Natriumkanal
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Als Natriumkanäle werden in der Physiologie und Zellbiologie Ionenkanäle bezeichnet, die eine spezifische und mehr oder weniger selektive Leitfähigkeit für Natrium-Ionen aufweisen.
Wie andere Ionenkanäle können Natriumkanäle spannungsaktiviert oder nicht spannungsaktiviert sein. Derzeit sind neun verschiedene Subtypen spannungsaktivierter Natriumkanäle bekannt. Der gebräuchlichen Nomenklatur entsprechend werden sie als Nav1.1 bis Nav1.9 bezeichnet. Der Index v steht für voltage-activated (dt. ‚spannungsaktiviert‘), die erste Ziffer kennzeichnet die Genfamilie (bisher nur eine bekannt), die zweite Ziffer steht für ein bekanntes Gen (zurzeit 1 bis 9, angeordnet in der Reihenfolge ihrer Entdeckung).
Besonders dicht sind spannungsaktivierte Natriumkanäle in elektrisch erregbaren Zellen exprimiert. Dort ist ihre Aktivierung verantwortlich für die Erzeugung von Aktionspotentialen. Unter physiologischen Bedingungen ist die elektrochemische Triebkraft für Natrium-Ionen so gerichtet, dass durch geöffnete Natriumkanäle Natrium-Ionen aus dem Extrazellularraum in die Zelle einströmen, etwa 10.000 pro ms pro Kanal. Die gleichzeitige Öffnung vieler spannungsaktivierter Natriumkanäle bei Erreichen der Potentialschwelle verstärkt durch den resultierenden Einwärtsstrom die Depolarisation, was zum schnellen Anstieg des Membranpotentials („Aufstrich“ genannt) führt. Der spannungsabhängige Natriumkanal verfügt über eine Inaktivierungsdomäne (sog. ball-and-chain-Mechanismus), die nach der Öffnung des Natriumkanals und dem Durchtritt von Natrium-Ionen diesen zeitlich versetzt (1–2 ms) in einen inaktiven Zustand überführt, in dem keine weiteren Natrium-Ionen durchtreten können. Die spannungsabhängige Domäne des Natriumkanals wird wiederum geschlossen und nach weiteren 2–5 ms öffnet auch die Inaktivierungsdomäne, wodurch der Kanal wieder in den closed-resting Zustand überführt wird, in dem er durch elektrische Reize erregbar ist.
Ein Beispiel für einen nichtspannungsaktivierten Natriumkanal ist der epitheliale Natriumkanal (epithelial Na channel, ENaC). Er ist beispielsweise im Sammelrohr und in den proximalen Tubuluszellen der Niere verantwortlich für die Rückresorption von Natrium-Ionen aus dem Primärharn. Pharmakologische Hemmstoffe des ENaC werden als Diuretika therapeutisch zur Ausschwemmung von Ödemen und zur Behandlung der arteriellen Hypertonie eingesetzt. Da sie nicht zu einer vermehrten Kaliumausscheidung führen, werden solche Diuretika auch als „kaliumsparende“ Diuretika bezeichnet.
Antiepileptika und Lokalanästhetika blockieren die Natriumkanäle und unterbinden so die Auslösung eines Aktionspotentials. Auch Riluzol ist ein Natriumkanal-Blocker und wirkt neuroprotektiv.
Literatur
- T. M. Jessell, E. R. Kandel, J. H. Schwartz: Principles of Neural Science. 4. Auflage. McGraw-Hill, New York 2000, ISBN 0-8385-7701-6.
- Bertil Hillel: Ion Channels of Excitable Membranes. 3. Auflage. Sinauer, Sunderland, Mass 2001, ISBN 0-87893-321-2.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 02.10. 2024