff-NS-Industriestiftung. Mitte des Jahres beginnt die Masseneinweisung sowjetischer Zwangsarbeiter in das Lager. Bis Anfang 1943 sind das etwa 4 500.
 
August
Das SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt, dem die Verwaltung der Konzentrationslager untersteht, ordnet die Ablieferung der abgeschnittenen Haare zur Herstellung von Filz und Textilien an. In der Fleckfieberversuchsstation, die sich jetzt in Baracke 46 befindet, beginnt eine neue Versuchsreihe an Häftlingen. Der Lagerarzt regt an, die Totenmeldungen bei sowjetischen Häftlingen auf ein Minimum zu reduzieren.
 
Oktober
405 Juden werden nach Auschwitz gebracht. Im Krematorium, dessen Ausbau abgeschlossen wird, geht der zweite neue Verbrennungsofen der Firma Topf & Söhne, Erfurt, in Betrieb.
 
Jahresende
Die SS läßt ein Desinfektionsgebäude bauen und die Barackenstadt durch ein Quarantänelager (Kleines Lager) erweitern. Im Lager befinden sich 9 517 Häftlinge. 1942 starben 2 898 Gefangene, das heißt durchschnittlich jeder dritte Insasse.
1943

Januar
Das Kleine Lager wird mit Häftlingen belegt.
März
Der Rüstungsbetrieb neben dem Lager, das sogenannte Gustloff-Werk II, nimmt mit Häftlingsarbeitskräften die Produktion auf. Der Bau einer Bahnstrecke nach Weimar beginnt. Häftlinge müssen sie in nur drei Monaten errichten. Bei der Erla-Maschinenwerk GmbH in Leipzig, bei den Junkers Flugzeugwerken in Schönebeck und bei den Rautalwerken Wernigerode entstehen große Außenlager, wo Buchenwaldhäftlinge zur Arbeit in der Rüstungsindustrie gezwungen werden. Große Transporte von polnischen Häftlingen treffen aus Auschwitz und Majdanek ein.
April
Im Block 46 findet die dreizehnte Versuchsreihe an Häftlingen statt, diesmal mit Fleckfiebertherapeutika der Firma Hoechst. über die Hälfte der Versuchspersonen sterben während des Experiments, das bis Ende Mai dauert, qualvoll. 
Mai
Französische Regierungsmitglieder, darunter die früheren Ministerpräsidenten Édouard Daladier, Paul Reynaud und Léon Blum, werden im SS-Falkenhof interniert. Léon Blum bleibt dort bis zum April 1945.
 
Juni
Der erste große Transport von Franzosen aus dem Durchgangslager Compiègne in Nordfrankreich trifft ein.
 
August
Bei Nordhausen entsteht unter Tage das Außenlager "Dora" zur Vorbereitung der Raketenproduktion. In den ersten sechs Monaten des Stollenbaus kommen 2 900 Häftlinge ums Leben. Die ersten großen Transporte aus der Ukraine kommen in Buchenwald an.
 
Jahresende
Die Lagerstärke ist auf 37319 Gefangene angewachsen. Unter ihnen sind 14 500 Russen, 7 500 Polen, 4 700 Franzosen und 4 800 Deutsche und österreicher. Fast die Hälfte von ihnen befindet sich in Außenlagern. 3 516 Häftlinge sterben 1943 im Buchenwalder Lagerkomplex.
1944
Januar
348 norwegische Studenten werden eingeliefert, die 1943 an der Universität Oslo verhaftet worden waren. Die SS verlegt im Januar und Februar 1888 Kranke und Schwache aus dem Außenlager "Dora" in das Konzentrations- und Vernichtungslager Majdanek.
 
März
Die Anzahl der Außenlager auf 22 erhöht. Jeder Zweite der insgesamt 42 000 Häftlinge muß dort für die Kriegswirtschaft arbeiten. Eine Erhebung ergibt, daß 81 Prozent der Häftlinge des Hauptlagers, das heißt 18 990 von 21 500 Menschen, chronisch unterernährt sind, und jeder Zehnte unter offener Tuberkulose leidet. Die SS verlegt 1 000 Kranke aus dem Außenlager "Dora" in das KZ Bergen-Belsen.
 
April
Ein Transport von Sinti und Roma, darunter viele Jugendliche, kommt aus Auschwitz.
 
Mai
Von Mai bis Juli werden 8 000 ungarische Juden - in Auschwitz für die Baustäbe der SS aus dem Vernichtungsprozeß ausgesondert - nach Buchenwald gebracht und in gesonderten Außenlagern schonungslos zugrunde gerichtet.
 
15. August
Durch Evakuierungstrecks aus aufgelösten und frontnahen Lagern im Westen ist das Stammlager mit 31491 Menschen überfüllt. Tausende bleiben unter freiem Himmel oder in Zelten. In den 64 Außenlagern befinden sich weitere 43 500 Häftlinge.
 
Mitte August
Im Rahmen der Verhaftungsaktion "Gitter" und "Gewitter", die dem Attentat auf Hitler folgt, bringt die Gestapo 742 frühere Mandatsträger und bekannte Mitglieder von Parteien der Weimarer Republik in das Lager.
 
18. August
Im Krematorium wird der Vorsitzende der KPD Ernst Thälmann erschossen.
 
20. August
Mit einem Transport aus Paris kommen 167 alliierte Flieger, die über Frankreich abgeschossen wurden, in das Kleine Lager, wo sie bis Oktober bleiben.
 
24. August
Alliierte Bomber greifen die nahe am Stammlager befindlichen Rüstungsbetriebe und SS-Einrichtungen an und zerstören sie zu großen Teilen. Da die Häftlinge in der Nähe des Werkes bleiben müssen, gibt es 2 000 Verletzte und 388 Tote unter ihnen.
 
28. August
Ein Vernichtungstransport mit 74 jüdischen Frauen und Kindern verläßt das Außenkommando Hugo-Schneider AG Leipzig in Richtung Auschwitz. Im Außenlager Leipzig der Hugo-Schneider AG wird ein jüdisches Mädchen geboren; es stirbt am 31. August. Im August/September übernimmt die SS-Administration von Buchenwald Außenlager des KZ Ravensbrück mit Tausenden von Frauen.
 
26. September
200 Kinder und Jugendliche, alles Sinti- und Roma, werden aus Buchenwald zur Vernichtung nach Auschwitz geschickt.
 
Ende September/Anfang Oktober
1 953 dänische Polizeiangehörige werden nach Buchenwald gebracht. 60 von ihnen sterben im Kleinen Lager, bevor man die überlebenden Ende des Jahres weiter verlegt.
 
6. Oktober
Nach einer Aussonderung der kranken jüdischen Häftlinge der Außenlager der Braunkohle-Benzin AG in Rehmsdorf und Magdeburg schickt die SS 1 188 Juden zur Vernichtung nach Auschwitz. Bis Dezember folgen aus anderen Außenlagern weitere Vernichtungstransporte, mit den jüdische Männer, Frauen und Kinder sowie Sinti und Roma in den Tod geschickt werden.
 
Ende Oktober
Aus dem Außenlager "Dora" und seinen Subkommandos wird das selbständige Konzentrationslager "Mittelbau".
 
Dezember
Durch die Auflösung der Zwangsarbeitslager in Tschenstochau (Czestochowa), Piotrków und des KZ Plaszów erhöht sich die Zahl der jüdischen Häftlinge des KZ Buchenwald bis Jahresende auf 15 500. Mehr als ein Drittel der 87000 Menschen, die Ende 1944 in den Buchenwalder Männer- und Frauenlagern gefangengehalten werden, sind Jugendliche bis zu 20 Jahren.
 
Jahresende
In Buchenwald und seinen Außenlagern werden 63 048 Männer und 24 210 Frauen gefangen gehalten. 1944 starben 8 644 Häftlinge. 
1945
Januar
Vor der heranrückenden Roten Armee löst die SS die noch bestehenden Arbeits- und Konzentrationslager im besetzten Polen auf und treibt die Insassen auf mörderische Evakuierungsmärsche. Am 18. und 20. Januar treffen 4 200 Juden aus Tschenstochau (Czestochowa) ein, vom 22. Januar bis 5. Februar 7 350 in der Mehrzahl Juden aus Auschwitz und vom 10. Februar bis 5. März weitere 7 800 vorwiegend jüdische Häftlinge aus Groß-Rosen. Diejenigen, die in Buchenwald lebend ankommen, sind von Erschöpfung, Hunger und Kälte gezeichnet und oftmals todkrank. In den meist offenen Stückgutwaggons liegen Hunderte von Toten.
 
Februar
Buchenwald ist das größte unter den noch bestehenden Konzentrationslagern. Ende Februar befinden sich im Stammlager und in 88 Außenlagern 11 2000 Menschen hinter Stacheldraht, davon 25 000 Frauen. Ein Drittel der inhaftierten Männer und Frauen sind Juden. Das am nördlichen Rand der Buchenwalder Barackenstadt gelegene Kleine Lager wird ab Januar zum Auffangbecken für die Massentransporte. Tausende werden von dort aus in das KZ Mittelbau und in Außenlager weitergeschickt. Die Zahl der Sterbenden, Kranken und Schwachen, die im Kleinen Lager zurückbleiben, steigt täglich. Im Keller einer SS-Kaserne werden Sondergefangene untergebracht, darunter Dr. Dietrich Bonhoeffer. Familienangehörige der am Attentat auf Hitler beteiligten Offiziere und Politiker werden in der Isolierbaracke neben dem "Sonderlager Fichtenhain" interniert, wo sie bis zum April bleiben.
 
März/April
Bis zuletzt hält die SS ihr Zwangsarbeitssystem aufrecht. Erst bei unmittelbarer Frontnähe werden die Außenlager geräumt. Die SS metzelt die Gehunfähigen nieder und richtet Massaker in Leipzig, Gardelegen und Ohrdruf an.
 
Anfang April
Am Abend des 6. April befinden sich im Stammlager auf dem Ettersberg 47 500 Häftlinge, davon 22 900 in den Baracken des Hauptlagers und 18000 in den Pferdeställen des Kleinen Lagers. Im Gelände der Deutschen Ausrüstungswerke hat die SS bereits am Vortag 6 600 Juden zur Evakuierung zusammengetrieben. Lagerkommandant Pister befiehlt die Räumung des Lagers.
 
7. bis 10. April
28 000 Menschen aus dem Stammlager werden in Richtung der Konzentrationslager Dachau und Flossenbürg sowie zum Ghetto Theresienstadt per Bahn in Marsch gesetzt oder zu Fuß getrieben. Tausende kommen auf diesen Märschen um.
 
Am 11. April erreicht die 6. Panzerdivision der 3. US-Armee das Konzentrationslager Buchenwald. Nach der Flucht der SS besetzen Häftlinge des Lagerwiderstandes noch während der Kämpfe die Türme und übernehmen die Ordnung und Verwaltung des Lagers. 21 000 Häftlinge erleben ihre Befreiung und die Ankunft der US-Armee.
 
Seit Jahresbeginn 1945 bis zum 11. April sind im KZ Buchenwald 13969 Menschen gestorben. Hunderte gehen noch in den ersten Wochen nach der Befreiung an den Folgen der Haft zugrunde. über die Toten der Evakuierungsmärsche gibt es nur Schätzungen. Sie liegen bei 12 bis 15 000 Opfern.
 
13. April
Auf einer Versammlung deutscher und österreichischer Sozialdemokraten, an der auch französische, polnische, belgische, tschechische, dänische und niederländische Sozialisten teilnehmen, verliest Hermann L. Brill das "Manifest der demokratischen Sozialisten des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald". Es ist das wichtigste programmatische Dokument für den Weg in die Nachkriegszeit, das in Buchenwald verfaßt wird.
16. April
Auf Befehl des amerikanischen Kommandanten müssen 1 000 Weimarer Bürger das Lager besichtigen, in dem die Spuren des Massensterbens und der Greuel noch für jeden sichtbar sind.
19. April
Internationale Trauerfeier für die Toten des Lagers. Die überlebenden geben sich ein Versprechen, das später als "Schwur von Buchenwald" bekannt wird.
 
Mai bis August
Die überlebenden verlassen in Gruppen das Lager.
 
Juli/August
übergabe des Lagers an die sowjetische Militäradministration. Einrichtung des sogenannten "Speziallagers Nr. 2".
1945
Das sogenannte Speziallager 2 Buchenwald, errichtet im August 1945, war eines der insgesamt 10 Lager und drei Gefängnisse in der sowjetischen Besatzungszone, die von der Besatzungsmacht zur Internierung von Deutschen benutzt wurden.
 
Der sowjetische Sicherheitsdienst führte die vorhandenen Baulichkeiten des Konzentrationslagers weiter und lieferte zunächst Menschen aus der Region ein. Bis zum Jahresende 1945 wuchs die Anzahl der internierten Personen auf fast 6 000 an. Nach bisherigen Recherchen befanden sich unter den Internierten: eine kleine Gruppe von Hauptschuldigen an den NS-Verbrechen, eine größere Anzahl kleiner und mittlerer ehemaliger Funktionäre der NSDAP, des nationalsozialistischen Staates und der Wirtschaft, eine Gruppe von Mitgliedern der Hitlerjugend oder Hitlerjugendführer, Angehörige der Waffen-SS, Polizeiangehörige und Offiziere der Wehrmacht sowie eine Vielzahl von Personen, die infolge von Denunziationen, Verwechslungen und willkürlichen Festnahmen in das Lager gekommen waren. Unter den zwischen August 1945 und Februar 1950 im Speziallager 2 gefangengehaltenen 28 455 Menschen (offizielle sowjetische Angabe) gab es auch etwa 1 000 Frauen. Bisherigen Forschungsergebnissen zufolge blieb der Anteil neuer politischer Gegner der Besatzungsmacht und der in der östlichen Besatzungszone entstehenden politischen Ordnung gering. Mehrfach wurde das Lager mit Transporten aus anderen, aufgelösten Internierungslagern aufgefüllt. Die höchste Belegung hatte das Speziallager 2 im Frühjahr 1947 mit 1 6371 Inhaftierten. Etwa 1 500 Personen wurden, vornehmlich zum Arbeitseinsatz, in die UdSSR gebracht.
1950
Ab 16. Januar begann die Auflösung des Lagers, die einen Monat später ihren Abschluß fand. 2 415 Personen wurden der DDR-Justiz übergeben, die sie in den berüchtigten "Waldheim-Prozessen" aburteilte, die übrigen entlassen.
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 13.10. 2021